Protokoll der Sitzung vom 16.01.2020

Drittens: Ticketaufschläge könnten entfallen, von denen bisher private Dienstleister leben.

Viertens: Bürokratischer Aufwand für die Kultureinrichtungen könnte minimiert werden und eventuell auch eine Kostenersparnis bringen. Das wird man auch prüfen müssen.

Über mögliche Nachteile haben wir ebenfalls bereits diskutiert, auch übrigens mit Vertreterinnen und Vertretern von Kultureinrichtungen. Diese wären möglicherweise:

Erstens, dass dem Land dauerhaft strukturelle Kosten für die öffentliche Plattform des Ticketingsystems und auch Personalkosten entstehen würden. Hier ist natürlich eine Gegenrechnung zu den Einsparungen notwendig.

Zweitens, dass bei der vereinbarten Freiwilligkeit der Teilnahme durch die Kultureinrichtungen nicht alle teilnehmen und so der erhoffte Effekt eines einheitlichen Systems eventuell nicht erreicht wird.

Drittens, dass eine gezielte Ansprache eines Hauses an seine Besucherinnen und Besucher schwieriger werden oder doppelten Aufwand bedeuten könnte.

Viele Fragen müssten da erst mal geklärt werden, wie zum Beispiel: Welche Einrichtungen nutzen aktuell welche Ticketingsysteme und haben Verträge mit welchen Dienstleistern und zu welchen Konditionen? Haben die Einrichtungen Probleme oder Kritik an ihren bisherigen Ticketinglösungen? Was müsste optimiert werden? Was muss ein neues öffentliches Ticketingsystem können? Und wie wird mit den bereits erfassten Daten umgegangen? Das ist eine Menge Arbeit, die da auf den Senat zukommen wird, die in anderen Städten wie Wien oder München schon geleistet wurde.

Beschließen wir also heute den Antrag! Und um mit den Worten der FDP-Vertreterin im Kulturausschuss zu enden, sage ich mal: Nur Mut, Herr Juhnke!

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN – Heiterkeit bei Paul Fresdorf (FDP)]

Vielen Dank! – Für die AfD-Fraktion hat der Abgeordnete Dr. Neuendorf das Wort. – Bitte schön!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Heute dürfen wir uns mit einem Antrag der Koalition befassen, der vorgibt, den Geldbeutel der Steuerzahler zu schonen. Einem solchen Vorschlag stehen wir erst mal aufgeschlossen gegenüber. Ohne Frage sind Ticketaufschläge ein Thema, wenn man ansieht, wie viel die unterschiedlichen Häuser dafür ausgeben und darüber hinaus natürlich auch die Nutzer der Kulturstätten. Ein modernes Ticketsystem hat ohne Frage Vorteile bei der Bearbeitung, Klassifizierung und Bestätigung. Effizienzgewinne durch die Standardisierung der Bearbeitungsverfahren und Arbeitsabläufe bei einem gemeinsamen Ticketsystem liegen eigentlich auf der Hand.

Die erwartete Kostenersparnis, eine organisatorische Entlastung der Kultureinrichtungen und der zeitsparende Kundenservice stehen aber einer Schwachstelle des

(Dr. Robbin Juhnke)

zentralen Ticketings gegenüber: der geringeren Flexibilität. Eine zentrale Stelle kann erfahrungsgemäß weniger auf die individuellen Interessen der Kunden und die Gegebenheiten der angeschlossenen Kultureinrichtungen eingehen.

Herr Buchholz hatte darauf hingewiesen: Vor genau vier Jahren wurde dieses Thema ausführlich im Kulturausschuss behandelt. Damals wurde eigentlich auch eine Ausschreibung beschlossen. Die ist aber dann wohl nicht zustande gekommen. Seitdem ist nichts geschehen. Haben sich die damaligen Argumente gegen eine zentrale Ticketvergabe inzwischen relativiert? Bisher organisieren Kultureinrichtungen den Vertrieb ihrer Tickets in Eigenregie. Was Sie als Wirrwarr beim Ticketvertrieb bezeichnen, ist die Konkurrenz von privaten Dienstleistern mit ihren Angeboten und Verträgen. In diesen Wettbewerb sollte man nur eingreifen, wenn es Verzerrungen auf dem Markt gibt. Sie sagen, dass sich in Berlin Monopolstrukturen entwickelt haben. Dazu fordern Sie eine umfassende Analyse; die ist sicherlich auch notwendig. Sie legen sich aber nicht fest, wie Sie das Kultur-Ticketing umsetzen wollen. Ihr Plan A: ein eigener Ticketdienst, der als ein zusätzlicher Player auf dem Markt agieren würde. – Vorausgesetzt, es funktioniert, so könnte sich dies durchaus zu einer kostengünstigeren Alternative entwickeln.

