Protokoll der Sitzung vom 05.03.2020

Herr Luthe! Wenn Sie jetzt eine Frage stellen – – Sie können sich auch gern mit Herrn Buchholz noch mal darüber unterhalten, dann mache ich kurz Pause.

[Heiterkeit]

Aber wenn Sie wollen – –

[Zurufe von Daniel Buchholz (SPD) und Marcel Luthe (FDP)]

Es hat eine lange Vorgeschichte mit verschiedenen Ansätzen im Bereich der Spielhallen. Dazu gibt es Rechtsprechung, und an der orientiert man sich. Natürlich – ich gebe Ihnen recht: Eine solche Grenze ist in gewissem Maße immer willkürlich, aber man muss sie irgendwie festsetzen. Man kann sie nicht erfinden, man muss sie irgendwie austarieren und die verschiedenen Rechtsansprüchen und Interessen ausgleichen sowie die Rechtsprechung beachten. Genau das ist passiert.

Das ist natürlich eine Einschränkung, mit der Sie vielleicht nicht zufrieden sind, aber es ist eine sinnvolle Einschränkung. Wir beschließen Abstandsregelungen in Hinblick auf Wettbüros untereinander, wir beschließen Abstandsregelungen in Bezug auf Wettbüros und Spielhallen, wir beschließen Mindestabstände zu Schulen und Jugendeinrichtungen. Das ist nicht alles. Wir beschließen auch noch Auflagen für die Qualifikation des Personals. Selbiges muss sich mit Spielsucht auskennen, ebenso mit Spielerschutz. Ich finde, das ist extrem wichtig, um die Menschen, die dort unterwegs sind, vor den Folgen von Spielsucht zu schützen.

In dem Gesetzentwurf ebenso enthalten sind Kontrollmöglichkeiten für die Aufsichtsbehörden – und ja, natürlich sind es ziemlich umfangreiche Auflagen, und ja, es sind Beschränkungen, aber ich finde, diese sind nötig. Gerade das, Herr Luthe, ist ein Bereich, in dem der freie Markt eben nicht alles regelt. Er regelt nicht alles. Er regelt nicht die stadtentwicklungspolitische Verträglichkeit, er regelt auch nicht Suchtprävention – gerade das regelt der Markt nicht, und deswegen müssen wir hier regulierend eingreifen; das finde ich auch richtig.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD und den GRÜNEN]

Herr Luthe! Sie haben gleich noch die Gelegenheit, Ihre Argumentation hier zum Besten zu geben. Ich bin sehr gespannt. Wir jedenfalls werden dem Gesetz zustimmen. Ich hoffe, wir bekommen hier eine breite Mehrheit hin.

Eine kurze Anmerkung noch, weil ich noch ein paar Sekunden Zeit habe, zu Herrn Freymark: Ich finde Ihre Argumentation, dass man Dinge regulieren und diese nicht in die Illegalität treiben soll, ganz interessant. – Wenden Sie dieses Prinzip doch mal auf die Drogenpolitik an! Es ist ein ganz ähnliches Thema: Da geht es um Sucht, Konsum, Gesundheitsschäden, die davon entstehen. Auch da kann man doch mal darüber nachdenken, zu regulieren, statt alles komplett zu verbieten. – Danke!

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD und den GRÜNEN]

Für die Fraktion der AfD hat der Abgeordnete Herr Vallendar das Wort!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir besprechen das Gesetz zur Änderung des Ausführungsgesetzes zum Glücksspielstaatsvertrag. Da kommt also eine Regelung von der EU, die die bisherige Praxis nicht mehr ermöglicht, und zwar, dass man eine Begrenzung bei den Konzessionsteilnehmern vornimmt. Und nun haben Sie oder, besser gesagt, der Senat sich überlegt: Wie passen wir das am besten an? – Sie haben zahlreiche Regelungen hinzugefügt, die den Anbietern von Sportwetten den Betrieb madig machen sollen.

