Protokoll der Sitzung vom 09.05.2019

Wir als AfD sind der Auffassung, dass der gesundheitliche Versorgungsanspruch nach dem Asylbewerberleistungsgesetz ausreichend ist. Darüber hinaus benötigt nicht jeder Betroffene gleich eine vollwertige psychotherapeutische Behandlung. Dem Positionspapier der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie ist zu entnehmen, dass viele Asylbewerber – und jetzt hören Sie einmal zu – Zitat –

durch eine gute Tagesstruktur die niedrigschwellige Aktivierung ihrer Ressourcen, Coping-Strategien und soziale Unterstützung sowie Integrationsmaßnahmen die Stressfaktoren relativ gut bewältigen

können.

[Dr. Wolfgang Albers (LINKE): Die klatschen gar nicht mehr!]

Der gesamte Antrag offenbart also einmal mehr, dass diese Koalition auf allen Gebieten durchideologisierte Vorstellungen verfolgt, abgesehen von der Kostenträgerfrage: Wer soll denn die psychotherapeutische Leistung überhaupt erbringen? Selbst der Bundeswehr fehlt es bei der Versorgung der eigenen Soldaten, die im Einsatz für unser Vaterland ihr Leben riskieren, an Fachpersonal, sodass die leitliniengerechte psychotherapeutische Behandlung einer posttraumatischen Belastungsstörung nicht immer gewährleistet werden kann. Dieser traurige Umstand sollte uns viel mehr zu denken geben.

[Beifall bei der AfD]

Herr Abgeordneter! Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein, danke! – Die AfD-Fraktion wird den vorliegenden Antrag in den entsprechenden Ausschüssen logischerweise ablehnen. Da kann sich der Berliner Steuer- und Beitragszahler auf uns verlassen. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der AfD – Dr. Wolfgang Albers (LINKE): Wird immer weniger Beifall, was?]

Vielen Dank! – Für die Linksfraktion hat die Abgeordnete Schubert das Wort!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Ahnungslosigkeit der AfD ist wirklich erschütternd. Offensichtlich haben Sie noch nicht einmal den Antrag gelesen, denn es geht hierbei tatsächlich um eine Überführung in die Regelsysteme der sozialen und psychosozialen Versorgung.

[Dr. Dieter Neuendorf (AfD): Das wollen wir nicht!]

Aber lesen bildet. Das ist keine Frage. Das haben Sie ausgelassen.

[Stefan Franz Kerker (AfD): Ja!]

Ich war gestern, wie viele andere hier auch, bei der Ehrung zum 8. Mai, zum 74. Jahrestag der Befreiung vom Faschismus. Dabei sind mir viele sehr alte Menschen begegnet, denen die Erlebnisse des Krieges noch sehr wach vor Augen stehen. Hätten die damals Möglichkeiten zur Traumabewältigung gehabt, wie wir sie heute haben, würde es ihnen wahrscheinlich heute anders und besser gehen. Ich glaube, wir sind in der Verpflichtung gegenüber Menschen,

[Stefan Franz Kerker (AfD): Wir sind überhaupt nichts!]

die hierher geflohen sind aus Krieg, aus Folter, aus Gewaltverhältnissen – –

[Stefan Franz Kerker (AfD): Nehmen Sie SED- Vermögen!]

Halten Sie die Klappe! Jetzt bin ich dran! – Diesen Menschen die Hilfe zu ermöglichen, die tatsächlich verfügbar ist.

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall von der SPD – Stefan Franz Kerker (AfD): Spenden Sie doch Ihr Vermögen! – Zuruf von Holger Krestel (FDP)]

Diese Menschen haben Dinge erlebt, die die meisten von uns hier zum Glück nicht erleben mussten.

[Kurt Wansner (CDU): Die Leute in der DDR auch!]

Ich bin immer noch dankbar dafür, dass ich so etwas nicht erleben musste. Ich kann mir vorstellen, wie es ist, wenn man aus einem Bombenhagel geflohen ist. Ich kann mir vorstellen, welche Ängste man durchsteht, wenn man auf einem kleinen Bötchen auf dem Mittelmeer ist und nicht weiß, ob man ankommt. Ich kann mir vorstellen, was mit einem passiert, wenn man es dann endlich

(Herbert Mohr)

geschafft hat, hierherzukommen und kriegt dann solche Leute vor die Nase gesetzt, die einem erklären: Haut doch schnell wieder ab! Ihr habt hier nichts zu suchen! Was interessiert uns euer Leid. – Das ist beschämend, was Sie hier aufführen!

