Protokoll der Sitzung vom 24.01.2019

Berliner Masern-Röteln-Eliminationsplan auf einer detaillierten Grundlage auf den Weg gebracht haben auf der Grundlage einer Analyse, wie es eigentlich in Berlin aussieht. Wir haben festgestellt, dass zwei Personengruppen große Impflücken haben: Einmal ist bei Kindern ein gewisser Nachholbedarf bei der zweiten Impfung festzustellen. Die aktuellen Einschulungsuntersuchungen zeigen, dass wir zzt. bei 92,6 Prozent Impfungsgrad liegen. Das WHO-Ziel lautet 95 Prozent. Das heißt, es besteht eine Differenz von 2,4 Prozent. Ich bin sehr optimistisch, dass wir mit den Maßnahmen unseres Berliner MasernRötel-Eliminationsplans diese Lücke schließen können.

Wir haben auch festgestellt, dass wir die Impfgegner mit einer Impfpflicht wahrscheinlich nicht direkt erreichen können. Wen wir aber erreichen müssen, das sind vor allem Eltern aus bestimmten sozialen Schichten, wo wir beobachten, dass bei ihnen die Impfquote geringer ist. Hier ist es zum Teil ein bisschen Nachlässigkeit – hier können wir mit mehr Aufklärung und mehr Engagement der Gesundheitsämter ganz sicher die Impfquote erhöhen. Auch das zeigen aktuelle Umfragen: Die Impfbereitschaft insgesamt ist gestiegen.

Wir haben in der Analyse auch festgestellt, dass wir nicht nur eine Impflücke bei den Kindern haben – eine Impfpflicht würde erst einmal nur die Kinder erreichen –, sondern auch bei den jungen Erwachsenen. Diesbezüglich haben wir verschiedene Maßnahmen auf den Weg gebracht, um diese jungen Menschen zu erreichen, um diese Impflücke zu schließen. Sie würde man mit einer Impfpflicht nicht erreichen. Also, man kann es machen, aber Berlin hat hier tatsächlich einen Weg eingeschlagen, mit dem wir perspektivisch diese kleine Lücke schließen können. Ich bin da sehr zuversichtlich. Lassen Sie uns also erst einmal diesen Weg gehen. Die Zahlen sprechen für diesen Berliner Weg.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD und der LINKEN]

Vielen Dank! – Für eine weitere Nachfrage Kollege Kluckert.

Vielen Dank, Frau Senatorin, für diese Antwort. – Es gibt Leute, die ihre Kinder nicht impfen lassen können, weil sie zu klein sind. Wenn Sie keine Impfpflicht möchten, dann können sich diese Kinder durch andere dennoch auf Spielplätzen, in der BVG oder der Kita anstecken. Wie können Eltern diese Kinder schützen, damit sie nicht erkranken?

Frau Senatorin!

Das WHO-Ziel sieht eine Durchimpfungsquote von 95 Prozent vor. Wenn wir diese 95 Prozent erreicht haben, dann ist genau diese Schutzsituation gegeben, denn die Durchimpfung soll dazu führen, dass möglichst viele gerade kleine Kinder nicht angesteckt werden. – Ihre Frage ist durch die Beantwortung der ersten Fragen mitbeantwortet.

Die Runde nach der Stärke der Fraktionen ist damit beendet. Nun können wir die weiteren Meldungen im freien Zugriff berücksichtigen. Ich werde diese Runde mit einem Gongzeichen eröffnen. Schon mit dem Eröffnen des Gongs haben Sie die Möglichkeit, sich durch Ihre Ruftaste anzumelden. Alle vorher eingehenden Meldungen werden hier nicht erfasst.

[Gongzeichen]

Ich gehe davon aus, dass alle Fragestellerinnen und Fragesteller die Möglichkeit hatten, sich anzumelden, und beende die Anmeldung.

[Gongzeichen]

Ich darf die ersten fünf Kollegen vorlesen: Das ist zunächst der Abgeordnete Wild, dann der Abgeordnete Buchholz, der Kollege Schneider, der Kollege Wansner und die Kollegin Bentele.

[Zurufe von der AfD: Welcher Buchholz?]

