Protokoll der Sitzung vom 12.12.2019

Mit der sogenannten Berlin-Challenge rufen wir Schulen auf, sich zu trauen, in den nächsten Jahren ein besonderes Augenmerk auf die Schulentwicklung zu legen. Die Schulen sorgen dafür, dass zum Beispiel die Anzahl der Schulabbrecher sinkt. Wir geben der Schule die notwendige Unterstützung durch Prozessbegleitung, Entlastung

sowie spezielle Angebote, und wenn die Schulen es mit unserer Unterstützung schaffen, in den nächsten Jahren ihre Ziele erfolgreich umzusetzen, dann haben wir es geschafft, unserem Leitziel „Beste Schulen in schwieriger Lage“ ein ganzes Stück näher zu kommen.

Dies macht Hoffnung auf die nächsten Jahre und bringt uns allen Freude, die diesen Haushalt gemeinsam auf den Weg bringen können. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN]

Vielen Dank! – Für die CDU-Fraktion hat der Kollege Stettner das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Gäste! Liebe Kollegen! Sehr geehrte rot-rot-grüne Koalition! Sind Sie zufrieden mit dem, was Sie bisher erreicht haben? Glauben Sie, dass unsere Kinder in Berlin eine gute Bildung haben? Meinen Sie, dass die Lehrerinnen und Lehrer gern in Berlin arbeiten? Sind unsere Schulen gute Lehr- und Lernorte? Ist die Ausstattung hervorragend? Klappt die Digitalisierung? Haben wir überhaupt genug Schulplätze? Sind die Schulwege für unsere Kleinsten kurz genug? – Sehr geehrte rot-rot-grüne Koalition! Sehr geehrte Frau Scheeres! Sie speziell und Ihre SPD haben da die Verantwortung.

Seit acht Jahren stellen Sie die Bildungssenatorin. Den Mann mit der Richtlinienkompetenz, der normalerweise hier rechts sitzt, stellen Sie auch, und den Mann mit dem Geld stellt die SPD ebenfalls. Das heißt, Sie haben alle Möglichkeiten gehabt, Frau Scheeres, liebe SPD, um unseren Kindern eine gute Bildung zu sichern. Aber es reicht eben nicht, stets bemüht zu sein. Schauen wir uns die Ergebnisse Ihres steten Bemühens einmal an!

Bei den diesjährigen Vergleichsarbeiten der dritten Klassen haben die Berliner Schüler erneut nur unterdurchschnittlich abgeschnitten. Die Ergebnisse sind seit Jahren miserabel: Mehr als die Hälfte der Schüler kann nicht ausreichend lesen und rechnen. Beim Lesen bleiben 29 Prozent der Kinder unter den Mindestanforderungen. Beim Zuhören, also beim Sprachverständnis, schneiden 27 Prozent unserer Kinder besonders schlecht ab. Die Ergebnisse in Mathematik: 56 Prozent der Drittklässler erbrachten unterdurchschnittliche Leistungen.

Gucken wir uns das bei Neuntklässlern an! Beispiel Mathematik: Bundesweit gesehen bleiben 24,3 Prozent der getesteten Schüler unterhalb der Anforderungen des mittleren Schulabschlusses. Das ist etwas besser als 2012: Bundesweit gesehen haben hier fast 34 Prozent, hat jedes dritte Kind in der neunten Klasse hier in Berlin die

Mindeststandards nicht erreicht. 2012 waren das 32,8 Prozent – auch schrecklich. Aber es ist noch schrecklicher geworden unter Ihnen. – Ähnliche Situationen haben wir in Biologie, Chemie und Physik.

Wenn wir uns die Vergleichsstudie des Instituts der deutschen Wirtschaft anschauen, die eine Bewertung anhand von 93 Indikatoren und 12 Handlungsfeldern vornimmt und betrachtet, inwieweit ein Bundesland Bildungsarmut reduziert, Fachkräftesicherung vorantreibt und Wachstum fördert, belegt Berlin von 16 möglichen Plätzen den letzten. Wir sind Schlusslicht. Verbesserungspotenzial besteht nach der Studie in den Handlungsfeldern berufliche Bildung, Schulqualität, Bildungsarmut, Zeiteffizienz und Integration. Das Ausbildungsstellenangebot ist gering, der Anteil unversorgter Jugendlicher relativ hoch, und es nehmen wenige Erwachsene an Fortbildungen teil. Es gibt einen hohen Anteil an lernschwachen Schülern und Schulabbrechern.