Die Anfangskosten für die Einführung eines Systems würden erheblich sein. Die technische Ausstattung darf bei der Vielzahl der Schnittstellen nicht unterschätzt werden. Dann braucht es kompetentes Personal, Expertise. Die Kosten eines Ticketing-Systems in öffentlicher Trägerschaft würden zulasten des Landeshaushalts gehen. Dem stehen aber die Langzeitersparnisse für die öffentlich geförderten Kultureinrichtungen gegenüber. Dies bedarf einer wirklich genauen Analyse. Wäre der Weg einfach, so hätten sich schon viele kleine Anbieter auf den Weg gemacht, um den marktbeherrschenden Monopolen auf den Gebieten des Rock und Pop das Feld streitig zu machen.

Ihr Plan B, die gemeinsame Ausschreibung aller interessierten Kultureinrichtungen mit dem Ziel, einen gemeinsamen Dienstleister zu beauftragen, ist aus unserer Sicht ein einseitiger Eingriff in den Wettbewerb. Sie wollen der Gefahr der Monopolbildung auf der Seite der privaten Dienstleister durch eine Monopolisierung des Ticketverkaufs zugunsten eines ausgewählten Anbieters begegnen – dem werden wir nicht zustimmen.

[Zuruf von Regina Kittler (LINKE)]

Sie müssen sich also schon im Verlauf entscheiden, welcher dieser beiden gänzlich unterschiedlichen Varianten Sie zustimmen.

Es wurde angesprochen: Die Datenhoheit ist ein wichtiges Problem, der Umgang mit personengebundenen Daten. Das sind Problemfelder. Die Absicherung, was Sie bei einem Hackerangriff, einem Blackout machen – das

sind Szenarien, die bei einem zentralen Ticketsystem ein erheblich größeres Gefahrenpotenzial bilden.

[Zurufe von Daniel Buchholz (SPD) und Torsten Schneider (SPD)]

Wir sind natürlich gespannt auf das Ergebnis der umfassenden Analyse. Die AfD wird diesem Antrag nicht zustimmen; wir werden uns aber enthalten.

[Beifall bei der AfD]

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat der Kollege Wesener das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Da die Kollegin Kittler und der Kollege Buchholz hier dankenswerterweise schon das Maßgebliche zur Antragsbegründung gesagt haben, kann ich mich kurz halten.

Mit der heutigen Beschlussfassung kommt eine jahrelange Debatte hier im Haus zu einem vorläufigen Abschluss, in deren Zentrum die Frage steht: Wie können wir im digitalen Zeitalter den Vertrieb und Erwerb von Tickets für Kulturveranstaltungen in öffentlichen Einrichtungen oder für öffentlich geförderte Kulturveranstaltungen für alle Beteiligten besser organisieren?

Besser heißt in diesem Fall für uns insbesondere dreierlei: Erstens liegt die Frage nahe, ob es wirklich sinnvoll und zielführend ist, wenn jede Kultureinrichtung einzeln und nur für sich ihr jeweiliges Ticketing-System akquirieren, finanzieren und letztlich auch betreiben muss – sinnvoll für die jeweilige Kultureinrichtung, aber auch für die Besucherinnen und Besucher? – Wir glauben, nein. Denn die bisherige Praxis bringt nicht nur einen erheblichen bürokratischen Aufwand für die betroffenen Stadttheater, freien Gruppen und sonstigen Kulturveranstalter im Bereich der Performing Arts mit sich, sondern führt auch zu einem Wildwuchs beim Ticketing-Vertrieb, zu intransparenter Vertragsgestaltung sowie einer klar erkennbaren Tendenz zur Oligopol- oder gar Monopolbildung.

Zweitens legt die Auswertung und der Vergleich der konkreten Dienstleistungsverträge und Ticketing

Konditionen, soweit diese bekannt sind, die These nah, dass dieser Wildwuchs auch in finanzieller Hinsicht nachteilig ist. Zunächst einmal für die einzelne Kultureinrichtung und damit letztlich auch für den Landeshaushalt bzw. das Land als Zuschussgeber, aber in vielen Fällen auch für die Besucherinnen und Besucher, zumindest dort, wo sie für einen digitalen Ticketerwerb Aufschläge in Kauf nehmen müssen.

(Dr. Dieter Neuendorf)

Drittens und letztens ist das Thema Kultur-Ticketing natürlich mit all jenen Fragen, Potenzialen und Problemstellungen verbunden, wie wir sie im Kontext von Digitalisierung insgesamt diskutieren – seien es Aspekte von Datenschutz und IT-Sicherheit oder die Sparsamkeit im Umgang mit personenbezogenen Daten, sei es die rasante technologische Entwicklung, etwa im Bereich von Payment-Lösungen und Marketingtools, Programmierschnittstellen und Datenanalytik, die von erheblichem Nutzen für die genannten Einrichtungen, aber auch für die Besucherinnen und Besucher sein können. Bislang hat den größten Nutzen der private Ticketing-Dienstleister, der sich dafür auch noch von den Kultureinrichtungen bzw. vom Land und den Besucherinnen und Besuchern bezahlen lässt.

