Protokoll der Sitzung vom 13.09.2018

lfd. Nr. 27:

Start-up-Übersicht in der Hauptstadt

Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion Die Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 18/1104

Eine Beratung soll einvernehmlich nicht mehr stattfinden. Es wird die Überweisung des Antrags an den Ausschuss für Wirtschaft, Energie, Betriebe empfohlen. – Widerspruch hierzu höre ich nicht, dann verfahren wir so.

Die Tagesordnungspunkte 28 bis 33 stehen auf der Konsensliste. Der Tagesordnungspunkt 34 war Priorität der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen unter Nummer 5.2.

Ich komme nun zu

lfd. Nr. 35:

Von Anfang an gut versorgt – für eine gute Geburtshilfe

Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion Die Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 18/1196

In der Beratung beginnt die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und hier die Kollegin Pieroth-Manelli. – Bitte schön!

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In letzter Zeit haben mich die Leute gefragt: Frau Pieroth! Müssen wir denn schon wieder über die Geburtshilfe in Berlin reden? – Meine Antwort darauf war dann immer: Natürlich! Gerade jetzt müssen wir darüber reden!

In der Sommerpause war ich viel in den Krankenhäusern unterwegs und habe die Situation dort hautnah mitbekommen, wie sich das Pflegepersonal aufopfert, aber dennoch der Zeit hinterherrennt, ja, hinterherrennen muss. Wir müssen endlich etwas einplanen, dass bei den durchgetakteten Fallpauschalen vergessen wurde: Wir brauchen wieder ein bisschen mehr Zeit für Menschlichkeit, und das betrifft vor allem die Zeiten, in denen Veränderungen anstehen. Das können die Geburt, Kinderkrankheiten, der Übergang ins Erwachsenenalter, das Älterwerden und nicht zuletzt auch die Sterbephase sein.

Es kann nicht sein, dass jede und jeder Einzelne erst in der Not feststellt, dass diese Zeit fehlt. Ich will, dass uns jemand mit Herz und Verstand in unserem Leben begleitet und nicht bereits als Säuglinge sofort in einen rationalisierten Stundenplan packt. Am Lebensanfang sind das die Hebammen – eigentlich ein schöner Beruf, eine Berufung. Nur haben wir es hier aufgrund von geringem Verdienst bei gleichzeitig hohen Versicherungsprämien bestenfalls mit überforderten Frauen zu tun, die ihre Berufung nach einigen Jahren auch wieder aufgeben.

Ich fasse Ihnen jetzt mal die Forderungen aus unserem Koalitionsantrag zusammen. Erstens: Wir brauchen eine Statistik der in Berlin tätigen Hebammen, denn wir müssen doch wissen, wie viele Hebammen wo in Berlin arbeiten. Das ist doch die Grundlage für alle weiteren Planungen. Mir ist es bis heute unverständlich, wie das fehlen kann – die Senatorin ist leider nicht vor Ort.

Die Angebote von hebammengeleiteten Kreißsälen und Geburtshäusern müssen wieder bekannter gemacht werden. Warum nicht auch endlich einmal wieder Werbung für die natürliche Geburt machen, auch wenn die Krankenhäuser für Kaiserschnitte mehr Geld erhalten und so die Kleinen besser in den Zeitplan passen?

Drittens ist es gut, dass der Hebammenverband mit dem Aufbau einer Vermittlungsplattform beauftragt wurde. Aber die muss auch endlich kommen. Da reichen kurzfristige Lottomittel nicht, denn wir wollen ja nicht mit Aktionismus blenden, sondern eine langfristige Kontaktmöglichkeit schaffen. Die Finanzierung muss jetzt endlich sichergestellt werden!

(Vizepräsidentin Cornelia Seibeld)

Dabei ist schon einiges erreicht: Das Aktionsprogramm für eine sichere und gute Geburt war für Berlin ein Meilenstein. Aber Papiere alleine helfen nicht. Wir haben zwar rund 350 Ausbildungsplätze für Hebammen geschaffen, aber es fehlen Räumlichkeiten und Menschen, die diese Hebammen ausbilden. Auch hier erwarte ich vom Senat mehr Engagement.