[Zuruf von Sebastian Schlüsselburg (LINKE)]

Viele Ausbildungsverträge werden vorzeitig aufgelöst. Ein hoher Anteil ausländischer Schüler verlässt die Schule ohne Abschluss. Auch die Ergebnisse der Sprachtests von Kindern, die nicht zur Kita gehen, aus dem Jahr 2018 sowie die Teilnahmequote der Kinder an den verpflichtenden Sprachtests sind erschreckend.

Sie, sehr geehrte Frau Senatorin, setzen das geltende Gesetz einfach nicht um! Die Eltern werden angeschrieben, die Kinder werden bei Defiziten verpflichtet, an der Sprachförderung vor dem ersten Schuljahr teilzunehmen – und Sie setzen es einfach nicht durch. Sie wissen, dass wir diese Kinder in der Schule verlieren werden. Sie wissen, dass diese Kinder die Leistung der gesamten Klasse senken werden. Und Sie setzen geltendes Recht einfach nicht durch. Gleich werden Sie wieder sagen, dass die Bezirke schuld sind. Das sagen Sie fast immer, dass Sie da nicht zuständig sind: bei fehlenden Schulplätzen, bei der schlechten Erreichbarkeit der Schulen, bei fehlenden Räumlichkeiten, bei fehlenden Zeiten für das Schulessen, bei horrendem Ausfall und fachfremd vertretenden Unterrichtsstunden, bei im Vergleich zum Bundesdurchschnitt doppelt so vielen Schülerinnen und Schülern ohne Abschluss, bei einer mangelnden Umsetzung des Digitalpakts Schule. – Liebe Frau Senatorin! Manche Schulen freuen sich, Telefon zu haben.

[Senatorin Sandra Scheeres: Ach so!]

Wenn Sie denn für nichts zuständig sind, dann frage ich mich, was Sie hier tun. Wir haben Ihnen angeboten zu helfen, unseren Schulen, unseren Kindern, unseren Lehrerinnen und Lehrern zu helfen.

[Paul Fresdorf (FDP): Aber es nimmt keiner an!]

Wir brauchen ausreichend viele Lehrer, eine gute Ausstattung unserer Schulen, Wertschätzung für die Lehrerinnen und Lehrer, sichere und saubere Schulen, kleiner Klassengrößen. Für jeden dieser Punkte haben wir kon

krete Vorschläge gemacht: sofortige Verbeamtung der Lehrerinnen und Lehrer, sofortiger Anschluss aller Schulen an das Breitbandnetz – und nicht in den nächsten vier Jahren, Frau Dr. Lasić, wie Sie genau wissen –, vernünftiges WLAN, eine Schul-Cloud, die ihren Namen verdient, Fortbildung, eine breite Unterstützung der Schulen bei der Umsetzung des Digitalpakts, ein Sprinterpaket für den Schulneubau – das hat der Kollege Czaja schon vor anderthalb Jahren gefordert –, konstruktive Zusammenarbeit mit den freien Schulträgern, Stipendienprogramme für Lehramtsstudenten mit Bindepflicht an Berlin, ein Willkommenspaket für voll ausgebildete Lehrer, ebenfalls mit Bindepflicht, in Berlin – und wir haben alles gegenfinanziert.

Wir brauchen keine Brennpunktzulage, die keine Wirkung erzielt. Das sagen Sie selbst; Sie wissen das. Die Brennpunktzulage kostet nur viel Geld, löst aber kein Problem. Wir wollen die Gelder lieber in mehr Lehrer, bessere Ausstattung und kleinere Klassen investieren.

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der FDP]

Sie wissen genau, dass diese Brennpunktzulage nicht funktioniert – und was tun Sie? – Sie führen sie fort und weiten sie sogar noch auf den Kitabereich aus.

[Paul Fresdorf (FDP): Das hat ein Muster!]

Das alles wissen Sie. Wir haben kein Erkenntnisproblem. Sie wissen, dass wir mehr und gut motivierte Lehrer brauchen, mehr gut ausgestattete Schulplätze, Schulleiter, die sich auf die Leitung ihrer Schule konzentrieren können, und saubere Schulen. Sie wissen das, aber Sie machen keine Bildungspolitik,

[Regina Kittler (LINKE): Nein?]

sondern ideologische Experimente auf dem Rücken unserer Kinder.

[Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Viel Geld gießen Sie aus einer Gießkanne breit über Berlin aus und hoffen, dass da schon irgendwo irgendwas wachsen wird. In Ihrer Verantwortung, Frau Senatorin, ist bisher gar nichts gewachsen.

[Mario Czaja (CDU): Doch! – Die Zahl der Schulabbrecher!]

