Protokoll der Sitzung vom 08.03.2018

Vielen Dank! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Antragsteller haben die sofortige Abstimmung beantragt. Wer dem Antrag auf Drucksache 18/0868 zustimmen möchte, den bitte ich nun um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen Die Linke, Bündnis 90/Die Grünen, die SPD. Wer stimmt gegen diesen Antrag? – Das sind die Fraktionen FDP, AfD. Die fraktionslosen Abgeordneten sind nicht im Raum. – Wer enthält sich der Stimme? – Das ist die Fraktion der CDU. Damit ist dieser Antrag mehrheitlich angenommen. Herzlichen Glückwunsch dazu!

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN]

Ich rufe auf

lfd. Nr. 3.3:

Priorität der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen

Tagesordnungspunkt 32

Alte Münze als Kulturstandort sichern

Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion Die Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 18/0869

In der Beratung beginnt die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, und hier hat der Abgeordnete Herr Wesener das Wort. – Bitte schön! – Sehr verehrte Damen und Herren Abgeordnete! Ich bitte darum, Gespräche nach draußen zu verlagern und die Gesprächskulisse hier drin einzustellen.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Gestatten Sie mir eine Nachbemerkung zur Debatte eben. Man muss sich als Mann wirklich in Grund und Boden schämen, wenn man sieht, wie einige Herren auf der ganz rechten Seite sich gerieren. Wenn Sie das Thema Frauentag nicht interessiert, gehen Sie doch gleich raus, aber stören Sie nicht mit despektierlichen Zwischenbemerkungen!

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN – Georg Pazderski (AfD): Wir brauchen keine Belehrung von Ihnen! Behalten Sie die für sich!]

Herr Pazderski! Um das auch mal sagen: Der Kasernenton, den Sie hier anschlagen, ist völlig fehl am Platz. Wir sind hier im Parlament.

[Gunnar Lindemann (AfD): Dann verhalten Sie sich auch so!]

Wir sind nicht Ihre Soldatinnen und Soldaten, die strammstehen, sondern wir erlauben uns das Recht auf eine andere Meinung.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN Frank-Christian Hansel (AfD): Keine Zwischenfragen!]

Von den alten Männern zur Alten Münze: Die Alte Münze ist ein Glücksfall für Berlin, und zwar ein doppelter Glücksfall, zum einen, weil wir es mit einer Liegenschaft zu tun haben, die in den Neunziger-, in den frühen Nullerjahren eben nicht privatisiert worden ist. Wir als Politik sind nicht der Versuchung erlegen, hier wie bei vielen anderen Liegenschaften Berliner Tafelsilber zu veräußern. Die Alte Münze ist im öffentlichen Eigentum. Wir reden über knapp 18 000 Quadratmeter, davon etwa 12 000 Quadratmeter Nutzfläche und über 5 000 Quadratmeter Außenfläche. Damit ist das Ensemble am Molkenmarkt so ziemlich die kostbarste Ressource, die es in Berlin zurzeit überhaupt gibt: öffentliche Flächen, die für einen öffentlichen Zweck zur Verfügung stehen.

Zweitens ist die Alte Münze natürlich auch ein Glücksfall für die Kulturhauptstadt Berlin, für die zahlreichen Künstlerinnen und Künstler in der Stadt, für Berlins Kulturschaffende. Gerade in einer Zeit, in der kreative Räume insbesondere in der Innenstadt immer seltener zur Verfügung stehen und zum Teil verlorengehen, haben wir hier ein Ensemble, das als Kulturstandort geeignet ist. Das ist auch der Kern unseres Antrags. Wir wollen als Koalition festlegen und den klaren Auftrag erteilen, die Alte Münze als Kulturstandort zu entwickeln.

Nicht die Politik, sondern die Berliner Kulturszene ist in Vorleistung gegangen. Sie kämpft seit Langem für die Alte Münze als Ort für Kunst und Kultur: Das sind die jetzigen Nutzerinnen und Nutzer, wie beispielsweise die Spreewerkstätten, die zeigen, was alles dort potenziell möglich ist, das ist die Koalition der freien Szene mit ihren diversen Veranstaltungen zum Thema, das ist Till Brönner mit seiner Idee eines „House of Jazz“, und das ist die Berliner IG Jazz mit ihrem Konzept für ein Haus für die Musik des 21. Jahrhunderts.

[Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Regina Kittler (LINKE)]

Es ist ein Glücksfall für unsere Stadt, dass sie so viele Kulturschaffende hat, die sich einmischen und engagieren, und das nicht nur in eigener Sache, sondern auch, wenn es um solch grundsätzliche Fragen wie die Zukunft der Berliner Stadtentwicklung und die kulturelle Grundversorgung geht.

Es ist ein doppelter Glücksfall, aber auch eine doppelte Herausforderung – denn erstens haben wir es mit Gebäuden zu tun, die einen erheblichen Sanierungsstau aufweisen, der sich meines Wissens auch auf die Statik bezieht. Der Senat hat dankenswerterweise 35 Millionen Euro für die Sanierung vorgesehen. Das ist großartig. Wir hoffen, dass es reicht. Lassen wir uns aber ehrlich machen! Die Sanierung wird Geld und Zeit kosten. Mit der Sanierung wird es auch nicht getan sein, sondern letzten Endes

braucht ein solcher Standort natürlich auch Geld, wenn er betrieben werden will. Wir sprechen nicht nur über die investiven, sondern auch über die konsumtiven Kosten. Es gab einmal eine Zeit, da war die Alte Münze Münzprägeanstalt. Das Geld können wir dort leider nicht mehr drucken.

[Frank-Christian Hansel (AfD): Das machen andere schon! – Torsten Schneider (SPD): Jetzt kostet es nur!]

Insofern werden wir schauen müssen, dass am Ende auch die laufenden Kosten gedeckt sind.

Berlin ist nicht alleiniger Eigentümer. Ein Teil des Gebäudeensembles, konkret das Palais Schwerin, gehört dem Bund. Deswegen ist es gut, dass der Kultursenator in der heutigen Pressemeldung auch noch einmal klargestellt hat, dass er sich trotz der Querelen der Vergangenheit um das „House of Jazz“ nun um eine einvernehmliche Lösung mit dem Bund bemüht.

Zweite Herausforderung: Vor einer Sanierung braucht es ein Nutzungskonzept, das sollte Berlin aus alten Bauskandalen gelernt haben. Erst einmal muss man wissen, was man baut, wenn man damit loslegt. 12 000 Quadratmeter sind viel, aber es gibt auch vielfältige Wünsche, Erwartungen und Ideen. Wir wollen eine Vielfalt der Nutzung, die den räumlichen Gegebenheiten Rechnung trägt. Wir haben beispielsweise sehr viel Fläche im Untergeschoss, wo zum Beispiel die Idee naheliegt, auch über Clubkultur zu diskutieren. Die Alte Münze wird aber auch ein klares Profil brauchen – ob das am Ende ein musisches ist, wie mitunter in der Diskussion, wird das Ergebnis von Ideenwettbewerb und Beteiligungsverfahren zeigen. Zunächst einmal kann und muss die Berliner Politik beweisen, dass es ihr mit mehr Partizipation in der Kultur- und Stadtentwicklungspolitik ernst ist, nicht weil wir alle Wünsche wahr werden lassen können, sondern weil wir davon überzeugt sind, dass mehr Partizipation bessere Ergebnisse produziert. Diese Herangehensweise, auch das sagt unser Antrag, erwarten wir auch von den involvierten Senatsverwaltungen, dem Bund als Miteigentümer und der BIM als Verwalter der Immobilie.

Ich komme zum Schluss.

[Georg Pazderski (AfD): Endlich!]

Dann rede ich noch ein bisschen länger, Herr Pazderski.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD – Anja Kofbinger (GRÜNE): Ja, mach mal! – Georg Pazderski (AfD): Das zeigt Ihre Einstellung: Hauptsache reden!]

Ein doppelter Glücksfall, aber auch eine doppelte Herausforderung – im Ergebnis: Wir sehen in der Alten Münze eine Riesenchance für die Künstlerinnen, Künstler und Kreativen in Berlin, aber auch für die Stadt insgesamt, denn Berlin wird nur dann Kulturhauptstadt bleiben,

wenn es uns auch zukünftig gelingt, Räume und öffentliche Orte für diejenigen bereitzustellen und langfristig zu sichern, denen Berlin seinen Nimbus als kreative Stadt zu verdanken hat. Lassen Sie uns loslegen! – Vielen Dank!

