dann weiß man, wie schwer es ist, in diesen hierarchischen Strukturen überhaupt Informationen zu bekommen. Wir haben hier in Berlin 20 bis 30 Großfamilien mit bis
zu 1 000 Mitgliedern. Es wird grundsätzlich nur innerhalb dieser Familienbande geheiratet, damit man auch diese Geschlossenheit innerhalb dieses patriarchalischen Systems aufrechterhält. Sie glauben doch wohl nicht im Ernst, dass Sie mit diesem kleinen Mosaikstein einen wirklichen großen Punkt im Rahmen der Bekämpfung von illegalen Clanstrukturen erreichen werden.
Wie kann man diese Strukturen in der Tat zerschlagen? – Da haben wir bereits im letzten Jahr ein umfassendes Konzept mit ordentlichen Punkten vorgelegt, die dementsprechend auch in das Sechs-Punkte-Programm des Senats Eingang gefunden haben.
Wir müssen da hingehen, wo es wehtut. Wir müssen da hingehen, wo die Clanstrukturen merken, hier ist der Staat handlungsfähig. Wir müssen da hingehen, wo ihr Machtmomentum ist, das ist das Geld. Das muss ordentlich funktionieren, und das geht übrigens auch nur mit einem ordentlich ausgestatteten Personalapparat. Sie haben es angesprochen, Herr Kollege Schreiber, wenn wir das Mittel des Vermögensabflusses nehmen, dann reicht es nicht aus, wenn wir bis vor Kurzem nur ein Kommissariat zum Vermögensabfluss hatten, jetzt haben wir mittlerweile zwei. Wir müssen massiv handeln, nicht nur in diesem Punkt. Wenn 77 Immobilien beschlagnahmt werden, aber ein Stück weit nur die Grundbücher eingefroren werden und weiter Mieteinnahmen fließen, dann ist das nicht ausreichend. Wir brauchen ein umfassendes und wirkliches Reformprogramm zur echten Umkehr der Beweislast. Dann haben wir die Möglichkeit, die Clanstrukturen im Rahmen ihres Vermögens zu bekämpfen. Das Ganze bedarf des Mutes des Gesetzgebers, wobei hier natürlich der Bundesgesetzgeber gemeint ist.
Das gilt für alle Maßnahmen, die wir angesprochen haben, finanzielle Maßnahmen, personelle Maßnahmen, auch die Jugendämter müssen dort mit einbezogen werden. Wir haben ja die Herausforderung, dass junge Menschen bereits im Alter von 12, 13, 14 Jahren solche Strafakten haben. Da müssen auch dementsprechend familienrechtliche Maßnahmen gezogen werden.
Bei den ganzen Punkten, die wir formuliert haben, fehlt ein Punkt bei Ihrer Konzeption sowohl des Senates als auch der CDU komplett, das sind ausländerrechtliche Maßnahmen. Warum sind Sie nicht in der Lage, wieder eine gemeinsame Ermittlungsgruppe Identität einzuführen, um festzustellen, wer denn ursprünglich aus welchem Land kommt? Und warum wären Sie dann nicht in der
Lage, den Mut zu haben, nachdem man die Identität festgestellt hat, auch Abschiebungen in dem Bereich vorzunehmen? Das war Anfang der Zweitausenderjahre ein erfolgreiches Instrument. Die rot-rote Koalition hat es abgeschafft. Das war ein massiver Fehler. Sie haben unser Konzept gesehen. Sie haben fleißig abgeschrieben. Machen Sie es richtig, machen Sie es umfassend, und dann haben Sie auch ein erfolgreiches Konzept zur Bekämpfung von Clankriminalität! – Ich danke Ihnen!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die organisierte Kriminalität ist ja gerade ein großes Thema in der stadtgesellschaftlichen und medialen Debatte. Warum ist das eigentlich so? Das Thema ist ja nun nicht gerade neu. Das gibt es ja seit vielen Jahren. Aber was jetzt neu ist, kann ich Ihnen sagen: Es gibt seit zweieinhalb Jahren einen Senat, der sich des Themas ernsthaft angenommen und es zur Priorität gemacht hat.
Und dazu gehören ein deutlich verstärkter Personaleinsatz bei der Polizei, bei der Staatsanwaltschaft, täterorientierte Maßnahmen, das Projekt Staatsanwaltschaft vor Ort, das mittlerweile berlinweit angewandt wird, niedrigschwelliges Einschreiten, das Verfolgen auch kleinerer Delikte, eine bessere Vernetzung zwischen den verschiedenen Behörden, nicht zuletzt deutlich ausgeweitete Finanzermittlungen und erstmals auch das Instrument der Vermögensabschöpfung. Das ist ja schon genannt worden.
