Wolfgang Albers
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Last Statements
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Was kann man hier eigentlich noch sagen? Im Wesentlichen wiederholt sich das hier mit jeder Runde alle 14 Tage. Wir packen alles in einen Coronakorb – heute sind es drei
(Tim-Christopher Zeelen)
Verordnungen und vier Anträge – und handeln das unter einem Tagesordnungspunkt in fünf Minuten ab. Wir passen die Verordnungen regelmäßig an die aktuelle Entwicklung an, und Sie drücken in Ihren Anträgen genauso regelmäßig Ihre Unzufriedenheit mit dem Pandemiemanagement insgesamt oder mit der jeweiligen einen oder anderen Maßnahme aus. Man kann das so machen. Man kann einzelne Maßnahmen kritisch sehen, auch das Management insgesamt – dazu würde mir auch einiges einfallen –, aber da gibt es dann auch den Satz: Hätten wir es nicht so gemacht, wie wir es gemacht haben, wären wir nicht da, wo wir jetzt stehen.
Ich kann den Satz nicht widerlegen, und Sie können den Satz auch nicht widerlegen. Ich denke, man wird im Nachhinein sehr wohl auch kritisch auf das Geschehene und Getane zurückschauen müssen. Da geht es einfach darum, nach Sinn und Nutzen von Maßnahmen zu fragen – nüchtern, sachlich, evidenzorientiert zu evaluieren: Was war wirklich nötig? Was hatte den gewünschten Effekt? Und was, in der Tat, war in dem Instrumentenkoffer weniger effektiv, und was hätten wir uns womöglich gänzlich schenken können? In der Medizin dient ein offenes Fehlermanagement nicht dazu, Schuldige zu identifizieren oder im Nachhinein klugzuscheißen, sondern dazu, erkannte Fehler abzustellen. Das kann man in der Politik auch hinbekommen, und das Coronamanagement bietet dazu auch reichlich Gelegenheit, weil wir die Erfahrungen, die wir nun gemacht haben, natürlich brauchen, um unsere gesellschaftlichen Strukturen zukünftig und dauerhaft pandemiefest zu machen. Corona wird möglicherweise nicht die letzte Seuche sein, und das Virus bleibt uns wohl auch noch eine Weile erhalten. Zero Covid funktioniert nicht.
Natürlich mussten wir auch Lehrgeld zahlen, z. B. mit unserer Teststrategie. Das wird ja gerade offenkundig. Wir sollten Sie grundsätzlich in dieser Form überdenken. Nichtsdestotrotz: Strategisch eingesetzt als Torwächter – siehe Pflegeheime – und Türöffner – z. B. Theater oder Fitnessstudio – machen Tests Sinn und sind und bleiben vor Ort gezielt eingesetzt ein wirksames und wertvolles Instrument. Aber dieses Testen in der Fläche ist ineffektiv, weil so in der Qualität eben nicht mehr kontrollierbar und auf Dauer auch nicht finanzierbar. Es bringt nichts, eine Unmenge von Tests durchzuführen, wenn das Ergebnis dieser Tests nicht valide ist.
Ließen sich nur 10 Prozent der Berliner täglich testen, kämen wir bei den derzeitigen Preisen auf Kosten von 6,48 Millionen Euro pro Tag. Das sind 45,36 Millionen Euro pro Woche, und das bei qualitativ möglicherweise nicht gesicherten Testergebnissen und bei einer Positivrate von gerade mal 1 Promille. „Testen, testen, testen!“ war nie eine Strategie.
Es bietet vielmehr ein Eldorado für Glücksritter. In der Tat: Seit März ca. 6 Millionen Tests in Berlin macht ungefähr 108 Millionen Euro. Die Verantwortung dafür liegt allerdings nicht beim Senat. Die Grundlage dafür wurde mit § 6 und § 7 Abs. 4 der Testverordnung vom 8. März auf Bundesebene gelegt. Da kamen die beauftragten Dritten ins Spiel und der Ukas, dass die übermittelten Angaben keinen Bezug zu den getesteten Personen aufweisen dürfen.
Herr Kluckert! Natürlich!
Wer sonst?
Das hat nicht der Senat zu verantworten. Das ist das Problem mit den beauftragten Dritten, die nach der Testverordnung im Grunde genommen unkontrolliert zuzulassen sind – mit einer Zertifizierung, die online läuft, und ohne jede Validität für das, was die tatsächlich tun. Ich wollte gerade dazu kommen.
Da kamen die beauftragten Dritten ins Spiel und der Ukas, die übermittelten Angaben dürften keinen Bezug zur getesteten Person aufweisen. Das ist absurd. Jedem Security-Mann muss ich mein personalisiertes Testergebnis zeigen, aber die KV, die ständig personalisierte Daten von den niedergelassenen Ärzten erhält, darf hier keine personalisierten Daten erhalten. Das ist doch Unsinn.
Niemandem ist offensichtlich aufgefallen, dass man damit Krisengewinnlern eine Gelddruckmaschine aufgestellt hat. Die Verantwortung für die fehlende Kontrolle liegt doch mitnichten bei der KV. Die wehrt sich zu Recht. Die Testverordnung vom 8. März gibt den Kassenärztlichen Vereinigungen weder ein Kontrollinstrument in die Hand noch überhaupt einen Kontrollauftrag. Die Nachbesserung jetzt, die Steueridentifikationsnummer beim Betrug mitanzugeben, verhindert den Betrug nicht. Geld darf in Berlin zukünftig nur noch der bekommen, der den Einkauf von Test-Kits belegen und ihren Einsatz personalisiert nachweisen kann. Und natürlich kann es nicht sein, dass ein Onlinekurs ausreicht, eine Zertifizierung zu erhalten. Hier gibt es kurzfristig Nachbesserungsbedarf.
Ansonsten ist die wichtigste Lehre, die wir aus dieser Pandemie ziehen, dass wir diese Gesellschaft und ihre Strukturen zukünftig pandemiefest machen. Das wird eine Aufgabe in den nächsten Haushaltsberatungen sein, und hoffentlich erinnern sich alle die, die jetzt diese Forderungen erheben, dann auch tatsächlich daran, sie umzusetzen. – Vielen Dank!
Herr Förster, es sind mindestens zwei Tests pro Woche, nicht zwei Tests pro Woche. Die Summe kann also noch höher sein. Richtig?
Vielen Dank! – Frau Präsidentin! Meine Damen, meine Herren! Herr Zeelen! Amtsmüdigkeit hilft ja nicht, wir müssen weitermachen. Wir hätten gar keine Alternative in dieser Stadt.
Die FDP fordert in ihrem dringlichen Antrag zunächst einmal einige Änderungen in der zweiten SARSSchutzmaßnahmenverordnung ein, wirft dabei aber in der Tat einige grundsätzliche Fragen auf, über die wir ernsthaft diskutieren sollten. Wir spüren alle, dass die Unzufriedenheit der Menschen zunimmt und dass mit einer hohen Erwartungshaltung verbunden die Ungeduld mit dem politischen Agieren täglich wächst. Die Menschen in unserer Stadt haben genug von den Appellen an ihre Vernunft, und ihnen braucht auch niemand mehr in Oberlehrermanier die AHA-Regeln zu definieren.
Sie sind bereits vielfach in Vorleistung gegangen und haben sich zumeist an Vorgaben und Regeln gehalten, auch wenn diese ihnen nicht immer einsichtig waren und plausibel erschienen und auch, wenn diese Regeln und Vorgaben mit zum Teil erheblichen Opfern verbunden waren, bis hin zur unmittelbaren Bedrohung ihrer materiellen Existenz durch das faktische Verbot, den eigenen Beruf auszuüben oder das eigene Geschäft zu betreiben. Das ist alles schon gesagt worden, und nicht nur ein Mal.
Die Menschen sind dessen müde, und sie haben auch die Auguren satt, die ihnen bei jeder Gelegenheit immer wieder im Sinne schwarzer Pädagogik neue Bedrohungsszenarien zeichnen.
Wir sollten ihre Verdrossenheit deshalb nicht auch noch dadurch befördern, dass wir uns hier gegenseitig die Ernsthaftigkeit unseres Bemühens absprechen. Wir sollten auch der Versuchung widerstehen, die Diskussion über die Sinnhaftigkeit von Maßnahmen und deren Zeitplan parteipolitisch auszuschlachten. Vielmehr sind wir den Menschen nach 15 Monaten Ausnahmezustand eine sachliche und konstruktive Debatte über tatsächlich mögliche Öffnungsschritte schuldig.
Wir werden diesen Antrag nun in die Ausschüsse überweisen, aber wir werden ihn da nicht zeitnah diskutieren können. Dennoch sollten wir einen solchen Antrag ganz unaufgeregt zum Anlass nehmen, sehr wohl auch mit der notwendigen Selbstkritik unser exekutives Handeln noch einmal zu überprüfen, und uns fragen, ob wir mit den Erfahrungen der vergangenen Monate und im Wissen, um die nun zunehmend vorhandenen Möglichkeiten, eine verantwortungsvolle Öffnungsstrategie tatsächlich an Inzidenzwerte klammern müssen und nicht noch weiter forcieren können.
Ein wenig geschieht – darüber reden wir heute –, aber ich denke, da könnten wir sehr wohl mutiger sei, ohne dabei leichtsinnig zu werden.
Wir haben in der aktiven Bekämpfung Fortschritte erzielt, auch in der medizinischen Behandlung, und sollten diese Fortschritte nun nicht durch politisches Nachhinken konterkarieren, sondern in unserem politischen Handeln auch sichtbar machen. Diese Fortschritte sind für die Menschen bereits spürbar, und das sollte sich auch im Umgang mit den Verordnungen widerspiegeln. Die Praxen impfen nun endlich, hoffentlich bald mit den notwendigen Mengen, und die Betriebsärzte beginnen ebenfalls damit. Endlich debattieren wir auch darüber, die Impfstoffe dorthin zu bringen, wo die Ansteckungsgefahren besonders hoch sind. Endlich ist auch die Debatte aufgemacht. Ich begreife das bis heute nicht, warum eigentlich Kinder nicht geimpft werden. Natürlich kann man die impfen, die werden gegen alles Mögliche geimpft, warum nicht auch gegen Covid-19? Lassen Sie uns also rechtzeitig die logistischen Voraussetzungen dafür in der Stadt schaffen, z. B. durch die Bereitstellung von Impfbussen, die die Schulen anfahren. All das bringt uns in die Normalität zurück, und darauf sollten wir uns allesamt in der politischen Debatte konstruktiv konzentrieren.
