Ich habe immer gesagt, dass Fahrverbote die letzte Option sein sollen. Nach Auffassung des Gerichts ist es nun so, dass es Zeit ist, von dieser letzten Option Gebrauch zu machen. Denn ohne streckenbezogene Fahrverbote werden wir die Luftreinhaltevorgaben nicht schnell genug einhalten können. Und – das wurde heute noch nicht erwähnt – solche Fahrverbote werden von 70 Prozent der Berlinerinnen und Berliner unterstützt, weil auch ihnen die Gesundheit ein großes Anliegen ist.
Lassen Sie mich noch mal unterstreichen: Falls wir das Urteil akzeptieren, werden wir dieses natürlich mit Augenmaß für diejenigen umsetzen, die in diese Straßen einfahren müssen, für die besonders Betroffenen. Wir werden natürlich Ausnahmen für Handwerker, Pflegekräfte oder Anlieger ins Auge fassen.
Aber wenn Sie fragen: Sind Sie jetzt mit der Situation zufrieden? Nein! Natürlich sind wir mit der Situation, wie sie ist, nicht zufrieden. Denn mit allen Maßnahmen, die uns als Land zur Verfügung stehen, kurieren wir doch nur die Symptome. An die Wurzel des Problems aber kommen wir mit unseren Mitteln doch gar nicht ran, nämlich die durch betrügerische Aktivitäten der Automobilindustrie verursachten Grenzwertüberschreitungen bei Dieselfahrzeugen. Das muss gelöst werden.
Noch heute ist es so, dass die durchschnittlichen Emissionen eines Pkw der Euro-Klasse 5 bei 850 Mikrogramm pro Kilometer liegen statt der gesetzlich zulässigen 180.
Und Sie haben heute Euro 6 angesprochen. Ein Dieselfahrzeug der Klasse Euro 6 überschreitet den Grenzwert um den Faktor 6. Das ist signifikant.
Wir alle wissen und wir haben es heute schon gehört, dass es richtig wäre, die Automobilindustrie endlich zu verpflichten, Hardwarenachrüstungen vorzunehmen, und zwar auf eigene Kosten, oder dass sie eben die fehlerhaften Wagen zurücknehmen und nicht nur Rabattangebote machen, sondern die Dieselfahrzeuge durch neue, vorschriftskonforme Automobile ersetzen. Aber auch dieser neue sogenannte Dieselpakt der Bundesregierung ändert an der desolaten Lage nichts. Berlin ist weiter wie viele andere Kommunen und Städte allein mit seinen Problemen. Der Senat fordert deshalb vom Bund und vor allem von Verkehrsminister Scheuer, endlich konsequent und problemangemessen zu handeln. Hierzu gehört neben der erwähnten Nachrüstung oder dem kostenneutralen Ersatz
auch die Einführung der Blauen Plakette. Nur mit dieser sind konsequente Kontrollen möglich. Der Schlüssel zu einer umfassenden Lösung liegt weiterhin beim Bund. Nur wenn es hier zu den erforderlichen Maßnahmen kommt, werden wir den Gesundheitsschutz konsequent durchsetzen können.
Wir in Berlin werden nun künftig vier Punkte verfolgen: Erstens, natürlich warten wir die schriftliche Urteilsbegründung ab, werten sie sorgfältig aus und entscheiden dann über unser Vorgehen. Wir werden unsere bisher eingeleiteten Maßnahmen verstärkt fortsetzen und weiter ausrollen. Wir werden uns auf Bundesebene dafür einsetzen, dass die Blaue Plakette kommt und Hardwarenachrüstungen auf Kosten der Automobilindustrie eingeführt werden.
Und wir werden das in diesem Jahr verabschiedete Mobilitätsgesetz in die Umsetzung bringen, mit dem Vorrang für ÖPNV, Rad- und Fußverkehr. Das stellt sicher, dass nicht nur kurzfristig NOx-Emissionen reduziert werden, sondern insgesamt die Stadt lebenswerter wird. – Ich danke Ihnen!
Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Die Aktuelle Stunde hat damit ihre Erledigung gefunden, und wir kommen zu den Abstimmungen.
18/1195 empfiehlt der Fachausschuss mehrheitlich – gegen AfD und FDP – die Annahme mit Änderung. Wer dem Antrag mit der Änderung der Beschlussempfehlung Drucksache 18/1394 zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen Die Linke, Bündnis 90/Die Grünen, SPD und CDU. Wer stimmt gegen diesen Antrag? – Das sind die FDP, die AfD und die beiden fraktionslosen Abgeordneten. Damit ist der Antrag angenommen.
Zum Antrag Fraktion der CDU Drucksache 18/1112 empfiehlt der Fachausschuss mehrheitlich – gegen die Oppositionsfraktionen – die Ablehnung auch mit geändertem Berichtsdatum „31. Dezember 2018“. Wer dem Antrag dennoch zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen der CDU, der FDP, der AfD und die fraktionslosen Abgeordneten. Wer stimmt gegen diesen Antrag? – Das sind die Fraktionen Die Linke, Bündnis 90/Die Grünen und die SPD. Damit ist der Antrag abgelehnt.
Zum Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 18/1154 empfiehlt der Fachausschuss mehrheitlich – gegen die Oppositionsfraktionen – die Ablehnung auch mit
geändertem Berichtsdatum „31. Dezember 2018“. Wer dem Antrag dennoch zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind auch hier die Fraktionen der CDU, der FDP, der AfD und der fraktionslose Abgeordnete. Wer stimmt gegen diesen Antrag? – Das sind die Fraktionen Die Linke, Bündnis 90/Die Grünen und die SPD. Damit ist auch dieser der Antrag abgelehnt.
Dann komme ich zu dem gemeinsamen Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP Drucksache 18/1399. Hierzu beantragen die Koalitionsfraktionen die Überweisung an den Ausschuss für Umwelt, Verkehr, Klimaschutz, die antragstellenden Fraktionen die sofortige Abstimmung. Ich lasse nach unserer Geschäftsordnung zunächst über den Überweisungsantrag abstimmen. Wer diesem zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Koalitionsfraktionen. Wer stimmt gegen die Überweisung? – Das sind die Oppositionsfraktionen und der fraktionslose Abgeordnete. Damit ist der Antrag an den Ausschuss für Umwelt, Verkehr, Klimaschutz überwiesen. Der Antrag auf sofortige Abstimmung hat damit seine Erledigung gefunden.
Nun können mündliche Anfragen an den Senat gerichtet werden. Die Fragen müssen ohne Begründung, kurz gefasst und von allgemeinem Interesse sein sowie eine kurze Beantwortung ermöglichen; sie dürfen nicht in Unterfragen gegliedert sein. Ansonsten werde ich die Fragen zurückweisen.
Zuerst erfolgen die Wortmeldungen in einer Runde nach der Stärke der Fraktionen mit je einer Fragestellung. Nach der Beantwortung steht mindestens eine Zusatzfrage dem anfragenden Mitglied zu, eine weitere Zusatzfrage kann auch von einem anderen Mitglied des Hauses gestellt werden. Für die erste Frage rufe ich ein Mitglied der Fraktion der SPD auf und bitte, an das Redepult zu treten. Nachfragen werden von den Sitzplätzen aus gestellt. – Für die SPD, Herr Abgeordneter Düsterhöft! Sie haben das Wort.
Danke schön, Frau Präsidentin! – Ich frage den Senat: Was genau leisten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der neuen Clearingstelle für Menschen mit ungeklärter bzw. ohne Krankenversicherung, und wie möchte die Senatsverwaltung die schätzungsweise 60 000 Berlinerinnen und Berliner über das neue Angebot informieren, welche von dieser Situation betroffen sind?
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Abgeordneter Düsterhöft! Die Clearingstelle arbeitet seit einigen Tagen. Am 9. Oktober hat die Clearingstelle ihre Türen geöffnet. Mit der Clearingstelle hat ja diese Koalition dazu beigetragen, dass Menschen, von denen Sie in Ihrer Fragestellung reden, in unserer Stadt Hilfe bekommen. Schätzungsweise sind es bundesweit 1 Million Menschen, die keinen ausreichenden Krankenversicherungsschutz haben. In Berlin gibt es die Schätzung, dass 60 000 Menschen betroffen sind. Mit der Clearingstelle wollen wir genau diesen Menschen helfen, dass sie zu einem Krankenversicherungsschutz kommen. Ich denke, dass die medizinische Versorgung auch ein Grundrecht ist. Zu Recht haben wir in Deutschland eine Versicherungspflicht. Aber dass sehr viele Menschen hier keinen oder keinen ausreichenden Zugang zur medizinischen Versorgung haben, ist ein Umstand, den wir in Berlin mit der Clearingstelle ändern.
Wir haben drei große Zielgruppen identifiziert. Die ersten Tage zeigen, dass wir diese Zielgruppen auch erreicht haben. Zum einen geht es natürlich um Menschen, die hier keinen gesicherten Aufenthaltsstatus, keine Papiere haben. Es geht auch um Menschen, die aus anderen EULändern zu uns ziehen, EU-Bürgerinnen und -Bürger.
Man glaubt es nicht, es gibt auch eine große Gruppe von Menschen, die deutsche Staatsbürger sind, die hier leben, die auch keinen Zugang zum Krankenversicherungsschutz haben. Die ersten Tage der Beratung haben gezeigt, dass sehr viele Deutsche unsere Beratungsstelle aufgesucht haben. Das sind meistens Selbstständige. Berlin ist die Hauptstadt der Solo-Selbstständigen. Da die Beiträge bisher sehr hoch bemessen waren, sind sehr viele Solo-Selbstständige in eine sehr schwierige Lage gekommen, vor allem in unserer Stadt, dass sie ihre Kassenbeiträge nicht mehr zahlen konnten. Dann kommen sie in die Verschuldung und in die Situation, dass sie keinen oder einen eingeschränkten Versicherungsschutz haben. Genau das hat funktioniert. Diese Menschen suchen die Clearingstelle auf.
Was machen wir? – Wir klären ab, ob es eine Versicherungsmöglichkeit gibt, sowohl mit den Krankenkassen in Deutschland als auch, wenn es um EU-Bürger geht, im Herkunftsland. Da werden wir diese Menschen unterstützen, weil das sehr viel Bürokratie ist, sich mit den Kassen auseinanderzusetzen. Wenn man einmal Schulden bei einer Krankenkasse aufgebaut hat, dann ist es schwierig, aber hier gibt es Wege. Das ist z. B. Tilgung oder Stundung, aber auch Erlass. Da wollen wir die Berlinerinnen
und Berliner nicht allein lassen, diese Auseinandersetzung mit den Kassen einzugehen, sondern sie zentral mit einer Kompetenz unterstützen.
Auch Menschen, die keinen Aufenthaltsstatus haben, werden unterstützt. Eine ganz große Zielgruppe – da schaue ich meine Kollegin Frau Breitenbach an – sind die Obdachlosen in unserer Stadt. Auch diese Menschen haben einen sehr schwierigen oder kaum einen Zugang, was medizinische Versorgung angeht.
Wie wollen wir die Menschen erreichen? – Sie merken aufgrund der Vielfalt der Zielgruppe, dass wir sehr spezifisch vorgehen, was Erreichung der Information angeht. Wir arbeiten mit sehr vielen Beratungsstellen zusammen, die mit diesen Zielgruppen heute auch schon vernetzt arbeiten. Meistens hat diese Lebenssituation, keinen Versicherungsschutz zu haben, auch was mit sozialen Problemen zu tun. Deshalb arbeitet die Clearingstelle sehr vernetzt mit allen Beratungsstellen in der Stadt, die mit diesen Menschen zusammenarbeiten. Wir haben eine gute Auftaktveranstaltung gehabt, wo wir alle an einen Tisch geholt haben. Und es wird auch weitere Vernetzungsarbeiten geben, mit einem Beirat, der auch systematisch und regelmäßig mit diesen Kontaktstellen, der Clearingstelle zusammenarbeitet.
Wir wollen mit Flyern, die es schon in mehreren Sprachen gibt, die Communitys bespielen, die Netzwerke bespielen, wo diese Menschen schon jetzt betreut werden. Wir wollen die sozialen Netze stärker mit nutzen, aber auch mit einem Tag der offenen Tür die Clearingstelle bekannter machen. Da bin ich wirklich sehr zuversichtlich, dass die Berlinerinnen und Berliner über Medienberichterstattung über die Beratungsstellen insgesamt informiert werden, dass sie nicht allein sind in dieser Situation, dass es eine kompetente Clearingstelle gibt, die sie unterstützt. Hier haben wir im Netz auch die Krankenhäuser, aber auch den ambulanten Bereich, den wir hier als Partner mit in das System einbeziehen.
Abschließend möchte ich sagen, dass wir in Berlin schon sehr viele Ärztinnen und Ärzte haben, die auch ehrenamtlich in diesem Bereich arbeiten. Wir möchten gerne mit dem neuen Fonds die Behandlungskosten übernehmen. Ich weiß aber jetzt schon, dass das wahrscheinlich nicht ausreichen wird. Deswegen haben wir nicht nur einen Träger dafür gefunden, der die Clearingstelle für uns umsetzt, sondern einen Fonds eingerichtet, wo auch Spenden möglich sind, damit wir die Behandlungskosten, die dann auf uns zukommen werden, in Zukunft abdecken können.
Vielen Dank! – Herr Düsterhöft! Sie haben die Möglichkeit der Nachfrage. – Dann geht die Nachfrage an den Abgeordneten Herrn Kluckert.
Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Meine Nachfrage ist folgende: Die Clearingstelle soll die Menschen dort auch anonym behandeln. Ihnen ist ja unheimlich wichtig, dass Leute, die sich illegal in diesem Land aufhalten und Angst vor einer Verhaftung und Ausweisung hätten, dort auch Hilfe bekommen. Mich würde interessieren: Es gibt auch in anderen Ländern, in Portugal, in Spanien, viele Leute, die nicht krankenversichert sind. Wenn Sie in der Clearingstelle die Menschen alle ohne Nachweis einer Identität behandeln wollen und schon mit 1 Million Personen in Deutschland rechnen, mit wie vielen Millionen rechnen Sie denn europaweit, die sich dort behandeln lassen werden, quasi als Touristen?
Erst einmal geht es hier um die Menschen, die schon in unserer Stadt sind. Ob es eine Clearingstelle gibt oder nicht, ändert nichts an der Tatsache, dass Berlin eine weltoffene Stadt ist und dass auch Zuwanderung stattfindet; ich glaube, das ist nicht die entscheidende Komponente. Aber die Anonymität – das möchte ich an dieser Stelle auch unterstreichen – ist für die Arbeit der Clearingstelle enorm wichtig, denn hier gibt es auch Erfahrungen aus anderen Bundesländern, dass wir systematisch ermöglichen wollen, dass Menschen, die keinen Zugang zu einem Versicherungsschutz haben, sei es im Herkunftsland oder aber auch hier in Deutschland, dann über einen anonymen Krankenschein behandelt werden können.
Sie sprechen die EU-Bürgerinnen und EU-Bürger an: Meistens haben diese EU-Bürgerinnen und EU-Bürger auch Versicherungsschutz in ihrem Herkunftsland, nur: Man muss sich darum kümmern, dass diese Versicherung auch wirklich funktioniert. Und es wird auch in dem Zusammenhang geprüft, ob es Zugang zu europäischen Krankenversicherungen gibt. Dass wir hier eine Kompetenz haben, wo all diese europäischen Fragen auch abgeklärt werden, ist, glaube ich, ganz gut, denn die Zuwanderung europaweit können und wollen wir hier nicht verändern. Wer Europa will, weiß, dass es auch die Freizügigkeit gibt.
Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Frau Senatorin! Sie sprachen von dem Recht auf medizinische Versorgung. Es gibt in einem Staatswesen nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten. Zu den Pflichten gehört es, sich im Rahmen des Zumutbaren – und das ist hier so – auch selbst um seinen Versicherungsschutz zu kümmern. Das ist ja durchaus niedrigschwellig.