[Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN – Frank-Christian Hansel (AfD): Warum, haben wir ja gerade gehört!]
Bei der Umsetzung der Vorgaben des § 11 des Achten Sozialgesetzbuches und mit diesem Gesetz wird Berlin bundesweit eine Vorbildfunktion einnehmen. Das zeigt sich bereits im Entstehungsprozess dieses Gesetzes. Wir haben rund 10 000 Kinder und Jugendliche zu ihren Wünschen und Ideen für ein Jugendfördergesetz befragt, sodass ihre Anliegen angemessen berücksichtigt werden konnten. Wir haben zudem die verbindliche Beteiligung von Kindern und Jugendlichen in der Entstehung von künftigen Jugendförderplänen geregelt, sodass sichergestellt ist, dass diese Form der Partizipation nicht einmalig war, sondern die Regel wird.
Wir haben uns als Koalition für diese Form der Partizipation – und um dieses Gesetz zu erarbeiten – zwei Jahre Zeit genommen. Das ist ganz schön lang, gerade auch für beteiligte Kinder und Jugendliche. Aber ernst gemeinte Partizipation, die nicht nur draufsteht, sondern auch drinsteckt, braucht ihre Zeit. Ich bin froh, dass wir uns diese Zeit genommen haben, denn das Ergebnis lässt sich sehen.
Auch inhaltlich wird sich eine Menge tun. Wir haben die Bedenken der Träger ernst genommen und werden verbindliche Standards sowohl in Bezug auf Qualität als auch auf den Umfang der Angebote festlegen und so für
mehr Planungssicherheit sorgen. Wir werden wieder flächendeckende Angebote in allen Bezirken schaffen, die sich an den tatsächlichen Bedarfen orientieren. Es wird verbindliche Förderpläne geben, die den durch das Land Berlin und die Bezirke vorzuhaltenden Umfang an die Jugendarbeit festlegen und ein Leistungsversprechen darstellen. Dadurch soll wieder eine vielfältige Angebotslandschaft in allen Bezirken sichergestellt werden. So werden wir dafür sorgen, dass von den fünf festgelegten Angebotsformen der Jugendarbeit alle angemessen in allen Bezirken vorgehalten werden müssen und garantieren so ein flächendeckendes Angebot.
Zudem etablieren wir die Unterstützung der Beteiligung von jungen Menschen als neue, eigenständige Angebotsform. Für uns ist klar: Beteiligung von jungen Menschen ist ein zentrales Merkmal von Jugendarbeit, und in Zukunft wird es in allen Bezirken und landesweit eine Unterstützungsstruktur für die Beteiligung junger Menschen geben.
Um zu garantieren, dass es wieder mehr und ausreichend Jugendarbeit gibt, werden wir die bisherige 10-ProzentRegel verlassen. Die Regelung wurde in der Vergangenheit nie ausreichend umgesetzt, sodass es um die Jugendarbeit in vielen Bezirken schlecht bestellt war, und orientierte sich außerdem nicht am tatsächlichen Bedarf. Die Ausgaben für die Jugendarbeit gingen immer mehr zurück, was sich besonders bei der personellen Ausstattung der bezirklichen Jugendarbeit gezeigt und zu einer Reduzierung von Angeboten geführt hat. Die bisherige Regelung hat sich für die Sicherung und Steuerung von Jugendarbeit in Berlin nicht als geeignet erwiesen.
Wichtig ist, die finanzielle Ausstattung stattdessen am immer mehr wachsenden einwohnerbezogenen Bedarf, also dem tatsächlichen Bedarf, zu orientieren; das werden wir in Zukunft mit dem Fachstandard „Umfang“ sicherstellen. Durch die gesetzliche Verpflichtung der Bezirke, den im Fachstandard „Umfang“ festgestellten Bedarf einzuhalten, stellen wir sicher, dass die zugewiesenen Finanzmittel für die Jugendarbeit auch für die Umsetzung von Angeboten der Jugendarbeit verwendet werden. Und anhand dieser festgestellten Bedarfe werden wir die Jugendarbeit in Berlin gesichert, geregelt und vor allem auch besser finanzieren können. Denn während sich die Vielfalt der Lebenswelten in dieser Stadt weiterentwickelte und wir darauf mit vielfältigeren Angeboten der Jugendarbeit hätten reagieren müssen, sorgten die Sparjahre für eine Ausdünnung der Angebote.