(Tim-Christopher Zeelen)
Wie setzen wir die Mittel und die Instrumente, die wir nun haben, besser ein, und wie schaffen wir es, mit diesen Erfolgen dem Alltag der Menschen auch spürbar seine Normalität zurückzugeben? Diese Normalität den Menschen in der Stadt schnellstmöglich zurückzugeben, sind wir ihnen schuldig. Da geht es nicht um Wahlkampf, sondern es geht darum, ein Leben zu gestalten, dass jenseits der Pandemie wieder ein lebenswertes Leben auch in dieser Stadt wird. – Vielen Dank!
Frau Präsidentin! Meine Damen, meine Herren! „Wenn alles nichts hilft, muss alles auf.“ – Ich verstehe die Logik dahinter nicht. Sie konstatieren doch selbst, die Krankenhäuser klagen weiterhin über volle Intensivstationen. Fakt ist also, nach wie vor stecken sich Menschen an. Nach wie vor landen etwas mehr als 10 Prozent dieser Menschen im Krankenhaus.
Man kann nun zum Charakter dieser Erkrankung stehen, wie man will. Ich habe nie einen Hehl daraus gemacht, dass ich aus medizinischer Sicht für eine sachlichere Herangehensweise plädiere. Es gibt keinen Grund, diese Erkrankung zu dämonisieren. Sie ist beherrschbar. Aber man kommt nicht darum herum: Umso höher die Zahl der Infizierten ist, desto höher ist die Auslastung unserer Krankenhäuser. Da beißt nun mal keine Maus den Faden ab. Also gilt es, die Infektionen in ihrer Zahl zu begrenzen.
Dazu gibt es eine ganze Reihe von Maßnahmen, kluge, aber auch weniger kluge, zugestanden. Ihr „wenn alles nichts hilft, muss alles auf“, ist eine weniger kluge.
Allerdings sollten wir kritische Fragen nach dem Sinn oder Unsinn so mancher Anordnung der Exekutive in dieser Pandemie nun wirklich nicht denen überlassen, die diese Pandemie und die staatliche Eindämmungspolitik in all ihren Widersprüchen und auch mit ihren Fehleinschätzungen zum Vehikel machen wollen, die Legitimität dieses Handelns grundsätzlich infrage zu stellen und die versuchen, über solche Anträge die berechtigten Sorgen und die nicht unerheblichen Ängste der Menschen in dieser gesellschaftlichen Krise zu nutzen, ihr politisches Süppchen zu kochen.
Nicht jeder, der Fragen stellt, stellt Corona infrage. Ich wünschte mir in diesem Zusammenhang, manche öffentliche Reaktion auf manche Aktion Betroffener in jüngster
Zeit gelassener. Natürlich ist diese Pandemie real. Es kann also nicht darum gehen, Corona zu leugnen. Sie haben das hier oft genug getan, in Reden und in Zwischenrufen. Diese Pandemie ist kein Fantasieprodukt der „Altparteien“. Vielleicht sollten Sie diese Erkenntnis zunächst einmal per Tagesbefehl, Herr Oberst a. D., in Ihren eigenen Reihen durchsetzen.
Eigentlich ist es ja ein Doppel-a. D.,
a. D. im Beruf und a. D. auch hier. Okay!
Stattdessen demonstrieren Sie aber gemeinsam mit denen durch den politischen Hinterwald, die die Existenz dieser Erkrankung grundsätzlich bestreiten und die den Menschen auf ihren skurrilen Aufmärschen
mit ihren abstrusen Verschwörungstheorien Hüte ohne Krempe verkaufen wollen. Sie bereiten denen ja sogar noch die politische Bühne!
Frau Brinker hat es ja gerade kundgetan.
Sie dienen sich denen als der parlamentarische Arm der Anticoronabewegung an. –
Der schreit so viel, heute kriegt er keine Zwischenfrage. – Es geht Ihnen in diesem Antrag nicht um Corona. Es geht Ihnen um die Delegitimierung staatlichen Handelns. Sie wollen sich damit politisch genau da andocken,
wo die braunen Süppchen gekocht werden, und sie zücken schon Ihre Löffelchen, um den Schaum abzuschöpfen.
Und wir? Wir sollten uns allerdings die Frage stellen, ob all unser exekutives Handeln wirklich eine Perle war und ob wir durch die Art und Weise, wie manche Entscheidungen zustande kamen und vor allem, wie sie begründet und dann auch in einem teilweise überbordenden Regelungswahn umgesetzt oder auch gleich wieder zurück
(Christian Zander)
genommen wurden, bei vielen Menschen nicht eher zu deren Verunsicherung beigetragen hat. Es ist klug, und es ist auch politisch verantwortliches Handeln, sich wissenschaftlichen Rat in einer solchen Pandemielage zu holen.
Zur politischen Klugheit gehört es aber eben auch, Wissenschaft nicht selektiv wahrzunehmen. Auch die Deutsche Gesellschaft für Aerosolforschung z. B. ist eine renommierte und seriöse Institution, und was die zur Ausbreitung eines Virus sagt, hat auch wissenschaftliches Gewicht und muss dann eben auch merk- und spürbar in politische Entscheidungen einfließen. Sonst ist die Politik so nicht mehr vermittelbar.
Wir waren z. B. in Berlin die ersten, die Tests zum Torwächter in Altenheimen gemacht haben. Wir haben den täglichen Zugang über ein negatives Testergebnis abgesichert, und der Erfolg gibt uns recht. Dennoch haben wir, und das, obwohl der weit überwiegende Teil der Menschen in den Heimen mittlerweile zweimal geimpft ist, weiterhin nur Besuche für zwei Stunden durch eine Person zugelassen. Das geht nicht! Wir konterkarieren so unsere eigenen Erfolge einer klugen Öffnungsstrategie und befördern dadurch den Eindruck politischer Hilflosigkeit. Dabei ist doch das Gegenteil der Fall.
Wir setzen die Instrumente, die wir haben, klug ein, und dann müssen wir auch offensiver damit umgehen. Es stimmt ja nicht, dass nichts hilft. Die Instrumente, die wir haben, helfen ja. Wir können sie auch für eine inzidenzunabhängige Öffnungsstrategie so einsetzen, dass wir uns und unsere Gesellschaft widerstandsfähiger machen, nicht nur gegen diese Erkrankung, die uns noch eine Weile erhalten bleiben dürfte, sondern auch gegen diejenigen, die zwar ständig verächtlich von den Altparteien reden, die aber selber so Grufti sind, dass sie ihren Muff, diesen uralten politischen Modder, aus dem sie kriechen, schon gar nicht mehr selber riechen. – Vielen Dank!
Wieder alles abgelesen!]
Wir haben es gelesen! –
Frau Präsidentin! Meine Damen, meine Herren! Ich habe mir den Beschluss der Videokonferenz der Ministerpräsidenten vom 3. März sehr genau angeschaut, und ich muss dazu etwas sagen. Wir verfügen in dieser Pandemie mittlerweile über Instrumente, mit denen wir aus der Rolle der rein passiven Abwehr in die Offensive präventiven Handelns kommen können. Das scheint aber in all der Konsequenz noch nicht überall angekommen zu sein. Es heißt in dem Beschluss: Schnelltests „in großen Mengen“ stellen
einen … Baustein dar, … das Pandemiegeschehen positiv zu beeinflussen.
Im Wesentlichen ist dann aber nur davon die Rede, durch breit angelegte Tests infizierte Personen schneller zu identifizieren. Die Rede ist nicht davon, diese Tests jenseits aller Inzidenzendebatten – was bei welcher Inzidenz wann – strategisch, als Schlüssel zurück in unser gesellschaftliches Leben einzusetzen – aber genau darin liegt doch gerade ihr eigentlicher Wert.
Seit einigen Wochen praktizieren wir das hier in Berlin auch schon: Wir nutzen sie als Kontrolle des Zugangs zu unseren Alten- und Pflegeheimen. Wir haben diese Maßnahmen, Herr Dregger, entgegen der Empfehlungen der Ministerpräsidenten unabhängig vom Bund durchgesetzt; die haben am 3. März etwas anderes beschlossen. Der Erfolg als Torwächter in den Pflegeheimen zeigt, dass diese Tests sehr wohl auch zum Türöffner für den Eingang in weitere gesellschaftliche Bereiche genutzt werden können.
Zu einer solchen strategischen Nutzung findet sich in dem Beschluss der Ministerpräsidenten kein einziges Wort.
Stattdessen kann sich jeder Bundesbürger einmal pro Woche kostenlos testen lassen. Manche versetzt das schon in Euphorie und sie feiern das als „T-Day“. Wenn nun der Sinn darin besteht, allwöchentlich einmal mit dem groben epidemiologischen Kamm die positiven Fälle herauszukämmen, mag das Sinn machen; dann ist das aber allenfalls ein wöchentliches Screening. Ein strategischer Ansatz oder Einsatz ist das nicht. Wenn auch nur jeder zweite Berliner von diesem Angebot Gebrauch
machen würde, müssten pro Tag rund 257 000 Tests zur Verfügung gestellt werden. Der Regierende Bürgermeister hat davon gesprochen, dass die bestehenden Testzentren bis zu 1 000 Tests am Tag durchführen könnten; wir bräuchten dann also 257 Testzentren. Wir hatten aktuell 21 – wir haben gerade erfahren: Es sind jetzt vier mehr –, und deren Termine sind zum Teil jetzt schon auf Wochen ausgebucht.
Wenn wir aber zurückwollen in die tägliche Normalität am Arbeitsplatz, in die Theater, die Restaurants, in den Sport, dann hilft uns dieser wöchentliche Test zudem nur an dem Tag, an dem er durchgeführt wurde; an den sechs anderen Tagen aber hilft er uns nicht, denn als Türöffner muss er tagesaktuell sein. So ist es gefordert, und so macht es ja auch Sinn. Wir brauchen also eine andere, praktikablere, intelligentere Lösung, zumal es ja nach wie vor auch gilt, unnötige Wege zu vermeiden, die auf der Suche nach der nächstgelegenen Teststelle aber zwangsläufig nötig wären. Wir sollten hier also grundsätzlich umdenken.
Ein mögliches Modell ist ja beschrieben: Tests dezentral dort vor Ort, wo sie jeweils den Zugang ermöglichen sollen, soweit es möglich ist – spart Zeit, spart Wege, und das Testergebnis bekommt man dann an Ort und Stelle für den ganzen Tag gleich dokumentiert, sodass es auch anderswo Gültigkeit behält; entweder über einen QRScanner oder für den, der nicht über ein taugliches Handy verfügt, mit einem entsprechenden Dokument, zum Beispiel mit seiner Personalausweisnummer und einer Kontaktmöglichkeit zum Ort der Ersttestung zwecks Rückfrage, falls notwendig. Klingt einfach – ist es wahrscheinlich auch.
