Protokoll der Sitzung vom 13.09.2018

In der Beratung beginnt die Fraktion der FDP. – Herr Abgeordneter Schmidt! Sie haben das Wort, bitte!

[Mario Czaja (CDU): Jetzt kommt der Bezirksverordnete Schmidt!]

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nach Aussage von Frau Senatorin Lompscher ist das Gebiet um die Hertzallee – ich zitiere – „von außergewöhnlicher stadtpolitischer Bedeutung“. – Das stimmt. Es ist tatsächlich eines der ganz wichtigen zentralen Entwicklungsgebiete unserer Stadt und von herausragender gesamtstädtischer Bedeutung. Das Ziel für dieses Gebiet hat die Stadtentwicklungssenatorin ebenfalls richtig formuliert. Es soll sich von einem untergenutzten, kaum wahrgenommenen Gebiet hin zu einem urbanen Stadtquartier entwickeln. Das ist richtig gesagt. Genau das passiert aber nicht, im Gegenteil, das Gebiet ist gerade auf dem Weg, diese Ziele völlig zu verfehlen. Warum ist das so? – Die TU baut dort neue Gebäude. Sie muss dies auch tun, denn sonst verfallen Fördermittel in großer

Höhe. Die TU muss 2023 fertig werden, um ihre Fördermittel zu verwenden. Sie kann also keinen Bebauungsplan abwarten.

Das Problem ist nun, dass die Gebäude, die dort für das IMoS gebaut werden, reine Universitätsgebäude sind. Es sind Büros, es sind Forschungsgebäude, es sind ITGebäude, es gibt dort keine Nutzungsmischung, erst recht gibt es dort keine urbane Qualität. Dieser TU-Bereich macht nun mal fast zwei Drittel des gesamten Gebiets aus. Sobald in dieser Größenordnung dort ein Bereich entsteht, der weder mit urbaner Stadtentwicklung noch mit den Leitlinien für die City-West vereinbar ist, wird man auch auf dem restlichen Drittel des Geländes die Fehlentwicklung dann kaum noch kompensieren können.

Das sind auch konkrete Fehlentwicklungen, die auch bei der Standortkonferenz im April von den Bürgerinnen und Bürgern ganz konkret angesprochen wurden: Verödung, das Eindringen von Zonen der Unsicherheit und der Kriminalität aus der engen Nähe zum Bahnhof Zoo, keine ausreichende Nutzung der Wohnraumpotenziale, das gesamte Gelände könnte so aus der Balance geraten. Da nützt es dann eben nicht mehr, einen Bebauungsplan aufzustellen, wie es die Senatsverwaltung Mitte Juni beschlossen hat, die Aufstellung des Bebauungsplans wird auf jeden Fall zu spät kommen, denn dieser B-Plan wäre dann eben nur noch für den kleinen Teil des Geländes verbindlich, der dann noch nicht von der TU bebaut ist.

Leider ist bisher schon einiges schiefgelaufen, denn auch bisher fanden die Leitlinien für die City-West hier kaum einen Niederschlag. Wenn man mal aus diesen Leitlinien zitiert, diese wollen nämlich eine

… außergewöhnliche, zukunftsträchtige Verbindung des attraktiven, innerstädtischen Wohnens mit Orten des Arbeitens, der Erholung und mit Erlebnisangeboten …

Sie wollen „Laufstege und Bühnen für die Stadtgesellschaft“ schaffen. Sie wollen eine „engere Verflechtung von Campusgelände und Stadt“. Und sie wollen eben nicht ein streng separiertes Nebeneinander von einzelnen Nutzungen, sondern eine spannende Mischung solcher Nutzungen.

Wir Freien Demokraten wollen die Umsetzung der Leitlinien für die City-West.

[Beifall bei der FDP – Beifall von Daniel Buchholz (SPD)]

Wir wollen, dass an dieser Stelle – Daniel Buchholz klatscht,

[Mario Czaja (CDU): Das wundert mich überhaupt nicht, Sie sind ja der Buchholz der FDP! – Heiterkeit]

(Andreas Wild)

deshalb hoffe ich, dass er nachher auch was Positives sagt – eine wirklich attraktive, quirlige, spannende Mischung von Nutzungen entsteht, damit sich das Gebiet lebendig und nachhaltig entwickelt. Ich kann mir z. B. gut studentisches Wohnen auf den Dächern vorstellen oder kleine Läden, kulturelle Nutzung, Restaurants im Umfeld. Für diese Visionen habe ich auf der Standortkonferenz zur Hertzallee-Nord übrigens durchaus auch Sympathien aus Kreisen der Koalitionsfraktionen wahrgenommen, die ich hoffentlich heute in der Debatte auch noch einmal wahrnehme.

Die einzige Chance, an dieser Stelle ein Desaster mit jahrzehntelangem Bestand zu verhindern, ist ein gemeinsamer zielgerichteter Ansatz von Senat und TU. Bauherr und Auslober des Wettbewerbs für die Gebäude der TU ist nun mal die Abteilung Hochbau der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. Der künftige Bebauungsplan wird auch in der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung vorbereitet. Vielleicht kann man ja auch innerhalb der Senatsverwaltung noch einmal über die Realisierung der Leitlinien City-West besser diskutieren.

[Beifall bei der FDP – Paul Fresdorf (FDP): Sehr richtig!]

Deshalb ist es jetzt Aufgabe des Senats, mit der TU noch einmal schnellstmöglich in einen Dialog zu treten, um die Planungen zu überarbeiten und die Ziele des künftigen Bebauungsplans besser zu erreichen. Ich bin mir auch sicher, dass sich die TU nicht gegen vernünftige Vorschläge sperren wird.

[Paul Fresdorf (FDP): Nein!]

Der Senat muss dazu aktiv an die TU herantreten. Er soll seine umfangreichen Dialogmöglichkeiten nutzen, die er hat, und die Zielsetzung des Landes Berlin für die Entwicklung dieses Gebiets verdeutlichen, gerade eben auch die Leitlinien zur City-West. Und beim Abwarten im normalen Ablauf, wie es jetzt passiert, werden unwiderruflich Fakten geschaffen, die wir alle über Jahrzehnte dann bereuen werden.

[Beifall bei der FDP]

Das Gelände würde in einem großen Teil dauerhaft dysfunktional, und das wäre ein städtebauliches Desaster.

Dieses wichtige und sehr dringliche Handeln der Stadtentwicklung beim Senat anzuregen, dazu dient dieser Antrag. Dafür bitte ich Sie heute um Ihre Unterstützung. – Vielen Dank!

[Beifall bei der FDP]

Für die SPD-Fraktion hat jetzt der Abgeordnete Herr Daniel Buchholz das Wort. – Bitte schön!

[Mario Czaja (CDU): Jetzt kommt Buchholz der andere!]

Frau Präsidentin! Meine Damen! Meine Herren! Verehrter Kollege Schmidt! Ich freue mich sehr – das kann ich nicht jeden Tag sagen –, dass in einem FDP-Antrag richtig gute Sachen stehen.

[Mario Czaja (CDU): Wir haben es befürchtet!]

Da darf die FDP-Fraktion jetzt auch einmal klatschen.

[Vereinzelter Beifall bei der FDP]

Immerhin, zwei, drei. – Herr Schmidt! Ich würde mir nur eines wünschen: Dass Sie nicht so zaghaft herangehen. Die Stoßrichtung, alles, was Sie gerade fachlich ausgeführt haben, völlig richtig. Aber in Ihrem Antrag steht leider ein entscheidender Satz, und der heißt: Gegebenenfalls könnte man darüber nachdenken, die bauliche Dichte etwas zu erhöhen. – Wo bleibt da eigentlich der freidemokratische Freigeist, der sagt: Natürlich wollen wir dieses Areal dichter und höher und besser bebauen? Mal etwas Mut zusammennehmen, freiheitlich-demokratischen Mut und sagen: Da ist ein Gelände, das wirklich exzellent liegt.

[Mario Czaja (CDU): Soll auch ein schöner Wahlkreis sein!]

Für alle, die es nicht so präsent haben, wir reden über das Gelände, auf dem einmal ein Riesenrad errichtet werden sollte, aber es kam nie dazu, wo die Busstation der BVG ist, direkt am Bahnhof Zoo. Da muss ich nicht mehr viel dazu sagen. Bahnhof Zoo, wenn das keine verkehrlich exzellente Erschließung ist, dann weiß ich nicht, welche Lage besser geeignet ist, um wirklich urbanes, gemischtes Leben zu ermöglichen, um die universitären Einrichtungen zu integrieren. Herr Schmidt, Sie haben es erwähnt, wir waren gemeinsam bei der Standortkonferenz im April 2018. Natürlich haben wir dort alle eine Menge gelernt. Ich habe auch die Chance genutzt, kurz mit dem Investor, dem Eigentümer zu sprechen. Der ist völlig offen dafür zu sagen: Lasst uns das noch urbaner und zwar in diesem Sinne auch dichter, attraktiver bebauen und auch höher bebauen. Dort ist ein Standort, wo Hochhäuser hinpassen,

[Oliver Friederici (CDU): Jawoll!]

und ich sage Ihnen auch, warum. Es gibt nämlich keine Anwohner, die sich beschweren könnten, außer den Pandas im Berliner Zoo.

[Oliver Friederici (CDU): Die sind auf der anderen Seite!]

Ich glaube, die werden wir noch überzeugt bekommen.

[Paul Fresdorf (FDP): Mögen Sie keine Pandas? – Holger Krestel (FDP): Pandapolitischer Sprecher!]

Also könnten wir darangehen und sagen: An der Stelle ist die Möglichkeit, ein wirklich zum Leben, zum Wohnen und zum Arbeiten hoch attraktives Gelände zu schaffen. Deshalb wünsche ich mir, dass wir den einen Satz aus dem FDP-Antrag herausnehmen, weil er schlichtweg zu –

(Henner Schmidt)

Entschuldigung! – luschig ist. Sie gehen da ein bisschen zu vorsichtig ran.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Schmidt?

Bitte, Sie haben das Wort, Herr Schmidt!

Vielen Dank! – Sehr geehrter Herr Kollege Buchholz! Das, was Sie eben gesagt haben, dass man mutiger sein muss, das nehme ich gerne auf. Gilt das auch für den Teil, den jetzt die TU bebaut, auch da zu fordern, Hochhäuser und insgesamt höher zu bauen? Würden Sie da mitgehen?

[Zuruf von der LINKEN: Nein!]

Klare Antwort: ja. Wir haben das auch schon im April vor Ort besprochen. Ich würde mir wünschen, wenn es das Zeitfenster noch gibt, dass man mit der TU darüber redet, diese Gebäude höher zu errichten. Das wäre genau das – übrigens ein Koalitionsantrag –, was flächensparendes Bauen heißt, heute gestapelte Nutzungen zu machen. Unten ein Stück universitäre Einrichtungen, dann vielleicht Studierendenwohnungen und noch etwas anderes in den oberen Etagen, ein Café ganz oben. Ja, das sollten wir heute tun. Die Frage ist nur, existiert dieses Zeitfenster noch. Ich glaube, das sollten wir in Kürze im Stadtentwicklungsausschuss mit der Senatorin, mit der Senatsbaudirektorin intensiv besprechen. Bei dem, was ich höre, bekomme ich vermittelt, das sei etwas schwierig, weil die TU-Planungen schon sehr weit fortgeschritten sind. Aber inhaltlich bin ich voll bei Ihnen.

Ich möchte Sie animieren, auch bei einem anderen Punkt noch lebendiger und kräftiger bei den Forderungen zu werden, nämlich zu sagen: Wenn die BVG jetzt Ihren Busbahnhof umgestalten muss, was der Fall sein sollte, wenn wir dort wirklich eine neue, urbane Fläche für Wohnungsbau, für Gewerbe und andere Dinge schaffen wollen, dann muss sich der Busbahnhof zwar flächenmäßig verkleinern, aber weiterhin die ganze Buskapazität abgewickelt werden, dann müssen wir intensiv mit der BVG reden, mit Frau Nikutta sprechen. Ist es nicht möglich, wenn dort demnächst Elektrobusse halten, dass das auch in gestapelter Form geht, dass man auf der einen Etage den einen Bus lädt, auf der nächsten Etage den

zweiten, darüber sogar noch ein Verwaltungsgebäude der BVG und dann noch in den oberen Etagen tatsächlich hoch attraktives Wohnen mit Blick über die Stadt? Das sind schöne Visionen. Davon sollten wir nicht nur träumen, da sollten wir schnellstens schauen, dass wir das auch parlamentarisch begleiten. Ich hoffe, dass wir das hinbekommen, und wünsche mir sehr, dass ein neues, urbanes, lebendiges Quartier, über das wir sagen: Mensch, Bahnhof Zoo ist nicht nur etwas mit einer Dreckecke, die gerät dann vielleicht auch ein Stück weit mehr in Vergessenheit, um es so zu sagen, sondern wir dahinkommen, dass wir uns alle freuen, dort abends wegzugehen, tagsüber in einem sehr hoch gelegenen Café im Hochhaus zu sitzen – Kollege Czaja lade ich ein, er hat schon so viel dazwischen gesprochen, Kollege Schmidt – und dann wird das ein ganz tolles Gebiet für Berlin. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und der FDP]

Für die Fraktion der CDU hat jetzt der Abgeordnete Evers das Wort. – Bitte schön!