Wir stoppen endlich die zunehmende Abwärtsspirale bei Vielfalt und Umfang von Jugendarbeit in Berlin. Wir sorgen für mehr Förderung und mehr Jugendarbeit an mehr Orten in Berlin. Das ist dringend notwendig. In einer wachsenden Stadt mit immer mehr Kindern und Jugendlichen benötigen wir mehr Jugendarbeit und vor
Mit der Einführung von Jugendförderplänen auf Landesund Bezirksebene schaffen wir strategische Steuerungselemente, die die bezirklichen und landesweite Planung miteinander verzahnen. Bestand und Bedarf für die Angebotsformen der Jugendarbeit werden nachgewiesen und abgeglichen. Bei Bedarf werden Maßnahmen abgeleitet, und es wird die Einhaltung der Fachstandards der Jugendarbeit sowohl in Bezug auf Qualität als auch Umfang dokumentiert.
Wenn das Jugendfördergesetz beschlossen ist, ist damit die Arbeit aber noch nicht getan. Die Jugendhilfeausschüsse müssen nun in den Bezirken auf die Umsetzung achten. Sie müssen für ihren Bezirk darauf achten, dass die angebotenen Produkte abgerufen werden und die Umsetzung nach den Vorgaben des Gesetzes fordern. Das Jugendfördergesetz werden wir zudem auch in Zukunft noch weiterentwickeln, gerade damit Jugendarbeit in Berlin für möglichst viele Personengruppen inklusiv und auch in der Lage ist, auf Bedürfnisse und Lebenssituationen spezifischer Personengruppen einzugehen: Was können wir tun, um die queere Jugendarbeit in Berlin weiter zu stärken? Welche speziellen Räume und Angebote brauchen vor allem auch junge Mädchen und junge Frauen? Welche Anforderungen an Jugendarbeit gibt es in einer migrantisch geprägten Gesellschaft? Und wie sorgen wir dafür, dass Jugendarbeit für junge Menschen mit Behinderungen möglichst zugänglich ist?
Das Wie ist die eine Sache; genauso wichtig ist aber das Wo. Wir müssen sicherstellen, dass in einer wachsenden Stadt genügend Flächen für die Jugendarbeit zur Verfügung stehen, und zwar in allen Teilen der Stadt. Für die Jugendarbeit in Berlin ist die Flächen- und Raumkonkurrenz ein großes Problem. Viele Träger klagen darüber, dass es ihnen zunehmend schwerfällt, passende Räumlichkeiten zu finden. Zum einen wird Jugendarbeit in der Planung der sozialen Infrastruktur häufig nachrangig behandelt, zum anderen stehen Angebote der Jugendarbeit mit Gewerbemietverträgen vor dem Problem, Mietsteigerungen nicht mehr finanzieren zu können. Eine Möglichkeit, dieses Problem zu lösen, wäre eine Fonds, auf den die Bezirke zurückgreifen können, um Flächen zu erwerben oder im Rahmen der Berliner Schulbauoffensive unter dem Stichwort sozialräumliche Öffnung Einrichtungen und Kooperationen mit Schulen zu schaffen und zu verwirklichen.
So oder so müssen wir die immer höheren Gewerbemieten für die Angebote der Jugendarbeit endlich bei Mittelzuweisungen berücksichtigen.