Es wurde erst jetzt damit angefangen, Vermögen wie Immobilien, Mieteinnahmen aus kriminellen Machenschaften zu beschlagnahmen. Die Auswirkungen dieser verstärkten Aktivitäten sind jetzt sichtbar, und das ist auch gut, weil die Szene in Unruhe versetzt wird. Natürlich sind wir da erst am Anfang. Das ist völlig klar, über Jahre gewachsene Strukturen können nicht von heute auf morgen verschwinden, wenn man sie bekämpft. Aber ich glaube, nicht nur ich habe den Eindruck, dass hier endlich mal ein Anfang gemacht wurde, nachdem viele Jahre lang nichts passiert ist.
Jetzt kommt die CDU mit ihrem Vorschlag Hinweisgebersystem. Ich finde, darüber kann man reden. Zeugen
auf diesem Gebiet sind rar, das wissen wir alle. Vielleicht wird es Einzelne geben, die über ein anonymes System Hinweise geben, also ein durchaus konstruktiver Diskussionsbeitrag, Herr Dregger, aber ein bisschen hat das schon was vom Springen auf den fahrenden Zug, liebe CDU-Fraktion! Ich möchte bei all dem nötigen Eifer bei der Bekämpfung der organisierten Kriminalität aber auch noch ganz dringend darauf hinweisen, dass wir bei allen Instrumenten die rechtsstaatlichen Regeln waren müssen.
Ich sage das, weil auch in dem vorliegenden Antrag wiederholt der Begriff der kriminellen Clans verwendet wird. Ich finde den Begriff falsch.
Das ist richtig, weil komplette Familien damit als kriminell bezeichnet werden und damit auch alle Personen, die einen bestimmten Namen tragen. Sie verwenden diesen Begriff, Herr Dregger, in Ihrem Antrag. Das finde ich falsch. Das ist stigmatisierend. Und Sie wollen in Ihrem Antrag ja auch selbst, dass nicht kriminelle Mitglieder bestimmter Familien mit der Polizei zusammenarbeiten. Da ist es doch vollkommen kontraproduktiv und widersprüchlich, wenn Sie mit diesem Duktus komplette Familien als kriminell bezeichnen und über einen Kamm scheren.
Noch mal zurück zum Hinweisgebersystem: Es gibt da bisher, sage ich mal, unterschiedliche Erfahrungen. Das Hinweisgebersystem zur Korruptionsbekämpfung funktioniert gut. Bei der anonymen Hotline vom Berliner Verfassungsschutz zum Islamismus melden sich nicht ganz so viele Leute, war zu hören. Und dann gibt es da noch, das will ich Ihnen auch nicht vorenthalten, eine anonyme Hotline vom Bundesamt für Verfassungsschutz zum Thema Linksextremismus. Da haben sich über all die Jahre nur ein paar Leute gemeldet, die meisten davon nur aus Quatsch. Also man muss ganz genau prüfen, ob es für so eine Plattform eine Zielgruppe gibt und ob diese Zielgruppe dann auch diese Plattform nutzen wird. Aber wie gesagt, das können wir gerne gemeinsam diskutieren.
Weil ich noch Zeit habe, ein kleiner Exkurs in die Vergangenheit zu dem Thema, das auch Herr Dregger angesprochen hat: Dass es dieses Hinweisgebersystem zur Korruptionsbekämpfung überhaupt gibt, das ist ja auf einen Beschluss des Abgeordnetenhauses von 2010 zurückzuführen. Das war unter Rot-Rot.
Dann kam der Regierungswechsel zu Rot-Schwarz. Und dann ist erst mal vier Jahre lang nichts passiert. Wenn Sie
dieses Stichwort in die Parlamentsdokumentation eingeben, dann kommt eine ganze Latte von Anfragen, wo gefragt wird: Wann kommt das denn jetzt? Warum dauert das so lange? Was soll das? Warum passiert hier nichts? – Es hat vier Jahre gedauert, und insgesamt waren es dann fünf Jahre, 2015 wurde dieses System eingeführt, weil es der Schlafwagensenator Henkel und sein Kollege Heilmann wirklich so richtig verschleppt haben. Da kann ich nur sagen, ich bin froh, dass Sie jetzt hier nicht regieren,
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Kollege Dregger ist mit starken Worten wie ein Tiger im Kampf gegen organisierte Kriminalität gestartet und tatsächlich als kleines Perserkätzchen mit diesem Minimaßnahmenthema gelandet.
Ich finde es höchstbedauerlich, dass wir uns bei dem Thema organisierte Kriminalität gerade unter einer Priorität mit einer solchen kleinen Petitesse befassen müssen. Natürlich ist es richtig und völlig unschädlich, Sie haben es ja auch sehr schön in der Begründung des Antrages ausgerechnet, dass es nichts kostet, ein solches System einzurichten, jedenfalls kaum etwas. Die andere Frage ist allerdings die, ob es überhaupt etwas bringt. Selbst mit Erkenntnissen, die wir an dieser Stelle sammeln könnten, müsste man ja zunächst mal im Rahmen von polizeilichen Ermittlungen etwas anfangen können. Man müsste vor allem in der Lage sein, wirtschaftliche Erkenntnisse zu bewerten.