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Für die Fraktion der CDU hat jetzt der Abgeordnete Herr Dr. Juhnke das Wort.

[Zuruf von der CDU: Wir haben getauscht!]

Okay, dann tauschen wir im Einvernehmen. Dann hat Herr Jahnke von der SPD-Fraktion das Wort.

[Frank-Christian Hansel (AfD): Ob Jahnke oder Juhnke, Hauptsache J!]

Herr Jahnke! Sie haben das Wort. Bitte!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wahrhaftig nicht zum ersten Mal rede ich hier zu einem Thema aus dem großen und hochspannenden Bereich der Industriekultur. Der Fundus an bedeutenden Bauwerken aus der reichen Geschichte Berlins als Industriestandort ist eminent, doch nicht immer werden die Gebäude heute noch industriell oder überhaupt gewerblich genutzt. An etlichen Stellen war daher schon Verfall der wertvollen Gebäudesubstanz aufgrund der fehlenden Nutzung die Folge. Glücklicherweise ist es in den letzten zehn Jahren zunehmend gelungen, zum Beispiel in Schöneweide, Neukölln, Kreuzberg, Wedding und andernorts, adäquate Neunutzungen kreativer und künstlerischer Art in alten Industriebauten zu etablieren. Die Alte Münze, über die wir heute reden, ist eines der letzten großen Industriedenkmale im Herzen Berlins, für das noch kein Nutzungskonzept beschlossen worden ist – daher der vorliegende Antrag.

In der jetzigen Form ist die Alte Münze noch gar nicht so alt, sondern wurde ab 1935 nach Plänen von Fritz Keibel und Arthur Reck als Ersatzstandort für die frühere Münzprägeanstalt am Werderschen Markt errichtet, die dem Erweiterungsbau der Reichsbank weichen musste, wo heute wiederum das Auswärtige Amt als Nachnutzer residiert. Allerdings bezogen die Architekten des Neubaus der Münze in den Dreißigerjahren recht geschickt das barocke Palais Schwerin mit ein sowie eine Kopie des 48 Meter langen Frieses von Gilly und Schadow von 1800, der sich bereits am ersten Gebäude der Berliner Münze am Werderschen Markt befand. Es handelt sich also um einen architektonisch wie stadtgeschichtlich bedeutenden Standort und zugleich um eine Immobilie, die enorme Potenziale für Kultur- und Kreativwirtschaft bietet – in dieser Reihenfolge.

(Daniel Wesener)

Es ist mir wichtig, dass über die derzeitigen Zwischennutzerinnen und -nutzer nicht hinweggegangen wird. In den Spreewerkstätten finden ja bereits kulturelle Nutzungen statt. Ateliers, Ausstellungsräume, Tonstudios, eine Tanzschule und andere vielfältige Aktivitäten aus dem kulturellen und kreativwirtschaftlichen Bereich finden hier zusammen. Doch das Haus bietet noch viel mehr Möglichkeiten – mit einer Bruttogeschossfläche von fast 20 000 Quadratmetern.

Hier wurden Reichsmark, DDR-Mark, D-Mark, Euro geprägt, 1990 immerhin 20 Prozent der gesamtdeutschen Münzprägung. Seitdem diese bedeutende Münzprägestätte im Jahr 2005 nach Reinickendorf verlegt worden ist, stehen große Teile der einstigen Produktionsräume noch leer. Natürlich bedarf es erheblicher Investitionen zur Herrichtung dieser Flächen zur kulturellen Nutzung. Aus SIWANA-Mitteln werden hierfür 35 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Allein an dieser Zahl wird deutlich, dass die seitens des Bundestages vor einiger Zeit in Aussicht gestellten 12 Millionen Euro nur einen kleineren Teil der benötigten Summe abdecken würden. Wir sollten uns dennoch mit dem Bund über künftige Nutzungen verständigen, und hierbei kann auch Jazz, wie seinerzeit ins Gespräch gebracht, eine Komponente sein, aber keineswegs die einzige. – Ja, die Alte Münze einschließlich des ohnehin in Bundesbesitz befindlichen Palais Schwerin bietet sehr viele Möglichkeiten, gerade auch für die musikalischen Nutzungen, zumal Probleme mit dem Lärmschutz an dieser Stelle leicht lösbar sein sollten. Aber selbstverständlich geht es um viel mehr: um bildende Kunst, um darstellende Kunst, um Übungsräume und Aufführungsorte für die freie Szene, um Theater, um Performance, um Tanz. Hierbei geht es gerade auch darum, Räume für künstlerische Tätigkeiten zu sichern, die nicht eigenwirtschaftlich, aber essenziell für den hiesigen Kulturstandort sind.