Vor diesem Hintergrund freue ich mich, wenn wir heute den Senat gemeinsam beauftragen, eine Sammelausschreibung für Kultur-Ticketingleistungen in Angriff zu nehmen, zumindest für all diejenigen öffentlich geförderten Kultureinrichtungen und Akteure, die daran mitwirken wollen, und dass nun endlich auch geprüft wird, ob nicht auch ein integriertes Ticketing in öffentlicher Trägerschaft möglich und sinnvoll ist. – Ich bitte um breite Zustimmung. Vielen Dank!

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Vielen Dank! – Für die FDP-Fraktion hat jetzt Kollege Kluckert das Wort.

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Jeder kennt das Phänomen, wenn er ein Ticket bei einem Billigflieger gebucht hat, dass am Ende zu dem Preis noch weitere Aufschläge hinzukommen. Das ist, glaube ich, sehr ärgerlich, und das passiert teilweise auch, wenn man ein Kulturticket in Berlin bucht. Der Kollege Buchholz hat es richtig beschrieben, dass ich das neulich im Ausschuss gesagt habe, mir ging das auch so: Da kommt am Ende zum Ticketpreis eine Vorverkaufsgebühr; dann kommt noch eventuell eine Kreditkartengebühr, und wenn man sich die Tickets zuschicken lassen möchte, kommt auch noch eine Versandgebühr obendrauf. – Das sind alles Kosten, die eigentlich gar nicht sein müssten, und das ist sehr ärgerlich.

[Vereinzelter Beifall bei der FDP]

Vor allem ist es in doppelter Hinsicht ärgerlich: Es ist zum einen ärgerlich, weil der Nutzer mehr für das Kulturticket bezahlen muss, und zum anderen ist es ärgerlich, weil die Kultureinrichtungen von diesem Geld überhaupt nichts haben, sondern das ist das Geld, was am Ende bei

den Kultureinrichtungen fehlt. Das ist Sicht der FDP kritisch zu betrachten.

[Vereinzelter Beifall bei der FDP – Beifall von Sabine Bangert (GRÜNE)]

Die meisten Theater, Opernhäuser usw. in Berlin sind subventioniert, und es ist völlig absurd: Wenn man sich den Ticketpreis dieser Einrichtungen mal anguckt, kommt sozusagen zu dem Ticketpreis noch eine Subvention aus Steuergeldern obendrauf, und die Servicegebühr, die die privaten Ticketdealer darauf erheben, ist noch mal eine Servicegebühr auf den steuerlichen Zuschlag – also völlig absurd und nicht hinnehmbar.

[Beifall bei der FDP und den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD und der LINKEN]

Liebe Kollegen von der AfD – weil Sie hier sagten, Eingriff in den Markt usw.: Sie müssen sich vorstellen, Sie fahren mit der BVG durch Berlin, und so ein Ticket kostet 2,90 Euro. Jetzt stehen Sie am Ticketautomaten, und der ist nicht von der BVG, sondern von einem privaten Unternehmen, und dann müssen Sie 3,50 Euro bezahlen, weil eine Servicegebühr obendrauf kommt. Da würden Sie doch auch sagen: Was für ein Quatsch! – Es ist kein Eingriff in den Markt, was wir hier machen; das kann ich nicht nachvollziehen.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Herr Neuendorf, wenn Sie sagen, ein Hackerangriff wäre das große Problem: Diese Neuvergabe des TicketingSystems heißt doch nicht, dass die Theater ihre Tickets nicht mehr selber verkaufen dürfen! Natürlich können Sie auch noch weiter an den Vorverkaufsschalter der Theaterkasse des jeweiligen Theaters gehen und sich dort Ihr Ticket erwerben. Einen Hackerangriff hier vorzuschieben, um diesem Antrag nicht zuzustimmen, kann ich überhaupt nicht nachvollziehen.

Wir sehen die ganze Skepsis, die die CDU sieht, nicht; wir sehen ganz viele Vorteile auch für die Kulturschaffenden selbst. So könnte man z. B. über diese Ticketagentur nicht so gut ausgelastete Vorstellungen sogar beim Erwerb eines Tickets für ein anderes Theater preiswerter noch als Service dazu anbieten. Das kommt den Nutzern zugute, das kommt den Kultureinrichtungen zugute, und deswegen werden wir diesen Antrag unterstützen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der FDP, der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Zu dem Antrag auf Drucksache 18/1946 – Neuvergabe des KulturTicketing – empfiehlt der Fachausschuss einstimmig – bei Enthaltung der Fraktion der CDU und der AfD

(Daniel Wesener)

Fraktion – die Annahme mit geändertem Berichtsdatum „30. September 2020“.

Wer dem geänderten Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Linksfraktion, die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, die SPD-Fraktion und die FDP-Fraktion. Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Bei Enthaltung der CDU-Fraktion, der AfD-Fraktion und eines fraktionslosen Abgeordneten ist der Antrag damit so angenommen.