Protokoll der Sitzung vom 17.05.2018

Für die Fraktion der AfD hat der Abgeordnete Scheermesser das Wort. – Bitte!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Antrag der CDU ist auf den ersten Blick absolut begrüßenswert. Wer will schon gern einsam sein? Auch gegen die Begründung ist nichts einzuwenden. Der Gesundheits- und Gemeinschaftsfaktor durch den Sport steht über jedem Zweifel und ist in unserer Gesellschaft, insbesondere in unserer Sportstadt Berlin, von herausragender Bedeutung.

Aber wird hier nicht der zweite Schritt vor dem ersten gemacht? Warum will die CDU nicht über ihren Antrag zur nachhaltigen Sportentwicklung der Bezirke sprechen? So eine Werbekampagne kostet Geld; Geld, das dringend benötigt wird, um erst einmal die Voraussetzungen für diese Forderungen zu schaffen. Für einen Sportentwicklungsplan fordert die CDU 60 000 Euro pro Bezirk. Warum nur drei Bezirke pro Jahr, bleibt mir ein Rätsel. Aber selbst das ist zu wenig. Herr Standfuß, fragen Sie doch mal in Charlottenburg-Wilmersdorf nach. Da wurde unlängst ein Konzept für rund 100 000 Euro vorgestellt. Abgesehen davon fehlen außer in Lichtenberg und Treptow-Köpenick überall Hallen und Spielfelder, mittlerweile über 300 in Berlin. Und wenn man in den Bereich der Berliner Bäder-Betriebe, die auch für den Sport verantwortlich sind, blickt, sieht es ganz düster aus. Auf den dortigen Instandhaltungsrückstau von ca. 170 Millionen Euro habe ich mehrfach hingewiesen.

Ja, für Sportstätten sind die Bezirke zuständig, aber Geld dafür ist kaum vorhanden. Zwar steht ein Milliardentopf in SIWANA zur Verfügung, aber daraus sollen ja lieber Spaßbäder gefördert werden, statt den Bezirken das Geld für Hallen, Sportanlagen, Instandsetzung und Immobilienkäufe zur Verfügung zu stellen.

[Beifall bei der AfD]

Hier fordere ich die Bausenatorin – die nicht da ist – der Fraktion der Linken, Frau Lompscher, auf: Berücksichtigen Sie endlich den Sport in Ihren aktuellen Planungen! Nur ein Beispiel: Selbst wenn das Flughafenareal Tegel einmal bebaut werden sollte, was nicht passieren wird, ist

hier bis heute keine einzige konkrete Sportstätte eingeplant worden.

[Frank-Christian Hansel (AfD): Auch besser so!]

Deshalb, liebe Kollegen von der CDU, können wir so einem Antrag nur zustimmen, wenn alle Hausaufgaben gemacht sind und die Basis für diese Forderungen geschaffen wird. Deshalb werden wir uns bei diesem Antrag erst mal enthalten, und ich hoffe auf eine gute Diskussion im Sportausschuss. – Danke!

[Beifall bei der AfD]

Für die Fraktion Die Linke hat der Abgeordnete Bertram das Wort. – Bitte!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Sportvereine sind ein wesentlicher und wichtiger Bestandteil unserer Gesellschaft. Sie haben recht, wenn Sie sagen, dass Sport Menschen in unterschiedlichster Art und Weise zusammenbringt. Wir sprechen hier von Gemeinschaft, von gelebter Inklusion und Integration. Sportvereine leisten daher nicht nur wertvolle sportliche Arbeit, sondern sind auch wichtig für unser Zusammenleben. Für diese tägliche Arbeit sagen wir sehr gern und aus Überzeugung auch heute noch einmal Danke.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Meine Damen und Herren von der CDU! Ihr vorliegender Antrag beschreibt diese Punkte zwar, aber das ist das Einzige in Ihrem Antrag, dem wir zustimmen können. Sie verpassen aber mit Ihren Forderungen schon wieder einmal das eigentliche Thema. Ich will der Ausschussdebatte eigentlich nicht vorgreifen, aber vier Punkte möchte ich heute doch noch einmal ansprechen.

Erstens: Der Kollege Buchner hat es auch betont, noch immer gilt die Autonomie des Sports, die wir achten und respektieren. Wir sind hier in diesem Haus zuallererst für die Rahmenbedingungen des Sports in unserer Stadt zuständig. Aus diesem Grund, um ein paar Beispiele zu nennen, treibt die Koalition die Sanierung der Sportstätten voran, und wir planen zudem neue im Rahmen der Schulbauoffensive. Mit dem jetzigen Doppelhaushalt haben wir die Vergütung von Trainerinnen und Trainern sowie Übungsleiterinnen und -leitern verbessert. Mit der Fördervereinbarung mit dem Landessportbund wurden zudem auch die von Ihnen angesprochenen Bezirkssportbünde gestärkt. Wir kümmern uns und schaffen also Rahmenbedingungen, unter denen die Vereine ihre Arbeit machen können.

