Protokoll der Sitzung vom 20.02.2020

Priorität der Fraktion der SPD

Tagesordnungspunkt 42

Aktionstag „Berlin sagt Danke!“

Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion Die Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Annahme einer Entschließung Drucksache 18/2473

In der Beratung beginnt die Fraktion der SPD. Es hat das Wort Frau Abgeordnete Radziwill. – Bitte schön!

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen, meine Herren! Berlin ist eine vielfältige Stadt, und genauso vielfältig ist auch das bürgerschaftliche Engagement. Hunderttausende Berlinerinnen und Berliner engagieren sich zum Beispiel in Sportvereinen, in der Flüchtlingshilfe, in der Freiwilligen Feuerwehr, in Klimaschutzgruppen, als Lesepaten, Schülerlotsen, digital z. B. bei Wheelmap oder in einer Senioreneinrichtung, in Stadtteilzentren oder in einem Bündnis gegen Rechtsextremismus. Alle eint, dass sie einen großen Beitrag für das Gemeinwesen und den sozialen Zusammenhalt leisten. Deswegen wollen wir ein Zeichen setzen und Danke sagen.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN]

(Andreas Otto)

Bürgerschaftliches Engagement ist der soziale Kit in unserer Gesellschaft und unserer Demokratie. Am 10. Dezember 2015 haben wir in diesem Haus den Aktionstag „Berlin sagt Danke!“ ins Leben gerufen. Der erste Aktionstag stand ganz im Zeichen der ehrenamtlichen Flüchtlingshilfe, der sich Zehntausende Menschen in der ganzen Stadt im Jahr 2015 angeschlossen haben. Seitdem haben wir jedes Jahr den Aktionstag durchgeführt. Er richtete sich allerdings fortan an Engagierte in Berlin. Diese Neujustierung war wichtig, denn wir wollen jedes Engagement, das auf der freiheitlich demokratischen Grundordnung aufbaut, gleich wertschätzen.

Heute wollen wir mit dem vorliegenden Entschließungsantrag den Aktionstag verstetigen und zu einer festen Tradition in der Stadt machen. Jedes Jahr, im ersten Quartal, sollen die ehrenamtlich Engagierten im Mittelpunkt stehen und sich wertgeschätzt fühlen. Lassen Sie uns gemeinsam dieses Zeichen für das Engagement setzen. Ich möchte betonen, dass sich nicht nur der Senat und das Abgeordnetenhaus bei den ehrenamtlich engagierten Menschen bedanken, sondern ausdrücklich auch bei Partnerinnen und Partnern aus Wirtschaft, Kultur und Freizeiteinrichtungen. Der Tag ist ein Zeichen der Stadtgesellschaft, dass das Ehrenamt in Berlin einen hohen Stellenwert hat, und deswegen sagen wir Danke.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD, der CDU, der LINKEN, den GRÜNEN und der FDP]

Das zeichnet sich auch für den diesjährigen Aktionstag wieder ab. Schon jetzt sind über hundert Anbieter dabei, und es werden täglich mehr. Das ist gut so. Als Beispiel: Der Tierpark stellt 5 000 freie Eintritte zur Verfügung, der Zoo rund 1 000, das Staatsballett 200 Tickets. Die Messe Berlin stellt 1 500 Tickets bei der ITB zur Verfügung. Rund 60 weitere Angebote sind ganztägig kostenfrei für alle vorhanden. Alle Berlinerinnen und Berliner können z. B. kostenfrei die Gärten der Welt, den Britzer Garten oder das Naturkundemuseum besuchen.

An dieser Stelle möchte ich mich nicht nur bei allen Anbietern herzlich bedanken, sondern ebenso bei den zuständigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Senatskanzlei, die sich mit Hochdruck für das Gelingen engagieren. Nebenbei hat dieser Tag „Berlin sagt Danke!“ auch einen schönen Nebeneffekt, denn nicht nur Ehrenamtliche fühlen sich wertgeschätzt, sondern „Berlin sagt Danke!“ ist auch die beste Werbung für das Ehrenamt, für bürgerschaftliches Engagement. Ich bin sicher, dass wieder viele Berlinerinnen und Berliner an diesem Tag den Entschluss fassen werden, sich für die Gemeinschaft zu engagieren.