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN – Stefan Franz Kerker (AfD): Nein, Sie leben in einer Traumwelt!]

Diese ganzen Erfahrungen ziehen natürlich Traumata nach sich, und da muss man keine Psychologin, kein Psychologe sein, um zu ermessen, was da passiert.

[Carsten Ubbelohde (AfD): Ich kriege ein Trauma, wenn ich Ihnen zuhören muss!]

Insofern ist es notwendig, dass wir weiter überlegen, wie wir eine psychosoziale Versorgung von Menschen, die geflüchtet sind, die hier Schutz und Aufnahme gefunden haben, organisieren können. Da haben wir gute Erfahrungen mit den Übergangssystemen der Clearingstelle in der Charité gemacht, aber wir müssen jetzt ein Stück weiterkommen. Natürlich ist es wichtig, dass die Erfahrungen, die dort gesammelt werden, sich auch tradieren, dass sie überführt werden in die Regelsysteme, dass wir es schaffen, die muttersprachliche, die kultursensible Begleitung auch der Traumabearbeitung, der psychosozialen Versorgung auszuweiten, dass diese psychosoziale Versorgung in der Lage ist, der multikulturellen Realität, die wir in unserer Stadt haben, auch zu entsprechen.

Wir haben natürlich noch ein anderes Problem. Viele der Geflüchteten, die noch keinen Status haben, die noch nicht statusgewandelt sind und in die Zuständigkeit des Asylbewerberleistungsgesetzes fallen, haben Anspruch auf Notfallbehandlung. Es ist immer noch umstritten, ob psychische Erkrankungen normale Krankheiten sind, ob sie dann eine vernünftige soziale Betreuung bekommen, wenn sie an Traumata leiden. Deswegen ist es wichtig, dass wir die Regelsysteme so öffnen, dass psychische Probleme und Traumata auf jeden Fall behandelt werden und dass die Erfahrungen und das Wissen, beispielsweise der Initiative für die Behandlung von Folteropfern, von Xenion, sich in den Regelsysteme tradiert.

In einem hat die CDU auch recht. Das Thema psychische Erkrankungen und der Ausbau der Versorgung ist etwas, was die gesamte Bevölkerung betrifft. Mittlerweile ist die psychische Erkrankung auf Platz 2 der Liste der häufigsten Erkrankungen. Immer noch ist es für viele tabuisiert. Es wird ungern darüber geredet. Da ist Gott sei Dank etwas aufgebrochen, dass es mittlerweile auch ein sprechbares Thema ist. Insofern sind wir gut beraten, diesen Antrag in den Ausschüssen sehr ernsthaft zu diskutieren, ihn umzusetzen und noch weitere Schritte zu gehen, denn Gesundheit ist nicht nur, wenn alle Beine, Arme und Organe funktionieren, sondern die Seele ist genauso ein Teil des menschlichen Körpers, und wenn es da hakt, dann funktioniert alles andere auch nicht. Wenn

wir wollen, dass Integration und Teilhabe funktionieren, dass alle Menschen sich wohlfühlen in dieser Stadt, dann muss es auch möglich sein, dass allen Menschen entsprechend ihrer Situation, ihrer Herkunft geholfen wird.

[Stefan Franz Kerker (AfD): Lebensfremd! Sie leben in einer Traumwelt!]

Das heißt kultursensibel. Das heißt demokratisch, und Sie haben keine Ahnung. – Vielen Dank!

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Vielen Dank! – Für die FDP-Fraktion hat jetzt der Kollege Kluckert das Wort.

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Meine sehr geehrten Damen und Herren! Als ich heute Morgen bei diesem strahlenden Sonnenschein zum Abgeordnetenhaus gefahren bin, habe ich mir fest vorgenommen, mit etwas Positivem zu beginnen.

