Protokoll der Sitzung vom 16.01.2020

Die Antragssteller stellen sich hier nicht den wirklichen Ursachen, sondern verbreiten eben lieber Mythen. Dazu gehört auch, dass Masterabsolventinnen und Masterabsolventen oder Referendarinnen und Referendare in Scharen Berlin verlassen. – Stimmt nicht! Sie gehen einfach wieder nach Hause, nachdem sie hier studiert haben. Zwischen 20 Prozent und 28 Prozent haben das auch getan, als Berlin noch verbeamtet hat. Wir sind in der gleichen Range. Verbeamtung löst die grundsätzlichen Probleme nicht. Diese liegen – und das ist kein Hohn, Maja, sondern wurde jüngst auch in einer Studie der Universität Göttingen nachgewiesen – erstens in einer strukturellen und permanenten Überlastung der Kolleginnen und Kollegen in den Schulen, die viele krank macht und zu hoher Teilzeit oder Frühberentung führt, und zweitens in einer für viele zutreffende Unvereinbarkeit von Vollbeschäftigung und Familie. Drittens liegen die Probleme im über Jahre betriebenen Studienplatzabbau bundesweit und darin, dass auch bei stark wachsender Kinderschar in Deutschland bisher nur Berlin und Bayern hier, wenn auch spät, umgesteuert haben, nicht aber die Universitäten und Hochschulen der anderen Bundesländer; darin, dass die Grundschullehrkräfte solange so schlecht bezahlt wurden, bis Rot-Rot in Brandenburg und Rot-Rot-Grün in Berlin beschlossen haben, das zu ändern.

[Dirk Stettner (CDU): Trotzdem haben wir keine!]

Fünftens, dass verbeamtete und angestellte Lehrkräfte nicht gleichgestellt sind, obwohl sie die gleiche Arbeit leisten – das betrifft übrigens besonders die Rentenzahlung –, aber auch das vorherrschende Dienstrecht. Sechstens, nicht zuletzt darin, dass, als es noch genügend Lehrkräfte gab, nicht vorausschauend eingestellt worden ist.

Die Linksfraktion sieht außerdem die Verbeamtung von Lehrkräften nicht als notwendig an, da hier keine hoheitlichen Aufgaben erfüllt werden. Wir lehnen deshalb den Antrag ab.

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Oliver Friederici (CDU): Dann bricht ja bald die Koalition! – Zuruf von Stefan Evers (CDU)]

Für die FDP-Fraktion hat der Abgeordnete Fresdorf das Wort – bitte!

[Stefan Evers (CDU): Ist der jetzt zur Besinnung gekommen?]

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Antrag der CDU-Fraktion, der uns hier vorliegt, ist ein guter Antrag,

[Beifall bei der CDU]

er ist ein guter Antrag, wenn man denkt, mit Klein-Klein die großen Fragen der Welt lösen zu können, wenn man denkt, mit Klein-Klein die großen Herausforderungen zu lösen, die wir lösen müssen, wenn wir Berlin zur Hauptstadt der weltbesten Bildung machen wollen.

[Beifall bei der FDP]

Natürlich ist die Verbeamtung von Lehrkräften ein Thema, über das man in der Stadt sprechen muss. Wir haben es gehört, man muss es diskutieren: Wir sind das einzige Bundesland, das nicht mehr verbeamtet. Aber es ist doch nicht die erste Frage, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, die wir diskutieren müssen.

[Stefan Evers (CDU): Der erste Antrag!]

Sie muss am Ende einer Kette von Themen stehen, die wir erst einmal nach und nach bearbeiten müssen, um Berlin wieder zur Hauptstadt der weltbesten Bildung zu machen, denn nach 24 Jahren Sozialdemokratie im Bildungsressort wird es Zeit, dass wir Berlin wieder zur Hauptstadt weltbester Bildung umformen.

[Beifall bei der FDP – Beifall von Dirk Stettner (CDU)]

Welche Herausforderungen sind das, vor denen wir stehen? – Da gibt es verschiedene Dimensionen, die es für Lehrer attraktiv machen, in einer Berliner Schule zu unterrichten – nur momentan leider nicht. Schauen wir uns einmal das Thema Schülerschaft an.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Vallendar?

Herr Vallendar, gerne!

Herr Fresdorf! Sie sprachen davon, Berlin zur Hauptstadt der weltbesten Bildung zu machen. Sollte man sich nicht erst einmal kleine Ziele setzen und Berlin überhaupt einmal ins Mittelmaß zurückführen, nachdem wir in den meisten Feldern Schlusslicht sind?

[Stefan Evers (CDU): Das ist die Kraft der AfD!]

Genau an diesem Denken werden Sie scheitern, Herr Vallendar! Man muss groß denken, sich große Ziele

(Regina Kittler)

setzen, diese dann auch erreichen. Mittelmaß ist für die Hauptstadt unseres Landes nicht genug.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Wenn wir uns einmal das Thema Schülerschaft anschauen, dazu hat uns auch die eingesetzte Qualitätskommission Empfehlungen gegeben, die Vorschularbeit wieder verstärkt zu betreiben, da müssen wir anfangen.

[Stefan Evers (CDU): Was sagt ihr denn nun: Ja oder Nein?]