In nur anderthalb Jahren wird die akademische Ausbildung für Hebammen verpflichtend. 2020 tritt die entsprechende EU-Richtlinie in Kraft. Herr Spahn greift ja gerne jedes herzbewegende Thema zur Hälfte an. Aber in diesem Fall hat er wohl andere Prioritäten. Deshalb muss unser Senat eine aktivere Rolle einnehmen, zum Beispiel mit einer Bundesratsinitiative.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Wir haben es uns mit dieser Koalition zum Ziel gesetzt, den Schwächeren zur Seite zu stehen. Dieser Antrag enthält konkrete Lösungen, um Hebammen ihre Arbeit zu erleichtern, und er enthält Lösungen, um die Bedürfnisse von Frauen und Kindern besser zu befriedigen. Er trägt auch dazu bei, dass es mehr Zeit und Menschlichkeit im Gesundheitswesen gibt. Das wünsche ich mir für alle Lebenssituationen und in jedem Alter. – Ich danke Ihnen!

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Vielen Dank! – Für die CDU-Fraktion hat der Kollege Stettner das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste, die noch da sind! Frau PierothManelli hat das gerade richtig gesagt: Wir wollen nicht mit Aktionismus blenden, sondern wollen zu einem echten Mehrwert führen, wir wollen etwas verbessern. Dem Grunde nach ist dieser Antrag natürlich nur zu unterstützen; das ist überhaupt keine Frage. Zur Verbesserung der Geburtshilfe beizutragen – dagegen kann man nicht sein. Das ist auch eine Forderung der CDU-Fraktion, die schon im Jahr 2017 deutlich formuliert worden ist und der im Zehnpunkteplan auch in weiten Punkten nachgekommen worden ist. So gesehen ist uns nicht wirklich klar, inwieweit dieser Antrag detailliert sein soll, oder wir erkennen das nicht. Ich möchte kurz auf das eingehen, was wir bereits am 18.9.2017 beantragt haben, auf das, was im Zehnpunkteplan beschlossen ist, und auf das, was wir an dem Antrag nicht verstehen und was wir im Ausschuss gern verbessern möchten.

Wir haben gefordert, dass die Haushaltsüberschüsse 2017 zur Schaffung eines Sonderprogramms zur Erweiterung der Kreißsäle an den Berliner Kliniken verwendet werden

sollen. Wir haben die Schaffung eines gemeinsamen Personalnotfallpools aller Berliner Geburtskliniken gefordert, und wir haben die Erhöhung der Zahl der Ausbildungsplätze für Hebammen gefordert. Wir haben die Steigerung der Bettenkapazität gefordert, und dieser Antrag wurde gegen unsere Stimmen von der Koalition abgelehnt.

Kurz vor dieser Ablehnung ist dann der Zehnpunkteplan entstanden und hat wesentliche Forderungen von uns aufgenommen, was nicht so ungewöhnlich ist: die Erhöhung der Ausbildungskapazitäten, 20 Millionen Euro mehr für den Bau und die Erweiterung von Kreißsälen, die Online-Vermittlungsplattform für Hebammen und die bedarfsgerechte Erhöhung der Bettenkapazität. Ergo sind unsere Forderungen schon in weiten Teilen umgesetzt worden, auch wenn unser Antrag erst abgelehnt werden musste, um es dann in den Zehnpunkteplan hineinzuschreiben – trotzdem ein richtiger Schritt.

Schauen wir uns nun den Antrag an und überlegen uns den Mehrwert, stellen wir fest, dass uns unklar ist, warum die Koalitionsfraktionen jetzt noch einmal darauf aufspringen, was bereits auf unsere Initiative hin im Zehnpunkteplan drinsteht. Wir erkennen hier den echten Mehrwert nicht. Die statistische Erhebung wurde allein im letzten Jahr bei 19 Berliner Geburtskliniken erhoben, ist also bereits erledigt. Die Kapazitäten der Kreißsäle auszubauen, steht im Zehnpunkteplan, und die digitale Plattform zur Hebammenvermittlung steht ebenfalls im Zehnpunkteplan.

Also konkrete weiterführende Schritte sind in diesem Antrag nicht beschrieben. Wir brauchen aber genau das. Wir brauchen kein schwächeres Replikat des Zehnpunkteplans. Deswegen gehen wir damit in den Ausschuss hinein und hoffen, dass wir aus diesem Antrag heraus wirklich noch Verbesserungen für die Hebammen generieren können. – Danke schön!