Dann beginnen wir mit Herrn Wild.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich hörte gestern auf einer Veranstaltung des Bezirks Steglitz-Zehlendorf Herrn Staatssekretärs Rackles davon sprechen, dass Schulneubauten überwiegend in einem Raumzuschnitt für Montessori-Schulen gebaut werden sollen, die also keine Klassenzimmer mehr haben, sondern nur noch Compartments. Meine Frage an den Senat lautet: Möchte der Senat nach den gescheiterten Bildungsvorhaben von JüL, Schreiben nach Gehör, Inklusion, Abschaffung der Vorschule, G 8 eine weitere Bildungskatastrophe anstoßen? – Danke schön!

[Torsten Schneider (SPD): Kann man nicht ernst nehmen!]

Frau Senatorin Scheeres, bitte schön!

(Senatorin Dilek Kolat)

Sehr geehrte Präsidentin! Sehr geehrte Abgeordnete! Das Land Berlin nimmt insgesamt 5,5 Milliarden Euro in die Hand, um Schulen zu sanieren. Wir planen, über 60 neue Schulen zu bauen. Das ist eine Riesenchance für das Land Berlin. In einem partizipativen Prozess mit Schülerinnen und Schülern, mit Eltern, mit Lehrkräften, mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, Architekten haben wir uns gemeinsam auf den Weg gemacht und gemeinsam überlegt, wie soll die Schule der Zukunft aussehen, weil sich ja viel in den letzten Jahren geändert hat: dass wir nämlich flächendeckend in Berlin die Ganztagsschule betreiben, dass unsere Zielsetzung die individuelle Förderung ist, das Arbeiten in heterogenen Gruppen, das Thema der Inklusion sind uns sehr wichtig. Hier arbeiten wir ja auch erfolgreich, da wir sehen, dass wir jetzt schon über 60 Prozent der Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf an unseren Regelschulen haben. Und auch das Thema der Demokratieerziehung, dass wir Räumlichkeiten haben, Foren, wo wir gemeinsam, Lehrkräfte, Erzieherinnen und Erzieher mit den Schülerinnen und Schülern in die Diskussion kommen. Demokratie ist uns sehr wichtig, und ich glaube, in Schulfluren ist so etwas sehr schwer möglich. Deswegen werden wir die modernsten Schulen hier in Berlin bauen. Darauf sind wir stolz, dass wir auch reformpädagogische Ansätze aufnehmen.

[Georg Pazderski (AfD): Kinder sollen Rechnen und Schreiben lernen!]

Das finde ich gar nicht schlimm, denn es geht auch darum hinzuschauen, dass man die besten Ansätze einbezieht. Andere Bundesländer schauen sich jetzt schon unsere Konzepte an, diskutieren sie auch und überlegen sich, unsere baulichen Gestaltungen auch in ihren Städten zu übernehmen. Wir gehen hier einen Zukunftsweg, ich bin da sehr stolz drauf, dass wir gemeinsam mit den Berliner Akteurinnen und Akteuren diskutiert haben

[Georg Pazderski (AfD): Geht wieder in die Hose!]

und auch formuliert haben. Das werden wir in den nächsten Jahren in Berlin umsetzen.

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Dann hat der Abgeordnete Wild die Möglichkeit zu einer Nachfrage.

Wenn ein Land am Ende der Bildungsskala in Deutschland Zukunftsgeschichte schreiben will, ist das ja schon interessant. – Meine Nachfrage: Glauben Sie nicht, Frau Senatorin, dass, wenn Sie Schüler außerhalb von Klassenzimmern haben, dadurch der Geräuschpegel insgesamt

steigen und das Konzentrationsvermögen der Schüler dadurch leiden wird?

[Torsten Schneider (SPD): Weniger als hier!]

Frau Senatorin, bitte schön!

Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Wenn Sie sich intensiv mit dem Thema Schülerleistung im Zusammenhang mit der räumlichen Gestaltung auseinandergesetzt hätten, würden Sie feststellen, dass es da einen Zusammenhang gibt. Wir waren in Hamburg, wir waren in München, wo wir einzelne Beispiele der räumlichen Gestaltung in kommunikativer Form haben, dass dieses auch Auswirkungen auf die Schülerleistungen hat. Selbstverständlich sind die Schulen so durch die Architektinnen und Architekten gestaltet, da geht es auch um das Thema Lautstärke und Dämmung. Das ist auch in den aktuellen Räumlichkeiten ein Thema, wo wir Maßnahmen vornehmen, dass wir nachrüsten, um Lautstärke zu reduzieren. Das ist unabhängig davon, ob ich einen Schultyp mit Schulfluren habe, wovon einzelne Räume abgehen, oder Schulneugestaltung. Und das Thema Lärmreduzierung hat für uns einen großen Stellenwert im Rahmen der neuen Schulbauten.