Sie haben keinen grünen Bildungsdaumen. Dabei hat doch zumindest die SPD in Fraktion und Partei nach langem Ringen unsere Position übernommen und will verbeamten. Berlin ist das einzige Bundesland in ganz Deutschland, das nicht verbeamtet.

[Regina Kittler (LINKE): Das würde alle Probleme lösen – sagen Sie es doch!]

Was glauben Sie denn, was die Lehrerinnen und Lehrer nach ihrer Ausbildung machen? – Die gehen dorthin, wo sie verbeamtet werden. Auch das wissen Sie. Sie kennen sogar das richtige Gegenmittel. In der Öffentlichkeit tun

Sie so, als würden Sie doch verbeamten wollen – machen Sie aber nicht, weil Sie sich gegen Linke und Grüne nicht durchsetzen können.

[Regina Kittler (LINKE): Tja!]

Noch nicht einmal in dieser wichtigsten Entscheidung für unsere Kinder können Sie sich durchsetzen. Was sollte jemand tun, der sich maximal stets bemüht, der über Jahre miserable Ergebnisse produziert, notwendige Entscheidungen nicht durchsetzen kann und immer auf die anderen zeigt, wenn es um die Schuldfrage geht? – Fragen Sie bitte mal jemanden, der sich mit Bildung auskennt, vielleicht einen Lehrer! – Danke schön!

[Beifall bei der CDU – Beifall von Paul Fresdorf (FDP)]

Vielen Dank! – Für die Fraktion Die Linke hat die Abgeordnete Kittler das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrten Damen und Herren! Zur Sache: Die Zukunft Berlins wird in den Händen heutiger Kinder und Jugendlichen liegen.

[Zuruf von der CDU: Oh Gott eh!]

Dass immer mehr von ihnen das sehr bewusst ist, können wir seit einem Jahr jeden Freitag mit Freude zur Kenntnis nehmen.

[Vereinzelter Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN]

Dass der Koalition das bewusst ist, zeigen wir seit 2016; Sie merken das bloß nicht. Wir zeigen auch, dass wir verstanden haben, dass die Kopplung des Lernerfolgs an die soziale Herkunft ein großes Übel und übrigens auch eine Ursache für die Lernergebnisse ist und dass das endlich überwunden werden muss.

[Paul Fresdorf (FDP): Dann tun Sie doch was dagegen!]

Wir handeln. Mit der Abschaffung der Bedarfsprüfung und der Gebühren für die außerunterrichtliche Betreuung für die erste und zweite Klasse, der Lernmittelfreiheit, dem beitragsfreien Schulessen in der Grundschule und dem kostenfreien Schüler- und Azubiticket haben wir Grundvoraussetzungen für Teilhabe ohne entwürdigende Antragstellung geschaffen.

[Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Die Gemeinschaftsschule wurde mit der Änderung des Schulgesetzes eine schulstufenübergreifende Regelschule – das ist übrigens auch ein Lösungsansatz –, für die wir nun auch das eigene Kapitel 1019 einrichten werden. Mindestens 12 weitere Schulen wollen nun auch Gemeinschaftsschule werden, und es werden weitere unter den Neubauschulen sein. Dafür wird es zusätzliche Personal-,

Fort- und Weiterbildungsmittel geben. Das wird ein Signal für die Schullandschaft sein.

[Beifall bei der LINKEN]

Wir stärken die inklusive Schule. Dass es R2G jetzt endlich geschafft hat, dass das Schulgesetz garantiert, dass jedes Kind ein Recht hat, auf eine Regelschule zu gehen, verpflichtet uns aber auch, die personellen und barrierefreien Bedingungen dafür zu schaffen. Wir haben deshalb zukünftig nicht nur Nachsteuerungsmittel für L-E-S, die, weil Schulen sie auch abrufen, nun hoffentlich nicht mehr liegenbleiben, sondern darüber hinaus 840 000 Euro für eine Nachsteuerung für Schulen mit überdurchschnittlicher Inklusionsquote in Anlehnung an die Ausstattung inklusiver Schwerpunktschulen vorgesehen. Für Projekte der politischen Bildung einschließlich solcher an der Landeszentrale für politische Bildung, für Projekte gegen Rechtsextremismus, gegen Rassismus, Antisemitismus und Homophobie

[Frank-Christian Hansel (AfD): Linksextremismus! – Georg Pazderski (AfD): Linksextremismus!]

werden die Mittel aufgestockt. Damit werden zum Beispiel das multireligiöse Jugendprojekt des DeutschJüdischen Theaters oder die Kreuzberger Initiative KIgA gestärkt.