Kurz noch zu der sogenannten Impfstrategie des Bundes, Herr Dregger: Das ist die Impfstrategie des Bundes und nicht die Impfstrategie des Landes Berlin. Da haben gestern Abend die Gesundheitsminister festgelegt, dass Impfungen in den Arztpraxen nun doch erst frühestens ab April möglich sein sollen. Den Hausärzten geht das nicht schnell genug, mir auch nicht. Die haben gesagt: Wir stehen sofort zur Verfügung. Und auch die Betriebsärzte – 12 000 gibt es davon in diesem Land – sollen dann endlich einbezogen werden. Die fordern schon seit Monaten, dass man sie in die Impfstrategie einbindet, schließlich seien rund 45 Millionen Erwerbstätige das größte Präventionssetting, wenn es hierzulande darum geht, eine hohe Durchimpfungsrate in der Bevölkerung zu erzielen. Die waren aber bis jetzt außen vor.
Es erschließt sich mir nicht, warum wir damit erst in vier Wochen beginnen wollen. Zur Begründung heißt es, die entsprechenden Impfstoffmengen stünden nicht zur Verfügung. Es fehlt die Zeit, hier detailliert darauf einzugehen, ich will nur anmerken: Aktuell – Stichtag: 10. März 2021 – sind in Deutschland laut Impfdashboard des Bundesministerium für Gesundheit 12 495 345 Impfdosen
ausgeliefert worden. Bisher wurden 5 756 572 verimpft. Das ist ein Delta von 6 738 773 Impfdosen, die offenbar momentan ungenutzt bleiben. Berlin hat bisher
552 900 Dosen erhalten. Davon sind 387 109 verimpft. Das macht eine Differenz von 165 791.
Wir haben also auch hier aktuell einen Handlungsbedarf, und wir sollten nicht länger auf den Bund warten.
3 000 Praxen in Berlin stehen bereit. 1,8 Millionen Impfungen pro Monat wären möglich – niederschwellig, fachgerecht und patientennah. Und ein Bashing der Ärzte, sie würden jemanden vorziehen, ist eine Unverschämtheit.
Die entscheiden nach ärztlichen und medizinischen Kriterien und nach nichts anderem. – Danke!
Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Meine Damen! Meine Herren! Herr Zeelen, zur Pflegekammer, dieses leidliche Thema: In Niedersachsen haben Sie die doch gerade vor zwei Jahren eingeführt, und nach zwei Jahren müssen Sie sie wieder abschaffen, weil die Pflegenden gesagt haben, wir brauchen euch nicht. Die Diskussion führen wir an anderer Stelle gerne, aber nicht hier.
Zunächst einmal zu den beiden Rechtsverordnungen über die wir heute auf der Grundlage unseres Parlamentsbeteiligungsgesetzes sprechen. – Jetzt habe ich das Ding noch um.
Seien Sie froh! –
Ich habe Ihnen hier das Titelblatt einer Zeitschrift des Pflegeschutzbundes mitgebracht: „Stop. Besuchs- und Betretungsverbot. Für unsere Pflegestationen gilt ab sofort ein generelles Besuchsverbot!“ – Dieses Schild war keineswegs die Ausnahme, es war eher die Regel und schien durch manche Coronaschutzverordnung auch noch gedeckt. Die Kontaktverbote wurden über die Köpfe der Heimbewohner und Pflegebedürftigen hinweg geregelt und in die Hände der Heimleitungen gelegt.
(Tim-Christopher Zeelen)
Der Pflegeschutzbund hat dazu eindeutig Position bezogen: Die Abhängigkeit von Pflege darf nicht zur Fremdbestimmung und Isolation führen. Auch die Menschen in Pflegeheimen haben ein Recht auf ein selbstbestimmtes Leben. – Ja, wir haben eine objektive Schutzpflicht für das Leben und die Gesundheit dieser Menschen, aber wir haben diese Schutzpflicht auch für deren persönliche Würde, für deren Handlungs- und Entscheidungsfreiheit als unveräußerliche Grundrechte, auch am Ende eines Lebens und auch hinter den Türen von Pflegeeinrichtungen. In § 12 dieser zweiten Verordnung zu Regelungen in Einrichtungen zur Pflege regeln wir das jetzt als Parlament rechtssicher und verbindlich und regeln gleichzeitig auch noch etwas anderes. Wir nutzen nun Schnelltests als Torwächter für den Zutritt in unsere Alten- und Pflegeheime und schützen so die alten Menschen ohne sie an ihrem Lebensende in unerträgliche Isolation und unnötiger Einsamkeit zu zwingen.
Es hat viel zu lange gedauert, bis aus der Erkenntnis, dass Alten- und Pflegeheime besonders vulnerabel sind, endlich die Konsequenz gezogen wurde, diese dann auch konsequent zu schützen.
Auf der Bundesebene sind Sie da überhaupt nicht aus der Hüfte gekommen, Herr Zeelen. Ich erinnere noch mal an die Videoschaltkonferenz der Ministerpräsidenten mit der Kanzlerin vom 5. Januar. Zum Beispiel in Berlin kommen nahezu zwei Drittel der Verstorbenen aus den Pflegeheimen, und dennoch ist bei dieser Konferenz Ihrer Kanzlerin nicht mehr herausgekommen als die Unverbindlichkeit einer Testung – ich zitiere noch mal wörtlich: „mehrmals pro Woche“ –, und das auch nur in Regionen mit erhöhter Inzidenz.
Wir waren in Berlin die ersten, die auf tägliche Schnelltests als verbindliche Türöffner für die Beschäftigten und die Besucher in den Pflegeheimen gedrungen haben. Wir haben das jetzt auch durchgesetzt.
Die neue Rechtsverordnung regelt das in § 5. Wir hatten ursprünglich auch eine entsprechende Regelung für die Krankenhäuser vorgesehen. Ja, das ist richtig. Wir haben uns dann aber davon überzeugen lassen müssen, von den Verantwortlichen bei Vivantes, der Charité und von der Berliner Krankenhausgesellschaft, dass die praktische Umsetzung einer solchen Vorgabe anders als in den Pflegeheimen zu erheblichen organisatorischen und technischen Problemen geführt hätte, durch die die Arbeitsabläufe in den Kliniken im Hinblick auf die Patientenversorgung massiv beeinträchtigt worden wären. Wir haben unsere Entscheidung deshalb modifiziert. Wir sind hier nicht eingeknickt, wie es uns im Gesundheitsausschuss
vorgeworfen wurde. Wir haben eine nicht wirklich durchdachte Entscheidung korrigiert. Dazu stehen wir dann auch. Da braucht es auch keine billige Häme.
In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass die jetzige Modifikation der Zweiten Verordnung zur Regelung in den zugelassenen Krankenhäusern, über die wir heute auch befinden, beim Coronaausbruch im Humboldt-Krankenhaus, in Reinickendorf angewandt, diese unsägliche und unzumutbare Pendelquarantäne und den damit verbundenen Aufwand für die Beschäftigten und die Klinik überflüssig gemacht hätte. Ein negativer Schnelltest zum Schichtende, und man wäre sorglos auf üblichem Wege nach Hause gefahren und hätte nicht auch noch die Familie in Mithaftung genommen. Soweit zu den Rechtsverordnungen.
Zu den Anträgen der FDP: Mir erschließt sich nicht, warum Sie bei Ihrem Sportantrag Bundesligamannschaften und olympische Spielsportarten aufrufen. Wir haben riesige Probleme im Amateursport.
Er liegt weitgehend brach. Darüber werden wir in der Tat noch zu reden haben. Im Grunde geht es Ihnen in Ihren Anträgen darum, ob und wenn, wie wir unter Pandemiebedingungen gesellschaftliches Leben in all seinen Facetten wieder möglich machen. Diese Diskussion führt auch der Senat. Die Frage ist, auf welchem Weg wir das erreichen, No-Covid, Zero-Covid, Low-Covid.
Die Amtsärzte haben das in ihrem Brief vor einigen Tagen meines Erachtens sehr treffend charakterisiert und ein Umdenken eingefordert, auch beim Jonglieren mit den Inzidenzen. Ich halte deren Kritik für sehr wohl bedenkenswert. Viruserkrankungen sind schwer zu besiegen.
Dann müssen Sie mir eine Frage stellen.
Himmelherrgott noch mal! Ich kann doch keine Gedanken lesen, schon gar nicht Ihre. Da müsste ich mich sedieren.
Hat er nun eine Frage?
Dann soll er die Frage stellen.
Sagen wir es mal so, Herr Czaja, ich habe Ihre Frage weiter gefasst und weiter gefasst beantwortet.
Es geht in der Tat darum, wie wir gesellschaftliche Bereiche wieder öffnen.
Hören Sie vielleicht einfach einmal zu und machen sich Ihre Gedanken. Ich habe Ihnen die Antwort doch gegeben. Wir können doch nicht an einem partiellen Problem die gesamte Frage der Öffnung gesellschaftlichen Lebens festmachen. Die Frage hätten Sie mit Blumenhändlern und allen anderen auch stellen können.
Deswegen habe ich Ihnen gesagt, man kann eine solche Frage nur in größeren und Gesamtzusammenhängen beantworten. Jetzt lassen Sie mich Ihnen das möglicherweise noch erklären.
Viruserkrankungen sind schwer zu besiegen. Es ist erst ein einziges Mal gelungen, eine Viruserkrankung zu eradizieren. Das war 2008, und das waren die Pocken. Es ist also möglich, dass wir trotz vorhandener Impfmöglichkeit noch lange mit diesem Erreger werden leben müssen. Wir haben auch die Masern nicht eliminiert, obwohl wir eine hohe Durchimpfungsrate erreicht haben. Auch die banale Grippe taucht regelmäßig saisonal wieder auf und beschert uns jährlich neue Mutationen.
Das wird bei dem Coronavirus möglicherweise nicht anders sein.
Wir werden deshalb nicht darum herumkommen und jetzt, Herr Czaja, hören Sie zu, unsere Gesellschaft pandemiefest zu machen, widerstandsfähig, resilient, wie das jetzt heißt, dazu müssen wir natürlich impfen, schnellstmöglich, auch in den Arztpraxen. Das geht, sagt die KV, es ist kein Problem.
