Protokoll der Sitzung vom 22.02.2018

[Beifall bei der FDP]

oder ein Sonderfahrdienst, der wirklich pünktlich kommt und eine serviceorientierte Leistung erbringt. Neben dem barrierefreien ÖPNV – spätestens 2021 – und einem dazu wohl immer noch notwendig ergänzenden Sonderfahrdienst braucht aber Berlin gerade für Menschen mit Handicap den motorisierten Individualverkehr. Viele Menschen gerade mit Handicap sind auf ihr Auto angewiesen und nicht nur die. Das heißt dann auch, dass Parkplätze in der Nähe notwendig sind. Es gibt aber auch Faktoren am Rand wie das Thema Elektromobilität und Blinde. Es gibt schon Diskussionen darüber, ob Elektrofahrzeuge künstlich Geräusche herstellen sollten, damit man sie registriert.

Für ein solches Gesamtkonzept braucht man Fachleute, aus den Verkehrsbetrieben, aus dem Verkehrsbereich – also nicht, wie das Rot-Rot-Grün bei dem Mobilitätskonzept gemacht hat, den ABSV außen vor zu lassen, sondern ganz bewusst die Betroffenen mit einzubeziehen. Wer in dieser Stadt mit oder ohne Handicap am Berliner Verkehr leidet, wird sehr schnell zum Experten

[Vereinzelter Beifall bei der FDP]

für das, was läuft, für das, was besser laufen kann. Es geht uns hier nicht nur um visionäre Zukunftskonzepte, sondern vor allem um handfeste Verbesserungen, um ein ganzheitliches Konzept, das qualitative und quantitative Ziele setzt, Meilensteine definiert, nachhält und sie vor allem – was ganz Exotisches – tatsächlich einhält, damit das Menschenrecht auf Mobilität schnell verwirklicht und unsere Stadt wirklich eine Stadt für alle wird. – Vielen Dank!

(Marianne Burkert-Eulitz)

[Beifall bei der FDP – Beifall von Stefan Franz Kerker (AfD) und Andreas Wild (fraktionslos)]

Für die Fraktion der SPD hat jetzt der Abgeordnete Herr Düsterhöft das Wort. – Bitte schön!

Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Kollege Seerig! Ich muss sagen, Ihr Antrag liest sich wirklich sehr gut, denn – sind wir doch mal ehrlich – so vielfältig und groß die Herausforderungen auch sein mögen, eigentlich sind wir uns doch wirklich alle einig: Die inklusive Gesellschaft ist nicht nur eine Leitidee dieser Koalition, nein, eigentlich des gesamten Abgeordnetenhauses, ausgenommen ganz rechts. Das Problem, das wir zugleich gemeinsam identifiziert haben, ist doch, dass die inklusive Gesellschaft aktiv erstritten, realisiert und dann natürlich auch gelebt werden muss. Genau daran hapert es! Selbst Politikerinnen und Politiker, die sich besonders um Menschen mit Behinderungen kümmern wollen, haben nicht immer ein Verständnis dafür, was es heißt, ein Handicap zu haben und durch die Gesellschaft behindert zu werden.

Trotzdem, bei aller Sympathie für Ihren Antrag, muss ich feststellen, dass der Antrag tätiges Handeln beschreibt und Strukturen einfordert, die es längst gibt. So existiert das im Antrag geforderte Konzept seit langer Zeit. Bereits 2011 hat der Senat den Aktions- und Maßnahmenplan zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention beschlossen. Das Land Berlin hat sich gerade im Bereich der Mobilität einiges vorgenommen, um den behindertenpolitischen Leitlinien bis 2020 gerecht zu werden. Und mit dem Beschluss des Entwurfes des ersten Mobilitätsgesetzes Deutschlands am vergangenen Dienstag macht sich gerade dieser Senat auf den Weg, Mobilität neu zu denken. Ja, dazu gehören natürlich die Barrierefreiheit sowie das gute Zusammenspiel aller Verkehrsträger.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD und den GRÜNEN]

Aber – und das muss man auch mal sagen – nicht für alles brauchen wir einen Maßnahmenplan oder gar ein Gesetz. Wir sind zum Beispiel sehr gut dabei, alle U-Bahnhöfe und S-Bahnhöfe sowie alle Haltestellen der Straßenbahnen und Busse umzubauen und barrierefrei zu gestalten, und natürlich werden Wegeverbindungen schon heute so geplant, dass sie möglichst sinnvoll und kurz sind. Alles andere wäre auch absurd, auch im Sinne aller Verkehrsteilnehmer.

Die zentrale Forderung Ihres Antrages, Herr Kollege Seerig, ist daher die Schaffung einer Kommission, die die barrierefreie Mobilität begleiten und durchsetzen soll. Aber genau diese Gremien und Institutionen gibt es doch

längst auf allen möglichen Ebenen! Wir haben die Landesbeauftragte für Menschen mit Behinderungen. Wir haben den Landesbeirat. Wir haben den Fahrgastbeirat. Wir haben die Monitoringstelle. Wir haben auf bezirklicher Ebene die Beauftragten und die Beiräte. Und es gibt unzählige Vereine, die sich auch noch einbringen wollen. Das Fachwissen ist also in Hülle und Fülle da.

Ihr Antrag greift deutlich zu kurz und bleibt dadurch dann doch zu sehr im Allgemeinen. Trotzdem – das möchte ich ganz klar sagen – bin ich sehr dankbar für Ihren Antrag. Wie wir beide vor einigen Wochen beim Empfang des Allgemeinen Blinden- und Sehbehindertenvereins – Sie haben ihn eben erwähnt – erfahren durften, mangelt es an der umfassenden Einbindung des vorhandenen Wissens. Ihr Antrag und dessen Beratung in den Fachausschüssen wird hoffentlich dazu beitragen, dass wir uns diesen Mangel mal wieder vergegenwärtigen und erneut für dieses Thema sensibilisieren. Dafür danke ich Ihnen sehr und freue mich auf die Beratung in den Fachausschüssen.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN]

Für die Fraktion der CDU hat jetzt der Abgeordnete Herr Friederici das Wort. – Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! – An meinen Vorredner gleich mal die Replik: Wenn Sie sehr vieles an dem Antrag loben, warum stimmen Sie dem Antrag eigentlich nicht zu, wenn Sie Dinge wie Barrierefreiheit fordern und sogar die UN-Behindertenrechtskonvention bemühen, sogar das Mobilitätsgesetz, wo eigentlich nur der Fahrradverkehr geregelt ist?

[Zuruf von der SPD]

Fast nur, nichts anderes. Jetzt erzählen Sie mir nicht sowas. Ich kenne das nun wirklich, was Sie da als Machwerk verabschiedet haben. Sie haben von allen Verkehrsarten gesprochen, der Autoverkehr kommt da aber gar nicht vor, der Lieferverkehr sowieso nicht. Das sind übrigens auch Bedürfnisse von mobilitätseingeschränkten Personen: wie die beliefert werden. Alles das haben Sie im Mobilitätsgesetz überhaupt nicht berücksichtigt.

Da, muss ich Ihnen sagen, ist der FDP-Antrag etwas, um ein wenig die Richtschnur vorzugeben, denn bei dem planlosen Vorhalten von Dingen, die Sie angeblich schon gemacht haben, die diese Koalition beabsichtigt umzusetzen, ist das hier von der FDP Vorgetragene doch sehr konkret. Und wenn Sie die Zielstellung, für alle Menschen den barrierefreien Zugang zum öffentlichen Nahverkehr, ein flächendeckendes Angebot und möglichst keine Wartezeiten beim Umsteigen, die Schaffung von

verlässlicher Verkehrssicherheit für Menschen mit Behinderungen in diesem Antrag als Grundsätze sehen, habe ich bislang nichts Vergleichbares von dieser Koalition aus SPD, Linke und Grüne im Antragsverfahren gesehen. Von daher ist dieser Antrag richtig!

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Es ist schon ein gewisser Paradigmenwechsel, wenn die Sozialdemokratie, die 1869/1875 – Sie streiten sich auch über das Gründungsdatum – von den herausragenden Figuren der Geschichte August Bebel und Wilhelm Liebknecht gegründet wurde, heute einen solchen Antrag wahrscheinlich nach der Ausschussberatung in der Schlussberatung beabsichtigt abzulehnen, dann zeigt das, wie weit die Sozialdemokraten heute gekommen sind: Sie haben sich nämlich von ihren sozialpolitischen Grundsätzen verabschiedet.

[Beifall bei der FDP]

Und das ist der Grund, warum Sie deutschlandweit im Moment bei Umfragen nur noch auf Platz drei sind.

[Beifall bei der CDU – Beifall von Holger Krestel (FDP)]

Vielen Dank! – Für die Linksfraktion hat der Kollege Ronneburg das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Friederici! Das war wieder mal großes Kino!

[Heiko Melzer (CDU): Ist ja auch Berlinale!]

Es tut mir wirklich leid! Es freut mich, dass wir jetzt bald das Mobilitätsgesetz in den Ausschüssen beraten können, um endlich mit dieser Legendenbildung ein für alle Mal aufzuhören: Nein, wir kümmern uns nicht nur um den Radverkehr. Hören Sie auf mit diesen Legenden! Es ist wirklich nicht mehr zu ertragen.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Bleiben Sie doch bitte mal bei der objektiven Wahrheit – auch in der CDU-Fraktion! Ich bitte Sie einfach darum.

Zum Antrag der FDP-Fraktion: Barrierefreiheit gehört nach der UN-Behindertenrechtskonvention zu den Menschenrechten. Bei der Schaffung von Barrierefreiheit geht es um Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Als Koalition stärken wir in erster Linie den Umweltverbund, der einen gleichberechtigten und barrierefreien Zugang zu Mobilität gewährleisten kann. Sie als FDP fordern nun ein Konzept mit Leitlinien für barrierefreie Mobilität. Sie wollen eine Kommission. Sie wollen Planungsziele definieren. Die führen Sie auch aus – von der Sicherung von

vergleichbaren Mobilitätschancen für alle Menschen bis hin zur Schaffung von Verkehrssicherheit für Menschen mit Behinderungen. Lassen Sie mich zu einigen dieser Punkte kurz Stellung nehmen.

