Aus Mangel an Sozialwohnungen entsteht Wohnungslosigkeit, zumal die Anzahl der geförderten Wohnungen in den letzten zehn Jahren sogar um 40 Prozent gesunken ist.
Werte Kollegen! Für 230 000 neue Einwohner werden in Berlin mittelfristig, also bei einer durchschnittlichen Haushaltsgröße, ca. 100 000 neue Wohnungen benötigt. Wer soll diese Wohnungen bauen? Wo sollen diese Wohnungen entstehen? Selbst wenn der Senat zum gescheiterten Konzept der Großwohnsiedlungen mit all ihren negativen Begleiterscheinungen zurückkehren sollte, ist diese erforderliche Anzahl schlicht nicht zu schaffen, erst recht nicht bei der sozialistischen Wohnungspolitik der Bauverhinderungssenatorin Lompscher und ihren höchst wahrscheinlich verfassungswidrigen Einheitsmieten.
Was bedeutet diese katastrophale Entwicklung also für die Zukunft? Wollen wir etwa zugucken, wie in zehn Jahren in Berlin 100 000 wohnungslose Menschen leben? Der Kollege Christian Gräff von der CDU forderte vor Kurzem Zuzugsbegrenzungen, ehe er von seiner Partei und einem Aufschrei der Öffentlichkeit zurückgepfiffen wurde. Apropos Zuzugsbegrenzungen: Mit diesen Begrenzungen müsste sich die SED-Nachfolgepartei zu meiner Linken eigentlich bestens auskennen.
Die gab es nämlich schon einmal wie selbstverständlich aufgrund von – oh Wunder! – Wohnungsmangel in der ehemaligen Hauptstadt der DDR, in Ost-Berlin.
Ich komme zum Schluss: Berlin braucht so schnell wie möglich einen grundlegenden politischen Paradigmenwechsel in der Migrationspolitik, wenn wir unsere an vielen Stellen liebenswerte Stadt auch noch in zehn Jahren wiedererkennen wollen. Deshalb ist aus unserer Sicht umgehend die real existierende Sogwirkung abzustellen, und zwar auf Landes- und Bundesebene. Ein Anfang wäre zum Beispiel die öffentlichkeitswirksame Ausrufung des Migrationsnotstandes für Berlin. Was beim Klima klappt, weshalb nicht auch hier?
[Beifall bei der AfD – Beifall von Andreas Wild (fraktionslos) – Ülker Radziwill (SPD): Wie peinlich ist das denn?]
Denn, um es mit Peter Scholl-Latour zu sagen: Wer halb Kalkutta aufnimmt, hilft nicht etwa Kalkutta, sondern wird irgendwann selbst zu Kalkutta.
In Bezug auf die steigende Obdachlosigkeit sehen wir deshalb nach wie vor auch EU-Herkunftsstaaten wie Polen, Rumänien und Bulgarien in der Pflicht. Hier bedarf es dringend bilateral ausgehandelter, ausfinanzierter und großzügig angelegter Rückführprogramme und Reintegrationsmaßnahmen sowie vereinbarter Wiedereinreisesperren. Wo ein politischer Wille ist, wäre sicher auch ein Weg. Damit wäre dann auch der überforderten Berliner Wohnungslosenhilfe geholfen, vor deren Arbeit ich respektvoll meinen Hut ziehe. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!
[Starker Beifall bei der AfD – Beifall von Andreas Wild (fraktionslos) – Frank-Christian Hansel (AfD): Bravo!]
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kollegen! Liebe Gäste! Zuerst finde ich es doch erstaunlich und auch ein bisschen traurig, wie wenig hier tatsächlich über Stärkung von Wohnungslosenhilfe, wie es hier als Thema benannt wird, gesprochen wird und wie wenig auf die jungen Leute eingegangen wird, Deutsche, die ihre Wohnung verlieren, ausziehen, weglaufen und auf der Straße landen und überhaupt keinen Migrationshintergrund haben, aber genauso unsere Hilfe verdient haben wie alle anderen. Ich
finde, wir haben bisher viel zu wenig über die Herausforderungen der Wohnungslosenhilfe geredet, sondern immer nur über Kleinigkeiten. Ehrlich gesagt: Ja, die Kältehilfe ist ein wichtiges Instrument – aber sie ist nicht das entscheidende Instrument, um Wohnungslosigkeit in Berlin zu bekämpfen.
