Protokoll der Sitzung vom 29.11.2018

Daseinsvorsorge darf in Zukunft nicht mehr so leicht in private Hände fallen. Dazu gehören nach unserer politischen Auffassung nicht zuletzt auch die Bereiche Wohnen und Bildung. Denn Bildung ist Zukunftsressource. Gute Bildung ist Chancengleichheit. Um das zu gewährleisten, brauchen wir die richtigen Rahmenbedingungen. Zu diesen Rahmenbedingungen gehören funktionsfähige Schulgebäude, in denen die Schülerinnen und Schüler gut und gerne lernen. Dazu gehört aber auch, dafür zu sorgen, dass die Schulgebäude weiterhin der öffentlichen Hand gehören, und dazu gehört, dass Schulen nicht privatisiert werden können.

Auch wenn wir die HOWOGE gebeten haben, den Schulneubau und die Sanierung zu übernehmen, so behalten wir doch die Kontrolle und sind auf alle möglichen Fälle vorbereitet, auch wenn die HOWOGE – was wir alle nicht hoffen – mal in wirtschaftliche Engpässe kommen sollte. Wir gewährleisten mit dem neuen Gesetz, dass unsere Schulgebäude weiterhin unter kommunaler Kontrolle bleiben und dass sich daran auch nichts ändert.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN]

Die Änderung der Landeshaushaltsordnung zeigt: Der Gesetzgeber entscheidet mit, und der Gesetzgeber greift durch. Das Parlament begleitet und überwacht. Wir wollen keine Baumeisterregierung, aber wir wollen, dass das Parlament mitentscheidet und beteiligt wird. Das haben wir nach meiner Einschätzung geschafft. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD – Beifall von Steffen Zillich (LINKE) und Anja Schillhaneck (GRÜNE)]

Für die AfD-Fraktion hat jetzt das Wort Frau Dr. Brinker. – Bitte schön!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bei dem vorliegenden Antrag zur Änderung der Landeshaushaltsordnung geht es im Wesentlichen erst mal um die unkritischen Anpassungen der Haushaltsordnung an Änderungen des Haushaltsgrundsätzegesetzes – das hat der Vorredner wunderbar erläutert – sowie um Anpassungen des Berichtswesens, um die Auflösung des Zentralen Personalüberhangs auf Landesebene usw.

Wir hatten diesen Antrag zur Änderung der Landeshaushaltsordnung bereits am 6. Juni dieses Jahres auf der Tagesordnung des Hauptausschusses. Es wurde mehrfach vertagt. Wir bekamen dann vom Rechnungshof eine entsprechende Wortmeldung. Wir hatten eigentlich erwartet, bevor wir über diese Änderung abstimmen, dass wir

(Christian Hochgrebe)

zumindest vom Senat den Gesetzentwurf zur Ausgestaltung der Schuldenbremse vorliegen hätten, der naturgemäß auch die LHO betreffen würde und dürfte. Leider nein! Er liegt uns nach wie vor nicht vor, stattdessen hier die Gesetzesänderung zur LHO mit einer sogenannten Kleinen Privatisierungsbremse.

Im Entschließungsantrag, den wir vorhin debattiert haben, heißt es dazu – ich zitiere:

Durch die Einführung der „Kleinen Privatisierungsbremse“ in der Landeshaushaltsordnung ist nunmehr auch ein Verkauf von Töchtern oder einzelnen Organisationseinheiten von Landesunternehmen nicht ohne Zustimmung des Abgeordnetenhauses möglich.

Mit Verlaub: Das ist aus unserer Sicht eine Farce. Denn die Landeshaushaltsordnung ist jederzeit mit einfacher Mehrheit änderbar, wie die Damen und Herren von den Linken und Grünen auch wissen müssten. Denn Ihre Kollegen im Bundestag hatten sich doch bezüglich der möglichen Privatisierung von Bundesautobahnen lautstark für die Verankerung der Privatisierungsbremse im Grundgesetz ausgesprochen, was eben zum Glück nur mit Zweidrittelmehrheit geändert werden kann.

Wir müssen hier befürchten, dass ähnlich wie bei der vorliegenden kleinen Privatisierungsbremse in der LHO demnächst wahrscheinlich auch nur eine kleine abgeschwächte Form der Schuldengrenze vorgeschlagen wird. Streuen Sie den Bürgern bitte keinen Sand mehr in die Augen!

[Beifall bei der AfD]

Wir werden uns zu diesem Antrag hier enthalten und abwarten, was unsere diversen Anfragen zum Faktencheck HOWOGE und Schulbauoffensive zu Tage fördern. Weiterhin wollen wir zuerst den Antrag zur Verankerung der Schuldenbremse in der Landesverfassung sowie den Antrag zur Gewährung von Prüfrechten des Rechnungshofs bei der HOWOGE debattieren. Nur wenn alle Fakten klar auf dem Tisch liegen, können wir haltbare Beschlüsse fassen. Und wir behalten uns vor, einen eigenen Antrag zur Änderung der Landeshaushaltsordnung einzubringen. Deswegen werden wir uns, wie gesagt, hier enthalten. – Vielen Dank!

[Beifall bei der AfD]

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt das Wort Frau Abgeordnete Schillhaneck. – Bitte!

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Meine Damen und Herren! In der Tat: Der Entwurf der Änderung der Landeshaushaltsordnung ist zunächst einmal eine eher tech

nische Sache: die Frage der Umsetzung von Rahmenrichtlinien und Ähnlichem in Landesrecht. Das ist ausreichend dargestellt worden. Ich möchte mich daher auf die eher politischen Punkte darin konzentrieren.

Da hat insbesondere der Kollege Zillich schon einen ganz guten Aufschlag gemacht. Denn es geht in der Tat darum, was wir für weiteren Regelungsbedarf gesehen und erkannt haben. Es ist so: Man hat sich in der Vergangenheit – warum, darüber lässt sich trefflich debattieren, ob das jetzt alles so klug war oder nicht – dafür entschieden, in großem Umfang Aufgabenwahrnehmung der öffentlichen Hand an zum Teil öffentliche Unternehmen in unterschiedlicher Rechtsform abzugeben.

Aber im Zentrum steht – und das ist der für uns wichtige Teil: Es handelt sich um öffentliche Aufgaben, die durch öffentliche Unternehmen wahrgenommen werden, insbesondere vermehrt im Baubereich, und da müssen auch öffentliche Standards gelten. – Genau das schreiben wir hier fest.

Dazu kommt die Frage: Wie läuft dann die Begleitung und die Kontrolle? – Ganz einfach: Der Hinweis auf die unterschiedlich abgeschichteten Bauherreneigenschaften ist schon gebracht worden. Wir haben mittlerweile sehr viel Bautätigkeit der öffentlichen Hand, und das ist erst einmal etwas Positives. Man muss aber, um das Ganze dann sinnvoll begleiten zu können, auch einfach die rechtliche Grundlage dafür schaffen, und das wir tun mit dieser Änderung der LHO, damit wir da als Parlament nicht abgehängt werden, sondern alle miteinander unseren Kontrollauftrag wahrnehmen können. Ich denke, das ist die Voraussetzung dafür, dass wir hier alle unserem Mandat gerecht werden. Wir wollen das tun. Deswegen haben Sie unseren Änderungsantrag zur Senatsvorlage auf dem Tisch, und ich freue mich über jeden, der dem nachher zustimmen wird.

Es gab ein Beispiel: Herr Goiny. wenn Sie sagen, na ja, da müsse man dann mal gucken, wie das tatsächlich überwacht wird, bin ich ganz bei Ihnen, auch wenn Sie sagen, dass der Unterausschuss Beteiligungsmanagement und Controlling noch ein bisschen Luft nach oben hat. Da bin ich sofort dabei; das unterschreibe ich.