[Beifall bei der FDP – Beifall von Kurt Wansner (CDU) und Christian Buchholz (AfD)]

Da freut es mich, dass Sie, Frau Senatorin, es mir so leicht gemacht haben, und so darf ich Ihnen auch von meiner Fraktion alles Gute zu Ihrer Hochzeit wünschen. Ich wünsche Ihnen vor allen Dingen eine harmonische Ehe. Ich glaube, es ist ganz wichtig bei so vielen Streitigkeiten, die Sie in der großen Koalition haben, zuhause einen Ausgleich zu finden. Alles Gute von uns!

[Beifall bei der FDP – Beifall von Dr. Kristin Brinker (AfD)]

Es gibt viele Probleme, die wir in der Gesundheitspolitik in Berlin haben. Eine Sache, die mich als gesundheitspolitischer Sprecher ganz oft wiederholt erreicht, sind Brandbriefe und auch hilfesuchende Schreiben von Menschen aus dieser Stadt, die eine psychologische Betreuung ganz dringend brauchen. Wir bekommen – diese Woche z. B. – Brandbriefe von einer Klinik in Berlin, wo in der psychiatrischen Station Vierbettzimmer völlig überbelegt sind, dass die Patienten im Flur schlafen müssen. Das sind Situationen, die nicht haltbar sind und schäbig für Leute, die zu uns kommen und Hilfe suchen, egal, ob es Geflüchtete sind oder Berliner. Daran müssen wir etwas ändern.

[Beifall bei der FDP – Beifall von Tim-Christopher Zeelen (CDU)]

Und ich möchte Ihnen einmal anhand eines Beispiels, das ich gestern erst gehört habe und sehr erschütternd fand, zeigen, wie die psychosoziale Betreuung in dieser Stadt zum Teil aussieht. Es geht um eine Frau, deren vierjäh

(Katina Schubert)

riges Kind im Endstadium von Krebs sich auf den Tod vorbereitete und sie Hilfe gesucht hat bei einer Kriseneinrichtung unserer Stadt. Anstatt ihr einen Psychotherapeuten oder einen Psychologen zu empfehlen, hat man ihr geraten: Fahren Sie doch wieder einmal in den Urlaub. – Das ist eine psychosoziale Betreuung, wie ich sie in dieser Stadt nicht möchte und wie ich sie auch schäbig finde.

[Beifall bei der FDP – Beifall von Dr. Kristin Brinker (AfD) und Frank-Christian Hansel (AfD)]

Wenn Sie diese psychologische Betreuung in dieser Stadt mit uns in einem Gesamtkonzept verändern wollen würden, wo Sie einmal alles aufführen, was hier schiefläuft, von der Fehlplatzierung von Menschen, 3 500 Personen sind nicht in den Einrichtungen, in die Sie eigentlich gehören, sondern völlig fehlplatziert, wenn Sie all diese Situationen in einem Gesamtkonzept verändern wollen würden, dann hätten Sie auch die FDP an Ihrer Seite. Aber was Sie hier machen, ist: Sie nehmen sich einen kleinen Bereich heraus, nämlich die Geflüchteten, und wollen die Situation nur für diese verbessern. Das verstehe ich nicht. Ich verstehe nicht, warum Sie nicht daran interessiert sind, für die ganze Stadt die psychologische oder psychiatrische Betreuung zu verbessern, wovon alle profitieren würden, unabhängig davon, ob das eine Person ist, die auf einmal in eine Krisensituation gerät, oder Obdachlose sind, die eine psychologische, psychiatrische Betreuung brauchen, Geflüchtete, die mit ihren Traumata hier herkommen. Lassen Sie uns ein Gesamtkonzept entwickeln. Dann können wir die Dinge, die Sie in Ihren Antrag völlig richtigerweise hineingeschrieben haben, dort mit einarbeiten. Aber sich nur diesen einen Teil herauszupicken, da können wir leider als FDP-Fraktion nicht mitgehen. Das tut mir leid.

[Beifall bei der FDP]

Vielen Dank! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Vorgeschlagen wird die Überweisung des Antrags federführend an den Ausschuss für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung und mitberatend an den Ausschuss Integration, Arbeit und Soziales. – Widerspruch hierzu höre ich nicht, dann verfahren wir so.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 3.4: