Protokoll der Sitzung vom 20.02.2020

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Berlinerinnen und Berliner! Natürlich beschäftigen wir uns nicht nur heute mit Film. Das ist gerade von uns Fachpolitikerinnen und Fachpolitiker der politische Alltag, und von mir auch der berufliche,

(Ronald Gläser)

aber heute ist es natürlich etwas ganz Besonderes, denn heute wird die sage und schreibe 70. Berlinale eröffnet, die erste in den eingehenden Zwanzigerjahren des 21. Jahrhunderts. Im Moment sind die Zwanzigerjahre des 20. Jahrhunderts wieder eine große Inspirationsquelle für Mode, für Kunst, aber vor allem auch für Filmschaffende. Hier spielt Berlin als kulturelle Metropole natürlich eine Schlüsselrolle. Wir denken an „Metropolis“ von Fritz Lang, der damals die Filmtricktechnik absolut revolutionierte und die ganze Welt verzauberte. Aber auch die Frage, wie in einer jungen Demokratie damals der Faschismus gedeihen konnte,

[Lachen von Ronald Gläser (AfD) – Regina Kittler (LINKE): Für Sie lustig, alles klar!]

ist eine, die Gesellschaft und Kultur im Moment auch aufgrund aktueller Entwicklungen wieder stark beschäftigt.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Nachdem die Nazis die progressive, pulsierende Kulturhauptstadt Berlin nachhaltig vernichteten und ihre Akteure und Akteurinnen größtenteils vertrieben oder deportierten, sind wir umso glücklicher, dass Berlin und Potsdam heute wieder eine Kultur- und Filmregion mit globaler Strahlkraft sind.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der FDP – Beifall von Christian Goiny (CDU)]

Berlin ist Drehort und Protagonistin etlicher internationaler Produktionen. Aber in einem Bereich hinkt Berlin bisher hinterher, meine Kolleginnen und Kollegen haben das schon beschrieben. Das, was zur Zeit von „Metropolis“ der Filmtrick war und was Sie in den letzten Jahrzehnten als Special Effects kannten, sind inzwischen die Visual Effects. Die berühmten Kulissen von Babelsberg werden also ergänzt oder sogar ersetzt durch Animation oder durch Simulation. Kollege Schweikhardt hat das ganz ausführlich erklärt. Wer das noch einmal nachschauen möchte, dem empfehle ich auch seine Rede.

Wir würden uns wünschen, dass Berlin auch in Berlin animiert wird. Wir haben hier das Know-how, wir haben die Infrastruktur und wir haben das kreative Umfeld, in dem die Branche auch arbeiten will. Aber, anders als andere hatten wir bisher nicht die Förderstruktur anzubieten, die andere anbieten konnten. Deswegen freue ich mich sehr, dass wir uns mit so einer breiten Mehrheit dazu entschlossen haben, die Lücke zu schließen und Abwanderung zu verhindern. Vielen Dank dafür!

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN – Beifall von Christian Goiny (CDU) und Stefan Förster (FDP)]

Aber eines ist mir trotzdem ganz wichtig, an dieser Stelle zu betonen, es ist nämlich mit diesem Antrag nicht unsere Intention, in ein Aufrüsten der Standortkonkurrenz einzusteigen. Auch gerade in Zeiten von globalen, großen Umbrüchen in der Filmwirtschaft ist es uns besonders wichtig, dass wir eine abgestimmte europäische Filmförderung haben, und eine Architektur und Instrumente, die ineinandergreifen und einander ergänzen, wo sich Standorte auch gegenseitig bereichern können, und auch unkonventionelle Filme oder Filme aus kleineren Märkten als dem deutschsprachigen Raum ihren Weg auf die Leinwände, die die Welt bedeuten, finden.

[Beifall von Katalin Gennburg (LINKE)]

Deswegen wird ein The-Winner-takes-it-all-Prinzip, wie es die AfD will, überhaupt nicht der Sache gerecht, denn die ganzen kulturellen Schätze, die immer noch auf ihre Verwirklichung warten, würden damit verloren gehen.

Die Berlinale ist der beste Beweis dafür und ich glaube, da kann ich auch für meine Kolleginnen und Kollegen sprechen, die mit mir diesen Antrag erarbeitet haben. In diesem Sinne erlaube ich mir schon mal zu sagen: Lasset die Spiele beginnen und – herzlichen Dank!

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der FDP – Beifall von Christian Goiny (CDU)]

Vielen Dank! – Für die FDP-Fraktion hat der Kollege Förster das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Normalerweise ist ja Wiederholung die Mutter der Didaktik. Aber das spare ich mir in diesem Fall, weil der Kollege Schweikhardt mit seiner wunderbaren Einführung, Kollege Goiny mit dem europäischen Aspekt, Kollegin Halsch mit der filmförderischen Perspektive und Kollegin Helm mit dem übergreifenden Abbinden des Ganzen eigentlich alles gesagt haben, was diesen Antrag betrifft.