Die Kältehilfe ist Nothilfe, und das Thema heute ist „Wohnungslosenhilfe stärken“, und das ist der Koalition ein zentrales Anliegen.
Mit den Leitlinien der Wohnungslosenhilfe und Wohnungslosenpolitik hat der Senat den Auftrag aus dem Koalitionsvertrag umgesetzt. – Keine Frage, danke! – Es ist schon benannt worden von den Kollegen: Es hat 20 Jahre gedauert. Wir haben das jetzt zu Ende gebracht. An dem Beschluss haben dank zweier Strategiekonferenzen und diverser Arbeitsgruppen eine Vielzahl von Akteuren aus der Stadt mitgewirkt. An dieser Stelle möchte ich mich im Namen meiner Fraktion, aber sicherlich auch im Namen der Koalitionspartner, bei allen denjenigen bedanken, die mitgewirkt haben. Denn das Ergebnis lässt sich sehen.
Die Koalition verpflichtet sich zu einer Politik des guten, also bürgernahen, partizipativen und solidarischen Regierens.
Dieser Prozess liegt hinter uns und ist beispielhaft. Wenn Sie kritisieren, dass es ein Zeichen von Schwäche ist, der Stadtgesellschaft zuzuhören, kann ich Ihnen nur sagen: Für uns ist es ein Zeichen von Stärke, der Stadt zuzuhören und nicht als Politikerinnen und Politiker und Verwaltung die Stadt zuzutexten und ihr zu sagen, wie wir uns die Welt vorstellen, sondern miteinander zu gestalten! – Das ist das, was Rot-Rot-Grün macht und was Berlin verdient hat.
Einige Kollegen haben zu den Inhalten schon viel gesagt. Ich möchte drei Punkte nennen. Das Erste ist – und das ist, glaube ich, klar: Ohne bezahlbaren Wohnraum stoßen alle Instrumente der Wohnungsnotfallhilfe an ihre Grenzen.
Aber das ist heute nicht das Hauptthema. Wir werden zu gegebener Zeit und in diversen Runden immer wieder darüber reden. Aber das gehört zur Wahrheit auch dazu.
Ziel aller Maßnahmen der Wohnungsnotfallhilfe ist aber die Verhinderung von Wohnungslosigkeit. Voraussetzung dafür ist der gezielte Einsatz aller zur Verfügung
stehenden Instrumentarien. Dazu zählen die Jobcenter, die Sozialamtsbereiche. Das Entscheidende ist, die Phase der Wohnungslosigkeit so kurz wie möglich zu halten, wenn sie denn eintritt. Deswegen ist es wichtig, dass schnellstmöglich alles eingeleitet wird, um Menschen zurück zu Wohnraum zu bringen, und darauf muss der Fokus liegen. Dazu ist die enge Zusammenarbeit von allen Institutionen nötig. Das ist mit den Leitlinien auch unterlegt, weil in den Leitlinien – wenn Sie mal reingucken – steht an vielen Stellen die Verantwortlichkeit: Senatsverwaltung, Bezirksverwaltung. Auch das ist ein wichtiger Punkt: Man schreibt nicht nur ein Papier, wo draufsteht, „Das müsste mal passieren!“, sondern in den Leitlinien ist klar benannt, wer verantwortlich ist. Das ist ein Riesenschritt nach vorne.
Der dritte Punkt, der mir wichtig ist: Um bei Wohnungslosigkeit zu helfen, sind die Bezirke entscheidend. Die bezirklichen sozialen Wohnhilfen sind zentrale behördliche Anlaufstellen, und die müssen wir stärken; darum muss es gehen. Wir haben mit den Leitlinien aufgeschrieben, wie es geht. Ich will relativ offen sagen, wie es weitergeht – denn Papier ist das eine, aber das Papier mit Leben zu füllen, ist die weitere Aufgabe.