Das kreative und offene Klima, das in Berlin herrscht, wird nachhaltig durch eine lebendige Kultur bestimmt. Berlin ist das internationale Schaufenster der Berliner Republik, gerade weil Kunst, Kultur und Kreativszene hier zu den zentralen Ressourcen gehören. Daher werden hierfür auch künftig Haushaltsmittel benötigt, keine Frage. Es ist aber auch nicht verboten, wenn kulturelle oder kreativwirtschaftliche Nutzungen eigene Gewinne erzielen und damit zur Finanzierung des Kulturstandortes Alte Münze beitragen.

Rund 28 000 Unternehmen, das sind knapp 20 Prozent aller Berliner Unternehmen, fallen in den Bereich Kultur- und Kreativwirtschaft. Diese Unternehmen haben bereits 2012 einen Umsatz von über 16 Milliarden Euro erwirtschaftet, stellen knapp 186 000 Erwerbstätige. Davon gehen fast 98 000 einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nach, nur 9 300 sind geringfügig beschäftigt – anders als immer so behauptet wird. 78 Prozent der kreativen Unternehmen befinden sich innerhalb des S

Bahnrings, die Kreativwirtschaft ist auch auf zentrale Standorte angewiesen.

Auf den richtigen Nutzungsmix in der Alten Börse wird es ankommen. Genau aus diesem Grund fordert die Koalition den Senat auf, in Zusammenarbeit mit der für die Immobilie zuständigen BIM, aber auch mit den Akteurinnen und Akteuren aus der freien Szene und derzeitigen Nutzerinnen und Nutzern ein Konzept für den Kulturstandort Alte Münze zu entwickeln. – Ich danke für die Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Vielen Dank! – Für die CDU-Fraktion hat der Kollege Dr. Juhnke das Wort.

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Es herrscht Einigkeit, die Alte Münze soll zum Kulturstandort umgewandelt werden. Das ist mehr als erfreulich. Es hat sich aber auch schon abgezeichnet in den Diskussionen, die wir im vergangenen Jahr zu diesem Thema gemeinsam hatten, wenn ich an die Runde im Theaterdiscounter denke und an andere Veranstaltungen. Auch erfreulich ist, keine Frage, dass Geld da ist für die Sanierung. Das ist den sprudelnden Steuereinnahmen der Stadt und der guten Wirtschaftslage geschuldet, die es möglich macht, und dem vielgescholtenen Kapitalismus. Steuergelder, 35 Millionen aus SIWANA, können dort einfließen. Die Verwendung ist laut dem Kultursenator vorgesehen für eine Sanierung, die die denkmalschützerischen Aspekte aufgreifen will und der kulturellen Bedeutung und der Stadtlage des Gebäudes gerecht werden soll. So soll die Zugänglichkeit verbessert, die Aufenthaltsqualität gestärkt und die Durchwegung zwischen Molkenmarkt und Spree geöffnet werden.

So weit, so gut, richtig und gut. Aber ich denke, da hören die Gemeinsamkeiten in der Koalition aber auch schon wieder auf, denn die Zielstellung bleibt aus meiner Sicht doch relativ vage, was man mit dem Geld dort anstellen will. Es geht ja zunächst mal um Raumtypen, die dort hergerichtet werden sollen, die keine konkreten Nutzungen oder konkrete Nutzer vorsehen. Deswegen bleibt es im Antrag offen, wo ich hier entnehme, dass die Nutzungsvorschläge des künftig für Kultur zuständigen Ministeriums des Bundes ebenso einbezogen werden sollen wie diejenigen der aktuellen Zwischennutzer, der Vertreter der AG Alte Münze, der Koalition der freien Musikszene und der Kreativwirtschaft sowie des Landesdenkmalamts.