Aber wir haben ja diesen unsäglichen Redebeitrag von Herrn Gläser gehört, und allein der ist es wert, ein paar Minuten darauf einzugehen und einige Dinge richtigzustellen. Gerade hier in Berlin, in dieser internationalen Stadt, wo Sie sich dazu hergeben zu glauben und zu wissen, was die Menschen in dieser Stadt wollen, gerade in dieser Stadt ist es doch wichtig, dass wir auch eine Atmosphäre für Firmen schaffen, die sich hier ansiedeln wollen, für Kreative, die aus anderen Städten herkommen wollen. Wir haben vor dem Brexit die Debatte, dass sich VFX-Firmen aus London, dass Produzenten aus London eine europäische Heimstätte auf dem Kontinent suchen,

(Anne Helm)

die wir auch entsprechend willkommen heißen wollen. Wenn sie dann dieses kleingeistige Niveau der AfD erleben, habe ich eher Angst um diese Stadt, aber nicht davor, dass wir hier Filmförderung betreiben. Das ist ganz klar der Unterschied!

[Beifall bei der FDP, der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN – Beifall von Christian Goiny (CDU)]

Wenn wir beim Thema Subventionen sind, dann habe ich noch nichts Blöderes gehört, Herr Gläser, als in Ihrem Beitrag zu behaupten, das seien Subventionen. Subventionen sind das, was es zum Beispiel im Agrarbereich gibt, wo ohne jede Gegenleistung jedes Jahr feste Beträge ausgeschüttet werden, für Getreide, Schweinemast oder was auch immer. Hier bekommen wir eine Gegenleistung, Kollege Goiny hat es Ihnen doch vorgerechnet! Hier haben wir nicht nur cineastische Erfolge, die wunderbar sind, die den deutschen Film stärken, hier haben wir auch wirtschaftliche Erfolge. Die Leute, die hier produzieren und die ihre Schauspieler und Synchronsprecher hierherbringen, die übernachten hier, die essen hier, die zahlen hier Steuern, die bringen einen Mehrwert in diese Stadt, die schaffen Wirtschaftskraft, und das ist am Ende ein Vielfaches dessen, was wir in die Anschubfinanzierung geben. Das mögen Sie mal berücksichtigen. Das hat nichts mit Subventionen zu tun, das ist kluge und vernünftige Wirtschaftsförderung!

[Beifall bei der FDP, der LINKEN und den GRÜNEN – Beifall von Christian Goiny (CDU)]

Schließlich sei auch noch darauf hingewiesen, dass wir – Kollegin Helm hat es schon gesagt – gerade nicht den Wettbewerb um immer mehr Geld suchen, sondern dass wir mit einer vergleichsweise bescheidenen Summe, die aber trotzdem ihre Wirkung nicht verfehlen wird, Wettbewerbsgleichheit schaffen, aber vor allen Dingen auch den Firmen – Kollegin Halsch hat auf eine verwiesen, die schon sehr lange die Fahne hochhält –, die am Standort Berlin auch unter schwierigen Bedingungen bisher schon VFX-Produktionen gemacht haben, die den deutschen Film bereichert haben, dass wir denen wieder eine Perspektive geben und zeigen wollen, dass wir uns zu diesem Standort bekennen, dass wir die Interessen der Filmschaffenden und der Produzenten ernst nehmen und vor allen Dingen, das sei am Ende auch noch einmal gesagt: Hier entstehen, auch mit dem geplanten VFX-Fonds, nicht nur hoch qualitative und tolle Filme, sondern auch erfolgreiche Filme.

Erfolg allein ist kein Maßstab. Auch ein IndependentFilm, der nur ein paar Tausend Zuschauer hat, hat seine Berechtigung, gar keine Frage. Aber an der Stelle sei ausdrücklich noch einmal gesagt: Wir stärken gemeinsam den Wirtschaftsstandort Berlin, wir stärken den Filmstandort, wir stärken den Kulturstandort. Kultur- und Kreativwirtschaft ist eine Herzschlagadern dieser Stadt. Wenn das die AfD nicht versteht, dann tut es mir leid.

Alle anderen haben es verstanden. In dem Sinne: Bringen wir den VFX-Fonds auf den Weg! – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der FDP, der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN – Beifall von Christian Goiny (CDU)]

Für die AfD-Fraktion hat Herr Gläser das Wort für eine Zwischenbemerkung. – Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lieber Herr Förster! Ich will Ihnen nicht zu nahe treten, aber das war jetzt wirklich keynesianischer Blödsinn, was Sie gesagt haben.

[Christian Goiny (CDU): Quatsch!]

Mit den Argumenten, die Sie vorgetragen haben, dass die Wirtschaftsförderung an der Stelle unbedingt notwendig sei, können Sie genauso gut jede andere Branche in der Stadt fördern, Bäckereibetreiber, Autohändler, Textilfirmen und wen auch immer.

[Christian Goiny (CDU): Sie haben es immer noch nicht verstanden!]

Wollen Sie da auch überall, weil es denen möglicherweise helfen würde, Subventionen ausreichen? – Natürlich ist es eine Subvention! Das Beispiel, das Sie eben gebracht haben,

[Torsten Schneider (SPD): Das war das mit den guten Schulen!]

das war die Agrarsubvention in der Landwirtschaft. Da gibt es ein Kälbchen dafür, wenn der Bauer seine Subvention bekommt. Oder er hat soundso viele Hektar mit Mais bebaut. Das ist ja auch eine Gegenleistung. Hier kriegen wir auch eine Gegenleistung. Aber es ist besser, wenn die Gegenleistung vom Markt erwirtschaftet wird, wenn da Angebot und Nachfrage stimmen.

[Beifall bei der AfD – Beifall von Jessica Bießmann (fraktionslos) und Andreas Wild (fraktionslos)]

Ich hatte ja ein anderes Modell vorgeschlagen, ich sagte ja: Wir wollen diese Industrie unterstützen, wie wollen denen helfen! Deswegen: Steuersparmodell. Geben Sie denen ein Tax-Credit, unterstützen Sie die einfach dadurch. Das sorgt dafür, dass es keine Mitnahmeeffekte gibt. Es werden nur solche Firmen unterstützt, die auch wirklich erfolgreich am Markt operieren und nicht die, die irgendwelche Ladenhüter herstellen. Deswegen war das nichts, Herr Förster. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der AfD – Beifall von Jessica Bießmann (fraktionslos) und Andreas Wild (fraktionslos)]

(Stefan Förster)

Zur Erwiderung hat der Kollege Förster das Wort. – Bitte schön!

Herr Gläser! Bei Ihnen zu erwidern, ist immer recht einfach, weil Sie nicht mit Fakten argumentieren, sondern immer nur mit Polemik. Insofern ist das wirklich einfach, das richtigzustellen.

Auf der einen Seite sagen Sie, Sie wollen den armen Steuerzahlern das Geld zurückgeben und wollen nicht, dass wir es wahllos verteilen. Auf der anderen Seite schlagen Sie gerade Steuersparmodelle vor. Was ist das denn? – Das wären auch Einnahmeausfälle, die im Steuerhaushalt fehlen. Da müssen Sie schon mal überlegen, wie Sie argumentieren. Auch Steuersparmodelle sind ja Steuersenkung in irgendeiner Form, von daher ist das keine konsequente Argumentationslinie.

Und schließlich, weil Sie immer wieder sagen, dass könne ja der Senat alles machen, auch da haben Sie keine Ahnung, solche Steuersparmodelle und Nachlässe müssten bundesweit geregelt werden, da kann das Land Berlin nicht alleine aktiv werden. Berlin kann auch keine Ausnahmen machen, auch da informieren Sie sich mal über das deutsche Steuerrecht, das wäre ganz hilfreich, wenn Sie es denn irgendwie auch mal aufgreifen wollen.

[Frank-Christian Hansel (AfD): Bundesratsinitiative!]

Und schließlich, das sei auch an der Stelle gesagt, geht es hier eben gerade nicht um irgendwelche Filme, die keiner sieht, sondern wir haben ja vorhin schon gehört, dass der deutsche Film erfolgreich ist wie lange nicht, dass es zahlreiche Auszeichnungen gibt, die auch darauf hindeuten, dass der deutsche Film eine Zukunft hat.

[Ronald Gläser (AfD): Dann braucht der keine Subventionen!]

Aber wenn er eine Zukunft haben soll, dann muss er auch wettbewerbsfähig bleiben, wettbewerbsfähig auch im Vergleich zu Standorten wie München oder Stuttgart, aber eben auch im Vergleich zu London oder Toronto. Und genau diese Wettbewerbsfähigkeit wollen wir mit einem maßvollen finanziellen Ansatz herstellen. Wir hätten auch noch viel mehr draufpacken können, wir sind ganz langsam gestartet und wollen sehen, wie sich das entwickelt. Wir haben auch hier gute und kluge Kontakte in die Film- und Kreativwirtschaft, und am Ende ist das etwas, was maßvoll ist, was man vertreten kann, und das ist eben genau das, was Sie nicht können – maßvoll können Sie nicht, und das ist Ihr Problem, aber damit müssen Sie alleine fertig werden. Vielen Dank!

[Beifall bei der FDP, der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Vielen Dank! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Zu dem Antrag auf Drucksache 18/2479 empfiehlt der Fachausschuss mehrheitlich – gegen die AfD-Fraktion – die Annahme. Wer dem Antrag gemäß der Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/2503 annehmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Koalitionsfraktionen, die CDU-Fraktion, die FDP-Fraktion. Wer stimmt gegen diesen Antrag? – Das ist die AfD-Fraktion und die beiden fraktionslosen Abgeordneten. Damit ist der Antrag so angenommen.

Ich rufe auf