Protokoll der Sitzung vom 15.08.2019

[Zuruf von links: Frage!]

Keine Kommentierung, bitte! Nur die Frage, Frau Dr. Brinker!

Okay. – Ich wollte nur fragen, ob Ihnen das und unser Antrag im Detail bekannt ist; Produktionslückenverfahren sind dort auch enthalten, wie Sie wissen, so hoffe ich – oder?

Frau Dr. Brinker! Ich glaube, die entscheidende Frage ist nicht, ob man irgendetwas strikt, modifiziert oder elastisch nennt, sondern das, was wir hier beschließen werden. Wir werden beispielsweise einen Gesetzentwurf beschließen, in dem das Produktionslückenverfahren als Konjunkturbereinigungsverfahren aufgegriffen ist. Insofern verstehe ich Ihre Kritik nicht.

Ansonsten höre ich immer wieder Forderungen von Ihrer Seite, bei denen ich, wie vorhin gesagt, den Eindruck

habe, Sie haben die Debatten der letzten Jahre verpasst. Sie haben Grüne, Linke und Gewerkschaften benannt – gehen Sie doch einfach einmal zu den Vertreterinnen und Vertretern der industrie- und wirtschaftsnahen Institute und fragen Sie diese: Was halten Sie von der Schuldenbremse? – Dann werden Sie feststellen, dass sich der diskursive Wind ordentlich gedreht hat. Das hängt mit den gegenwärtigen makroökonomischen Rahmenbedingungen zusammen, aber auch damit, dass man hinterher immer klüger ist.

Deswegen kann ich nur sagen, Frau Brinker: Seien Sie froh, dass wir Ihrer Forderung nicht gefolgt sind und schon vor vielen Jahren eine starre oder – wenn Sie persönlich es so nennen wollen – modifizierte Schuldenbremse in die Verfassung geschrieben haben. Diese wird man nämlich nicht so schnell wieder los. Genau dieses Problem haben die anderen Bundesländer. Es ist so gesehen gut, dass wir dieses Verfahren gewählt haben. Und wir haben es mit einem guten Gesetzentwurf zu tun, über den wir dann gerne – auch gerne kontrovers, Frau Dr. Brinker – im Hauptausschuss streiten können.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Damit kann ich an die letzten Sätze meines Manuskripts anschließen: Wir begrüßen es, dass es in dieser Debatte unter den veränderten Umständen eine neue Dynamik gibt, eine neue Dynamik auch im Bund. Wir als Grüne werden uns weiterhin – sowohl hier in Berlin als auch auf der Bundesebene – aktiv daran beteiligen und eigene Vorschläge unterbreiten. – Ich bedanke mich und wünsche uns allen gute Haushaltsberatungen!

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Für die Fraktion der FDP hat jetzt Frau Abgeordnete Meister das Wort – bitte schön!

Sehr geehrte Präsidentin! Meine Damen und Herren! Gucken wir uns noch einmal den vorliegenden Haushaltsentwurf genauer an: Das Jahr 2019 schließt mit hoher Wahrscheinlichkeit mit einem Überschuss von 1,3 Milliarden Euro ab. Das klingt zunächst danach, als wenn man richtig gut gehaushaltet hätte und über viele Einnahmen verfügte, die wir im nächsten Jahr auch noch ausgeben könnten. – Das ist aber genau der Punkt, an dem es täuscht. Von diesem Überschuss von

1,3 Milliarden Euro hatten wir 1 Milliarde Euro schon verplant und diese Summe einfach nicht ausgegeben. Das heißt, die 1 Milliarde Euro waren vorgesehen für Verwaltungsausgaben, für Gelder der Bezirke und für Investitionen. Über die Hälfte dieser Summe ist überhaupt nicht abgeflossen. Insofern ist es ein Stück weit sinnvoll, wenn

die Koalition jetzt endlich anfängt und sagt: Lasst uns nicht ewig über irgendetwas diskutieren, es in den Haushalt hineinschreiben und danach nicht machen, sondern wirklich Dinge anfangen und umsetzen! Und das Gleiche gilt ja auch für SIWANA, mittlerweile 3,9 Milliarden Euro aufgelaufene Mittel. Auch da liegt viel Geld, und wir kommen damit einfach nicht in die Umsetzung.

