Protokoll der Sitzung vom 18.10.2018

Tempo 30, angeordnet – mit fragwürdigem Ausgang. Ergänzend wurde eine neue mobile Messstation an der Leipziger Straße platziert, und es wurden 30 Elektrobusse gekauft. Dazu gab es viele Diskussionsrunden und den Berliner Dieselgipfel, bei dem beschlossen wurde, Taxiunternehmern einige Tausend Euro Abwrackprämie pro Fahrzeug zu zahlen, wenn sie von Diesel auf Hybridfahrzeuge wechselten. Allerdings sind es gerade die Taxen, die schon im hohen Maße, nämlich zu mehr als 50

Prozent, auf Hybrid gewechselt sind. Und nicht zu vergessen: Es gab ein Förderprogramm für Lastenfahrräder, bei denen es zwischen 500 und 1 000 Euro Förderprämie für den Kauf eines Lastenrades gibt.

[Frank-Christian Hansel (AfD): Na super! – Dr. Wolfgang Albers (LINKE): Jetzt sagen Sie mal was zu den Nachrüstungen!]

Das waren jetzt auch die Highlights.

[Vereinzelter Beifall bei der AfD]

Im Wesentlichen wurde aber abgewartet. Man stelle sich vor: Im Juni 2016 wurde von der Umwelthilfe Klage eingereicht. Fast zwei Jahre lang fällt dem Senat nichts Konkretes dazu ein. Stattdessen Beteuerungen vom Regierenden Bürgermeister – Zitat: bloß keine Fahrverbote! Frau Senatorin Günther hingegen sprach davon, dass lokale Fahrverbote für die Stadt verkraftbar seien, und es solle auf jeden Fall Ausnahmen geben – konkret für die Polizei, die Feuerwehr, für die BVG, die BSR, für das Handwerk, für Dienstleister und das Taxigewerbe. Eigentlich für fast alle, außer für den einzelnen Bürger. Die Berlinerinnen und Berliner und die auswärtigen Pendler sind diejenigen, die letzten Endes die Betroffenen sind

[Zuruf von Dr. Wolfgang Albers (LINKE)]

und all das zu schultern haben.

[Zuruf von Harald Moritz (GRÜNE)]

Die haben ja auch keine starken Lobbyverbände. Wie armselig ist das denn? Es gab reichlich konkrete Vorschläge der Opposition, von der grünen Welle im Pendlerverkehr, einer Verstetigung des Verkehrsflusses über nahezu immissionsfreie und bezahlbare Busse mit Biogasantrieb bis zur Weiterplanung der A 100,

[Beifall bei der AfD – Beifall von Kurt Wansner (CDU)]

um den Durchgangsverkehr aus der City herauszuhalten. Alles wurde hier im Haus von der Koalition abgelehnt, wider besseres Wissen und aus dem schon fast religiösfanatischen Missionseifer heraus, Berlin zu einer Pkwfreien Zone machen zu wollen. Da passt es gut, dass auf einer Veranstaltung des Umweltbundesamtes am

23. April offen erklärt wurde, der Fahrzeugbestand in Berlin und anderen Städten müsse auf 150 Fahrzeuge pro 1 000 Einwohner reduziert werden.

[Frank-Christian Hansel (AfD): Hört, hört!]

Auch da passt es gut ins Gesamtbild, dass erst vor 14 Tagen von der Koalition hier im Plenum die Einführung der Blauen Plakette gefordert wurde,

[Zuruf von Dr. Wolfgang Albers (LINKE)]

eine Maßnahme, die dazu beitragen würde, mehr als 300 000 Berlinerinnen und Berlinern mit Diesel- und Benzinfahrzeugen die Einfahrt in die Umweltzone zu verbieten. Das entspricht einem Viertel aller Fahrzeuge in Berlin.

Objektiv betrachtet fällt Ihre Gesamtbilanz zur Luftreinhaltung in Berlin ausgesprochen mager und sehr einseitig aus.

[Zurufe von der SPD]

Ihr ganzer Eifer gilt dem Bau von Radwegen, und selbst der geht nicht voran. Es gibt unzählige Runde Tische und Gesprächsforen. Ihr Mobilitätsgesetz und dessen Umsetzung ist ein völliger Flop. Verflüssigung des Verkehrs – Fehlanzeige! Einführung eines Instandhaltungsmanagements für Straßen und Gehwege – Fehlanzeige! Attraktivitäts- und Leistungssteigerung von ÖPNV – Fehlanzeige! Park-and-Ride-Angebote – Fehlanazeige! Lösungen für den wachsenden Lieferverkehr – Fehlanzeige! Diese Reihe ließe sich beliebig fortsetzen.

[Beifall bei der AfD – Beifall von Andreas Wild (fraktionslos)]

Nichts wird wirklich konsequent angegangen!

Warum geht der Senat nicht mit gutem Beispiel voran? Warum werden nicht ältere BVG-Busse konsequent gegen saubere Euro-6-Dieselbusse ausgetauscht?

[Harald Moritz (GRÜNE): Werden doch!]

Warum werden die landeseigenen Vielfahrer wie BSR, Polizei und Feuerwehr nicht konsequent mit sauberen Euro-6-Dieselfahrzeugen oder solchen mit Gasantrieb ausgestattet? Die Hersteller haben da schon lange vielfältige Möglichkeiten in ihren Produktpaletten. Warum wird das Thema Schiffsabgase nicht endlich konsequent mit konkreten Fristen angegangen?