Abschließend sei noch gesagt, dass für uns im Anschluss an das Jugendfördergesetz als Nächstes das Familienfördergesetz ansteht. Mit dem Jugendfördergesetz setzen wir die Ansprüche aus dem Achten Sozialgesetzbuch, § 11, um. Wir wollen aber auch die Ansprüche aus dem Achten Sozialgesetzbuch, § 16, die Familienförderung, mit qualitativen und quantitativen Standards sichern und dafür sorgen, dass Familienarbeit und Förderung von Kindern und Jugendlichen in Berlin Hand in Hand gehen.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass mit dem vorgelegten Gesetzentwurf die Vielfalt der Jugendarbeit wiederhergestellt wird. Wir schaffen Nachvollziehbarkeit und Transparenz, bezogen auf die Umsetzung landesweit gültiger Standards, und es wird eine gesamtstädtische Steuerung ermöglicht sowie die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen sichergestellt und gefördert. Damit haben wir wirksame Instrumente zur Planung und Steuerung der Jugendarbeit vorgelegt, und ich freue mich sehr auf die gemeinsame Beratung im Ausschuss. – Vielen Dank!
Aber was ich eben beim Thema Bildung bemängelt habe – dass Sie es einfach nicht hinbekommen, ein Thema vernünftig aufzusetzen –, das scheint ja nicht das ganze Haus von Frau Scheeres zu betreffen. Denn beim Entwurf dieses Gesetzes wurde im Vorfeld ordentlich gearbeitet: Es wurden alle eingebunden. Es wurden die Verbände befragt, es wurden Jugendliche und Kinder gefragt. Es lief durch den Landesjugendhilfeausschuss; es ging durch die bezirklichen Jugendhilfeausschüsse. – Also es gab wirklich eine breite Beteiligung, und das erklärt auch, wie aus „unverzüglich“ zwei Jahre werden können. Denn der Auftrag war ja, unverzüglich ein solches Gesetz zu erstellen, und ohne schuldhaftes Zögern zwei Jahre – das ist natürlich ein Ding. Aber Sie haben es ja gefüllt. – Ich bin ja mit Lob immer sehr sparsam bei Ihnen, Frau Scheeres. Aber bei dem Thema muss ich sagen: Das haben Sie ordentlich vorbereitet.
Vielen Dank dafür, dass Sie sich die Zeit genommen haben, dass auch durch die Stadtgesellschaft zu tragen und sie mitzunehmen!
Wenn man Frau Tomiak eben zugehört hat, dann haben Sie gemerkt, dass ich an einem Punkt geklatscht habe. Da ging es um die Mieten.
Ich habe versucht, da irgendwie reinzukommen! – Das ist ein ganz wichtiger Punkt, den wir auch an einem anderen Punkt in der Stadt falsch machen: Bei der Kitafinanzierung haben wir da ein großes Problem. Das Kitakostenblatt z. B. bildet die Miete nicht nach Lage ab, sondern das ist so „One size fits all“. Egal, ob Sie am Stadtrand eine Kita betreiben oder ob die in Berlin-Mitte ist, Sie haben den gleichen Mietkostenanteil.
Wenn ich den Gedanken ausgeführt habe, gerne! – Das Thema betrifft aber auch Freizeiteinrichtungen und Jugendeinrichtungen. Hier hätte man vielleicht noch einmal genauer hingucken können, wie man mit einem Clustersystem arbeiten kann: dass man verschiedene Lagen zusammenlegt und guckt, dass man den Mietanteil nach Lage zahlt und sich von diesem „One size fits all“ endlich abkehrt. Denn was bei Kitas nicht funktioniert, funktioniert bei Jugendfreizeiteinrichtungen und Jugendeinrichtungen erst recht nicht. – Jetzt kommt die Zwischenfrage vom Kollegen Schneider, weil der Gedanke jetzt vorbei ist.
Vielen Dank, Herr Kollege Fresdorf! Ich bin ja mit Ihnen der Auffassung, dass hier der Bildungsverwaltung Lob gebührt, insbesondere vor dem Hintergrund der breiten Beteiligung der Jugendlichen. Wie ordnen Sie denn vor diesem Analysehintergrund die Propagandarede des AfDKollegen ein, der hier weinerlich beklagt, dass hier eine einseitige, rot versiffte Jugendförderung stattfinden soll?
