Protokoll der Sitzung vom 12.09.2019

[Oliver Friederici (CDU): So ist es!]

Ihre Beschleunigungsmaßnahmen, Herr Friederici, machen alles noch viel schlimmer!

[Beifall von Carsten Schatz (LINKE)]

Im nächsten Punkt – dem dritten – haben Sie es selbst erkannt, denn darin gehen Sie davon aus, dass, wenn die Beschleunigungsmaßnahmen nicht die gewünschte Wirkung zeigen, dann sollen alternativ Kapazitäten herbeigezaubert werden. Noch einmal, auch wenn es bereits gesagt wurde: Tegel hat eine Kapazität von 8 Millionen Passagieren, 22 Millionen sind im vorigen Jahr abgefertigt worden. Das Hauptterminal vom BER – vorausgesetzt, es ist fertig – kann 22 Millionen Passagiere abfertigen. Schönefeld-alt steht auch zur Verfügung, und zwar mit einer Kapazität von 13 Millionen Passagieren. Da werden doch dann diese Passagiere abgefertigt werden können.

[Frank-Christian Hansel (AfD): Aber keiner mehr!]

Da mache ich mir überhaupt keine Sorgen. Natürlich kommt noch das T2 hinzu.

[Frank-Christian Hansel (AfD): Kommt eben nicht!]

Natürlich!

[Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN]

Natürlich kann der BER die Passagiere nach der Eröffnung bewältigen. Anfangsschwierigkeiten – das ist doch logisch – wird es geben.

[Frank-Christian Hansel (AfD): Lassen Sie es darauf ankommen, ja? – Super!]

Aber die Kapazitäten reichen aus. Wenn Sie immer noch auf Tegel abzielen und sich auf Presseberichte stützen, dann werden Sie in den letzten Tagen gelesen haben, dass Bebauungspläne in Spandau wegen der Lärmschutzzonen von Tegel nicht beschlossen werden können, weil es da Baubeschränkungen gibt. Wenn Sie Tegel dauerhaft weiter geöffnet lassen, dann werden Sie auch weniger bauen können in Berlin. Das betrifft nicht nur das Flugfeld, sondern auch das Umfeld. Was das Bauen angeht, üben Sie immer Kritik. Sie müssen sich schon entscheiden, was Sie hier wollen.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD und den GRÜNEN]

Vielleicht noch ein Punkt, an dem ich ein Risiko sehe; das findet sich in der Begründung des CDU-Antrags. Da geht es um die Klagen der Anwohnergemeinden. Da sehe ich wirklich ein Risiko, denn die FBB will den T3 partout ohne Öffentlichkeitsbeteiligung durchziehen. Wenn sie damit auf die Nase fällt, wird es richtig wehtun. Aber auch in diesem Punkt hilft der Antrag der CDU nicht. Deswegen: Nicht beschließen, sonst wird es nur noch schlimmer! – Danke schön!

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD und den GRÜNEN]

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Der Antragsteller hat die sofortige Abstimmung beantragt. Wer dem Antrag der CDU-Fraktion auf Drucksache 18/2174 zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist die Fraktion der CDU und ein fraktionsloser Abgeordneter. Wer stimmt gegen diesen Antrag? – Das sind die drei Koalitionsfraktionen. Wer enthält sich der Stimme? – Das sind die Fraktionen der FDP und der AfD. Damit ist der Antrag abgelehnt.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 4.3:

Priorität der Fraktion Die Linke

Tagesordnungspunkt 6

Gesetz zur Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes in Berlin (Berliner Teilhabegesetz – BlnTG)

Beschlussempfehlung des Ausschusses für Integration, Arbeit und Soziales vom 22. August 2019 und dringliche Beschlussempfehlung des Hauptausschusses vom 4. September 2019 Drucksache 18/2152

zur Vorlage – zur Beschlussfassung – Drucksache 18/2027

Zweite Lesung

Der Dringlichkeit haben Sie bereits eingangs zugestimmt. Ich eröffne die zweite Lesung der Gesetzesvorlage. Ich rufe auf die Überschrift, die Einleitung sowie die Artikel 1 bis 9 der Gesetzesvorlage und schlage vor, die Beratung der Einzelbestimmungen miteinander zu verbinden. – Widerspruch höre ich dazu nicht; dann verfahren wir so. In der Beratung beginnt die Fraktion Die Linke. Zuvor bitte ich Sie jedoch, die Nebengespräche nach draußen zu verlagern und damit den hier herrschenden Geräuschpegel zu senken. Das gilt bitte auch für Senatsmitglieder. – Für die Fraktion Die Linke hat Frau Abgeordnete Fuchs das Wort – bitte schön!

Vielen Dank! – Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Heute haben wir das Berliner Teilhabegesetz auf der Tagesordnung. Als Erstes möchte ich auch hier die Möglichkeit nutzen, um mich bei den beteiligten Vereinen, Verbänden und den Selbstvertretungen zu bedanken: Ohne Ihre intensiven, fachbezogenen und auf eine gute Lösung orientierten Diskussionen wäre der nun vorgelegte Gesetzesentwurf nicht möglich gewesen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der LINKEN – Beifall von Fadime Topaç (GRÜNE)]

Am Beginn muss aber auch ganz deutlich gesagt werden, dass das Bundesteilhabegesetz ein Gesetz mit vielen Defiziten ist. Nicht umsonst haben viele Betroffene vor

der sehr schnellen Verabschiedung im Bundestag protestiert und deutlich gesagt: Das ist nicht mein Gesetz.

Trotz aller vorhandenen Mängel bietet das Gesetz doch auch die Möglichkeit eines Einstellungswechsels im Umgang mit Menschen mit Behinderung. Mit dem Bundesteilhabegesetz erhalten sie eine neue Rolle: Menschen mit Behinderung werden von Betroffenen zu Beteiligten. Das zeigt sich beim Berliner Teilhabegesetz bereits in den Rahmenvertragsverhandlungen, den Gremienbeteiligungen und dem Gesetzgebungsverfahren. Berlin hat als einziges Bundesland zur Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes einen Teilhabebeirat ins Leben gerufen. Solche Beiräte gibt es übrigens auch in den Bezirken. Mitglieder des Teilhabebeirats sind Vertreter des Landesbeirats für Menschen mit Behinderung und desjenigen für psychische Gesundheit, sodass auch hier schon die Bedarfe der Betroffenen berücksichtigt wurden. Die Teilhabebeiräte werden auch weiterhin den Prozess der Umsetzung begleiten und damit auch weiterhin die Bedarfe der Menschen mit Behinderung in die Prozesse einbringen.

Im Bundesgesetz ist klar geregelt, dass das Handeln personenzentriert und sozialraumorientiert zu erfolgen hat. Im Berliner Teilhabegesetz verankern wir die Sozialraumorientierung unter der Maßgabe von mehr Lebensqualität und Selbstbestimmung im selbstgewählten Lebensumfeld. Dabei geht es nicht nur um die Orientierung nach den lebensweltlich orientierten Räumen, sondern gerade auch um die sozialen Beziehungsräume. Diese Sozialraumorientierung soll explizit dazu beitragen, die Angebote für Menschen mit Behinderung inklusiv zu öffnen und damit die Freunde, die Familie und die Nachbarschaft mit einzubinden. Ziel es immer, den Menschen die behindertenbedingten Unterstützungsleistungen wie aus einer Hand anzubieten. Denn häufig ist es momentan so, dass die anspruchsberechtigten Menschen zu vielen unterschiedlichen Stellen gehen müssen, um die ihnen zustehenden Leistungen zu erhalten.

Um die Leistungen wie aus einer Hand anbieten zu können, wird in jedem Bezirk ein sogenanntes Haus der Teilhabe entstehen. Ich möchte hier nicht verschweigen, dass ich eine Freundin der vier Teilhabeämter aus einem der früheren Entwürfe bin. In der Diskussion mit den Bezirken hat sich aber gezeigt, dass diese Idee nicht umsetzbar ist; also werden es jetzt die Häuser der Teilhabe. Hier werden wir multiprofessionelle Teams haben, die sich um die Bedürfnisse der Menschen mit Behinderung kümmern. Für diese wichtige Arbeit stärken wir die Bezirke mit mehr Personal. Gerade in den neuen Rollen der Teilhabeplanerinnen und Teilhabeplaner sowie Koordinatorinnen und Koordinatoren brauchen wir gut ausgebildetes Fachpersonal. Die Kolleginnen und Kollegen des Fallmanagements sind eine sehr gute Basis dafür. Darüber hinaus wird aber für erfahrene und auch für neue Kolleginnen und Kollegen ein modulares Qualifizierungspaket erarbeitet. Die ersten Fortbildungen sind bereits er

folgreich gestartet. Was die Personalakquise für die Häuser der Teilhabe angeht, sprechen sich sowohl der Senat als auch der Rat der Bürgermeister für ein gemeinsames Vorgehen aus.

Insgesamt ist festzuhalten, dass der vorliegender Gesetzesentwurf das Ergebnis eines breiten politischen und fachlichen Diskussionsprozesses in der Stadt ist. Diese Diskussion dauerten insgesamt fast zwei Jahre. Gerade die Beteiligung des Teilhabebeirats und die dort geführten Diskussionen haben zu den vorgelegten, guten Ergebnissen geführt. Alle Beteiligten hoffen sehr, dass die im Berliner Teilhabegesetz enthaltenen Beteiligungsmöglichkeiten weitere offene Debatten nach sich ziehen und damit die Weiterentwicklung der Eingliederungshilfe fördern.

Ich möchte hier noch einmal deutlich machen, dass das Bundesteilhabegesetz am 1. Januar 2020 umgesetzt werden muss. Das Berliner Teilhabegesetzes bietet der Senatsverwaltung die Möglichkeit, alle notwendigen Schritte zu gehen, um die Umsetzung zu einem Erfolg werden zu lassen. Unbenommen ist, dass wir hier im Haus auch in den nächsten Monaten diese Umsetzung immer wieder auf der Tagesordnung haben werden. Wir werden gemeinsam mit den Beteiligten und Anspruchsberechtigten über viele kleine Umsetzungsschritte zu diskutieren haben, und das werden wir auch tun. Das wurde ja bereits in der Ausschusssitzung deutlich.

Es geht mit dem Beschluss des Berliner Teilhabegesetzes auch darum, eine berlineinheitliche Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes sicherzustellen. Natürlich wäre es wünschenswert gewesen, auch die Kinder und Jugendlichen mit Behinderungen in das Berliner Teilhabegesetzes zu bringen, aber auch hier haben die langen Diskussionen zu diesem vorgelegten Kompromiss geführt.

Ich möchte hier aber auch die Gelegenheit nutzen, um mich bei der Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales zu bedanken, dass sie uns, den Abgeordneten, vor allem aber den Betroffenen, den Vereinen, den Verbänden, den Selbstvertretungen die Möglichkeit geschaffen hat, das Berliner Teilhabegesetzes als gemeinsames Projekt wahrzunehmen und gemeinsame Ergebnisse vorlegen zu können. Es stehen uns große Umbrüche bevor, die natürlich auch immer von Ängsten begleitet werden. Diesen Ängsten werden wir nur mit vielen Gesprächen und Diskussionen begegnen können. Lassen Sie uns mit dem Beschluss des Berliner Teilhabegesetzes jetzt den Weg zur Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes freimachen und gemeinsam den richtigen Weg zu einer inklusiven Stadt gehen! – Vielen Dank!

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Für die Fraktion der CDU hat das Wort der Abgeordnete Herr Penn. – Bitte schön!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit dem Bundesteilhabegesetz soll die Selbstbestimmung gestärkt und die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen verbessert werden, auch im Sinne der UN-Behindertenrechtskonvention. Die Eingliederungshilfe wird aus der Sozialhilfe herausgelöst und durch das BTHG zu einem modernen Teilhaberecht umgestaltet. Entsprechende Änderungen treten zum

1. Januar 2020 in Kraft. Für Berlin heißt das in der Umsetzung – nebst rein bundesrechtlichen Änderungen –, dass sich Zuständigkeiten auch bezüglich der Ebene der Träger der Eingliederungshilfe ändern, aber es hat auch Auswirkungen auf das Leistungserbringungs- und Vertragsrecht. Die CDU-Fraktion steht zum Bundesteilhabegesetz und ausdrücklich auch zum Berliner Teilhabegesetz.

Das BTHG wurde bereits im Dezember 2016 erlassen, also quasi mit Amtsantritt des rot-rot-grünen Senats. Was ist seither parlamentarisch geschehen? – Wir haben uns erstmalig in der Sitzung des Ausschusses für Integration, Arbeit und Soziales am 17. Januar im Rahmen einer Anhörung mit der Umsetzung des BTHG in Berlin befasst. Die CDU hat dort – siehe Wortprotokoll – um erneute intensive Befassung gebeten. Vom Senat und den Regierungsfraktionen seither Fehlanzeige. Sieben Monate später, in der Plenarsitzung am 15. August, kam es zur ersten Lesung hier in diesem Haus. Geplant war eine Rederunde. Diese wurde jedoch kurz vor dem Tagesordnungspunkt abgesagt. Also fand eine erste Lesung statt, ohne dass wir uns hier im Plenum noch einmal mit diesem für viele Menschen wichtigen Gesetzentwurf befasst haben. Erstmalig lag dann der Gesetzentwurf am 22. August im Ausschuss vor – leider nur beiläufig. Dort gab es eine rund zweistündige Anhörung zur Jugendberufsagentur. Gerne hätten wir als CDU-Fraktion eine erneute Anhörung mit Trägern der Eingliederungshilfe, mit Verbänden der Selbstvertretung und mit Betroffenen durchgeführt. Ein entsprechender Antrag der CDU-Fraktion ist leider im Ausschuss von der Koalition und leider auch von den Vertretern der FDP-Fraktion abgelehnt worden.

Heute nun haben wir die zweite Lesung zum Berliner Teilhabegesetz, zur Umsetzung des BTHG. Das Gesetz ist nötig, aber viel Zeit wurde vertan. Es gab keine vernünftige parlamentarische Beratung, und die Zeitnot ist selbstgemacht. Wie vorhin bereits dargelegt: Das Gesetz gibt es bereits seit 2016. Der Senat beugt sich dem Diktat des Rats der Bürgermeister hinsichtlich struktureller Fragen. Gleichwohl gibt es auch nachvollziehbare Unsicherheiten bzw. Unklarheiten in den Bezirken. Damit gibt es leider keine inhaltliche Verbesserung für die

(Stefanie Fuchs)

Menschen, zumindest sind diese nach heutigem Stand leider noch nicht erwartbar. Es fehlt an Personal in der Senatssozialverwaltung und in den Bezirken. Was ist in den letzten 2,5 Jahren eigentlich getan worden auch und gerade gegenüber den Bezirken? – Sie stampfen bisherige Strukturen ein, ohne neue durchdacht und geschaffen zu haben. Kein Betroffener weiß heute, wo er in gut drei Monaten welche Leistungen beantragen kann.

Welche Kritikpunkte gibt es im Kern? – Ich greife einfach mal zwei, drei heraus.

[Zuruf von Stefanie Fuchs (LINKE)]

Erstens: Die Bezirke sollen in den Ämtern für Soziales und den Jugendämtern Teilhabefachdienste gründen, die im sogenannten Haus der Teilhabe die behinderungsbedingten Unterstützungsleistungen wie aus einer Hand gewähren sollen. Dies soll bewirken, dass Betroffene nicht an weitere bezirklichen Stellen verwiesen werden müssen. Dennoch bleiben unterschiedliche Zuständigkeiten.

[Zuruf von Stefanie Fuchs (LINKE)]

Zweites Beispiel: Spezielle Leistungen bestimmter Personenkreise werden dem Landesamt für Gesundheit und Soziales zugewiesen. Auch hier gibt es weiterhin unterschiedliche Zuständigkeiten.

Drittes Beispiel: Die Personalausstattung in den Teilhabefachämtern soll insbesondere die Anforderungen multiprofessionell, interdisziplinär und personenzentriert erfüllen. Dafür benötigt es insbesondere Verwaltungskompetenz, sozial- und heilpädagogische und pflegerische Kompetenzen. Wie will der Senat sicherstellen, dass die Stellen adäquat und fristgerecht besetzt werden? – Das waren nur einige Beispiele von Unklarheiten.