Die KV hat die Infrastruktur und wäre auch bereit – da habe ich eine andere Position als mein Kollege von vorhin. Der Mythos um die Kühlung des BiontechImpfstoffs hat sich technisch weitgehend erledigt. Impfen ist so möglich, wohnortnah und niederschwellig. Das ermöglicht zum einen patientennahe Aufklärung über die Impfstoffe, erhöht so die Akzeptanz und ganz sicher auch die Impfbereitschaft und die Impfzahlen. So weit, so gut.
Wir brauchen aber, wenn Sie so wollen, auch einen solchen Impfschutz für unsere gesellschaftliche Infrastruktur. Darüber müssen wir nachdenken, Herr Czaja, sehr wohl, auch für die Fahrschulen, auch für die Bootsschulen. Dafür brauchen wir Instrumente für die Pandemiebekämpfung, über die wir schon verfügen,
beispielsweise die Schnelltests, die dann auch strategisch und vor allem offensiv einzusetzen sind. Wir müssen auch über neue Instrumente nachdenken und die dann mutiger nutzen.
Wir haben sehr wohl Möglichkeiten, unsere Normalität aktiv zurückzuholen. Wir sollten gemeinsam daran arbeiten, sie verantwortungsvoll zu nutzen. Da geht es eben nicht nur um Bootsschulen und Fahrschulen. Da geht es in der Tat um den gesamten Handel. Da geht es um die Kultur, und da geht es auch um den Sport. Daran zu arbeiten, ist wichtig. Da hilft uns diese eine Passage, die Sie geändert haben, überhaupt nicht weiter, weil sie das Problem für alle anderen nicht löst.
Muss ich darauf antworten?
[Heiko Melzer (CDU): Tut mir leid für Sie! – Stefan Förster (FDP): 6 Prozent für Sie: – Frank-Christian Hansel (AfD): 6 Prozent für Sie! – Zuruf von der LINKEN: Ui, ui, ui!]
Herr Czaja, warum nageln Sie mich ans Kreuz? Ich habe diese Dinger nicht geschrieben. Ich versuche, es Ihnen zu erklären, und ich versuche, Ihnen Lösungen anzubieten. Wenn wir über diese Umfrage diskutieren, können wir auch über Ihre 6 Prozent diskutieren. Offensichtlich wird Ihre Position, die Sie in der Frage einnehmen, von der Bevölkerung auch nicht goutiert.
Ich kann Sie nicht verstehen.
Irgendwie gleitet das jetzt in Ulk ab. Herr Czaja, Ihre Kritik ist nicht unberechtigt. Die Fragen, die Sie aufwerfen, sind Fragen, die wir ernsthaft diskutieren. Wir sind aber gezwungen, in einer Gesamtsituation Entscheidungen zu treffen, die nicht nur von einzelnen Aspekten bestimmt werden, sondern die umfassender sind, und ich verweise in diesem Zusammenhang auf das, was die Amtsärzte dazu geschrieben haben. Wir werden darüber weiter diskutieren müssen. Aber bitte: Sie schlagen den Sack und meinen den Esel – in dem Fall bin ich der Sack. Schlagen Sie den Esel!
[Beifall bei der LINKEN –
Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN –
Heiterkeit bei der LINKEN, der CDU und der FDP ––
Gehen Sie
zu Ihren Frauen nach Hause!]
Frau Senatorin, setzen Sie fort!
Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Eine notwendige Bemerkung vorweg, die nur indirekt mit dem Thema der Debatte zu tun hat: Das, was sich gerade in der Auseinandersetzung um die Impfstoffproduktion abspielt, ist eine Schmierenkomödie. Offenbar gilt immer noch: Wittert das Kapital Profit, wird es kühn, und ist der Profit hoch genug, gibt es da auch keine Schamgrenze. Die Bundesregierung wäre gut beraten, schnellstmöglich auf die Veröffentlichung der Verträge mit Astrazeneca zu drängen.
Hier geht es nicht um Gesichtswahrung, sondern um die Hoffnung von Millionen Menschen, und für diese Hoffnung haben diese Menschen auch schon viel Geld bezahlt.
Nun zum Thema: Ich bin mir jetzt nicht so ganz sicher, ob ich die richtige Rede habe; ich wollte eigentlich zur Teststrategie sprechen. Ich habe aber jetzt auch verstanden, warum nicht Herr Kluckert gesprochen hat, sondern der Herr Czaja als Generalist, weil er zu der Teststrategie selbst eigentlich relativ wenig gesagt hat und das, was er gesagt, war auch unzureichend.
Darf ich mal fragen, ob ich überhaupt schon begonnen habe?
Nein, jetzt erst mal nicht, ansonsten habe ich kein Problem damit. – Sie greifen mit Ihrem Thema ein Problem auf, das ernst zu nehmen ist, da rennen Sie bei uns offene Türen ein.
Wir brauchen alle eine Perspektive und auch gangbare Wege aus dem Lockdown, aber diese Wege sollten sicher sein.
Schnelltests eröffnen uns zweifelsohne neue Möglichkeiten der Pandemieeindämmung, wenn sie klug und gezielt – und das soll heißen: strategisch – eingesetzt werden. Sie können als Torwächter dienen, wenn es z. B. darum geht, sensible Bereiche und besonders gefährdete Risikogruppen zu schützen. Seit Monaten definieren wir Menschen im hohen Alter und die Bewohner in den Pflegeheimen als besonders vulnerable Gruppe, die es zu schützen gilt. Wir begründen mit deren Schutz einschneidende Maßnahmen – Sie wissen es alle –, mit denen wir tief in das soziale, wirtschaftliche und kulturelle Leben der Menschen eingreifen und teilweise elementare Bürgerrechte beschränken. Dennoch: Mit dem Stand vom 11. Januar waren in unserer Stadt nach amtlichen Angaben 1 591 Menschen an oder mit Corona verstorben. 967 davon – mehr als 60 Prozent – waren Bewohnerinnen und Bewohner von Altenheimen.
Da stellt sich schon die Frage, Herr Zeelen – ich habe schon in der vorletzten Sitzung darauf hingewiesen –, warum es die Kanzlerin und die Regierungschefs auch in ihrer Videokonferenz am 5. Januar wieder nicht geschafft haben, mit derselben Vehemenz, mit der andere Eindämmungsmaßnahmen angeordnet und durchgesetzt wurden,
(Tim-Christopher Zeelen)
verbindlich festzulegen, dass das Personal in Pflegeheimen jeweils vor jedem Schichtbeginn zu testen ist und dass auch die Besucher, die ihre Angehörigen besuchen wollen, vor dem Zutritt zu testen sind. Dann müssten wir die Bewohner in den Heimen auch nicht mehr isolieren und die Besucher fernhalten. Wir müssen sie einfach nur vor dem Zutritt testen, das muss zu leisten sein. In den Heimen bleibt auch die wohlgemeint verordnete Einsamkeit grausam.
In der erwähnten Videokonferenz verständigte man sich lediglich darauf, eine verpflichtende Testung nur – und ich zitiere wörtlich, Herr Zeelen, die Kanzlerin – „mehrmals pro Woche“ für das Personal sowie für Besucherinnen und Besucher anzuordnen und dass auch nur in Regionen mit erhöhter Inzidenz. Wo bleibt denn da die Konsequenz? – Da fahren wir das gesellschaftliche Leben weitestgehend herunter, stellen gleichzeitig fest, dass das Ausbruchsgeschehen in Alten- und Pflegeheimen dadurch kaum beeinflusst wird – fast zwei Drittel der Verstorbenen kommen weiterhin aus den Pflegeheimen – und beschränken uns dann darauf, eine verpflichtende Testung für das Personal lediglich mehrmals pro Woche anzuordnen. Verflixt noch mal, wie kommen die Viren denn ins Heim? Immer nur an den Tagen, an denen getestet wird? – Der Zutritt ist täglich zu kontrollieren, und die Schnelltests wären relativ verlässliche Torwächter nicht nur in den Pflegeheimen, sondern auch in den Krankenhäusern.
Wir wären deshalb gut beraten, sie einzusetzen, und das Personal strategisch – das heißt: jeweils vor jedem Schichtbeginn – zu testen. Das ist sicher aufwendig und nicht ganz billig, aber die Schließung eines ganzen Krankenhauses kommt uns auch nicht billig. Auch die Sammeltransporte im BerlKönig im Rahmen dieser unsäglichen Pendelquarantäne haben sicher ihren Preis. Schnelltests können sehr wohl zudem auch Türöffner in die gesellschaftliche Normalität werden. Mit denen können wir uns die öffentlichen Räume zurückerobern – die Schulen und die Kitas,
dann noch die Kultur- und Sporteinrichtungen, die Restaurants, ja, natürlich auch die Läden des Einzelhandels. „Testen, Testen, Testen“ – da gebe ich Ihnen recht, das war keine Strategie. Das gezielte Einsetzen von Schnelltests zur Sicherung von unseren Versorgungsstrukturen und zum Schutz von Risikogruppen ist eine Strategie. Allerdings – auch das habe ich schon einmal gesagt – sind mittlerweile Hunderte von Tests auf dem Markt. Bisher ist nach meiner Kenntnis – Bundesregierung – nicht einer davon zertifiziert, und so ist das Angebot unüberschaubar. Wenn wir diese Tests strategisch einsetzen wollen, müssen sie verlässlich sein. Das heißt, wir brauchen dringend eine Standardisierung, so etwas wie eine Positivliste, auf der die seriösen Tests zertifiziert
aufgelistet sind, damit das Angebot nicht zum unkontrollierten Eldorado für Glücksritter wird. Das gilt insbesondere, weil jetzt zunehmend die Forderung nach Selbsttests aufgemacht wird. Natürlich kann man Selbsttests machen. Wir können die Medizinprodukteverordnung gerne ändern, aber der private Erwerb garantiert noch nicht den sachgemäßen Gebrauch. Das müssen wir gar nicht aufgeregt diskutieren. Wir müssen uns dann nur darüber verständigen, welche Verbindlichkeit wir solchen Selbsttests zubilligen wollen. Das sind ja keine Zucker- oder Schwangerschaftstests, bei denen Sie die Verantwortung für den richtigen Umgang selber zu tragen haben, ebenso wie die eventuellen Konsequenzen. Hier geht es um möglicherweise fatale Folgen für andere.