Vielen Dank!

Dann hat der Kollege Buchholz die Möglichkeit zur Frage.

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Ich frage den Senat vor dem Hintergrund, dass die sehr lobenswerte Initiative zur Beendigung der betäubungslosen Ferkelkastration leider im Bundesrat keine Mehrheit gefunden hat, welche weiteren Initiativen der Senat in diesem Zusammenhang ergreifen wird und ob es auch weitere Initiativen zur Beendigung von unnötigem Tierleid gibt. – Danke!

Vielen Dank! – Herr Senator Behrendt, bitte schön!

Frau Präsidentin! Herr Abgeordneter! Meine Damen und Herren! Das ist ja passend zur IGW, der größten Landwirtschaftsmesse der Welt, die in unserer Stadt stattfindet – für diejenigen, die es nicht wissen –, eine weitere

Landwirtschaftsfrage. Ich freue mich darüber sehr. Es war sehr bedauerlich, dass die Berliner Initiative gegen diese unnötige Verlängerung des Tierleids durch die große Koalition und auch unser Bemühen im Bundesrat hier nebenan, den Vermittlungsausschuss diesbezüglich anzurufen, ohne Erfolg geblieben ist. Im Ausschuss sah es besser aus, aber am Ende des Tages hat sich auch hier leider der Lobbydruck durchgesetzt. Offenbar – ich glaube kaum, dass es die bessere Einsicht war – haben wir nur Unterstützung von den anderen Stadtstaaten bekommen. Dabei wollen wir es aber nicht bewenden lassen. Sie hatten uns ja durch einen Beschluss aufgefordert, darüber hinausgehend tätig zu werden. Das betrachten wir als Auftrag, weil wir es nicht hinnehmen wollen, dass jetzt zwei Jahre lang wieder nichts passiert.

Diese Praxis ist ja um zwei Jahre verlängert worden. Wem das nicht geläufig ist, ich habe es im Bundesrat beschrieben, ich beschreibe es auch hier gerne. Das männliche Ferkel wird vom Bauern in die Hand genommen, unter den Arm geklemmt. Man schneidet mit einem Messer die beiden Hoden auf. Der Bauer drückt die Hoden raus, bei vollem Bewusstsein des Ferkels. Man kann froh sein, wenn er sie dann noch abschneidet; zum Teil werden sie einfach abgerissen. Das findet millionenfach, bei jedem männlichen Ferkel in der Bundesrepublik statt. Andere europäische Länder zeigen, dass es auch ohne diese wirklich quälerische Art und Weise geht, insbesondere die skandinavischen Länder. Die deutsche Schweineindustrie sagt, das geht nicht, wir müssen weiterhin so agieren. Und man hat das jetzt für zwei Jahre verlängert. Die Vorstellung ist schwer erträglich. Ich muss sagen, mir verdirbt es den Schweinefleischkonsum erheblich, wenn man an diese Praxis denkt.

Wir wollen uns damit aber nicht zufriedengeben, wie versprochen. Wir haben bei der Konferenz der Amtschefs – im Rahmen der Grünen Woche gibt es immer eine Konferenz der Amtschefs der Agrarminister – einen Antrag gestellt, wo wir zum einen bedauert haben, dass die Praxis verlängert wurde, und zum andern von der Bundesregierung schnelle und nachdrückliche Abhilfeüberlegungen verlangen, damit eben nicht wieder zwei Jahre nichts passiert und man nach zwei Jahren sagt, wir haben ja keine Alternative, die von der Industrie getragen wird, jetzt müssen wir noch weiter verlängern. Das haben wir dort eingebracht. Die Konferenz fand in der vorletzten Woche statt. Dort gab es eine Debatte. Die Amtschefs konnten sich leider nicht dazu verständigen zu bedauern, dass das verlängert wurde. Das kann ich noch ein bisschen verstehen, weil sie ja selbst dazu beigetragen haben, dass es verlängert wurde. Aber sie haben unsere Aufforderung, die Aufforderung des Landes Berlin in Richtung Bundesregierung, hier jetzt nicht nachzulassen, sondern weiter intensiv und schnell, und zwar nicht erst in zwei Jahren, sondern möglichst sofort tätig zu werden und die Alternativen, die es ja gibt, in der Umsetzung voranzubringen, beschlossen. Das ist ein gutes Ergebnis.