[Beifall bei der AfD]

Meine Damen und Herren! Frau Senatorin Günther! Alles in allem kann es, und da komme ich wieder zum Titel des Antrags, nur eine Konsequenz aus dem Dieselurteil und Ihrer bisherigen Bilanz geben: Frau Günther! Setzen Sie ein Zeichen! Treten Sie zurück und seien Sie wenigstens hier einmal konsequent in Ihrer Umsetzung!

[Beifall bei der AfD – Beifall von Andreas Wild (fraktionslos) – Zurufe von der LINKEN – Zuruf von Sebastian Walter (GRÜNE)]

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt der Kollege Moritz das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach den Verschwörungstheorien der AfD will ich mal wieder zum Sachthema zurückkommen.

[Beifall bei den GRÜNEN und der SPD – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

(Frank Scholtysek)

Worum geht es eigentlich bei dem Dieselurteil oder besser bei dem Dieselskandal? – Es geht nicht um das Für und Wider von Tempo 30 oder Fahrfahrverbote für Dieselfahrzeuge. Nein! Herr Dregger! Wir brauchen saubere Luft, darum geht es.

[Burkard Dregger (CDU): Das stimmt!]

Die Frage, wie sauber ist die Berliner Luft,

[Frank-Christian Hansel (AfD): Das ist die Berliner Luft, Luft, Luft!]

lässt sich fortsetzen mit der Frage: Wie viel Gesundheit sind uns die Menschen wert? Denn eines ist klar: Dicke Luft macht krank. Im Besonderen leiden die Menschen, die an den großen betroffenen Straßen wohnen. Es geht also nicht um Tempolimits und Fahrverbote, nein es geht um saubere Luft.

[Frank-Christian Hansel (AfD): Auch in den U-Bahnschächten!]

Wir müssen nicht immer Äpfel mit Birnen vergleichen, Herr Hansel!

[Frank-Christian Hansel (AfD): Warum denn nicht?]

Wir müssen uns daran mal orientieren.

[Frank-Christian Hansel (AfD): Dazu kommen wir später noch!]

Herr Moritz! Ich darf Sie fragen, ob Sie Zwischenfragen einmal vom Kollegen Buchholz der AfD-Fraktion und einmal von Herrn Woldeit von der AfD-Fraktion zulassen.

Nein, danke!

[Hakan Taş (LINKE): Eine kluge Entscheidung!]

Schlechte Luft erhöht das Risiko von Herz-Kreislauf- und Atemwegerkrankungen und Krebs. Eine Studie der Europäischen Umweltagentur hat ja belegt, wie viele vorzeitige Tote in Europa 2014 zu verzeichnen waren, immerhin 78 000, für Deutschland sind über 12 800 ermittelt worden. Hauptursache sind die NO2-Belastungen in den Städten durch die Emissionen der Dieselfahrzeuge. Die größten Emittenten sind mit über 70 Prozent Diesel-Pkws, denn bei den Pkws ist von den Firmen manipuliert worden und nicht bei den Lkws. Bei denen gibt es gar keine Manipulationen. Dieses erhöhte Gesundheitsrisiko durch die Dieselfahrzeuge stellt auch einen Angriff, Herr Dregger, auf die körperliche Unversehrtheit, also ein Grundrecht, der Menschen dar. Deshalb können die Betroffenen und die Verbände überhaupt auch nur klagen. Tempo 30 und „Fahren überall hin“ sind keine Grundrechte.

Je älter wir werden, desto mehr merken wir, wie wichtig die Gesundheit ist. Genau deshalb hat auch die EU ihre

Luftreinhaltepolitik am Gesundheitsschutz ausgerichtet. Es ist schon erwähnt worden: Die aktuelle Luftreinhalterichtlinie stammt aus dem Jahr 2008. Die Grenzwerte zum Beispiel für NO2 mit einem Jahresmittelwert von 40 Mikrogramm je Kubikmeter Luft sollte schon 2010 eingehalten werden – da haben Sie, glaube ich, hier noch regiert. Die EU hat dann noch einmal einen Aufschub bis 2015 gegeben, aber von da an sollten sie eingehalten werden, und das ist auch gut so.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Korrespondierend dazu hat die EU im Rahmen der Typgenehmigung von Fahrzeugen auch die Emissionsgrenzwerte festgelegt, also die besagten Euronormen für Fahrzeuge. Nun beginnt der erste Skandal: Die Einhaltung dieser Emissionsgrenzwerte der Dieselfahrzeuge wird zwar theoretisch im Labor erreicht, aber im Realbetrieb auf der Straße um ein Vielfaches überschritten. Da behauptet die Bundesregierung immer noch, sie würde sich wundern, dass trotz der schönen, neuen Dieselfahrzeuge die Emissionsgrenzwerte nicht eingehalten werden. Die Gründe dafür sind spätestens seit drei Jahren bekannt – auch der Bundesregierung und dem Kraftfahrtbundesamt. Das Bekanntsein und das Nichthandeln ist der zweite Skandal: Angeblich saubere Motoren, die in Wirklichkeit nicht sauber sind und auch noch illegale Abschaltvorrichtungen haben. Bekannt geworden ist dieses Problem nicht zuletzt dank des unermüdlichen Einsatzes der Deutschen Umwelthilfe.

[Georg Pazderski (AfD): Ha, ha! Mit Millionen gesponsert!]