Vielen Dank, Kollege Schneider! Eigentlich wollte ich den Beitrag des Kollegen gar nicht aufwerten, indem ich in kommentiere. Aber da ich höflich bin, antworte ich gern auf Ihre Frage.
Denn Qualitätsstandards heißen ja nicht, dass alles überall gleichgemacht werden muss. Es heißt aber, dass wir einen Mindestanspruch daran haben, was an Jugendarbeit zu leisten ist, was nicht im Widerspruch zur Heterogenität in den Angeboten steht. Aber das ist vielleicht ein bisschen zu komplex, dass es nicht jeder im Haus nachvollziehen kann. Das muss jeder für sich selbst bewerten.
Was wir aber im Nachgang sicherstellen müssen – denn das ist die große Herausforderung, vor die uns dieses Jugendförder- und Beteiligungsgesetz stellt –, ist die Nachhaltigkeit der Finanzierung. Da sind wir als Haushaltsgesetzgeber gefragt. Wir kehren ab von dem System, dass 10 Prozent der Mittel für die Jugendarbeit aufgewandt werden sollen und sagen: Wir binden es an Qualitätsstandards und Vorgaben. – Dann müssen wir aber auch die Bezirke mit entsprechenden Mitteln ausstatten, und das müssen wir in jedem Haushalt sicherstellen, damit wir die Bezirke nicht wieder vor die Situation stellen, dass sie abwägen müssen, ob die Gelder für die Jugendarbeit noch da sind. Da müssen wir aufpassen, dass wir dauerhaft wachsam sind, um eine erfolgreiche Jugendarbeit in diesem Land sicherzustellen.
Ich freue mich, gemeinsam mit Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen des Bildungsausschusses, dieses Gesetz in der Beratung im Ausschuss zu haben. Wir sollten uns die eine oder andere Sache noch einmal anschauen. Gerade das Thema Finanzierung möchte ich dort in den Mittelpunkt rücken. Da müssen wir uns Gedanken machen, wie wir da vorgehen können. Ansonsten möchte ich Ihnen gratulieren: Es ist ein vernünftiges Gesetz, das Sie gemacht haben und das wir vielleicht an der einen oder anderen Stelle noch besser machen können. Aber das ist wirklich ein guter Aufschlag, und man muss als Opposition nicht immer meckern, man kann auch Sachen anerkennen Und das tue ich hiermit. – Vielen Dank!
Vielen Dank! – Zu diesem Tagesordnungspunkt hat der fraktionslose Abgeordnete Wild gemäß § 64, Abs. 2 der Geschäftsordnung einen Redebeitrag angemeldet. Die Redezeit beträgt bis zu drei Minuten. – Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort!
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! „Toleranz ist die letzte Tugend einer untergehenden Gesellschaft“, sagte Aristoteles. – Zu § 6a, Nr. 4: Toleranz gegenüber unterschiedlichen Weltanschauungen per se zu fördern, kann ein riskantes Unterfangen werden.
Würden Sie mir bitte zuhören? – Als praktizierender Christ habe ich von Religionen gehört, in denen eine Frau nur halb so viel wert sein soll wie ein Mann. Im Netz können Videos von Weltanschauungen gesichtet werden, in denen Homosexuelle von Dächern geworfen und vermeintliche Ehebrecherinnen und Gotteslästerinnen bei lebendigem Leib verbrannt werden.
Wenn die SPD in § 6a, Nr. 5 unter der Überschrift „Ziele der Jugendarbeit“ die Gleichstellung aller Geschlechter fordert, scheint auch von der alten Tante von Art. 6 Grundgesetz nicht mehr viel übrig geblieben zu sein. Wo bleibt der besondere Schutz von Ehe und Familie, die schon aus biologischen Gründen nur ein heterosexuelles Elternpaar aus Vater und Mutter meinen kann?
Sie wollen im Rahmen der Kinder- und Jugendhilfe dem Abbau von Geschlechtsstereotypen behilflich sein. Was heißt denn das?