Protokoll der Sitzung vom 15.08.2019

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Meine sehr verehrten Damen und Herren Kollegen! – Mal schauen, Frau Becker, ob ich ein etwas anderes Gerede und kein typisches Oppositionsgerede heute von mir lasse. – Frau Klein! Die Erkenntnis, etwas ändern zu wollen, sei relativ spät erkannt worden. – Ja, 2017, und ich beginne einleitend und sage: Erst einmal ist es gut, dass sich mittlerweile etwas tut, und das Ganze in positivem Sinne. Aber was hat denn im Jahr 2017 vielleicht zur Erkenntnis geführt, das sich etwas ändern muss?

Ich erinnere mich noch sehr gut: Ich war im Hauptausschuss, wir hatten den Januar 2017, Staatssekretär Feiler war vor Ort, und ich rechnete ihm vor, wie ein Justizhauptmeister – Besoldungsgruppe A 4; den einfachen Dienst gibt es de facto noch – im Vergleich zu einer Familie, die auf Transferleistungen angewiesen ist, entlohnt wird. Ich gab ein Berechnungsbeispiel: Der Justizhauptmeister ist verheiratet, hat zwei Kinder, die Mutter ist Hausfrau – und dem entsprechend der Empfänger von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch. Der Vollzeit arbeitende Justizhauptmeister hatte, Stand 2017,

1 000 Euro netto weniger im Jahr als der Transferleistungsempfänger. – Der damalige Vorsitzende des Hauptausschusses und Amtsnachfolger von Herrn Feiler, Herr Verrycken, hat offensichtlich sehr gut zugehört und diesen Appell hinsichtlich des unfassbaren Verstoßes gegen das Alimentationsprinzip aufgenommen. Mittlerweile haben wir sukzessive Verbesserungen erreicht. Das ist in der Tat gut.

Wir hatten vorhin angesprochen, auch in der aktuellen Stunde zum Thema Bildung, dass wir einen unfassbaren Konkurrenzdruck haben – nicht nur zu anderen Bundesländern, was das Beamtentum angeht, sondern auch zum Bund. Wir haben hier eine Konkurrenzsituation mit den obersten Bundesbehörden. Wenn die Koalition das Ziel ausgibt, wir wollen bis 2021 das bundesdurchschnittliche Mittel erreichen, dann befinden wir uns definitiv noch immer in einem Missverhältnis. Das bundesdurchschnittliche Mittel wurde in den Beratungen zum Haushalt 2018/19 von mir kritisiert – warum? – Ich habe gesagt: Das erreichen Sie so nie, weil die anderen Länder auch nachziehen. – Was hatten wir übrigens für einen effektiven Besoldungserhöhungsansatz im Land Berlin? – 2,95 Prozent. Alle anderen Bundesländer haben nachgezogen auf insgesamt 2,34 Prozent. – Das war zu wenig. Mit 0,6 Prozent erreichen wir das nicht.

Jetzt, mit 4,3 Prozent, ist ein guter Schritt gemacht worden. Unter dem Strich ist das aber, wie gesagt, immer noch zu wenig. Es gab weitere Möglichkeiten, unsere Beamten gerechter zu entlohnen. Ich bin sehr froh und dankbar, dass wir das Vollzugsdienst-Zulagenänderungsgesetz so beschlossen haben, wie wir es beschlossen haben.

(Christian Goiny)

Frau Klein! Sie sprachen vorhin an, dass es einen gewissen Unterschied gebe im Erwerbsleben; Sie seien den Beamten dankbar, dass sie diese Bürde auf sich genommen haben. – Ich fasse diese Bürde einmal in Zahlen: Wissen Sie, was ein Landesbeamter in Bayern im Laufe eines Erwerbslebens im Vergleich zu einem Landesbeamten in Berlin mehr verdient hat? – 315 000 Euro. Das ist ein Einfamilienhaus. – Das ist der Maßstab. – Ich danke Ihnen!

[Beifall bei der AfD – Beifall von Kay Nerstheimer (fraktionslos) und Andreas Wild (fraktionslos)]

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt der Abgeordnete Herr Lux das Wort!

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin sehr froh, dass sich alle Fraktionen in diesem Haus einig sind, dass der öffentliche Dienst in Berlin mehr verdient hat, dass die langen Jahre der Sparopfer vorbei sind, dass es vor allem der öffentliche Dienst war, der durch sein Sparopfer mit dazu beigetragen hat, dass wir heute strukturell wieder besser dastehen. Aber man muss auch schauen, dass das Geld nur erwirtschaftet wird von den Berlinerinnen und Berlinern, weil die Wirtschaft floriert, weil wir mehr Steuereinnahmen haben, weil wir gemeinsam einen guten Konsolidierungskurs gefahren haben, weil wir vernünftig wirtschaften und weil diese Stadt attraktiv ist. Das ist die Grundlage dafür, dass wir in den nächsten Jahren Hunderte von Millionen Euro auskehren können, um den Beamtinnen und Beamten zu Recht mehr Geld zu geben.

Es hat noch kein Redner vor mir angesprochen; ich will es aber trotzdem tun: Strukturell sind es 413 Millionen Euro, die wir pro Jahr in die Hand nehmen. Das ist ein Kraftakt, den wir gemeinsam beschließen, und bei dem wir alle gemeinsam sagen, dass wir dahinterstehen, dass der öffentliche Dienst mehr verdient hat. Es wurde gesagt, wir erhöhen um 4,3 Prozent. – Wir befinden uns auf einem rapiden Anpassungspfad. Hierzu ein paar Zahlen: Ein Polizeimeister, eine Polizeimeisterin oder eine Feuerwehrmeisterin, ein Feuerwehrmeister verdiente im Jahr 2008 noch 1 692 Euro Grundgehalt; im Jahr 2020 werden es 2 370 Euro sein. – Das zeigt, wie schleunig wir hier anpassen, wie schleunig wir aufholen. Wir sind nicht mehr Letzter im bundesweiten Vergleich.

[Zuruf von Marcel Luthe (FDP)]

Auch für die höheren Besoldungsstufen gilt das – Beispiel A 9, Kriminal- oder Polizeikommissar: 1 916 Euro im Jahr 2008, im Jahr 2020 2 621 Euro. Eine verbeamtete Gymnasiallehrerin mit A 13 ist von 3 354 Euro im Jahr 2014 auf 3 760 Euro im Jahr 2018 gestiegen. – All das

sind Beispiele, bei denen wir doch zeigen, dass uns die Entlohnung im öffentlichen Dienst eine Menge wert ist. Wir diskutieren über die Berlin-Zulage von 150 Euro monatlich, über eine allgemeine Stellenzulage, die wir angehoben haben, über ein Jobticket für den öffentlichen Dienst. In den unteren Bereichen haben wir – längst vor Ihrer, der AfD, Zeit – früher etwas getan. Wir haben unten angehoben, weil dort die gestiegenen Lebenshaltungskosten sich auswirken: bei Einmalzahlungen, beim Weihnachtsgeld usw. – Deswegen würde ich gerne einmal – auch von vielen Kolleginnen und Kollegen – hören, dass der öffentliche Dienst in Berlin attraktiv ist,

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

dass der öffentliche Dienst Nachwuchs verdient hat in Berlin, dass die Sicherheit, die der öffentliche Dienst – gerade das Beamtentum im Wechselspiel zwischen Treuepflichten der Beamtinnen und Beamten und einer Fürsorgeverpflichtung des Dienstherrn, nämlich uns letztendlich – bietet, etwas wert ist, gerade in diesen Zeiten, und dass er deswegen auch als Dienst am Gemeinwohl wunderbar wertvoll ist für diese Gesellschaft und dass er den politischen Rückhalt verdient hat.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Luthe?

Bitte, Herr Luthe – Sie haben das Wort!

Herzlichen Dank, lieber Kollege Lux! – Könnten Sie mir, nachdem Sie es gerade in schillernden Farben ausgemalt haben, wie gut es dem öffentlichen Dienst in Berlin geht, zwei Dinge erklären? – Zum einen, wie hoch die Teuerungsrate gerade bei den Immobilien, aber auch bei den Mobilitätskosten zwischen 2008 und 2018 war, und zum anderen, warum wir eigentlich so viele unbesetzte Stellen im öffentlichen Dienst und Nachwuchsschwierigkeiten haben, wenn doch alles so toll ist.

Klar kann ich Ihnen das erklären, Herr Luthe! – Die Teuerungsraten am Wohnungsmarkt sind völlig klar; die schlagen auf alle ein. Sie schlagen aber nicht nur auf den öffentlichen Dienst ein, sondern auf alle Menschen, die in Berlin leben. Zum Glück sind die Leute, die hier arbeiten, nicht alle im öffentlichen Dienst – da sind wir uns einig. Bei den Mobilitätskosten weiß ich nicht genau, was Sie

(Karsten Woldeit)

meinen. Wenn Sie die Ticketpreise im öffentlichen Nahverkehr betrachten, finde ich, dass sie relativ stabil sind. Wir diskutieren außerdem weitere Erleichterungen. Und vielleicht steigt man auch mal auf das Fahrrad um.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Ich glaube schon, dass Sie in dieser Hinsicht mit Einsparungen leben können.

Wie bereits erwähnt, ist der öffentliche Dienst vor allem attraktiv, weil er Sicherheit bietet, weil er nicht einer neoliberalen Logik folgt, die häufig Ihrer Partei zugeschrieben wird – wie ich meine, auch zu Recht: Hire and Fire. Der öffentliche Dienst bietet bis ins hohe Alter Sicherheit;

[Marcel Luthe (FDP): Sicherheit?]

für junge Leute ist das heute mehr wert. Natürlich gibt es manche Dienststellen, die nicht schön aussehen. Natürlich gibt es in einem Hierarchieverhältnis eine Dienstanweisung, auch einmal Vorgesetzte, die vielleicht nicht ganz so nett sind. Natürlich gibt es auch Missstände im öffentlichen Dienst.

[Stefan Evers (CDU): Wie bei den Grünen!]

Trotzdem will ich hier ein Plädoyer halten, den öffentlichen Dienst, den wir haben, den Dienst am Gemeinwohl, nicht schlechter zu machen, als er ist, und dafür werben. Ich glaube, dass die Besoldung, die wir hier vorschlagen und hoffentlich gemeinsam beschließen werden, auch einen Beitrag dazu leisten wird.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Woldeit?

Bitte, Herr Woldeit – Sie haben das Wort!

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Vielen Dank, Herr Kollege Lux! Herr Kollege, Sie haben völlig zu Recht angesprochen, dass der öffentliche Dienst eine gewisse Sicherheit bietet – anders als das Hire-and-Fire-Prinzip, sagten Sie gerade. Wir befinden uns bekanntlich in der Bundeshauptstadt und haben in zweifacher Hinsicht eine besondere Situation: Einmal sind wir als Land Berlin Arbeitgeber mit dem entsprechenden Landesbesoldungsgesetz und gleichzeitig befinden sich hier oberste Bundesbehörden. – Wie wollen Sie denn eine Attraktivität

schaffen, etwa beim Landesrechnungshof, wenn der gut ausgebildete Steuerprüfer auf der Ebene A 14 oder A 15 eine neue Anstellung sucht, im Verhältnis zu den Annehmlichkeiten des Bundesrechnungshofes, zu den Annehmlichkeiten der obersten Bundesbehörde mit der entsprechenden Zulage? Wie wollen Sie das denn im Rahmen des Vergleichsprinzips und der Attraktivität gewährleisten?

[Sebastian Schlüsselburg (LINKE): Herr Woldeit! Der ist in Bonn, der Bundesrechnungshof!]

Es war eine völlig berechtige Frage von Herrn Woldeit. – Dass Bundesministerien attraktiver sind als Landesministerien, das wird wohl immer so sein. Dass Landesministerien attraktiver sind als Bezirksämter, das ist leider auch so. Ich finde, hier sollten wir ansetzen. Was Sie im Verhältnis zwischen Land und Bund kritisieren, mag sein. Jemand, der Patriotismus empfindet und nicht so ein Fahnenflüchtling ist wie Sie, der wird vielleicht beim Land bleiben.

[Zuruf von der AfD: Das ist jetzt aber rügenswert!]

Na ja, ist jetzt auch nicht so schlimm. – Aber die Gehaltsunterschiede, die wir verändern können – –

[Zuruf von Karsten Woldeit (AfD)]

Herr Woldeit! Jetzt regen Sie sich doch nicht so auf! Ist das für Sie eine Beleidigung? – Dann tut mir das leid.

[Unruhe bei der AfD]

Wenn ich Sie mit dem Wort Fahnenflüchtling beleidigt habe, Herr Woldeit, dann tut es mir leid. Ich wollte Sie nicht kränken. Ich wollte Sie nur an Ihre Verantwortung erinnern, Herr Kollege Woldeit, und da können Sie vielleicht in den Bezirken etwas tun. Zum Beispiel werden Sie als Arzt im öffentlichen Gesundheitsdienst ein Gehaltsgefälle haben oder als Tierarzt. Bei den Veterinärämtern und bei der Lebensmittelaufsicht haben Sie ein Gehaltsgefälle zum Landesministerium, bei dem ich finde, dass wir alle in der Verantwortung sind, dieses Gehaltsgefälle zu schließen, damit die Bezirke nicht ausbluten, dass sie auch gutes Personal finden, und es ist unsere Verantwortung als Landesgesetzgeber, als Landeshaushaltsgesetzgeber, hier die Lücken zu schließen. Was der Bund machen wird, ist Bundessache. Es sind vielleicht 20 000, 10 000 Bundesbeamte, die hier sind. Wir haben 60 000 Berliner Beamtinnen und Beamte. Um die sollten wir uns kümmern, auf die sollten wir uns konzentrieren, und das werden wir gemeinsam mit dem nächsten Haushalt tun. Das haben wir als rot-rot-grüne Koalition schon sehr erfolgreich getan, erfolgreicher als jede andere Landesregierung, die seit den Zweitausenderjahren hier dran ist, und diesen Weg werden wir weiter fortschreiten. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Für die Fraktion der FDP hat jetzt das Wort der Abgeordnete Swyter. – Bitte schön!

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vielleicht eine kleine Vorbemerkung, Frau Klein, weil Sie gesagt haben, die Regierung würde handeln, die Opposition nur reden: Das ist die bedauerliche Rollenverteilung, die in der Demokratie so üblich ist, die uns tagtäglich schmerzt, wenn ich Sie anhöre.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Wenn Sie mit dieser Rollenverteilung nicht einverstanden sind, haben Sie die Mehrheit, einen Wechsel herbeizuführen. Wir stehen zur Verfügung. – Das nur vorneweg bemerkt.

[Beifall bei der FDP – [Zuruf von Hendrikje Klein (LINKE)]