Ich möchte an dieser Stelle ausdrücklich betonen, dass wir erst die Grundlagen für neue Projekte schaffen

(Dennis Buchner)

müssen, bevor wir mit neuen Ideen an den Sport herantreten. Genau hier läuft Ihr Antrag in die falsche Richtung. Wer sich nur halbwegs im Breitensport auskennt, der weiß – auch das hat Kollege Buchner angesprochen –, dass viele Sportvereine mehr Anfragen als Kapazitäten haben oder gar Wartelisten führen müssen. Das ist nicht nur eine Frage der angesprochenen Infrastruktur, also eine Frage der Sportplätze und Hallen, sondern auch eine Frage des Personals. Damit meine ich z. . Übungsleiter/innen, die Sie auch für neue Mitglieder brauchen.

Eine sehr wichtige Aufgabe, der wir uns widmen sollten, ist, nicht neue Belastungen zu schaffen, sondern das Ehrenamt im Sport zu entlasten. Da ist eine Bürokratie und mit ihr zunehmende Verantwortung und Belastung erwachsen, die wir auch auf Bundesebene angehen müssen. Da stehen Sie, meine Damen und Herren von der CDU, in besonderer Weise in der Verantwortung. Es gäbe reichlich Betätigungsfelder, denen Sie sich widmen könnten und sollten.

Zweitens: Vor wenigen Wochen wurde die neue Sportverhaltensstudie präsentiert. Eins ist dabei deutlich geworden: Immer mehr Berlinerinnen und Berliner treiben Sport. Die Mitgliederzahlen der Vereine wachsen, auch ohne Werbung durch den Senat. Wir nehmen aber zur Kenntnis, dass sich auch die vereinsungebundene Sportbetätigung wachsender Beliebtheit erfreut. Das Verständnis von Sporttreiben hat sich geändert. Die lebenslange Bindung an den Verein, eine Mitgliedschaft, die einem oder einer bereits in die Wiege gelegt wird, gibt es noch. Es gibt aber auch andere Formen der Sportbetätigung, sei es das Radfahren, Laufen oder seien es die freien Sportgruppen im Park – ohne Verpflichtung, ohne Wettkampfbetrieb, nur aus Spaß und Freude oder wegen der Gesundheit oder der besseren Figur. Auch das geschieht in Gemeinschaft mit allen damit verbundenen positiven Auswirkungen auf Menschen und das Miteinander, aber eben ohne eine Mitgliedschaft. Auch dafür müssen wir die richtigen Rahmenbedingungen schaffen. Da stehen wir, ehrlich gesagt, noch am Anfang. Der erste Schritt, meine Damen und Herren von der CDU, wäre aber gewesen, diese Entwicklung auch zur Kenntnis zu nehmen.

Drittens: Die von Ihnen geforderte Übersicht der Sportangebote der Vereine gibt es bereits.

Damit komme ich zum Ende und zu Punkt vier, und hier möchte ich gerne den Schlusssatz Ihres Begründungstextes zitieren:

Eine sinnstiftende Vereinsmitgliedschaft tut jedem Menschen gut.

Da haben Sie recht. Aber auch wenn Sie und ich den Sport im Allgemeinen und den Sport in Vereinen im Besonderen als das Wichtigste ansehen: Es gibt auch ein Vereinsleben jenseits des Sports – in Kulturvereinen, sozial engagierten Vereinen oder in Vereinen mit vielen

anderen Zwecken. Auch hier werden Gemeinsamkeit und Miteinander gelebt,

[Bürgermeister Dr. Klaus Lederer: So ist es!]

aber eben auch in Nachbarschaften, in Kiezen und in vielen anderen Zusammenhängen. Es geht dabei zuallererst um das Möglichmachen, und genau das ist unsere Aufgabe hier im Hause. – Vielen Dank!

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN – Beifall von Stefan Förster (FDP) und Sibylle Meister (FDP)]

Für die Fraktion der FDP hat jetzt der Abgeordnete Herr Förster das Wort. – Bitte schön!

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als ich den Titel der Antragsserie der CDU las – einsam in Berlin – dachte ich zuerst, das sei die Autobiografie von Monika Grütters, denn die hat es im Augenblick schwer in der CDU. Wahrscheinlich bedeutet „einsam in Berlin“ auch „einsam in der CDU“.