Aber aus gegebenem Anlass, am Tag nach dem rechten Terror in Hanau, muss der heutige Beschluss einen neuen Kontext bekommen. Deutschland hat ein rechtes Terrorproblem. Neun Monate nach dem Mord an Walter Lübcke und drei Monate nach dem Anschlag in Halle gab

es gestern Nacht einen rechtsextremistisch motivierten Anschlag auf zwei Shisha-Bars in Hanau.

[Zuruf von Christian Buchholz (AfD)]

Ja, unsere Gedanken sind bei den Opfern und ihren Angehörigen. Ich sage hier und heute abermals ganz deutlich: Die verbale Eskalation von rechts führt eben auch zu solchen Taten. Es ist eine verrohte Sprache eingezogen, seitdem die AfD in die Parlamente eingezogen ist.

[Beifall bei der SPD, der CDU, der LINKEN und den GRÜNEN – Franz Kerker (AfD): Ist doch Blödsinn!]

Die rechtsextremistische Sprache aus der AfD ist die Theorie.

[Franz Kerker (AfD): Reden Sie nicht so einen Unsinn! – Ronald Gläser (AfD): Unglaublich! – Gunnar Lindemann (AfD): Schämen Sie sich!]

Hanau, Halle, Kassel sind die Praxis. Wir lassen es nicht zu. Wir kämpfen gemeinsam gegen rechts.

[Franz Kerker (AfD): Sie instrumentalisieren die Morde! Die Polizei hat das dementiert! Sie instrumentalisieren die Opfer! Pfui!]

Wir haben eine wehrhafte, eine starke Demokratie und müssen den Rechtsextremismus mit allen staatlichen Mitteln entschieden bekämpfen. Aber wir können den Kampf gegen rechts gemeinsam mit rechtstaatlichen Mitteln und mit einer starken Zivilgesellschaft gewinnen. Ich bin froh und stolz auf jeden Menschen, der sich in unserem Land in einem Bündnis gegen Rechtsextremismus und auch z. B. für Flüchtlinge engagiert.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Mohr?

Nein, vielen Dank! – Ich bin wie Millionen Menschen in Deutschland zutiefst schockiert über Parteien, die mit der rechtsextremen AfD und ihrem Faschisten aus Thüringen gemeinsame Sache machten.

[Gunnar Lindemann (AfD): Unverschämtheit! – Joschka Langenbrinck (SPD): Heul doch da drüben! Mimimi!]

Hier wurde der demokratische Konsens verlassen und die Werte des Füreinander und Miteinander zutiefst verletzt. Im Ehrenamt geht es um Solidarität. Es geht um Sensibilität. Es geht um Mitmenschlichkeit, und es geht um die Stärkung der Willkommenskultur. Es geht um das friedliche, gemeinsame, solidarische Miteinander. Es geht darum, dass sich Menschen gegenseitig helfen, Verantwortung füreinander und für das Gemeinwesen übernehmen. Diese Werte des Ehrenamts schützen die Demokratie. Davon bin ich zutiefst überzeugt. Die Zivilgesellschaft zu

stärken ist heute das Gebot der Stunde. Lassen Sie uns daher heute den Antrag „Berlin sagt Danke!“ beschließen. Damit setzen wir ein starkes Zeichen für die Demokratie und gegen ihre Feinde. – Ich danke Ihnen!

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Für die Fraktion der CDU hat das Wort Frau Abgeordnete Demirbüken-Wegner. – Bitte schön!