[Beifall bei der FDP]

Dann hat Dr. Kollatz das Geld einfach genommen, hat gesagt: Wenn ihr es nicht ausgebt, braucht ihr es ganz offensichtlich nicht, dann nehme ich es mir wieder zurück. Das ist ja erst mal nachvollziehbar, ist auch richtig. Er hat dieses Geld mit 600 Millionen Euro in den Schulbaufonds hineingepackt. Das ist sicher erst mal eine vernünftige Idee, das glaube ich schon. Dass wir Schulbauten, Neu- und Ersatzbauten, brauchen, ist unstrittig.

[Beifall bei der FDP]

Und er hat den Rest in die Haushaltsentlastungsrücklage gepackt, weil es nämlich sonst 2021 schon mal eng geworden wäre. Wir wissen alle, dass die Wirtschaft sich auf diesem Niveau ganz offensichtlich nicht weiterentwickeln wird. Sie tun alles dazu, dass es auch wirklich noch mal schneller geht. Dass man mit einer Einführung des Mietendeckels nicht wirklich punkten kann, es sei denn, man möchte Eigentumswohnungen bauen, das müsste sich ja nun auch Ihnen erschließen.

[Beifall bei der FDP]

Und da kann Herr Müller als Regierender Bürgermeister auch noch so viel davon reden, dass es doch gut wäre für diese Stadt, wenn wir florierenden Tourismus hätten, wenn wir es denn nicht machen, sondern uns in unsere eigene Befindlichkeiten zurückziehen und abschotten.

Also insofern werden die Zeiten nicht leichter werden. Nichtsdestotrotz bleibt es dabei, dass es weiterhin großzügige Geschenke gibt. Da ist das Schulessen für umsonst. Ich meine, das ist es im wahrsten Sinn des Wortes. Also das ist wirklich für umsonst. Das macht keinen Schüler schlauer, das macht Ihre Bildungspolitik nicht besser. Und Nudeln mit Ketchup, lieber Herr Schneider, ist schon überhaupt gar nicht gesund, sondern ist nämlich wie Nudeln mit Zucker. Das können Sie direkt wegschmeißen! In einem Land, noch mal Bezug nehmend auf Herrn Behrendt, das 11 Millionen Tonnen Lebensmittel wegschmeißt, ist das Erste, was wir vermitteln: Schulessen ist kostenlos.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Heinemann?

Aber immer doch gerne!

(Daniel Wesener)

Bitte, Herr Heinemann, Sie haben das Wort!

Vielen Dank, Frau Meister! Zum Schulessen: Ihnen ist doch sicher bekannt, dass es in der Stadt viele Einrichtungen gibt, auch kirchliche, die Essen anbieten, dass es hier einen großen Bedarf gibt. Warum können Sie das infrage stellen? Das ist doch unverantwortlich. Arbeiten Sie sich doch nicht an so einem sozialen Thema ab!

[Beifall bei der SPD – Beifall von Regina Kittler (LINKE)]

Sie beantworten ja Ihre Frage schon mal selber: Es hat mit Bildungspolitik nichts zu tun, sondern mit Sozialpolitik. Und Sie verteilen es eben nicht zielgerichtet, sondern Sie verteilen es an alle – ob reich, ob arm. Das ist doch das, was Sie machen. Und das ist genau der Fehler, den Sie machen. Es ist eben nicht so, dass Sie individuell die Menschen fördern und ihnen Entwicklungschancen anbieten, sondern dass Sie es mit der Gießkanne verteilen. Das ist beim Schulessen genauso wie beim kostenlosen Schülerticket. Und wenn Sie ganz ehrlich sind, träumen Sie eigentlich auch von dem 365-Euro-Ticket für die BVG.

Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Abgeordneten Buchner?

Wo ist er denn? Ah, ja!

Bitte, Herr Buchner, Sie haben das Wort!

Vielen Dank! – Wie stehen Sie denn zu der Einschätzung vieler Lehrerinnen und Lehrer, die uns, wenn wir Schulen besuchen, erzählen, dass Kinder danebensitzen müssen, während andere Kinder essen und eben auch andere Leistungen anschließend im Unterricht bringen? Mit leerem Bauch lernt es sich eben nicht besonders gut.

Das ist ja schon richtig so, aber ich habe Ihnen doch schon gesagt: Das Entscheidende ist doch, dass Sie sich um die Menschen, um die Individuen kümmern und nicht per Gießkanne verteilen. Dort, wo Sie reiche Eltern haben, gut ausgestattete Familien, die sich kümmern, ist das

Schulessen jetzt genauso umsonst wie an Orten, wo Sie vielleicht noch viel mehr bräuchten außer kostenlose Nudeln mit schlechtem Ketchup, wo Sie vielleicht auch noch Unterstützung und Betreuung brauchen.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Jetzt weg von Nudeln mit Ketchup. Gehen wir noch mal weiter zu den altbekannten Rekommunalisierungsträumen. Thema Energie, Gas, Strom hatten wir schon. Es bleibt nach wie vor schwierig, das Stadtwerk kommt nicht in Schwung. Dass wir sehr unterschiedlicher Meinung sind, wenn es um die Wohnungsbaupolitik geht und die dort ausgeübten Ankäufe, das ist keine so ganz neue Erkenntnis. Ich halte es nach wie vor für falsch. Sie schaffen damit keinen neuen Wohnraum. Und wenn Sie sich jetzt hinstellen und erzählen, dass Sie auch noch die Bestände der Deutschen Wohnen kaufen wollen, dann kann ich Ihnen nur sagen: Dann gucken Sie bitte wenigstens genau hin, was Sie da kaufen und mit welcher Sanierungsbedürftigkeit, weil auch für Sie der Mietendeckel gilt. Auch wenn Sie immer wieder versuchen, die Vorkaufsrechte und den Mietendeckel damit zu unterwandern, dass dort von freiwilligen Mieterhöhungen gesprochen wird. Das ist nicht zielführend, und dieses Geld ist insofern einfach nicht eingesetzt, um genau das zu lösen, was wir brauchen, nämlich mehr Wohnraum für die Menschen, die nach Berlin ziehen, für die Menschen, die nach Berlin geflüchtet sind. Die sollen doch wohl nicht ewig in den MUFs leben, die möchten ja auch mal eine eigene Wohnung haben. Ich glaube, das ist auch richtig so. Und als Wissenschaftsstandort brauchen wir natürlich auch Wohnungen für Studenten und Wissenschaftler, die aus allen möglichen Ländern zu uns kommen und hier arbeiten, leben und forschen wollen.

Natürlich gibt es im Haushalt in den Einzelplänen vieles, was wir in der Doppelhaushaltsberatung genauestens hinterfragen und untersuchen werden. Der berühmte Radweg, ein einziger an der Zahl, den die Velo GmbH bis jetzt geschaffen hat, ist schon mehrfach erwähnt worden. Bevor etwas vorangeht, werden Runde Tische gegründet, wahlweise ersetzt durch Räte oder ähnliche Formen, Taskforceeinrichtungen, die immer wieder dazu führen, dass wir nicht vorankommen und dass sich nichts weiterentwickelt.

Ich bin Herrn Wesener sehr dankbar, dass er noch mal auf diese Problematik mit BIM um das Mieter- und Vermietermodell hingewiesen hat. Dass wir ein Mieter- und Vermietermodell haben, ist, glaube ich, eine sinnvolle Einrichtung in dem Haushalt, dass jeder Verwaltung klar ist: Auch für sie gilt, Büroräume gibt es nicht umsonst. Wenn ich mir allerdings im Kulturhaushalt die Erhöhungen der einzelnen Institutionen angucke und dann sehe, dass das vorrangig Miet- und Nebenkosten sind, aber dann die daraus folgenden Sanierungen ganz offensichtlich in einer weiten Zukunft liegen, dann, glaube ich, ist das ein Thema, das wir uns sehr genau angucken müssen

und wo wir sehr viel hinterfragen müssen, wie es an diesem Punkt weitergeht.

[Beifall bei der FDP]

Jetzt noch mal drei Sätze zu dem Thema Schuldenbremse: Ich muss ganz ehrlich sagen, ich halte die vorgelegte Version von Ihnen für durchaus gut und sinnvoll. Natürlich kann man darüber diskutieren, wie sinnvoll Schuldenbremsen sind, wie sehr man in einer Phase einer Niedrigzinspolitik nicht eher in die Investitionen gehen müsste. Aber es geht ja in die Investitionen und es geht in die Infrastrukturmaßnahmen. Das Problem bei uns im Haushalt ist ja nicht, dass die Gelder für die Infrastrukturmaßnahmen und Sanierungen nicht eingestellt sind, sondern dass wir sie nicht umgesetzt kriegen.

Und ich glaube, dass die Schuldenbremse, so wie sie vorliegt, eine Form gefunden hat, der wir uns nähern können. Ich halte das für sinnvoll. Und Sie wissen aus den Vorbesprechungen, dass es uns besonders wichtig war, dass die Extrahaushalte mit aufgenommen werden. Das heißt, je weniger ein Unternehmen am Markt agiert und eigene Einnahmen hat, umso näher rückt es heran an den Staat und rückt mit herein zu den Schulden. Ich glaube, das ist auch richtig so, weil wir alle – Herr Heinemann, Sie haben ja den Blick zurück in die Nullerjahre und in die Zeiten der hohen Verschuldung geworfen – eben in diesen Jahren erlebt haben, dass gerade in den Landesbeteiligungen sich extrem hohe Schulden angehäuft hatten, die dann in einer wirtschaftlich schwierigen Situation, in einem wirtschaftlich schwierigen Umfeld nur noch ausgesprochen schwer abzubauen sind. Das gepaart mit einer Verschuldung im normalen Landeshaushalt führt eben dazu, dass man staatlich eingreifen musste, wie es in den Nullerjahren vonnöten war. Das sollten wir uns immer wieder noch mal vor Augen führen, wie schwierig es ist, in einer Zeit, in der wir roundabout 17 Prozent Arbeitslose hatten, auch noch mal jede Ausgabe des Staates zu hinterfragen. Insofern ist eine Schuldenbremse eine Aufforderung für uns alle, im Vorfeld schon mal zu überlegen, wofür wir das Geld ausgeben. – Vielen herzlichen Dank!

[Beifall bei der FDP]

Vielen Dank! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. – Den Vorabüberweisungen zum Haushaltsgesetz

2020/2021 auf Drucksache 18/2020 haben Sie bereits eingangs zugestimmt. Zu dem Nachtragshaushaltsgesetz 2019 auf Drucksache 1872018, dem Haushaltsbegleitgesetz auf Drucksache 18/2019 und dem Gesetz zur Umsetzung der grundgesetzlichen Schuldenbremse in Berliner Landesrecht auf Drucksache 18/2021 wird jeweils die Überweisung an den Hauptausschuss empfohlen. – Widerspruch dazu höre ich nicht, dann verfahren wir so.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 3.4:

Priorität der Fraktion der CDU

Tagesordnungspunkt 57 A

DIESE-Vorkaufsseilschaften – keine Zuschüsse ohne Aufklärung