Aber Beispiele wie Vivantes und Charité sind, glaube ich, keine geeigneten Beispiele, weil die im Nachtragshaushalt adressierte Notwendigkeit, Vivantes noch Geld für die Baumaßnahmen zu geben, nichts mit mangelnden Controlling zu tun hat. Sie hat etwas mit dem tatsächlichen Zustand des Gebäudes, insbesondere des Krankenhauses Neukölln zu tun. Das ist wirklich keine Controllingfrage, das ist eine Frage von schlicht und ergreifend ewig vergessenem infrastrukturellen Unterhalt. Das ist aber nicht Frage des UA BmC.

(Dr. Kristin Brinker)

Genauso die Frage Charité: Ich weiß nicht, wie Sie diese Sitzungen da erlebt haben. Ich kann nur sagen: Gerade in einem sehr relevanten Konflikt, wo es um die Frage ging, was die Charité als öffentlicher Arbeitgeber de facto mit den Beschäftigten der CFM, der Charité Facility Management, macht, hatten wir harte Auseinandersetzungen im UA BmC, und in der Frage der Überleitung haben wir uns politisch durchgesetzt. Daher würde ich sagen: Das zeigt – ohne allzu viel aus dem Nähkästchen aus dem Ausschuss zu plaudern, der aus Gründen der Geschäftsgeheimnisse unserer Landesunternehmen, die ja manchmal auch in einem wirtschaftlichen Konkurrenzverhältnis stehen: Dieser Ausschuss kann durchaus arbeiten, und er nimmt seine Aufgaben auch wahr.

Wenn wir ihn hiermit stärken, bin ich froh. Und ich bin auch sehr froh, wenn Sie sagen, Sie wollen künftig stärker daran mitwirken, dass wir den parlamentarischen Kontrollauftrag besser wahrnehmen können. – Vielen Dank!

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Für die Fraktion der FDP hat jetzt das Wort Frau Abgeordnete Meister. – Bitte schön!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir haben ja im Hauptausschuss schon der Ergänzung seitens der Koalition im Hinblick auf die Veränderung der Landeshaushaltsordnung zugestimmt. Ich glaube, dass das auch richtig ist, weil es hier erst einmal um die Erhöhung von Transparenz und die Stärkung der parlamentarischen Rechte geht. Es geht hier nicht um Fragen der Schuldenbremse. Es geht hier – nachdem ja die Landeshaushaltsordnung immer gilt und nicht nur für diese Regierung – auch nicht darum, per se Privatisierung zu verhindern. Da hätten wir uns auch, das kann ich Ihnen jetzt schon sagen, in der Abstimmung anders verhalten.

Ich halte es für richtig, dass wir im Hinblick auf die große Schulbauoffensive, die sicher eine der umfangreichsten Aufgaben ist, die vor uns liegen, sicherstellen, dass das Parlament die größtmögliche Kontrolle hierbei hat, dass das Parlament eingebunden ist, dass wir wissen, was passiert, und entsprechend auch bei der HOWOGE kontrollieren können, was abfließt.

Was wir am Ende des Tages nicht oder schwerlich nur verhindern können, ist genau der Punkt, der dazu geführt hat, dass wir lieber eine Infrastrukturgesellschaft gehabt hätten, eine eigene GmbH für den Schulbau: weil es dann klar gewesen wäre, dass diese GmbH nur die Aufgabe des Schulbaus gehabt hätte, während bei der HOWOGE natürlich – auch wenn ich ihr gar nichts unterstellen will

immer die Gefahr besteht, dass man irgendwann einmal, wenn man viele Kredite aufgenommen hat, feststellt, dass man schöne Dienstwohnungen für den Vorstandsvorsitzenden bauen könnte oder Ähnliches. – Das hat es ja alles schon gegeben.