[Zuruf von Joschka Langenbrinck (SPD) – Herbert Mohr (AfD): Es ist eine Unverschämtheit, als Faschist bezeichnet zu werden! – Franz Kerker (AfD): Sie missbrauchen die Opfer! Das ist ja ekelhaft! – Zurufe von der SPD und der AfD]

Meine Herren! Frau Demirbüken-Wegner hat das Wort. – Bitte schön, Frau Abgeordnete!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Den vielen Ehrenamtlichen in unserer Stadt für ihre Arbeit zu danken, kann man nicht oft genug tun. Ohne sie ginge vieles nicht in Berlin. Angefangen bei der Freiwilligen Feuerwehr über den Breitensport bis hin zur Seniorenbetreuung, um nur einige wenige Beispiele zu nennen. Die Ehrenamtler sind wie jedes Mal – einer hat das mal sehr treffend gesagt – die Gelenkschmiere unserer Gesellschaft. Wie würde es überall und allerorten knacken, krachen und sich reiben, wenn sie nicht wären? Deshalb freut es mich heute besonders, dass wir nunmehr bei dem fünften Entschließungsantrag zum Thema „Berlin sagt Danke!“, der uns seit 2015 jährlich zur Abstimmung vorliegt, auch endlich miteinander im Plenum darüber reden und uns bestimmte Dinge ins Gedächtnis rufen, die sich seitdem entwickelt haben.

Erinnern wir uns: Angefangen hat es mit dem besonderen Dank an diejenigen, die sich in den turbulenten Ankunftsmonaten vieler tausender Kriegsflüchtlinge um deren Wohl und Wehe intensiv kümmerten und dabei über sich selbst hinauswuchsen. Erinnern wir uns: Damals lag allen Fraktionen der Dank am Herzen, und deshalb wurde der Allparteienantrag 17/2625 daraus geschmiedet. Doch mit dieser guten Tradition war es in der 18. Legislaturperiode abrupt vorbei. Die neue Koalition beansprucht seitdem das Dankesmonopol für sich allein. Doch das Ehrenamt ist kein gewöhnliches politisches

Projekt mit Alleinvertretungsanspruch. Deshalb sollten wir schnellstens wieder zu den bewährten parlamentarischen Umgangsformen zurückkehren. Das erwarte ich bei einer Aktion wie „Berlin sagt Danke!“

Dankenswerterweise öffnete sich der Aktionstag in den Folgejahren für alle Ehrenamtlichen. Es kamen neue Formate hinzu, und es gelang, über 135 Partner zu binden, die den Aktionstag mit ihren kostenlosen, wertschätzenden Aktionen nunmehr bereichern. Doch dem hinken die farblosen Entschließungen aus dem Abgeordnetenhaus hinterher. Sie zeichnen sich vor allem durch formale und sprachliche Kontinuität bis zur Austauschbarkeit aus, und weil das in der Öffentlichkeit einen denkbar schlechten Eindruck macht, sollte sich das schnellstens ändern.

Ähnlich verhält es sich mit den Antworten des Senats – zwar beteuert er, den Aktionstag stetig weiterzuentwickeln, untersetzt das jedoch mit keinen neuen Ideen. Natürlich klammert sich die Regierungskoalition in Treue an diese Verhaltensweise und bremst unseren Antrag „Senat soll den Aktionstag ‚Berlin sagt Danke‘ zu einem öffentlichkeitswirksamen Ereignis machen“ bewusst aus. Die Grünen geißelten ihn mit solchen absurden und widersprüchlichen Einschätzungen wie: überholt, nicht mutig genug – und die SPD verstieg sich sogar zu der Einschätzung, der Antrag sei nicht erforderlich, aber trotzdem in Teilen charmant bis leicht provokant. Damit wurden unsere Vorschläge, die Fragen einer wirksamen Öffentlichkeitsarbeit bis zu einem Landesehrenamtspreis beinhalteten, vom Tisch gewischt.

Aber, meine Damen und Herren von Rot-Rot-Grün, Sie werden sich dieser Diskussion nicht auf Dauer entziehen können. Denn solange beispielsweise die Berliner Filmfestspiele stärker im Bewusstsein der Berlinerinnen und Berliner verankert sind als der Aktionstag „Berlin sagt Danke!“, müssen Sie sich entsprechende Fragen gefallen lassen und weiter am Profil dieser für Berlin so wichtigen Veranstaltung arbeiten. Sie würden sich selbst etwas Gutes tun, wenn Sie dabei nach alter Tradition mit allen demokratischen Fraktionen gemeinsam kreative Lösungen suchten, anstatt weiter im politischen Koalitionssaft vor sich hinzuschmoren.

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der FDP]

Für Die Linke hat das Wort Frau Abgeordnete Platta. – Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Seit Dezember 2015 beschließen wir jährlich hier im Hohen Haus den Aktionsplan „Berlin sagt Danke!“ Aber anders als in den Vorjahren nutzen wir heute endlich – und das

(Ülker Radziwill)

hat meine Vorrednerin schon gesagt – die Gelegenheit zur Verstetigung dieser Form und zum Debattieren an dieser Stelle, um auch wirklich deutlich zu sagen: Herzlichen Dank für eure Arbeit!

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Wir danken allen, die sich regelmäßig, oft sogar täglich, für andere Menschen und den sozialen Zusammenhalt in dieser Stadt in den Vereinen und Verbänden ehrenamtlich einsetzen. In der Debatte ist das Ehrenamt für Flüchtlinge, finanziell und sozial Benachteiligte, junge und ältere, oft behinderte Menschen schon genannt worden, und ich bin sicher, dass sich auch die Engagierten in Elterninitiativen, Sport-, Kunst-, Kultur- und Kleingartenvereinen angesprochen fühlen, die ein gutes Miteinander aller Menschen ehrenamtlich organisieren, denn sie alle sind tatsächlich gemeint.

Wir sagen heute auch den über 100 Unternehmen und Einrichtungen vielen Dank, die in diesem Jahr am 7. März einen Tag für die vielen freiwillig engagierten Berlinerinnen und Berliner mit freiem Eintritt und/oder kostenlosen Führungen ermöglichen. Und selbstverständlich können sich auch weitere Unterstützerinnen und Unterstützer dieses Aktionstages auf der Internetseite, bei berlin.de/berlin-sagt-danke, mit ihren Angeboten eintragen. – Herzlichen Dank dafür!

[Beifall bei der LINKEN]

Sicher werden die Berlinerinnen und Berliner auch genau hinschauen, welche Unternehmen es sind, denen sie diesen Dank verdanken.

Neben diesem Dankesagen können wir heute aber auch versichern, dass wir als rot-rot-grüne Koalition die zielstrebige Arbeit an der Engagementstrategie für Berlin fortsetzen werden, die am Ende auch die Rahmenbedingungen für die Ehrenamtlichen beleuchten wird und uns vorschlägt, was weiter zu verbessern ist. Den Startschuss für den Engagementprozess hat der Senat im Oktober 2019 gesetzt; bei der Debatte dort war unsere LinkeAbgeordnete Hendrikje Klein dabei, und sie konnte Positives berichten. Selbstverständlich bin auch ich auf den im Dialog entwickelten Entwurf der Strategie gespannt, der schon im Sommer dieses Jahres vorliegen soll.

Lassen Sie mich diese Redezeit aber auch nutzen, um noch etwas anderes deutlich zu machen; denn wir haben auch noch die Erwartung zum Ausdruck zu bringen, dass die Debatte um die Bewertung von Gemeinnützigkeit auch gesellschaftlich engagierter Vereine und Verbände gegenwärtig ernsthafter geführt wird. Wir brauchen diese Arbeit mit politischen Bildungsinhalten zur Stärkung der Demokratie. Das haben wir heute gehört, und das sehen wir auch bei all den anderen Debatten, nicht zuletzt im Zusammenhang mit Thüringen. – Vielen Dank!