Natürlich kann man das machen, sich selber und seine Angehörigen zu testen – wohl eher nicht als Familienscreening jeden Freitag nach dem Baden oder nach dem Frühstücksei, aber aus gegebenem Anlass schon gezielt. Wenn man zum Beispiel seine alten Angehörigen besuchen will, dann macht so ein Test im Privaten auch Sinn. Einverstanden! Aber darüber hinaus – was wäre damit gewonnen? Schnelltests sollen uns eine Perspektive in die gesellschaftlichen Räume geben, aber wir werden tunlichst für niemanden diese Räume und diese sensible Infrastruktur öffnen, der sich darauf beruft, er habe zu Hause einen negativen Schnelltest gemacht, und wir werden hoffentlich auch niemandem, der sagt, er habe sich bereits zu Hause selber getestet, den Zutritt in ein Pflegeheim erlauben. Hier geht es um den Schutz anderer, und deshalb braucht es, wenn Schnelltests zum Türöffner – zum Beispiel zu sensiblen Bereichen oder zum Umgang mit Risikogruppen – werden sollen, weiterhin unbedingt ein Vieraugenprinzip. Schnelltests gehören deshalb in der Regel vor Ort zum Arbeitsschicht- oder Schulbeginn und nicht in die heimische Küche.
Wir werden nicht umhin kommen, für die entsprechende Logistik zu sorgen. Wenn wir die Vorteile von Schnelltests wirklich nutzen wollen und sie als Chance begreifen, dürfen wir sie nicht durch einen fahrlässigen Umgang mit ihnen verspielen. – Vielen Dank!
Frau Präsidentin! Meine Damen, meine Herren! Es ist heute schon vieles gesagt worden, und man will nicht redundant werden. Deswegen nur einige kurze Anmerkungen zu den vier Anträgen, die wir heute als dringlich zu behandeln haben: Zunächst zu dem Antrag, Berlins Apotheker bei den Impfzentren besser einzubinden: Ich denke, die Lösung, die jetzt praktiziert wird, ist akzeptabel. Nun mag der Impfstoff, der momentan noch als Einziger verimpft wird, was Transport und Lagerung angeht, eine Diva sein, wie Herr Czaja das genannt hat, aber die Zubereitung einer Impfdosis vor Ort ist nun wirklich keine Geheimwissenschaft, sondern für medizinisches Personal geübte und alltägliche Praxis. Der vermeintliche Vorteil, den Sie reklamieren, rechtfertigt nicht den zusätzlichen Aufwand. Und warum pharmazeutische Mitarbeiter von Zeitarbeitsfirmen deswegen ungeeignet sein
sollen, weil sie vor allem für die künftige Arbeit nicht über die Skalierbarkeit verfügen, erschließt sich mir weder logisch noch semantisch.
Dann geht es um zwei Anträge, die Gesundheitsämter besser auszustatten, technisch wie personell. Das ist ein Thema aus der Vor-Coronazeit. Die Pandemie macht einfach die Versäumnisse der Vergangenheit noch einmal deutlich. Die fallen uns jetzt mächtig auf die Füße. In der Tat, jahrelang ist über den öffentlichen Gesundheitsdienst nur unter dem Aspekt diskutiert worden, was da an Leistung wegfallen kann, was in Gewährleistung zu geben ist und wie viele Personalstellen dadurch eingespart werden können. Wir haben als Rot-Rot-Grün damit Schluss gemacht, lange vor Corona, und haben ganz bewusst in unserer Koalitionsvereinbarung die Bedeutung des Gesundheitsdienstes als dritte, ganz wesentliche Säule in unserem Gesundheitswesen herausgestellt. Wir haben dazu zusätzliche und neue Stellen geschaffen – 400 seit 2017 –, und wir haben eine Übergangslösung für die Angleichung der Gehälter der Ärztinnen und Ärzte an das Tarifniveau der Krankenhausärzte gefunden. Trotzdem können nicht alle Stellen besetzt werden. Es fehlt an Bewerbern. Das ist aber keineswegs nur ein Berliner Problem.
Und ja, ein Kontaktpersonen-Managementprogramm wie SORMAS macht in einer Pandemielage Sinn, und es wird deshalb ja auch bereits seit April genutzt. Allerdings ist die Einführung im laufenden Pandemiebetrieb wohl nicht so ohne Weiteres allumfassend und nebenbei zu leisten, sodass die Gesundheitsämter in der Fläche noch nicht alle in der Lage sind, die Software entsprechend zu nutzen. Kollege Schlömer hat dazu im Dezember eine umfangreiche Anfrage gestellt und auch eine entsprechende Antwort bekommen. Insofern fehlt es hier nicht am politischen Willen, und es braucht deshalb auch keine zusätzliche parlamentarische Aufforderung.
Kommen wir noch kurz zum Antrag der Koalition. Er ist ja weitestgehend selbsterklärend, dennoch drei kurze Anmerkungen dazu: Seit Monaten debattieren wir nun über die bevorstehende Zulassung von Impfstoffen. Verständlicherweise sind große Hoffnungen damit verbunden, und entsprechend groß ist dann auch die Erwartungshaltung. Die ist politisch auch bewusst geschürt worden. Nun sind die ersten Impfstoffe zugelassen, und jetzt beginnt plötzlich eine Debatte über vermeintlich nicht ausreichende Produktionsmengen, und die Kanzlerin muss eine entsprechende Arbeitsgruppe bilden und die Angelegenheit zur Chefsache machen, weil ihr Gesundheitsminister eben nun Opfer dieser Erwartungshaltung geworden ist, die er in seiner demonstrativen Omnipotenz politisch ständig selber geschürt hat.
Der Regierende Bürgermeister hat in diesem Zusammenhang vorhin von notwendigen Fragen gesprochen, zu Bestellmengen und Verträgen. Ja, richtig, aber da frage
(Tim-Christopher Zeelen)
ich mich dann schon, warum diese Fragen erst jetzt gestellt werden. Sowohl in der Runde der Ministerpräsidenten wie in der Gesundheitsministerkonferenz hätten die Zahlen zur erwarteten Produktion und zur Verteilung, zu den Inhalten der Verträge und der Vorverträge mit verschiedenen Unternehmen längst hinterfragt werden können. Natürlich kann man das im Nachhinein nicht bewerten, aber man hätte es rechtzeitig problematisieren können, weil die zu erwartenden Probleme schon damals deutlich wurden. Offenbar fehlte es hier nicht nur an der notwendigen Transparenz, sondern auch an der Bereitschaft, diese Transparenz rechtzeitig herzustellen. Wir haben ja konkrete Zahlen bekommen. Die Senatsverwaltung hat uns 720 000 Impfdosen zugesagt. Wenn Spahn da die Unwahrheit gesagt oder falsche Zahlen genannt hat, dann muss man das öffentlich so benennen, und dann ist er auch dafür in die Verantwortung zu nehme.
Was die Vergesellschaftung anbetrifft, Herr Zeelen, so ist das ein wunderbares Beispiel dafür, welche Funktion eine funktionierende Weltgesundheitsorganisation haben
könnte:
Im internationalen Kontext mit internationaler Forschung, öffentlich finanziert und jenseits von jedem Patentschutz Impfstoffe zu finden und herzustellen, die man auf der ganzen Welt braucht! Und dann hätten wir diese ganzen Scherereien gar nicht.
Die kommen nur dadurch zustande, weil es in erster Linie um Profitorientierung und um den Schutz von Patenten geht. Über Patentschutz und Lizenzproduktion zu diskutieren, ist deshalb in diesem Zusammenhang wichtig. Es hilft uns aber nicht über die aktuellen Engpässe in der Produktion hinweg. Das hätte man rechtzeitig machen müssen, weil auch eine Produktion in Lizenz entsprechende Produktionsstätten und die notwendigen Materialien und somit auch einen zeitlichen Vorlauf von Wochen bis Monaten braucht.
Ein Wort zur Impfstrategie: Ich mache keinen Hehl daraus, dass ich Probleme mit der bundesweiten Impfstrategie und der entsprechenden Empfehlung der Ständigen Impfkommission habe, und ich will das auch deutlich sagen: Ja, es ist richtig, eine 101-Jährige demonstrativ zuerst zu impfen. Das ist das richtige Symbol. Aber genauso wichtig und ein genauso wichtiges und notwendiges Symbol wäre es, die betreuende Pflegekraft, den impfenden Arzt und den Rettungssanitäter ebenfalls und gleichzeitig mit der alten Dame zu impfen. Wir wollen dieses Gesundheitssystem vor Überlastung schützen, und dann müssen wir die Menschen, die sich in diesem System tagtäglich um die Erkrankten kümmern und sich der Gefahr einer Infektion aussetzen, weil sie anderen helfen, ebenfalls schützen, schon ganz pragmatisch, damit sie für
die Versorgung am Bett nicht ausfallen, denn auch der Ausfall führt zu Überlastung.
Zweite Anmerkung: Nach allem, was wir bisher wissen, besteht ein relativ sicherer Impfschutz erst eine Woche nach der erfolgten zweiten Impfung, die der ersten nach drei Wochen folgen soll. Die aktuelle Debatte, diese zweite Impfung zu strecken, ist rein politisch motiviert und medizinisch nach bisheriger Erkenntnis nicht zu verantworten. Wir sollten sie tunlichst unterlassen, wenn wir die Akzeptanz für die Impfung nicht unnötig belasten wollen.
Letztlich noch zu den Antigen-Schnelltests, die niedrigschwelliger als Heimtests zur Verfügung gestellt werden sollen: Unbestritten erfüllt ein Schnelltest eine wichtige Funktion, wenn man durch eine einfache Methode mit großer Sicherheit einen Virusträger erkennen und damit sensible Bereiche z. B. in Krankenhäusern und Alten- und Pflegeheimen schützen kann. Umso unverständlicher ist, warum ein entsprechender Beschluss der Ministerpräsidenten zur Anordnung dieser Tests – Personal und Bewohner endlich mehrfach wöchentlich zu testen – erst am 13. Dezember gefasst wurde.
Kritisch anzumerken ist aber: Mittlerweile sind mehr als 300 solcher Tests beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte gelistet; zertifiziert ist meiner Kenntnis nach noch keiner davon. Viele dieser Tests haben sich mittlerweile sicher bewährt und sind bei richtiger Anwendung verlässlich, aber entsprechende Untersuchungen auch der Charité haben bereits gezeigt, dass das nicht für alle auf dem Markt vorhandenen Tests gilt. Da finden sich unter den Anbietern, die beim Bundesinstitut gelistet sind, eine Firma aus Lübeck, die bisher mit Tankreinigungen ihr Geld gemacht hat, ein Elektronikhändler, der ansonsten USB-Sticks verkauft, sowie eine Firma, die bisher Licht- und Windmesser hergestellt hat. Um eine FFP2-Maske in der Apotheke zu verkaufen, braucht es ein zwölf DIN-A4-Seiten langes Zertifikat. Für einen Schnelltest reicht ein einfacher Beipackzettel des Herstellers oder des Großhändlers. Diese Tests dürfen nicht zum Geschäftsfeld für Glücksritter werden, schon gar nicht, wenn sie den Zugang zu Alten- und Pflegeheimen öffnen sollen. Wenn wir dieses Feld öffnen, gibt es sicherlich hinsichtlich der Qualitätskontrolle noch dringenden und eiligen Handlungsbedarf. – Vielen Dank!