[Beifall und Heiterkeit bei der FDP, der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Es gibt ja noch weitere Anträge dieser Stilblüte, wo dann Runde Tische gegen Einsamkeit gegründet werden. Das ist dann wahrscheinlich die CDU-Ortsgruppe, die sich da austherapiert.

[Heiterkeit bei der FDP, der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Es tut mir leid, aber auch als ich die Begründung gehört habe, dachte ich zunächst, es handele sich um ein sozialpolitisches Thema. Dann dachte ich, es sei ein Karnevalsthema – dafür wären wir zu früh dran.

[Zuruf von Michael Dietmann (CDU)]

Ein sportpolitisches Thema war es auch nicht so richtig. Es war jedenfalls ein sehr merkwürdiger Einstieg in das Thema.

[Zuruf von Antje Kapek (GRÜNE)]

Wenn man mit anderen Menschen in Kontakt kommen will, könnte man z. B. auch das Erlernen eines Musikinstruments empfehlen. Damit kommt man auch sehr schnell mit Nachbarn in Kontakt, z. B. mit der Trompete, wenn auch vielleicht nicht so, wie man es möchte. Aber auch das wäre eine Möglichkeit, Einsamkeit zu überwinden.

[Beifall und Heiterkeit bei der FDP, der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Worüber reden wir eigentlich? – Wir haben die Autonomie des Sports; darauf ist mehrfach hingewiesen worden.

(Philipp Bertram)

Autonomie ist immer dann schön, wenn man sie verkünden kann. Wenn man sich aber auch mal daran halten muss, dass man nicht für alles zuständig ist, wird es für die CDU offenbar immer schwierig. Das ist bei den Hochschulen dasselbe. Hochschulautonomie per se ist schön, wenn man nach außen sagen kann, man fördere die Selbstständigkeit. Wenn einem Entscheidungen aber mal nicht passen, ist es natürlich schlecht. Wir können aber nicht sagen, die Hochschulen oder die Sportvereine sollen ihre Angelegenheiten im Wesentlichen selbst regeln, was ja auch vernünftig ist, und ihnen zugleich haargenau vorschreiben wollen, welches Toilettenpapier sie kaufen und welche Kampagne sie starten. So wird es nicht funktionieren. Das müssen die Vereine dann mal selbst regeln.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der SPD – Beifall von Anne Helm (LINKE) – Zuruf von Dr. Wolfgang Albers (LINKE)]

Bei der Frage der Nachwuchsförderung gibt es immer Vereine, die das sehr gut machen, und Vereine, die es sehr schlecht machen. Das zeigt nur die gesamte Bandbreite des Lebens. Es gibt Sportvereine, die organisieren Tage der offenen Tür, die machen eine vernünftige Nachwuchsförderung und eine fantastische Jugendarbeit. Die haben auch keine Probleme, Mitglieder zu gewinnen.

[Dr. Wolfgang Albers (LINKE): Und ein paar, die machen Pause, wie bei Ihnen gerade!]

Es gibt aber eben auch das Gegenteil; das muss man klar sagen. Das liegt aber in der Zuständigkeit der jeweiligen Vereine. Da hilft auch eine Kampagne nichts, denn sonst müssten wir den Senat verpflichten, auch für Bürger-, Orts- und Heimatvereine, für Chöre und Religionsgemeinschaften etc. Kampagnen zu machen, um dort die Mitgliedschaft zu befördern. Das kann nicht der Grundgedanke sein. Der Sport ist gut genug organisiert, auch gut genug vernetzt, um das selbst auf den Weg zu bringen, wenn er es möchte. Im Augenblick aber, auch im Hinblick auf die Kapazitäten, ist das eher nicht das Problem.

[Zuruf von Christian Gräff (CDU)]

Wir haben zum Teil ein verändertes Freizeitverhalten; auch das ist mal zur Kenntnis zu nehmen. Nicht jeder möchte sich mehr im Verein engagieren. Das mag man bedauern, aber auch das ist eine Tatsache, die man zur Kenntnis nehmen muss.

[Zurufe von Torsten Schneider (SPD) und Christian Gräff (CDU)]

Die CDU sollte insofern neue Wege gehen, um ihre eigene Einsamkeit zu therapieren, aber sie sollte nicht das Abgeordnetenhaus damit behelligen. – Herzlichen Dank!

[Beifall und Heiterkeit bei der FDP, der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN – Torsten Schneider (SPD): Bravo!]