[Beifall bei der CDU]

Vielen Dank! – Für die SPD-Fraktion hat der Kollege Isenberg das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben vor der Sommerpause ausführlich hier in diesem Haus über die Hebammenversorgung gesprochen. Wir haben damals festgestellt – und ich betone das noch einmal –: Die Union redet gerne über Familienpolitik, lässt aber de facto die Frauen allein. Denn Sie haben in der letzten Legislaturperiode nicht gehandelt, und deswegen noch einmal ganz herzlichen Dank an die SPDgeführte Gesundheitsverwaltung, dass diese den

(Catherina Pieroth-Manelli)

Zehnpunkteplan vorgelegt und das Aktionsprogramm gestartet hat, ohne dass es einer parlamentarischen Aufforderung bedurfte, dass sie genau das, was Frau Pieroth aus dem Koalitionsvertrag vorgetragen hat, umsetzt!

Wir haben das Aktionsprogramm ausführlich beraten und damals festgestellt. Es ist gut. Es sind konkrete Punkte, die messbar sind. – Und insofern ist die Kritik sicherlich inzwischen nach dem Ablauf der Zeit der Beratung im Vorfeld dieses Antrags auch nachvollziehbar, die Sie eben brachten: Einige Punkte dieses Antrags sind überflüssig und sicherlich in der Form auch nicht mehr zustimmungsfähig nach den Ausschussberatungen, weil sie inzwischen in der Tat überholt sind.

Aber trotzdem sollten wir das Thema aufgreifen und beraten, denn es gibt auch neue Aspekte in diesem Antrag. Ich betone hier ganz klar den Punkt 2 beispielsweise: Es ist ja ein guter Punkt, dass man sich einmal bei den Vorsorgeuntersuchungen hinstellt und schaut, wie denn die Erfahrungen der werdenden Mütter waren. Wie waren denn die Erfahrungen bei der Geburtsvorbereitung? Wie ist das denn mit der eben von Frau Pieroth-Minelli vorgetragenen Wahlfreiheit, die wir bei allen medizinischen Vor- und Nachteilen von Hausgeburten wollen? – Die Informationen der Frauen darüber zu verbessern und zu einer Wahlfreiheit zu kommen, sollten wir durchaus noch einmal im Ausschuss beleuchten.

Auch die Frage, wie das, was wir uns vorgenommen haben – nämlich die Aufwertung des Berufsbilds –, in der Praxis umgesetzt wird, ist wichtig. Wir haben ja die Hebammenschulen weiterqualifiziert. Da wird die Senatsgesundheitsverwaltung uns spätestens am Jahresende die Erfolge berichten, wie wir uns das vorgenommen haben. Wir haben den Musterarbeitsplatz in der Definition. Wir werden darstellen können, wie das dann in den Krankenhäusern gelebt wird.

Insofern gibt es hier keinen Grund für ein überzogenes öffentliches Erwartungsmanagement oder eine Zielgruppenarbeit. Der Antrag ist immer noch gut. Viele Punkte können wir im Detail abhaken. Sie sind umgesetzt oder in der Umsetzung, und ich darf auch daran erinnern: Wir haben 20 Millionen Euro mit Sonderinvestitionen dieses Hauses in die Kapazitätserweiterung der Kreißsäle gesetzt. Auch da sind wir inzwischen die Ersten im Bau bzw. der Kapazitätsausweitung. Sie sehen: Wir machen das gut, und herzlichen Dank an die Gesundheitsverwaltung für die Umsetzung der eben benannten Maßnahmen!

[Beifall bei der SPD]

Vielen Dank! – Für die AfD-Fraktion hat der Abgeordnete Mohr das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Kollegen Abgeordnete! Verehrte Gäste auf der Zuschauertribüne! Ich freue mich wie immer, für die AfD-Fraktion zum heute beratenen Antrag „Von Anfang an gut versorgt – für eine gute Geburtshilfe!“ Stellung nehmen zu dürfen – obwohl ich gestehen muss, dass ich ob des Zeitpunkts so kurz nach der Sommerpause ein klein wenig überrascht gewesen bin, da es aus meiner Sicht vielleicht doch ein wenig sinnvoller gewesen wäre, erst den Evaluationsbericht des Runden Tisches im Dezember abzuwarten, um darauf aufbauend passgenaue Verbesserungsvorschläge zu entwickeln. Oder sind den Koalitionsparteien womöglich bereits vorab erste Ergebnisse zugespielt worden? – Ich weiß es nicht.