Frau Präsidentin! Meine Damen, meine Herren! Das Identifizieren von Kontaktpersonen und die Kontaktnachverfolgung sind das A und O bei der Bekämpfung von ansteckenden Erkrankungen und sind nach dem Infektionsschutzgesetz elementare und originäre Aufgaben der öffentlichen Gesundheitsdienste. Selbstverständlich müssen diese auch in die Lage versetzt werden, ihre Aufgaben zu erfüllen.
Ich muss hier nicht mit anderen Worten und weniger aufgeregt das wiederholen, was der Kollege Isenberg dazu gesagt hat. Ich will deshalb die Gelegenheit nutzen, einmal kritisch daran zu erinnern, wie wir über viele Jahre mit unseren öffentlichen Gesundheitsdiensten umgegangen sind. Nicht nur in von SPD, Linken und
(Thomas Isenberg)
Grünen besetzten Bezirksämtern, sondern auch in denen, in denen die CDU das Sagen hatte, Frau Seibeld.
Ich kann mich noch sehr gut an die Debatten zum Beispiel in der 16. Legislaturperiode erinnern, als 2007 und 2008 in diesem Haus ernsthaft darüber diskutiert wurde, große Teile der Aufgaben des öffentlichen Gesundheitsdienstes in die Gewährleistung zu geben, also zu privatisieren. Die damalige Diskussion war nicht von der Frage geprägt, welche Aufgaben der öffentliche Gesundheitsdienst eigentlich hat, sondern sie stand vielmehr unter der Fragestellung, welche Aufgaben wir uns noch leisten können. Statt diese Aufgaben offensiv zu definieren und den ÖGD als wesentliche, dritte Säule der Gesundheitsversorgung auszurichten, ging es um Einsparpotenziale. In der Gesetzesvorlage zum Gesundheitsdienstreformgesetz von 2006 hieß es klar und unmissverständlich:
Gegenüber dem Ergebnis der Kosten- und Leistungsrechnung von 2004, wonach in diesem Jahr Gesamtkosten von 139,2 Mio. Euro entstanden sind, werden für den öffentlichen Gesundheitsdienst der Bezirke dauerhafte Einsparungen in erheblichem Umfang erwartet …
Das war die Prämisse. Eine weitergehende Auslagerung der öffentlichen Gesundheitsvorsorge konnte damals zum Glück politisch verhindert werden. Aber dennoch ist es uns nicht gelungen – das müssen wir auch selbstkritisch sagen –, den ÖGD seiner Bedeutung für die öffentliche Gesundheitsversorgung entsprechend personell und finanziell perspektivisch adäquat auszustatten. Die Fehlbestände an Personal sind bekannt und werden mehr oder weniger regelmäßig in Schriftlichen Anfragen abgefragt. Bereits 2010 hieß es dazu im Schlussbericht des Projekts zur Umsetzung des Gesundheitsdienstgesetzes:
Während der gesamten Projektlaufzeit war der Abbau der Stellen für den gesamten ÖGD nicht aufzuhalten. … Mit einem derart reduzierten Personalbestand wird die Freisetzung von Potentialen für Modernisierungsprozesse und die Erfüllung neuer Aufgaben verhindert. Die zurzeit gesetzlich vorgeschriebenen Aufgaben sind nicht mehr in vollem Umfang und mit der erforderlichen Qualität in allen Bezirken zu erfüllen.
2010, Frau Seibeld! Und wissen Sie, was das Bezirksamt Neukölln 2010 gemacht hat? – Von den 16 Stellen, die geschaffen wurden, ist nicht eine einzige in den öffentlichen Gesundheitsdienst gegangen. Am 1. Januar 2004 hatte der öffentliche Gesundheitsdienst eine Personalausstattung von 2 103 Vollzeitäquivalenten. Am 31. Dezember 2018 betrug die Ist-Zahl der verbliebenen Vollzeitkräfte noch 1 533. 227 Stellen waren zu diesem Zeitpunkt unbesetzt, obwohl dieser Senat bereits 2017 begonnen hatte, 400 neue Stellen im ÖGD aufzubauen. Trotz vielfältiger und ernsthafter Bemühungen, die Stellen zu besetzen, ist es noch keiner Senatsverwaltung und auch den Verantwortlichen in den Bezirken nicht wirklich gelungen, einen entscheidenden Durchbruch zu erzielen. Das
liegt nicht nur an der Bezahlung. Da haben wir zum Beispiel für die Ärzte eine tragfähige Übergangslösung gefunden, die eine den Krankenhausärzten vergleichbare Bezahlung ermöglicht.
Diese Krise macht uns gerade deutlich, welch immense Bedeutung ein funktionierender öffentlicher Gesundheitsdienst hat.
Jetzt erwarten wir, dass die Kolleginnen und Kollegen dort jeden Tag über sich hinauswachsen und unsere politischen Versäumnisse der Vergangenheit über ihr individuelles und außerordentliches Engagement bis über die Grenzen der Belastbarkeit hinaus ausbügeln. Der Einsatz von Hilfskräften, seien es Studierende, das THW oder die Bundeswehr, kann doch allenfalls eine kurzfristige oder nur vorübergehende Lösung in einer besonderen Ausnahmesituation sein. Das ist doch keine strukturelle Lösung – es sei denn, Sie wollen jetzt angesichts dieses Infektionsgeschehens, was die Bundeswehr betrifft, Schwerter zu Pflugscharen machen. Da wären wir sofort dabei.
Eine grundsätzliche Neubewertung des ÖGD ist notwendig als substanzielle dritte Säule unseres Gesundheitssystems mit einer klaren und breit angelegten Definition seines Aufgabenspektrums, auch auf der Grundlage der Erfahrungen. Zur Erfüllung dieses Aufgabenspektrums braucht es die entsprechende personelle und technische Ausstattung. Wir müssen unsere Gesundheitsstrukturen pandemiefest machen. Es ergibt keinen Sinn, auf einen Impfstoff zu warten – in der Hoffnung, dann werde alles anders. Bisher ist es erst einmal gelungen, ein Virus zu eradizieren. 1980 erklärte die Weltgesundheitsorganisation die Pocken für ausgerottet – nach jahrzehntelangem Kampf und Milliarden von Impfdosen.
Wir werden also mit diesem Virus leben müssen und deshalb lernen müssen, mit diesem Virus zu leben, nicht furchtbestimmt, ängstlich und in sozialer Isolation, weil wir im Nachbarn, in jedem Mitmenschen den vermeintlichen Virusträger sehen, sondern selbstbewusst und in der Gewissheit, die Bedingungen dafür geschaffen zu haben, die es ermöglichen, auch diese Erkrankung zu beherrschen, so wie wir bisher auch alle anderen Krankheiten, die durch Erreger verursacht werden, zu beherrschen gelernt haben. Die Frage kann deshalb künftig nicht mehr sein: Was können wir uns an öffentlichem Gesundheitsdienst leisten? – Die Frage muss vielmehr sein: Was müssen wir uns an öffentlichem Gesundheitsdienst leisten?
Und das muss dann auch konsequent und auskömmlich finanziert werden. Das ist gut angelegtes Geld. Eine Pandemie kommt uns allemal teurer zu stehen. – Danke!
Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Meine Damen, meine Herren! Das können wir relativ kurz machen: Ja – Herr
Zeelen, Sie haben es gesagt –, zur Bewältigung dieses Problems brauchen wir diesen Antrag ganz sicher nicht. Über die Frage, ob verbindliche oder verpflichtende Untersuchungen sinnvoll oder richtig sind, können wir uns gern unterhalten, und dann können wir auch die konkreten Zahlen aus den Ländern auswerten, in denen ein verpflichtendes Untersuchungsgebot gegeben ist. Sie werden sehen, dass sich da keine wesentlichen Unterschiede ergeben haben. Es ist definitiv nicht der Fall, dass Sie alleine durch Einhalten von Untersuchungsterminen im Rahmen der U-Untersuchungen tatsächlichen Kinderschutz praktizieren, aber darüber können wir uns gern im Ausschuss dezidiert unterhalten. – Danke!
Nicht mit uns! –
Wie viele Latten fehlen
wohl an seinem Gartenzaun?]
Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine Damen, meine Herren! Der Senat hat sein landeseigenes Unternehmen Vivantes angewiesen, sowohl die Rückeingliederung der Tochtergesellschaft Vivantes Therapeutische Dienste wie auch der Tochtergesellschaft Vivantes Ambulante Krankenpflege vorzunehmen. Das ist nun vollzogen, und das soll auch so gut sein. In der Tat sollten landeseigene Unternehmen in ihrer Tarifgestaltung eine Vorbildfunktion wahrnehmen, Landesregierungen im Umgang mit ihren landeseigenen Unternehmen allerdings auch.
Ich muss zwei notwendige Anmerkungen machen – erstens: Wenn man Krankenhäuser den Marktgesetzen unterwirft, dann darf man sich am Ende nicht wundern, wenn sich die Krankenhäuser entsprechend den Marktgesetzen verhalten, zumal Vivantes, das 2001 aus den ehemals städtischen Krankenhäusern Berlins errichtet wurde, von Anbeginn mit erheblichen finanziellen Schwierigkei
ten zu kämpfen hatte. Die öffentlichen Gelder reichten hinten und vorne nicht, und das Unternehmen war von Anfang an gezwungen, die fehlenden Gelder zur Erhaltung der eigenen Bausubstanz aus Eigenmitteln zu beschaffen. Genau diese Eigenmittel sind das Problem, denn die sind im Wesentlichen über die Stellschraube Personalausgaben zu requirieren und somit entweder über Personaleinsparungen oder eben über Tarifflucht. Das ist kein Geheimnis. Das hat schon der Bundesrat in seiner Entschließung 432/212 festgestellt. Seit Ende der Konvergenzphase zur Einführung der Fallpauschalen ist in den Krankenhäusern eine Finanzierungslücke in einer Größenordnung von 3,8 Milliarden Euro entstanden, die durch Einsparungen, meist beim Personal, geschlossen werden musste.