Diese Vermischung und diese Kontrolle – ich glaube, es ist wichtig, dass wir da wirklich wachsam sind, dass genau das Geld, das die HOWOGE für den Schulbau am Markt aufnimmt, dort auch genau eins zu eins eingesetzt wird. Da müssen wir genau hingucken. Deswegen hätten wir, wie gesagt, lieber die Trennung gehabt, sind aber sonst dabei, dass es jetzt wirklich Zeit wird, endlich einmal anzufangen, neue Schulen in diesem Land zu bauen. – Vielen herzlichen Dank!

[Beifall bei der FDP]

Vielen Dank! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Zu der Gesetzesvorlage auf Drucksache 18/1017 empfiehlt der Hauptausschuss einstimmig – bei Enthaltung der CDU und der AfD – die Annahme mit Änderungen. Wer der Gesetzesvorlage mit den Änderungen der Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/1482 zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen! – Das sind die Fraktionen Die Linke, Bündnis 90/Die Grünen, die SPD und die FDP. Wer stimmt gegen diesen Antrag? – Wer enthält sich der Stimme? – Das sind die Fraktionen der CDU, der AfD und die beiden fraktionslosen Abgeordneten.

Damit ist dieses Gesetz so beschlossen.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 4.4:

Priorität der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen

Tagesordnungspunkt 29

Mehr Sicherheit für zu Fuß Gehende und Radfahrende beim Abbiegevorgang von Lkws (II)

Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion Die Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 18/1469

In der Beratung beginnt die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Es hat das Wort der Abgeordnete Herr Dr. Taschner. – Bitte schön!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Jeder, der mit dem Fahrrad in Berlin unterwegs ist, kennt das. Auch wenn man sich noch so rechtskonform im Straßenverkehr bewegt, kommt man über kurz oder lang in eine Situation, die ganz schön brenzlig werden kann. Da geht mal schnell eine Autotür vor einem

(Anja Schillhaneck)

auf, Zweite-Reihe-Parker zwingen einen zur Slalomfahrt oder das Auto neben einem nimmt es nicht ganz so ernst mit dem Seitenabstand.

Aber besonders gefährlich wird die ganze Situation, wenn wir in den Kreuzungsbereich kommen, wenn sich die Wege vom motorisierten Individualverkehr und von Radfahrern kreuzen. Der eine will rechts abbiegen, während der andere immer noch geradeaus will. Wenn diese Verkehrsteilnehmer an so einem Ort zusammentreffen, dann verliert der Schwächere, und das sind meist immer Radfahrende oder zu Fuß Gehende. Unfälle mit rechtsabbiegenden Lkws gehören zu den schrecklichsten. Viel zu viele haben deswegen dieses Jahr in Berlin ihr Leben verloren. Wie schwer die Verletzungen sind, die man bei einem solchen Unfall davontragen kann, konnten wir alle in dem sehr beeindruckenden Artikel von Stefan Jacobs im „Tagesspiegel“ im Oktober dieses Jahres nachlesen. Dieser Artikel macht einen fassungslos, aber zugleich fordert er uns als Politik auf, das nicht einfach so hinzunehmen, sondern für mehr Verkehrssicherheit auf Berlins Straßen weiter zu kämpfen. Wenn es um die Sicherheit der schwächsten Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmer geht, dann müssen wir alle an einem Strang ziehen.

[Beifall bei den GRÜNEN und der SPD]

Die gestern veröffentlichte Unfallstatistik zeigt auch, wie notwendig das ist. Mehr als 4 500 Unfälle hatten wir in den ersten neun Monaten dieses Jahres, an denen Radfahrende involviert waren. Das ist ein Plus von 13 Prozent zum Vergleichszeitraum des letzten Jahres – 664 schwerverletzte und sogar 10 getötete Radfahrerinnen und Radfahrer bereits 2018. Dieser traurige Trend muss uns doch eigentlich bestärken, mit weiter anhaltender Entschlossenheit in Berlin für mehr Verkehrssicherheit zu kämpfen, und deswegen bringen wir heute einen Antrag für mehr Sicherheit für zu Fuß Gehende und Radfahrende ins Plenum ein.