Immerhin scheint diese Koalition aber zu begreifen, dass es einiges zu verbessern gibt, wenn es um das Thema Geburtshilfe in Berlin geht, und diese Erkenntnis ist selbstverständlich begrüßenswert, insbesondere deshalb, weil eine durchgängige und sektorenübergreifende Behandlungsstruktur zu einer besseren Qualität der medizinischen Versorgung führt.

Aber schauen wir uns die wesentlichen Forderungen des Antrags einmal etwas genauer an. Was ist unter Punkt 3 des Antrags mit „hebammengeleitete Kreißsäle bei Bedarf ausbauen“ genau gemeint? – Es ist sicherlich sinnvoll, die Hebammen bei ihren Forderungen nach mehr Selbstbestimmung bei der Ausübung ihres Berufes zu unterstützen. Wir dürfen dabei aber nicht vergessen, dass Krankenhäuser per Gesetz als Einrichtungen unter ärztlichen Leitung definiert sind. Wir wollen und können nicht Engpässe in Kreißsälen damit lösen, dass wir auf fachliche Qualität verzichten. Wir wollen und können nicht Berufsgruppen gegeneinander ausspielen. Derart tiefgreifende Systemumstellungen setzen eine breite Akzeptanz und Zusammenarbeit aller betroffenen Akteure voraus.

[Beifall bei der AfD]

Bezüglich Punkt 4 des Antrags, IVENA-Daten quasi live zur Verfügung zu stellen, ist es von Bedeutung, dass gerade hier insbesondere Aspekte der Datensicherheit und des Datenschutzes beachtet werden müssen. Aus unserer Sicht sollte daher zuerst geprüft werden, welcher Bedarf überhaupt besteht, auf welcher Grundlage Befugnisse erteilt und wonach entsprechende Zugriffsrechte festgelegt werden können. Im Übrigen ist es schön, zu erfahren, dass endlich auch in Berlin das IVENA-System, also ein Werkzeug zur Echtzeiterfassung von freien Krankenhausbetten, einsatzbereit ist. Es dürfte aber hoffentlich jedermann einleuchten, dass bessere Versorgungs- und Behandlungsergebnisse für Patienten nicht lediglich durch IVENA erreicht werden können. Die Sicherstellung von Versorgungskapazitäten kann nur durch die Entwicklung von tragfähigen Konzepten erstens zur Überwindung der Sektorengrenzen und zweitens zur Vergütungsproblematik erreicht werden. Das bildet

(Thomas Isenberg)

die Grundlage für ein zukunftsorientiertes und effizientes Versorgungssystem. Wir als AfD-Fraktion würden uns jedenfalls sehr freuen, wenn sich der rot-rot-grüne Senat hierbei etwas weniger Zeit ließe, als es bei der Implementierung von IVENA der Fall gewesen ist.

Abschließend ist mir noch wichtig zu betonen, dass selbstverständlich auch für uns statistische Erhebungen qualitativer und quantitativer Art, wie in Punkt 1 und 2 des Antrags gefordert, wichtig und richtig sind, damit endlich auf Grundlage valider Kennzahlen und nicht irgendwelcher Schätzungen die Patientenversorgung bedarfsgerecht sichergestellt werden kann. Ich freue mich jedenfalls auf die Diskussion im Gesundheitsausschuss und danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

[Beifall bei der AfD]

Vielen Dank! – Für die Linksfraktion hat der Kollege Dr. Albers das Wort.

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Meine Damen, meine Herren! Die Geburtenzahlen in Berlin bewegen sich in den letzten Jahren auf einem mehr oder weniger konstant hohen Niveau. Die Senatsverwaltung für Gesundheit hat darauf mit einem Berliner Aktionsprogramm für eine sichere und gute Geburt reagiert und die Beteiligten und Verantwortlichen an einen Runden Tisch geholt. Ziel dieses Aktionsprogramms ist es, die geburtshilflichen Bedingungen für die Schwangeren in dieser Stadt weiter zu verbessern und überall dort nachzubessern, wo Defizite erkannt werden. Wir haben uns dazu mit Elternvertretern, die am Runden Tisch teilgenommen haben, getroffen, und die haben eingefordert, dass ihre Beteiligung keinen Alibicharakter haben darf, sondern dass auch ihre Belange angemessen berücksichtigt werden müssen. Sie haben uns deshalb zwei klare Aufträge mit auf den Weg gegeben, die in unseren Antrag eingeflossen sind.