Im System der Fallpauschalen macht nur der einen kleinen Gewinn, der seine Versorgungsleistungen billiger machen kann als der Durchschnitt der anderen Krankenhäuser. Ja, die Vivantes-Therapeutische-Dienste-Tochter ist zur Tarifflucht gegründet worden, aber richtigzustellen ist, Frau Kollegin König: Die 317 Altbeschäftigten der Vivantes Therapeutische Dienste sind die ganze Zeit über Beschäftigte bei Vivantes gewesen, zu den VivantesTarifbedingungen. Nur die neu Eingestellten haben andere Verträge nach Entgeltgrundsätzen bekommen. Der Regierende Bürgermeister hat diese Strategie der Tarifflucht schon 2016 kritisiert, Personalkosten zu drücken, indem Mitarbeiter in Tochtergesellschaften abgeschoben würden, das könne kein Königsweg sein. Richtig!
Richtig ist aber auch, dass es die Vertreter vorangegangener Senatsverwaltungen im Aufsichtsrat waren, die seit 2004/2005 immer wieder die Reduktion der Personalkosten zur Konsolidierung des Unternehmens eingefordert und zur Tarifflucht aufgefordert haben, mal mehr, mal weniger unverblümt, und deshalb sogar die schwarze Aktenkoffertruppe von McKinsey für viel Geld auf Vivantes losgelassen haben. Ich war seit Gründung des Unternehmens bis 2015 Mitglied des Personal- und später des Betriebsrats und habe diese Konsolidierungsprozesse und auch die Debatten um die Ausgliederungen alle live miterlebt, und ich könnte Ihnen stundenlang davon erzählen.
Zum Zweiten: Die Vivantes Ambulante Krankenpflege kann nicht rückeingegliedert werden, Frau König, denn sie ist niemals ausgegliedert worden. Die ist nicht zur Tarifflucht gegründet worden. Die Vivantes Ambulante Krankenpflege ist gegründet worden, um ambulante Pflege zu machen. Warum sollte der Pflegemarkt in Berlin allein privaten Trägern überlassen bleiben? Allerdings darf ein Krankenhaus an sich keine ambulante Pflegeleistung anbieten und kann deshalb auch keinen ambulanten Pflegedienst unterhalten. Um aber auch diesen Sektor der Patientenversorgung anbieten zu können, ist diese Tochtergesellschaft von vornherein ausgegliedert gegründet worden. Sie arbeitet die ganze Zeit über defizitär, war
(Tim-Christopher Zeelen)
aber angesichts des Pflegenotstands in der Stadt und der oft geforderten besseren Pflegequalität auch gerade im ambulanten Bereich notwendig. Mit dieser Gesellschafteranweisung nun muss sich Vivantes aus der ambulanten Krankenpflege zurückziehen. Sie wird zukünftig nicht mehr angeboten. Ich halte das für einen ziemlichen Kollateralschaden.
Nein, Tarifflucht, das ist kein Königsweg, aber das jetzige Finanzierungssystem unserer Krankenhäuser ist es auch nicht. Das fördert Personalknappheit, Lohndumping, Tarifflucht und Arbeitsverdichtung. Hier braucht es ein Umdenken, und das relativ schnell. – Danke!
Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine Damen, meine Herren! Eine Bemerkung vorweg kann ich mir nicht verkneifen. Zum Thema Mundschutz, Herr Zeelen, würde ich mich sehr zurückhalten. Das war Ihr Gesundheitsminister, der am 30. Januar der „Bild“-Zeitung erklärt hat, Mundschutz sei nicht notwendig: Das Virus wird nicht über den Atem übertragen.
Ja, ist so. Ich kann es nicht ändern. Das hat er gesagt. –
Also gehen wir mal ganz nüchtern und sachlich an die Sache heran, obwohl ich nach der Rede Ihres Fraktionsvorsitzenden Dregger vorhin zur Aktuellen Stunde gar nicht mehr so recht verstehe, warum Sie diesen Gesetzesentwurf jetzt noch einbringen. Ihr Gesetz soll ja, so steht es in Ihrer Begründung zu § 12, zur Bewältigung dieser aktuellen Coronakrise möglichst sofort in Kraft treten, und seine Geltung ist dementsprechend ja auch nur bis zum 31.12.2020 begrenzt. Nun ist aber die Grundlage dieses Gesetzes die Feststellung eines akuten Gesundheitsnotstandes in dieser Stadt durch die Mehrheit dieses Parlaments, und diesen Gesundheitsnotstand definieren Sie als eine Situation, in der die Versorgungssicherheit durch das öffentliche Gesundheitswesen ernsthaft gefährdet erscheint.
Ihr Fraktionsvorsitzender hat aber vorhin in seiner Rede zur Aktuellen Stunde die Lage in der Stadt als zurzeit stabil bezeichnet und all denen gedankt, die dazu beigetragen haben, dass das so ist. Er hat eben nicht den Gesundheitsnotstand ausgerufen. Die Versorgungssicherheit durch das öffentliche Gesundheitswesen in Berlin war auch in den Hochzeiten dieser Krise zu keinem Zeitpunkt ernsthaft gefährdet. Zu keinem Zeitpunkt seit dem ersten Auftreten eines Coronafalles in der Stadt am 28. Februar sind wir bei der klinischen Versorgung der tatsächlich an dieser Infektion auch erkrankten Patienten an unsere Kapazitätsgrenzen geraten. Es gab – das ist unbestritten – mit dem Auftreten der ersten Fälle in Berlin Anlaufschwierigkeiten in der allgemeinen ambulanten Versorgung von Patienten. Die waren aber eher durch organisatorische und logistische Probleme bestimmt, nicht durch eine massive Zunahme von Covid-19-Erkrankten. Einen Gesundheitsnotstand haben die nicht begründet, und zur Diskussion und Situation in den Krankenhäusern ist schon einiges gesagt worden. Die aktuelle Auslastung nach der Anweisung, die planbaren Eingriffe herunterzufahren, lag über Wochen bei 50 Prozent und darunter. Die Häuser haben nicht einmal mehr ambulante Operationen vorgenommen in Erwartung der Dinge, die prognostiziert waren. Dazu hat der Kollege Schatz schon einiges gesagt. Den Gesundheitsnotstand, Herr Dregger, Herr Zeelen, wenn Sie es denn so wollen, haben bei mir vor allem die vielen Nicht-Coronapatienten beklagt, die allesamt nicht
(Herbert Mohr)
weniger krank, nicht weniger schwer krank sind und die auf ihre planbaren, aber medizinisch dennoch dringend notwendigen Eingriffe warten, weil sie Schmerzen haben, weil sie Angst haben und weil sich auch ihre Leiden möglicherweise verschlechtern. Deswegen ist es gut und unbedingt notwendig, wieder alle Kranken in den Blick zu nehmen und die Kliniken auch für sie wieder verfügbar zu machen.
Wenn Menschen mit Schlaganfällen und Herzinfarkten nicht mehr ins Krankenhaus kommen, dann ist in der Kommunikation etwas schiefgelaufen. So selbstkritisch muss man einfach sein.
Wir haben in Vorsorge 633 Intensivbetten für Coronapatienten in unseren Kliniken vorgehalten. Deren Auslastung lag im gesamten April im Schnitt bei 140 Betten täglich. Die höchste Auslastung dieses Kontingents lag bei 25,9 Prozent. Das war der 21. April. Da waren 164 ITS-Betten belegt. Die höchste Zahl an stationär zu versorgenden Covid-Patienten hatten wir am 10. April mit 615. Gestern, am 29. April, dem 62. Tag nach dem ersten Coronafall in dieser Stadt, waren 984 Infizierte auch akut erkrankt. 604 davon, das haben wir schon gehört, waren in stationärer Behandlung. Warum auch immer, seien es die getroffenen Maßnahmen, die wirksam waren, seien es möglicherweise auch andere Gründe: Diese Zahlen aus dem stationären Bereich begründen ebenfalls keinen Gesundheitsnotstand in dieser Stadt.
Unbestritten ist, dass es auch dort zum Teil erhebliche Versorgungsmängel bei den verschiedenen Schutzmaterialien gab und auch noch gibt, nicht weil die Krankenhäuser missgewirtschaftet oder falsch geplant hätten, sondern ganz einfach, weil der Verbrauch enorm angestiegen ist, weil die Zwischenhändler nicht mehr nachliefern konnten und Masken zum Beispiel auf dem internationalen Markt über die gewöhnlichen Bezugsquellen einfach nicht mehr zu bekommen waren.
Dieser Verbrauch ist nicht etwa deshalb angestiegen, weil die Patientenzahlen hochgeschnellt sind. Der ist trotz leer stehender Stationen angestiegen, weil zum Beispiel die Hygienevorschriften für das Personal geändert wurden und dadurch der tägliche Bedarf von Schutzmasken das übliche Maß weit überschritten hatte und die Nachlieferungen ausblieben. Hier kann ich den Lösungsvorschlägen, die Sie in Ihrem Gesetzesentwurf vorschlagen, einiges abgewinnen. Zur Verfügbarmachung von Material, so die Überschrift Ihres § 2, wollen Sie unter anderem Enteignungen zur Unterbindung eigennütziger Materialverwendung medizinisch oder pflegerisch notwendigen Materials möglich machen. Okay! Das Problem ist nur: Diese Materialien, die wir benötigen und die Sie gegebenenfalls requirieren wollen, wären zurzeit in Berlin gar
nicht in ausreichendem Maß vorhanden, als dass man sie in großem Maße horten und demzufolge auch beschlagnahmen könnte.
Dann wollen Sie mit Ihrem § 2 Abs. 3 auch die aktuellen Wucherpreise für diese Materialien unterbinden, und Sie begründen Ihre Preisfestsetzung mit der Sozialpflichtigkeit des Eigentums,
weil Sie verhindern wollen, dass im Krisenfall auf Kosten der Allgemeinheit Sondergewinne erzielt werden. Dieser Gedanke der Unterbindung eigennütziger Materialverwendung und die Idee, Sondergewinne auf Kosten der Allgemeinheit zu unterbinden, sind uns durchaus sympathisch.
Das haben wir mit unserem Gesetz zum Mietendeckel auch schon bewiesen. Schön, wenn Sie dieser sozialstaatlichen Logik nun auch folgen sollten. Ihr Gesetz ist entbehrlich. Weder ist ein Gesundheitsnotstand vorhanden, noch benötigen wir Zwangsrekrutierungen von Personal, und die virtuelle Beschlagnahme von Schutzmaterial, das nicht vorhanden ist, hilft auch nicht wirklich. Vielleicht ersetzen Sie in Ihrem Antrag das Wort „Gesundheitsnotstand“ einfach durch „Wohnungsnotstand“, und dann reden wir noch mal darüber. – Vielen Dank!
