Protokoll der Sitzung vom 25.01.2018

gemäß § 59 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Abgeordnetenhauses von Berlin

Ich rufe auf

lfd. Nr. 3.1:

Priorität der Fraktion der FDP

Tagesordnungspunkt 23

Kein Schnellschuss für die Tramstrecke Alexanderplatz-Potsdamer Platz

Antrag der Fraktion der FDP Drucksache 18/0771

In der Beratung beginnt die Fraktion der FDP, und hier beginnt der Abgeordnete Herr Schmidt. – Sie haben das Wort, bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Spätestens seit den Haushaltsberatungen ist ja bekannt, dass die Freien Demokraten genau diese Straßenbahnlinie Alexanderplatz-Potsdamer Platz äußerst kritisch sehen, und das auch mit gutem Grund.

[Beifall bei der FDP]

Und es geht heute in der Debatte um genau diese Trasse – nicht wie gestern in diversen Social-Media-Debatten nach unserer Aktion vor Ort oder wie es manchmal in diesem Hause ist, wie ich es heute wieder befürchte, um eine allgemeine Debatte um die Straßenbahn und das Auto. Nein, es geht ganz konkret darum, ob genau an dieser Stelle genau diese Straßenbahnführung einfach einmal so hingeklotzt werden soll.

[Beifall bei der FDP]

Die Straßenbahn durch die Leipziger Straße geht nämlich mitten durch einen bestehenden Engpass, in dem sich der Straßenverkehr heute regelmäßig staut. Jeder, der dort entlangfährt, kann das sehen und weiß, wie problematisch der Engpass ist – weniger als 22 Meter breit, mehr als 40 000 Autos am Tag. Die neue Straßenbahn würde diesen Stau noch weiter und in absolut unzumutbarer Weise verstärken. Nach Berechnungen der Planer würde ein Viertel der Autos weniger durchkommen, und die Straßenbahn stünde auch selber im Stau. Das hilft der Straßenbahn nicht; das ist schlimm für die Autofahrer und Autofahrerinnen. Aber es ist auch schlimm für die Anwohner.

[Beifall bei der FDP]

Und die waren vor vielen Jahren, als die Straßenbahn dort schon einmal konkret diskutiert wurde, auch überhaupt nicht begeistert.

Diese sehr spezielle Trassenführung beruht auf einer Machbarkeitsstudie, und deshalb ist es durchaus interessant, sie einmal genauer anzuschauen. Da steht z. B.: Aufgrund der Stauanfälligkeit der Leipziger Straße hätte die betrachtete Südvariante zu Reisezeitgewinnen geführt. – Stauanfälligkeit der Leipziger Straße! Beim wesentlichen Argument der Studie bitte ich Sie jetzt einmal, genauer hinzuhören: Das Verlassen des geradlinigen Korridors hätte erhebliche psychologische Nachteile. Die Trassierung wäre nämlich von den Fahrgästen als eine Kapitulation des ÖPNV vor dem motorisierten Individualverkehr empfunden worden. – So steht das da drin. Kurz: Eine andere Trasse wäre schneller, verursacht weniger Staus. Man will sie aus rein ideologischen Gründen nicht weiter untersuchen, und wenn wir als FDP öfter gefragt werden, was wir mit ideologischer Verkehrspolitik meinen: genau das!

[Beifall bei der FDP]

(Dr. Gottfried Ludewig)

Solche Aussagen haben mit fachlicher Verkehrsplanung nichts zu tun; wenn der Kampf gegen das Auto zum Selbstzweck der Verkehrsplanung wird, dann ist das nur noch plumpe Ideologie.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der AfD]

Es ist auch dringend nötig, jetzt die Gelegenheit zu nutzen, ein paar wichtige Fragen zu klären, bevor die Detailplanung für diese undurchdachte Straßenbahntrasse durchgezogen wird. Zeit zum Nachdenken gibt es reichlich. Es sind sehr viele Fragen zu klären, bevor man dort überhaupt etwas machen kann. Die Mühlendammbrücke muss neu gebaut werden; das dauert ziemlich lange. Gleichzeitig könnte man untersuchen, ob die richtig dimensioniert ist. Bei der Gertraudenbrücke stellen sich ganz ähnliche Fragen. Auch deren Tragfähigkeit ist nicht eindeutig geklärt. Und die offizielle Planung am Molkenmarkt – das war übrigens eine Planung mit Öffentlichkeitsbeteiligung – sieht derzeit keine Straßenbahn vor. Die Tram soll da jetzt, und zwar ohne Bürgerbeteiligung, nachträglich hineingezeichnet werden. Am Molkenmarkt ist die Verkehrsführung sowieso schon stark umstritten.

Trotz dieser offenen Fragen und Probleme hat der Senat jetzt die Ausschreibung zur Detailplanung für seine Lieblingsvariante ausgelöst und will damit Fakten schaffen. Das erinnert mich daran, wie damals Senator Strieder durch illegales Gleislegen an dieser Stelle schon einmal Fakten geschaffen hat. Das ist, scheint’s, schlechte Berliner Senatstradition an dieser Stelle.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU – Beifall von Harald Laatsch (AfD)]

Es wäre deutlich besser, jetzt die erheblichen zeitlichen Spielräume zu nutzen, die sowieso gegeben sind, die Planung zu hinterfragen, die Bürger besser zu beteiligen, vernünftigere Lösungen zu finden. Jedenfalls etwas Besseres, als eine Straßenbahn bewusst in einen Engpass zu legen.

[Beifall bei der FDP]

Deshalb wollen wir mit unserem Antrag die Vergabe der Detailplanung heute stoppen. Deshalb bitten wir Sie auch heute um sofortige Abstimmung, sonst ist es, denke ich, zu spät, weil die Vergabe bereits ausgeschrieben ist. Ich denke, dass wir damit einen großen Unfug verhindern könnten, und hoffe dabei auf Ihre Unterstützung. – Vielen Dank!

[Beifall bei der FDP – Beifall von Andreas Wild (fraktionslos)]

Für die Fraktion der SPD hat jetzt der Abgeordnete Herr Schopf das Wort. – Bitte schön!

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Schmidt, Kollege Schmidt! Vielen Dank für Ihren Antrag, der allerdings erkennen lässt, dass Sie immer noch keinen roten Faden für die Verkehrspolitik unserer Stadt haben.

[Bernd Schlömer (FDP): Einen gelben Faden!]

Ihre Verkehrspolitik gehört der Vergangenheit an und ist nicht zukunftsorientiert.

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Wir sind der Auffassung, dass ein Großteil Ihrer Forderungen bereits erledigt ist. Daran haben auch Ihre Ausführungen soeben nichts geändert. Lassen Sie mich das kurz festhalten. Ich gehe hier auf einzelne Forderungen Ihres Antrags ein.

Sie fordern den Senat auf, vor Vergabe der Planung der genannten Straßenbahnstrecke eine „weitere Bewertung alternativer Trassenverläufe“ vorzunehmen. – Meine Antwort: Es wurde bereits 2012 ein umfangreiches Trassenbewertungsverfahren durchgeführt. Alle möglichen Trassenverläufe wurden geprüft und bewertet. Das Ergebnis der Prüfung ist die gerade Führung auf der Leipziger Straße.

[Zuruf von Florian Kluckert (FDP)]

Sie fordern eine Untersuchung

eines ggf. erforderlichen Neubaus der Mühlendammbrücke auf der Basis einer … Verkehrsprognose …

Der Brückenneubau der Mühlendammbrücke ist auch ohne die Tramanbindung bereits zwingend notwendig. Zudem werden für die Bewertung der Verkehrsdichte grundsätzlich alle Verkehrsträger berücksichtigt.

Der dritte Punkt in Ihrem Antrag: Sie fordern Gleiches für die Gertraudenbrücke. – Im Falle der Gertraudenbrücke ist eine Ertüchtigung denkbar. Inwieweit hier ein Neubau vorzugswürdig ist, wird geprüft werden. Auch hier ist eine Erneuerung aus Gründen der Verkehrssicherheit mit und ohne Straßenbahn erforderlich. Insbesondere der Schwerlastverkehr ist es, der hier Ertüchtigungsmaßnahmen erforderlich macht.

Sie fordern weiterhin Untersuchungen zur Erhöhung der Kapazität der U 2. – Lassen Sie mich hierzu ganz klar sagen: Die U 2 kann die Straßenbahn Richtung Steglitz nicht ersetzen und auch nicht umgekehrt. Allerdings wären Entlastungseffekte denkbar, die insbesondere den am stärksten frequentierten Abschnitt betreffen.

Sie fordern weiterhin den Planungsabschluss der angedachten Radwege und der Umgestaltung des Molkenmarktes. – Die Radwege werden selbstverständlich in einem Zug mitgedacht und in der Leipziger Straße mit

(Henner Schmidt)

berücksichtigt. Die Planungen für den Molkenmarkt sind insoweit abgeschlossen, und der Umbau beginnt bereits im nächsten Jahr.

Nun zu Ihrem letzten Punkt: Sie wollen die stellenweise unterirdischen Führung der Straßenbahnstrecke. – Diese wird es nicht geben. Eine unterirdische Führung wurde im Zuge der Voruntersuchungen durchaus geprüft und bewertet, sodann aber verworfen. Auch wenn Sie dies erneut prüfen lassen würden, wäre das Ergebnis das Gleiche.

Liebe Kolleginnen und Kollegen der FDP! Es gibt aktuell überhaupt keinen Grund, die Ausschreibung für die betreffende Straßenbahnstrecke zu stoppen und die Planungen zu verhindern. Alle von Ihnen geforderten Untersuchungen wurden teilweise bereits vorgenommen oder werden in den Planungen berücksichtigt. Wir haben das Ziel einer zeitnahen Realisierung. Lassen Sie uns also daran festhalten, und sorgen Sie nicht durch konzeptlose Anträge für weitere Verzögerungen! Ihrem Anliegen werden wir ausdrücklich nicht zustimmen. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Für die Fraktion der CDU hat jetzt der Abgeordnete Herr Friederici das Wort. – Bitte schön!

[Torsten Schneider (SPD): Jetzt kommt die Fahrradschnellbahn, die Fahrradautobahn! – Harald Moritz (GRÜNE): Ideologie!]

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist schon tragisch mit anzusehen, wie der hochverehrte Kollege Schopf von der Sozialdemokratie immer wieder seriös versucht, die gleichen Argumente hier vorzutragen, um ein Projekt von Peter Strieder wieder hervorzuholen.

[Sven Kohlmeier (SPD): Nein!]

Wenn Sie heutzutage große internationale Metropolen sehen, wird der Verkehr dort natürlich unter die Erde verlegt, wenn er leistungsfähig durch die Stadt geschleust werden muss. Da haben wir als Letztes nur noch die U 5 in Berlin. Wenn Ihre Antwort ist, in der Leipziger Straße – zumal von der Charlottenstraße bis zum Potsdamer Platz – oberirdisch eine Straßenbahn bauen zu wollen, in einer Straße, die heute schon überlastet ist, dann zeigt es nur, dass dieser FDP-Antrag heute genau richtig ist.