Zu Ihrem Punkt „Schaffung gleichwertiger Mobilitätschancen“ schreiben Sie selbst in Ihrem Antrag:

Durch das Gesetz zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen wird die Umsetzung dieses Ziels zur gesetzlichen Verpflichtung.

Liebe FDP! Es ist also ein Antrag, der gesetzliche Anforderungen wiederholt. Die konkreten, von Ihnen geforderten Zielstellungen werden bereits durch den Senat und die Koalition bearbeitet. Sie fordern ein verbindliches Konzept mit Leitlinien für barrierefreie Mobilität. Die Erarbeitung eines Gesamtkonzepts für Mobilitätssicherung für Menschen mit Behinderungen haben wir als Koalition im Koalitionsvertrag festgeschrieben.

[Paul Fresdorf (FDP): Wo ist es denn?]

Das ist im Übrigen auch eine Querschnittsaufgabe. Das muss überall eine Rolle spielen. Das kann nicht ausgelagert werden.

Im Nahverkehrsplan werden wir die erforderlichen Standards, Maßnahmen und Prioritäten konkretisieren. Die kurzen Wegeverbindungen zum ÖPNV sind als Ziel völlig richtig, und die werden auch bei den Planungen bereits berücksichtigt. Zur Barrierefreiheit im ÖPNV können wir feststellen, dass die Busse bereits barrierefrei sind. Bei der Straßenbahn werden wir mit der Ausmusterung der Tatra-Bahn auch nur noch Niederflurbahnen haben. Das Programm zum Umbau der U-Bahnhöfe und auch der S-Bahnhöfe läuft. Problematisch sind vor allem noch die Bushaltestellen. Hier hat die Koalition die Ausweitung des Umbaus mit Kasseler Borden beschlossen.

Zu den von Ihnen angesprochenen Angeboten von Mobilitätsdiensten: Es gibt hierbei verschiedene Hilfsangebote. Der Sonderfahrdienst steht ausschließlich für private Fahrten für Menschen mit Hauptwohnsitz in Berlin zur Verfügung und wird mit 6,7 Millionen Euro im Jahr finanziert. Die Mobilitätshilfedienste sind als gesamtstädtisches Vorhaben bundesweit einmalig. Daran will ich auch mal erinnern. Der Haushaltsansatz wurde hier um 3,8 Millionen Euro im Jahr aufgestockt. Die Koalition hat außerdem die Einführung eines Inklusionstaxis im Haushalt mit 4 Millionen Euro abgesichert.

Ein Aspekt, der unbedingt zur barrierefreien Mobilität gehört, muss hier auch mal in der Debatte erwähnt werden, und das sind die öffentlichen barrierefreien Toiletten. Die sind wichtig für die Wegeplanung von Menschen mit Behinderungen, und die Koalition wird die Versorgung mit öffentlichen Toiletten ausbauen und hierbei auch Umsteigepunkte im ÖPNV besonders berücksichtigen.

(Oliver Friederici)

Zu der Kommission will ich noch etwas sagen: Es gibt die AG „Bauen und Verkehr – barrierefrei“. Die ist beim Senat angesiedelt. Dazu will ich ausdrücklich sagen, dass wir uns die Forderung nach einer Aufwertung dieses Gremiums genauer anschauen müssen. Das ist sehr wichtig. Das wurde uns auch vom ehemaligen Landesbeauftragten für Menschen mit Behinderung, Herrn Dr. Schneider, mit auf den Weg gegeben. Es wird also weiterhin viel zu tun bleiben. Ich freue mich erst mal auf die Beratung in den Ausschüssen. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Für die AfD-Fraktion hat der Abgeordnete Scholtysek das Wort. – Bitte!

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe FDP! Ich war schon sehr überrascht und auch irritiert, dass Sie solch einen Antrag einbringen: Berlin macht barrierefrei mobil! – Es soll ein Konzept mit Leitlinien für barrierefreie Mobilität erstellt werden. Wie eben auch schon gehört, gibt es bereits seit Langem eine ganze Reihe von Gesetzen und Verordnungen, die genau das regeln. Es ist geregelt, was sein soll – und das zum Teil auch mit ganz bestimmten Terminen. Das fängt beim Grundgesetz an – Artikel 3 –:

Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

Wir haben das Berliner ÖPNV-Gesetz, wir haben das Behindertengleichstellungsgesetz, wir haben das Berliner Landesgleichberechtigungsgesetz, wir haben das Mobilitätsgesetz, das zwar jetzt erst kommt, aber auch viele Dinge berücksichtigt, wir haben die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen, wir haben das novellierte Personenbeförderungsgesetz, wir haben die Berliner Landesbauordnung, und wir haben zusätzlich zu den Gesetzen den Berliner Nahverkehrsplan 20142018, in dem auch ganz viel geregelt ist, was alles kommen soll. Und es gibt sicherlich noch eine ganze Reihe mehr an Verordnungen und Texten, in dem all das eigentlich schon geregelt ist.