Es gibt Kinder, die in Berlin mit sechs Jahren zur Schule kommen, die kaum ein Wort Deutsch können. Das ist eine große Herausforderung für die Lehrerinnen und Lehrer. Da müssen wir Abhilfe schaffen. Das hat etwas mit besseren Arbeitsbedingungen zu tun. Wir müssen uns anschauen, wie sind die neuen Kolleginnen und Kollegen ausgebildet, wer kommt denn nach, wer unterstützt sie denn?

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Evers?

Herr Evers!

Vielen Dank! – Vor lauter weltbester Bildung ist, glaube ich, untergegangen: Sagen Sie jetzt Ja oder Nein zur Wiederverbeamtung von Beamten?

[Regina Kittler (LINKE): Er ist ja noch nicht fertig!]

Herr Evers! Wenn Sie mir noch ein bisschen Aufmerksamkeit schenken, dann werden wir auch am Ende zu einer Antwort kommen. – Aber ich merke, dass die ganze Zeit meine Redezeit beim Beantworten der Zwischenfragen weiterläuft. Das war auch bei der anderen so.

[Lachen bei der AfD]

Ich stelle mir vor, dass ich da noch einen kleinen Aufschlag von Ihnen bekomme, Frau Präsidentin. – Herr Evers, ich komme am Ende dazu.

Es geht auch darum, dass die Kolleginnen und Kollegen der Lehrer gut ausgebildet sind und sie unterstützen können. Auch da scheitert Berlin momentan wirklich auf breiter Front. Wir haben immer noch keine eigenen Arbeitsplätze für die Lehrerinnen und Lehrer an den Schulen, was es attraktiver machen würde. Wir haben noch keine digitalen Endgeräte für jeden einzelnen Lehrer, womit er auch digitale Inhalte nutzen, aufbereiten, Unterricht vorbereiten könnte.

[Dirk Stettner (CDU): Breitbandanschluss! – Oliver Friederici (CDU): Wer arbeitet heute noch im Internet?]

Das stellen wir nicht zur Verfügung. Die Qualität des Unterrichts ist nicht das, was wir brauchen., und auch die Solidarität von der Senatsverwaltung und Rückendeckung von der Schulaufsicht fehlt in vielen Fällen. Da fühlen sich Lehrer alleingelassen, wenn sie eine schlechte Note geben und von Eltern angegangen werden, und wissen dann nicht mehr, was sie tun sollen. Hier brauchen Lehrer Unterstützung. Wir müssen ein Gesamtpaket schnüren, um den Beruf des Lehrers wieder interessant zu machen. Am Ende dessen müssen wir darüber sprechen: Wie stehen wir zur Verbeamtung von Lehrern? Haben die Maßnahmen gereicht oder müssen wir noch einen Schritt weitergehen? – Aber das können wir erst beantworten, lieber Kollege Evers,

[Heiterkeit bei Stefan Evers (CDU)]

wenn alle anderen Maßnahmen umgesetzt worden sind. Die Verbeamtung von Lehrerinnen und Lehrern ist eine Ultima Ratio. Lassen Sie uns erst einmal ordentliche Arbeit machen, dann schauen wir weiter. – Vielen Dank!

[Beifall bei der FDP – Dirk Stettner (CDU): Was ist das denn?]

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt das Wort Frau Abgeordnete Remlinger. – Bitte schön!

Frau Präsidentin! Werte Damen und Herren! Ich will nicht alles wiederholen, was Frau Kittler gesagt hat. Ich bedanke mich für den differenzierten Vortrag von Herrn Fresdorf.

Ich möchte für unsere Fraktion sagen, dass das Problem, das die CDU hier benennt, uns in der Tat sehr umtreibt, weil es natürlich schmerzlich ist, wenn Erwägungen rund um den Beamtenstatus dazu führen, dass Lehrkräfte nicht nach Berlin kommen oder nicht in Berlin bleiben. Genauso schmerzlich allerdings finde ich Ihren Umgang mit diesem Thema.

Die ausreichende Lehrkräfteversorgung ist ein enorm wichtiges Thema und deshalb gebührt ihr der entsprechende Ernst. Diesen vermisse ich leider bei einem Großteil des Hauses.

[Stefan Evers (CDU): Aha! – Dirk Stettner (CDU): Sie sind verantwortlich!]

Ich habe schon bei der Einbringung gesagt, dass ich entsetzt bin von dem Antrag der CDU, der mit einmal gerade zwei Zeilen per Handstreich die Bildungslandschaft umkrempeln will.

(Paul Fresdorf)

[Stefan Evers (CDU): Tja!]

Dieser Eindruck mangelnder Beschäftigung hat sich in den Haushaltsberatungen verfestigt, wo sie keinen einzigen Versuch gemacht haben, ernsthaft über die Fragen eines dann gebotenen Vorsorgesystems für die entstehenden gewaltigen Pensionslasten zu sprechen, die dann auf uns zukommen, ebenso wenig übrigens, wie unser Koalitionspartner jemals versucht hat, über die Frage mit uns zu verhandeln.

[Stefan Förster (FDP): Oh, oh!]

Für diese Art des Aufhebens des Themas für den Wahlkampf, ist das Thema viel zu schade.