[Beifall bei der SPD, der LINKEN und
den GRÜNEN –
Heiterkeit –
Ich frage: Trifft es zu, dass Kinder in Kinderhospizen auch im Rahmen der Rechtsverordnung zur Eindämmung des Coronavirus uneingeschränkten Besuch ihrer Eltern bekommen können, und dass Meldungen nicht zutreffen, dass die Anwesenheit der Eltern nur für eine Stunde am Tag und nur mit einem Elternteil erlaubt sei?
Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine Damen, meine Herren! Ja, Gewalt gegen Rettungskräfte ist zunehmend zu einem Problem unserer Zeit geworden. Betroffen sind Polizisten, Feuerwehrleute, ehrenamtliche Helfer der Rettungsdienste und eben auch medizinisches Personal in Krankenhäusern und in Arztpraxen. Als Hauptursache für Gewalt geben die Kliniken nach der neuesten, noch unveröffentlichten Befragung durch das Deutsche Krankenhausinstitut an, dass die Patienten unter Schmerz oder Alkoholeinfluss stehen – 83 Prozent – oder zu einem speziellen Patientenklientel gehören, die beispielsweise an Demenz erkrankt sind – 68 Prozent. Auch lange Wartezeiten – 56 Prozent –, Konflikte mit Mitpatienten – 26,1 Prozent –, Verschiebung von diagnostischen oder therapeutischen Maßnahmen – 17,2 Prozent – oder die Verweigerung von Medikamenten – 16,4 Prozent – werden als Gründe für Gewalt angegeben. Ob da die Verschärfung des Strafgesetzes wirklich greift, wird man sehen. Ich bin da sehr skeptisch.
Die Komplexität dieses Themas ist hier nicht in drei Minuten abzuhandeln. Ich würde sagen, wir machen das, was der Kollege Isenberg vorgeschlagen hat. Wir nehmen uns das Problem in den Ausschuss und sprechen dort mit denen, die vor Ort tagtäglich mit dieser Situation zu tun haben, und gucken dann, wie man ihnen durch politische Maßnahmen möglicherweise helfen kann. Die dicke Lippe hier zu riskieren, hilft den Menschen in der Ersten Hilfe überhaupt nicht. – Danke!
Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine Damen, meine Herren! Ich tue mich mit dieser Aktuellen Stunde schon etwas schwer und mit dem Dank an den Kollegen Spahn erst recht. Die Unterbringung der Betroffenen in Köpenick war eine Zumutung. Berlin hätte das besser gemacht, wir waren bei der Entscheidung, wo diese Menschen untergebracht werden, jedoch nicht beteiligt.
Politische Differenzen kann es bei einem solchen Thema eigentlich nicht geben, deswegen sollte der Schwerpunkt der Debatte auf der Versachlichung der Diskussion liegen; da mag sie dann an dieser Stelle auch einen Sinn haben. Ich bin gespannt, ob uns das gelingt.
9 Millionen erkrankungsbedingte Arztbesuche, rund 25 100 Tote – das ist laut Robert-Koch-Institut die Bilanz der Grippesaison 2017/2018 allein in der Bundesrepublik. Für die vergleichsweise milde Grippesaison 2018/2019 weist die Statistik 3,8 Millionen solcher grippebedingten Arztbesuche aus. Rund 18 000 Patienten mussten stationär behandelt werden. Allein von Oktober 2018 bis Mai 2019 registrierte das Robert-Koch-Institut 182 000 labordiagnostisch bestätigte Grippefälle. Seit der 40. Meldewoche 2019 bis zum 17. Januar 2020 wurden dem Robert-Koch-Institut 32 Influenzatodesfälle gemeldet. Diese Zahlen spiegeln bereits eine außergewöhnliche
(Tim-Christopher Zeelen)
medizinische Herausforderung wider, mit der wir seit Jahren immer wieder umzugehen haben, die wir aber öffentlich kaum zur Kenntnis nehmen. Eine Aktuelle Stunde hat es dazu meiner Kenntnis nach nie gegeben. Wir leben mit solchen zeitweiligen wellenförmigen Influenzaausbrüchen, und wir sind in unserem Gesundheitssystem auf solche epidemischen Ereignisse dem genügend auch entsprechend eingestellt. Auch Berlin ist darauf gut vorbereitet – so gut, wie man eben darauf vorbereitet sein kann; das hat Kollege Isenberg dargestellt, und das wird die Senatorin später bestätigen. Das muss ich hier nicht auch noch tun.
Die im Dezember 2019 im chinesischen Wuhan neu aufgetretene Infektionskrankheit hat seit dem 10. Februar offiziell einen Namen. Sie heißt Covid-19, wobei Covid für Coronavirus-Disease steht. Das neue Virus ist eng verwandt, so viel weiß man, mit dem bereits bekannten Sars-Virus. Sars steht für Schweres Akutes Respiratorisches Syndrom, das in den Jahren 2002 und 2003 ebenfalls erstmals in China aufgetreten war und sich pandemisch, also über die Landesgrenzen hinaus, auf 25 Staaten ausgebreitet hatte. Weltweit erkrankten damals 8 096 Patienten, 774 verstarben. Die Erkrankung hatte eine Letalitätsrate von 9,6 Prozent.
Nach dem heute Morgen abgerufenen Situationsreport 30 der Weltgesundheitsorganisation mit dem Stichtag 19. Februar sind aktuell weltweit 75 204 Menschen mit dem neuen Virus infiziert, 924 davon in 25 Ländern außerhalb Chinas. In Deutschland waren 16 Betroffene infiziert, 14 davon hatten sich außerhalb Chinas angesteckt. Alle 16 Infizierten blieben symptomlos. In China sind bisher 2 006 Menschen verstorben, außerhalb Chinas drei, einer in Paris. Die Letalitätsrate laut WHO von heute für besonders bedrohte Patientengruppen liegt bei 2,3 Prozent. Das ist für ein Krankheitsbild, das mit einer ausgeprägten Pneumonie, einer Lungenentzündung einhergehen kann, nicht wirklich hoch – zum Glück! Dennoch warnen Wissenschaftler zu Recht davor, diese neue Erkrankung zu verharmlosen. Ich habe die Zahlen deshalb so ausführlich dargestellt, um zu zeigen, dass wir dieses Problem sehr wohl sehr ernst nehmen und genau beobachten, aber Alarmismus und Panikmache sind völlig unangebracht.
Schlagzeilen wie die einer Berliner Zeitung mit ganz großen Buchstaben, wenig Schrift und noch weniger Gehalt am 25. Januar: „Erster Verdachtsfall in Berlin“ – und dann ganz unten am Ende des spärlichen Textes: „Der Verdachtsfall konnte nicht bestätigt werden“ – sind da nicht wirklich hilfreich, im Gegenteil, der Nachrichtenwert strebt zwar gegen null, aber die Schlagzeile schürt Angst: Die unheimliche Bedrohung klopft auch in Berlin an.
Ich erinnere daran, dass sich der Europarat 2010 nach der Hysterie um die sogenannte Schweinegrippe 2009 genötigt sah, einen Bericht anzufordern, der die Umstände offenlegen sollte, die es den Pharmakonzernen ermöglichten, die WHO zur Ausrufung der höchsten Pandemiestufe 6 zu veranlassen, obgleich der Verlauf der Krankheit eher harmlos war und sich Millionen Impfdosen lediglich als Finanzspritzen für die Hersteller bewährten.
Ich erinnere mich noch gut an die irrationale Debatte, die wir damals auch hier in Berlin hatten. „Senat gefährdet Menschenleben“ hat man uns damals vorgeworfen, weil nicht genügend Impfstoff zur Verfügung stand und sich die KV zudem geweigert hatte, für 5,50 Euro zu impfen. Sie wollte 7,10 Euro. Eine Posse, das Ganze! Es ist damit eigentlich genug gesagt. Man kann es in fünf Minuten abhandeln.
Zum Schluss nur eine Nachbemerkung: Der Chef der Weltgesundheitsorganisation rief angesichts der Ausbreitung des Coronavirus die Welt zur Solidarität auf: „Es geht jetzt nicht um Publikationen, Patente und Profite.“ Dieser Satz ist deshalb so von Bedeutung, weil darin natürlich auch eine Lehre aus dem Desaster um die Schweinegrippe gezogen wird und weil der internationale Umgang mit einer neu auftretenden Infektionskrankheit ein Lehrstück für die weltweite Vergeudung von wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Ressourcen in einer wettbewerbsbestimmten Welt ist. Statt unter dem Dach der WHO alle Erfahrungen zusammenzupacken, alles Wissen zu bündeln und alle Forschungsergebnisse abzustimmen, um möglichst schnell gemeinsam zum Beispiel zu einem Impfstoff zu kommen, stehen die Jagd nach Patenten, die profitorientierte Produktion und die Vermarktung im eigenen wirtschaftlichen Interesse im Vordergrund und begrenzen so den gemeinsamen Fortschritt wissenschaftlicher Erkenntnis. Darüber sollten wir uns nicht nur als Gesundheitspolitiker Gedanken machen. – Vielen Dank!
Frau Präsidentin! Meine Damen, meine Herren! Wir haben diesen Antrag bereits im Ausschuss diskutiert und abgelehnt. Wir müssen die Dose hier nicht noch mal aufmachen. Der ärztliche Leiter des Rettungsdienstes, Kollege Poloczek, hat diese Idee zutreffend charakterisiert: Die sogenannte Notfalldose erfüllt keine der Kernanforderungen der Berliner Feuerwehr an notwendigen rettungsdienstlichen Informationen und ist deshalb nur sehr eingeschränkt zu empfehlen. Zudem ist davon abzuraten, dass es eine behördliche Empfehlung für ein kommerzielles Produkt geben soll. Das kommerzielle Interesse scheint bei dieser Plastikdose für 7 bis 10 Euro besonders ausgeprägt. Dem bleibt nichts hinzuzufügen, und mehr Redezeit braucht es dafür definitiv nicht.
Vielen Dank, Frau Präsidentin! Meine Damen! Meine Herren! Der Antrag hat schon Sinn, Herr Zeelen. Googeln Sie mal „Altmedikamente“ und „Entsorgen“ und „Berlin“ – da finden Sie unter berlin.de, dem offiziellen Hauptstadtportal, zunächst eingerahmt den Hinweis:
In Berlin fallen Altmedikamente unter die Problemabfallverordnung, die ausdrücklich darauf hinweist, dass Arzneimittel nicht über den Hausmüll entsorgt werden sollen.
Etwas weiter unten im Fließtext heißt es dann: