Ja, das kostet Geld. Tiere aus ordentlicher Tierhaltung kosten eben auch Geld, und die Preise, die wir für das Fleisch haben, sind ja sowieso europaweit sehr, sehr günstig und bilden nicht unbedingt den Wert dessen ab, was die Landwirte und die Schweinehalter da machen. Eine Preissteigerung von wenigen Cent pro Kilo halte ich aus Tierschutzgründen für vertretbar.
Oder aber es gibt die Hormonbehandlung. Man gibt also den männlichen Ferkeln Hormone, die die geschlechtliche Entwicklung verhindern, dann entwickeln sie eben auch keinen Geruch, wenn man sie schlachtet. Das wird auch in anderen europäischen Ländern gemacht. Ich meine, die werden ohnehin bloß ein halbes Jahr alt, werden also in ihrer Freiheit nicht so sehr beeinträchtigt; Mastschweine werden nach einem halben Jahr geschlachtet. Da sind sie ja gerade auf der Schwelle, da fängt die Schweinepubertät gerade an.
Das sind die drei Methoden. Ich bin jetzt nicht der Tierbiologe, der sagen kann, das oder jenes ist besser. Wichtig ist nur, es gibt Alternativen, und die Schweinehalter sollten die nutzen. Denn wie gesagt: Die Erwartungshaltung der Bevölkerung ist, dass diese Praxis – ich erinnere noch mal, Aufschneiden ohne Betäubung, zum Teil Herausreißen oder Abschneiden – dringend beendet wird, und diese Alternativen müsste man entweder vorgeben oder die betäubungslose Kastration einfach verbieten, und dann müssten sich diese Alternativen durchsetzen. – Danke!
Sehr geehrter Herr Senator! Stichwort artgerechte Tierhaltung und Grüne Woche: Wird es auf der Grünen Woche denn im Jahr 2020 noch lebende Tiere in zu kleinen Ställen geben: Ja oder Nein?
Danke schön auch für diese Frage! – Auch das ist ein tatsächlich relevantes Thema. Die Tiere leben ja zehn Tage dort auf der Grünen Woche. Mein Augenmerk liegt nicht so sehr auf diesen zehn Tagen, sondern auf dem restlichen Leben der Tiere.
Da ist eine Veränderung dringend erforderlich, und dafür würde ich mir auch von der FDP mehr Unterstützung wünschen.
Das habe ich bisher völlig vermisst im Deutschen Bundestag. Wenn Sie sich ansehen, auf was für Flächen Nutztiere in der Bundesrepublik gehalten werden – das ist schändlich. Schändlich!
Man könnte gerne mal darüber reden, was Sie vermuten: Wie viele Hühner werden in Freilandhaltung auf einem Quadratmeter gehalten? Alleine mal das. – Aber das ist hier kein Quiz, sondern eine parlamentarische Fragestunde. – Sie können es ja mal nachlesen, Sie werden sich wundern, wie die Regelungen da sind. Das ist nicht zukunftsfähig. Auch bei unseren Bemühungen, das bei den Schweinen zu ändern, ist ja eine wesentliche Argumentation, dass das Schwein zu wenig Platz hat. Oder aber, um es mit der Bauernweisheit zu sagen: Steht das Schwein auf einem Bein, ist der Schweinestall zu klein.
Genau das lassen wir ja jetzt vom Bundesverfassungsgericht überprüfen, dass ein 50 Kilo schweres Schwein keinen Quadratmeter hat, nicht mal einen Quadratmeter
nach den Mindestanforderungen. Das sollten wir gemeinsam ändern. Ich halte es für hinnehmbar, auch im Jahre 2020, dass wir den Berlinerinnen und Berlinern ermöglichen, echte Nutztiere auf der Grünen Woche zu sehen. Dort haben die Tiere viel mehr Platz, als sie es in der Massentierhaltung haben. Wenn sie dort so eingepfercht wären, wie sie das im Alltag sind, würden alle Menschen, die das sehen, sich so empören, dass das keiner mehr ausstellen würde. Von daher, solche Haltungsbedingungen für die Nutztiere – über das künstliche Licht und den mangelnden Auslauf für die zehn Tage brauchen wir nicht zu reden, aber alleine was die Fläche angeht – wie auf der Grünen Woche wünsche ich mir für alle anderen Nutztiere in der Bundesrepublik auch.
Vierundzwanzigster Tätigkeitsbericht des Berliner Beauftragten zur Aufarbeitung der SED-Diktatur (vormals: Berliner Landesbeauftragter für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR) Jahresbericht 2017
Zu diesem Tagesordnungspunkt darf ich den Berliner Beauftragten zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, Herrn Tom Sello, herzlich begrüßen.
Herr Sello hat, wie im Berliner Aufarbeitungsbeauftragtengesetz vorgesehen, um das Wort zu seinem Tätigkeitsbericht gebeten. – Bitte schön, Herr Sello! Sie haben das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, Damen und Herren Abgeordnete! Verehrte Vertreterinnen und Vertreter des Berliner Senats! Meine Damen und Herren! – Ich bitte um Ihr Verständnis, dass ich mich zum Tätigkeitsbericht des Berliner Landesbeauftragten für das Jahr 2017 nicht detailliert äußere. Er betrifft die Amtszeit meines Vorgängers, ich selbst bin erst Ende des Jahres 2017 von Ihnen ins Amt gewählt worden. In jenem Jahr haben Sie, sehr geehrte Damen und Herren, neben dem neuen Gesetz für den Landesbeauftragten eine Reihe weiterer wegweisender Beschlüsse zur Aufarbeitung der SED-Diktatur ge
Einer dieser Beschlüsse betrifft das vor uns liegende Jubiläum „30 Jahre friedliche Revolution“. Wenn wir uns erinnern, wie anregend wir dieses Ereignis in den Jahren 2009 und 2014 begangen haben, dann können wir uns alle auf dieses Gedenkjahr freuen. Gemeinsam mit der Kulturprojekte Berlin GmbH wird es uns auch in diesem Jahr gelingen, bewegende Feierlichkeiten auszurichten. Ich freue mich jedenfalls schon sehr auf die bewährte Zusammenarbeit mit Moritz van Dülmen und seinem Team. Wir haben gute Gründe zum Feiern. In der neueren Geschichte Berlins gibt es keine Zäsur mit einer so uneingeschränkt positiven Konnotation. Die Menschen in der DDR befreiten sich von der kommunistischen Diktatur, brachten jene Mauer zu Fall, von der Erich Honecker fast auf den Tag genau vor 30 Jahren gesagt hatte, sie werde auch in 100 Jahren noch bestehen.
Ich hielt seine Drohung damals für wahrscheinlicher als das, was sich in den folgenden zehn Monaten tatsächlich ereignete. Bei allen Problemen und Herausforderungen der Gegenwart dürfen wir deshalb nicht vergessen, was dieses Land 1989/90 erreicht hat. Die Selbstbefreiung von der Diktatur und der Fall der Mauer sind eine historische Leistung.
Was damals erreicht wurde, sollte uns den Blick dafür schärfen, dass selbst scheinbar unüberwindliche Probleme im Geist der Freiheit und der Demokratie lösbar sind. Auch dafür sollten wir das anstehende Erinnerungsjahr nutzen. 30 Jahre sind – inzwischen muss man das so feststellen – eine lange Zeit. In der kollektiven Erinnerung dominieren die Bilder der friedlichen Demonstrationszüge, der Euphorie der Maueröffnung und der vergleichsweise nüchterne Akt der deutschen Einheit, verloren zu gehen drohen die Erfahrungen der Gefahr und der Unwägbarkeiten, die mit der Revolution verbunden waren. Wer damals für demokratische Rechte auf die Straßen ging, riskierte viel, denn die SED-Diktatur, die im Spätherbst 1989 so saft-und kraftlos zusammenfiel, hatte auch ein anderes Gesicht, ein Gesicht der Gewalt und Unterdrückung. Noch Anfang Oktober 1989 wurden in Ostberlin Demonstranten brutal verprügelt und eingesperrt. Daran sollten heute jene denken, die das Erbe der Montagsdemonstrationen für sich in Anspruch nehmen und sich als Opfer diktatorischer Verhältnisse stilisieren, obwohl sie lediglich im Meinungsstreit zu unterliegen drohen,
oder jene, die mit der pauschalen Forderung, die Lebensleistung von Ostdeutschen endlich anzuerkennen, eigentlich beabsichtigen, eine kritische Auseinandersetzung mit der kommunistischen Diktatur zu hintertreiben.
Für viele, die unter der SED-Diktatur gelitten und gegen diese aufbegehrt haben, sind solche Rituale schwer erträglich.
Wir sollten dieses Gedenkjahr auch nutzen, um daran zu erinnern, dass der 9. November 1989 nicht seine alleinige Erfüllung am 3. Oktober 1990, dem Tag der Deutschen Einheit findet, sondern dass sich an den Mauerfall ein sehr mühevolles und umkämpftes Ringen um Freiheit und Rechtsstaatlichkeit anschloss. Die Zeit vom Mauerfall bis zur Volkskammerwahl wird oft marginalisiert, doch sie enthielt alle entscheidenden Weichenstellungen: den Machtkampf gegen die SED-Herrschaft und die Gestaltung des Übergangs in eine demokratische DDR. Die Besetzung der Stasi-Dienststellen markierte den Beginn des Kampfes um die Deutungshoheit über die SEDDiktatur. Damals begannen oft sehr emotionale Debatten, die bis heute nicht abgeschlossen sind.
Und vergessen wir nicht die europäische Dimension der Zäsur von 1989/1990. Die Selbstbefreiung ab 1989 brachte für die Länder Mittel- und Osteuropas nicht nur Freiheit, Selbstbestimmung und Demokratie, sondern auch ein nationales Erwachen nach Jahrzehnten kommunistischer Unterdrückung. Wenn wir Länder wie die Ukraine, die baltischen Staaten, Ungarn, Polen oder die Slowakei heute verstehen wollen, dann müssen wir die schmerzhafte Erfahrung jahrzehntelanger kommunistischer Diktatur und Fremdherrschaft in Erinnerung rufen, die sich gegen beides richtete: gegen die Nation und gegen die Freiheit.
Berlin hat seit der friedlichen Revolution einen rasanten und positiven Wandel genommen. Die Freiheit und Weltoffenheit, die Berlin heute für sich in Anspruch nimmt, basiert auf den Erfahrungen von Teilung und Diktatur sowie deren Überwindung durch eine Freiheitsrevolution. Wir müssen uns jedoch dieses historischen Erbes immer wieder neu vergewissern, denn immer mehr Menschen, jüngere und zugezogene, leben unter uns, die das Glück der Selbstbefreiung nicht selbst erlebt haben, denen die DNA Berlins nicht selbstverständlich ist und die sich nicht durch Bücher, Dokumentarfilme oder den Besuch von Gedenkstätten und Museen über unsere Vergangenheit informieren. Diese Menschen – das haben die Jubiläumsfeiern 2009 und 2014 auch gezeigt – sind durchaus für Zeitgeschichte empfänglich, wenn man sie einbezieht und die Feiern mit ihnen inszeniert – im Stadtraum, an authentischen Orten und dort, wo sie sich täglich bewegen. Ich erinnere nur an den großen Erfolg der Revolutionsausstellung im Jahr 2009 auf dem Alexanderplatz.
Und das gilt nicht nur für die Jubiläumsfeiern. Wir können die Erinnerungen an Berlins Freiheitstraditionen nur dauerhaft lebendig erhalten, wenn wir sie im Stadtbild verstetigen.
Da bietet sich zum Beispiel die verlängerte U-Bahnlinie 5 an. Sie führt an hochsymbolischen Orten vorbei, an denen die Menschen unserer Stadt in verschiedenen Epochen für Freiheit und Demokratie gekämpft haben und heute noch darum ringen: die einstige Stasi-Zentrale in Lichtenberg, die Karl-Marx-Allee, der Alexanderplatz, das Rote Rathaus, der Schlossplatz, das Brandenburger Tor und schließlich der Bundestag. Ich schlage vor, dass in den entsprechenden U-Bahnhöfen an diesen Freiheitskampf erinnert wird, dass die U5 zu einer Freiheitslinie wird.
Freuen wir uns auf das Gedenkjahr „30 Jahre friedliche Revolution“, nutzen wir es auch, um den Wert jener Errungenschaften neu zu wägen, die uns die friedliche Revolution gebracht hat! Ich meine vor allem Freiheit und Demokratie! – Danke!
Vielen Dank, Herr Sello! – Damit kommen wir zur Besprechung mit einer Redezeit von bis zu 5 Minuten pro Fraktion. Es beginnt die Fraktion der SPD und hier die Kollegin Dr. West. – Bitte schön!
Sehr verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Tom Sello hat gerade schon gesagt: Es gibt dieses Jahr viele Gründe zum Feiern –, aber bevor wir im Jubiläumsjahr des Mauerfalles die Sektkorken knallen lassen, sollten wir in aller Offenheit Bilanz ziehen, wo noch Lücken bestehen, wo Ost und West auch in unserer Stadt vielleicht noch nicht zusammengewachsen sind.