Wir brauchen zum einen eine solide Datenbasis über den Personenkreis wohnungsloser Menschen, um die Strategien zu verbessern. Diese Koalition unterstützt aktiv die Entwicklung einer bundesweit einheitlichen Wohnungsnotfallstatistik und hat eine Berliner Statistik eingeführt. Ich habe im Rahmen der Strategiekonferenz selbst an den Arbeitsgruppen teilgenommen. Die Ergebnisse sind in die Leitlinien eingeflossen und bilden eine fundierte Grundlage für das, was jetzt beginnt.
Mit der bereits angekündigten Zählung in der „Nacht der Solidarität“ ist Berlin auf einem guten Weg. Über die Zählung hinaus hat sich diese Koalition einer integrierten Armuts- und Sozialberichterstattung verschrieben. Dieser Auftrag aus dem Koalitionsvertrag ist noch offen. Wir werden ihn aber angehen und müssen im nächsten Jahr liefern.
Ein weiterer Punkt, den diese Koalition angeht, ist die gesamtstädtische Steuerung der Unterbringung. Wir wissen alle: Die Unterbringung von Wohnungslosen nach ASOG in Hostels, in den verschiedenen Einrichtungen ist in Berlin im Moment suboptimal, und die bezirklichen Wohnhilfen geraten oft an ihre Grenzen, weil ihnen kein adäquater Wohnraum, keine Gemeinschaftsunterkunft, keine Notunterbringung zur Verfügung stehen. Das wird mit einer gesamtstädtischen Steuerung und einer qualitätsgesicherten Unterbringung gelöst. Das ist etwas, das für die nächsten beiden Jahre ansteht. Insofern: Wenn wir in ein oder zwei Jahren uns wieder hier zu dem Thema treffen, sollten wir, glaube ich, darüber reden und gucken, wie es losgegangen und gestartet ist.
Der zuwendungsgeförderte, niedrigschwellige Bereich ist ein weiterer Beitrag, denn Menschen brauchen Unterstützung, um ihnen Wege aus den bestehenden Lebenssituationen aufzuzeigen. Diese niedrigschwelligen Angebote sind als Brücke ins Regelsystem zu verstehen und ein ergänzender Versorgungsbaustein.
Mit dem kommenden Doppelhaushalt werden wir im Bereich der Modellprojekte unseren Beitrag leisten, um die Leitlinien mit Leben zu füllen. Wir werden beispielsweise das geforderte Modellprojekt zur Versorgung von wohnungslosen Rollstuhlfahrerinnen und -fahrern ermöglichen. Das ist auch ein Ergebnis aus der Strategiekonferenz, denn wir hören an manchen Stellen auch zu. Und wir werden die Bezirke mit den Häusern der Hilfe unterstützen.
Die wichtigste Stelle ist aber die Stärkung des Regelsystems – ich habe das vorhin schon gesagt –, und das sind in diesem Fall die sozialen Wohnhilfen, die wir zu Fachstellen weiterentwickeln wollen. Hier liegen seit Sommer Ergebnisse der Arbeitsgruppe von Bezirks- und Senatsverwaltung vor. Darin finden sich Antworten auf Fragestellungen nach Personalbedarf, Sollarbeitsbereichen und Ressourcen.
Jetzt komme ich zu dem ehrlichen Punkt, wo wir in diesem Jahr noch etwas zu tun haben. In der Stellungnahme zu den Leitlinien schreibt der Rat der Bürgermeister: Diese zusätzlichen Aufgaben können nicht von den Bezirken aus Globalsummen und Mitteln der AG Ressourcensteuerung erbracht werden. – Sie merken: Wir haben da noch etwas zu tun, denn die Leitlinien zu beschließen, während der Rat der Bürgermeister sagt, sie könnten das nicht umsetzen, ist mir und dieser Koalition zu wenig. Wir werden in den weiteren Haushaltsberatungen sicherstellen – und ich kann den Senat und die Bezirke nur auffordern, dafür Sorge zu tragen –, dass dieser Satz in diesem Jahr das letzte Mal gesagt werden muss und die Bezirke die Ressourcen bekommen, die sie brauchen, um die Fachstellen umzusetzen, denn die Fachstellen sind der Schlüssel, um Menschen zu helfen, und nicht nur den 20 Plätzen bei Housing First oder den 1 200 Plätzen in der Kältehilfe, sondern den Zehntausenden Menschen, die in den Unterkünften untergebracht sind und einen Anspruch auf echte Unterstützung und auch 67-er-Hilfen haben, um den Weg zurück in Wohnraum unterstützt zu bekommen.
Weitere Verzögerungen auf Kosten wohnungsloser und von Wohnungslosigkeit bedrohter Menschen sollte es nicht geben. Denn bei allem, was die Koalition im Bereich der Wohnungslosenpolitik erreicht hat: Wenn es nicht gelingt, diese Regelstruktur in den Bezirken zu stärken, bleiben zu viele Menschen im wahrsten Sinne des Wortes auf der Straße. Und so wichtig es auch ist – ich habe es anfangs gesagt –, dass die Senatsverwaltung beispielsweise am Bahnhof Lichtenberg oder an anderen Stellen Menschen in Not unterstützt, umso richtiger und
Sie wissen, dass ich für meine Fraktion auch für das Thema Verwaltungsmodernisierung und Doppelzuständigkeit zuständig bin. Die Wohnungsnotfallhilfe ist, finde ich, ein typisches Beispiel, wo wir die Entwicklung der letzten Jahre Revue passieren lassen und an einigen Stellen gucken, ob die Aufgaben noch richtig verteilt sind. Meine These: An manchen Stellen sind Ressourcen und Verantwortlichkeiten nicht mehr optimal verteilt. Schlagzeilen wie „Senat organisiert Bus aus Protokollabteilung für Kältehilfe“ zeigen das solidarische Handeln des Senats. Sie zeigen aber nicht – und das ist mit dem Zukunftspakt Verwaltung angelegt – das systematische Handeln, das wir brauchen.
Bereits in der Sitzung der Bezirksstadträtinnen und Bezirksstadträte im Mai – also vor Beschluss der Leitlinien – wurde die Möglichkeit einer Zielvereinbarung für soziale Wohnhilfen thematisiert. Ich möchte Senatsverwaltung und Bezirke ermutigen, diesen Weg weiterzugehen. Noch in diesem Jahr gibt es unter der Federführung von Staatssekretär Nägele in der Senatskanzlei pilothaft Zielvereinbarungen. Es wäre doch toll, wenn wir diesen Prozess nutzen, um hier voranzukommen, die Finanzierung zu sichern, die Fachstellen in den Bezirken umzusetzen und das mit einer Zielvereinbarung für die Leitlinien!
In zwei Jahren ist Wahltag, und ich möchte meinen Wählerinnen und Wählern nicht berichten müssen, dass Senat und Bezirk fünf Jahre lang die Verantwortung hin und her geschoben und wohnungslosen Menschen in Leitlinien beschrieben haben, wie Berlin sie unterstützen könnte, dass aber außer ein paar Modellprojekten nichts gelungen ist. Ich möchte in zwei Jahren berichten, dass nach einem beispielhaft partizipativen Prozess Leitlinien zur Wohnungslosenpolitik erarbeitet und mit der Umsetzung auf allen Ebenen direkt mit dem Haushalt begonnen wurde.
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Zeigen wir den Berlinerinnen und Berlinern, dass Senatsverwaltung und Bezirke Hand in Hand solidarisch den wohnungslosen Menschen helfen! Zeigen wir, dass in Berlin Papiere wie die nun vorliegenden Leitlinien der Wohnungslosenhilfe und Wohnungslosenpolitik mehr sind als das Papier, auf dem sie stehen. Packen wir es an! – Vielen Dank!