Mir wäre es lieber gewesen, wenn wir uns im Bundesrat durchgesetzt hätten im Dezember. Aber das ist ein gutes Ergebnis, weil wir damit signalisiert haben: Wir werden nicht nachlassen, wir sind nicht bereit, das weitere zwei Jahre hinzunehmen. Und es ist auch niemand gehindert, in Richtung Schweinehalterindustrie von dieser Praxis abzusehen und von sich aus schon Alternativen umzusetzen. Aber auch die Bundesregierung ist jetzt aufgefordert durch diesen Beschluss.

Wir werden das im Lauf des Jahres, da gibt es eine Agrarministerkonferenz, im Blick haben und ansprechen, dass dieses völlig unnötige Tierleid, das die Verbraucherinnen und Verbraucher, Konsumentinnen und Konsumenten nicht mehr länger bereit sind hinzunehmen, wirklich mal beendet wird, neben anderen Praktiken, dieses aber auch, denn das hatte der Gesetzgeber ja versprochen. Das ist ja das besonders Ärgerliche: Vor fünf Jahren und wenigen Wochen hatte der Bundestag sich dazu verständigt, diese Praxis nach fünf Jahren auslaufen zu lassen. Und dann hat aber die Industrie im Herbst gesagt: Nein, wir wollen das nicht, wir schaffen das nicht. Und dann ist leider die Verständigung erfolgt, das hier zu verlängern. Wie gesagt, wir lassen da nicht locker. Wir nehmen Ihren Auftrag, den Sie beschlossen haben, ernst und setzen uns weiter für artgerechte Tierhaltung auch im Bereich von Schweinen ein.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der FDP]

Vielen Dank, Herr Senator! – Dann hat der Kollege Buchholz die Möglichkeit zur Nachfrage.

Vielen Dank, Herr Senator, für die klaren Worte! Inwieweit bewerten Sie denn die Alternativen, die von der fleischproduzierenden Industrie, man kann sie ja nur so nennen, oftmals abgewertet werden, als wirklich praktikabel und auch wirtschaftlich darstellbar?

Herr Senator, bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wenn ich nach den Alternativen gefragt werde, muss ich noch mal ein bisschen zurückkommen auf das, was ich vorhin beschrieben habe, wie das im Einzelnen abläuft. Vorweg: Es gibt Alternativen, die man tatsächlich anwenden kann. Die skandinavischen Länder zeigen das. Das Eine ist, einfach auf Ferkelkastration zu verzichten und auch die

(Senator Dr. Dirk Behrendt)

männlichen Ferkel einfach so aufwachsen zu lassen. Da gibt es vom Handel den Einwand, dass das männliche Schweinefleisch ein bisschen streng riecht und schmeckt. Das ist im Einzelfall tatsächlich so, und dann müssen Sie das entweder aussortieren oder umtauschen. Das wäre das sozusagen Tiernächste. Weil das aber in der Kommunikation und in der Umsetzung schwierig ist, wenn Sie das Fleisch in der Pfanne haben und das komisch riecht – okay, da gehe ich ja noch mit.

Dann gibt es die Möglichkeit, die Ferkel einfach zu betäuben, wie man das ja bei anderen Eingriffen auch macht, damit die Kastration unter Betäubung vorgenommen werden kann. Das ist eine in Skandinavien schon seit sehr vielen Jahren übliche Praxis. Es war ganz amüsant: Der finnische Landwirtschaftsminister – Finnland ist ja Gastland auf der IGW – hat in seiner Begrüßungsrede vor den 3 000 Ministern und Agrarfunktionären ein bisschen spöttisch darauf Bezug genommen – Frau Klöckner war ja anwesend –, dass er diese Debatte in Deutschland gar nicht verstehe. Finnland zeige doch – sinngemäß, er hat Finnisch gesprochen –, dass das geht, und warum wir uns da eigentlich so schwertäten. Ich teile sein Unverständnis. Also, entweder man macht es mit Betäubung, da wird immer geltend gemacht, das koste ja Geld, und man bräuchte womöglich einen Tierarzt.

[Zurufe von Heiko Melzer (CDU) und Kurt Wansner (CDU)]

Ja, das kostet Geld. Tiere aus ordentlicher Tierhaltung kosten eben auch Geld, und die Preise, die wir für das Fleisch haben, sind ja sowieso europaweit sehr, sehr günstig und bilden nicht unbedingt den Wert dessen ab, was die Landwirte und die Schweinehalter da machen. Eine Preissteigerung von wenigen Cent pro Kilo halte ich aus Tierschutzgründen für vertretbar.