Es gibt zugegebenermaßen zwei unterschiedliche Sichtweisen, wie man das Ganze betrachten kann: Das eine ist eine wertkonservative, rechtskonservative Sichtweise, die anscheinend die Koalition hier vertritt, und zwar, dass man Glücksspiel als gesellschaftsschädlich klassifiziert und damit automatisch sagt, das muss so stark wie möglich reglementiert, wenn nicht sogar verboten werden. Nun sagen wir: Nur, weil es Alkoholiker gibt, verbieten wir nicht den Alkohol. – Das ist ein Punkt, den man da vielleicht anführen sollte.

Der andere Punkt ist der freiheitliche Ansatz. Es handelt sich bei den Menschen, die in Spielstätten gehen, um erwachsene, selbstbestimmte Menschen, die unter Umständen in eine Anhängigkeit geraten können; das kann ihnen aber auch beim Alkohol oder bei jeder anderen Sache passieren. Warum Sie jetzt zum Beispiel ein Verbot von Speisen und Getränken in Spielstätten in das Gesetz einbauen, erschließt sich mir nicht wirklich, außer insofern, als Sie wollen, dass die Spielstätten sich nach Möglichkeit nicht mehr rentieren und die Leute sagen: Ich gehe da gar nicht hin. – Da frage ich mich allerdings, warum Sie dann nicht gleich Spielstätten verbieten. Das ergibt doch überhaupt keinen Sinn. Es wurde richtigerweise schon angesprochen: Was wird das zur Folge haben? – Man wird auf das Internet oder in die Illegalität ausweichen. Dann braucht man keine Wettbüros mehr auf die bisherige Art und Weise zu betreiben, sondern macht das irgendwo in einem Keller. Das ist dann vielleicht sogar viel lukrativer. Ich weiß nicht, ob Sie damit einen großen Erfolg haben.

Ich kann Ihnen nur mitteilen, dass meine Partei in der Frage des Glückspiels noch keine abschließende Position formuliert hat. Das ist ein Thema, das wir in unserer Programmatik noch nicht behandelt haben. Wie Sie sehen, gibt es unterschiedliche Auffassungen: den freiheitlichen und den rechtskonservativen Ansatz. Deswegen werden wir uns bei dem vorliegenden Gesetzentwurf voraussichtlich erst einmal enthalten. Bei der Frage, ob

(Niklas Schrader)

dieses Gesetz verabschiedet wird oder nicht, kommt es auf die Stimmen meiner Fraktion sowieso nicht an.

Ich bin ein wenig erstaunt: Die Abstandsregelungen – der Kollege Luthe hat es schon richtigerweise angeführt – sind relativ willkürlich festgesetzt. Aus meiner Sicht haben Sie da nicht unbedingt den großen Wurf gelandet, zumal die von der EU kommenden Regelungen besagen, es solle zahlenmäßig ein unbeschränktes Erlaubnismodell geben. Aber jetzt versuchen Sie, das wieder einzufangen, indem Sie irgendwelche Eigenregelungen einfügen, die aus meiner Sicht auch nicht richtig passen.

Den Leuten, die in solche Spielstätten gehen, sei zum Abschluss mitgeteilt: Wenn Sie meinen, Sie können damit Geld gewinnen oder Geld machen, dann wünsche ich Ihnen viel Glück dabei!

[Beifall und Heiterkeit bei der AfD]

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat der Abgeordnete Herr Lux das Wort!

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor uns liegt eine klassische Abwägungsentscheidung. Glücksspiel kann große Gefahren verursachen. Man lernt Leute kennen, die alles aufgeben, die in eine Sucht verfallen, die damit sich selbst und ihre Familien schädigen. Deswegen ist es richtig, dass der Staat hier reguliert.

Auf der anderen Seite sind es erwachsene, mündige Personen, die auch sich selbst schädigen können. Wir greifen in sonstigen Betrugsfällen in der freien Wirtschaft nur dann ein, wenn es sich um strafbare Handlungen handelt. Deswegen ist es hier wichtig, eine kluge Abwägung zu treffen, die das Glücksspiel und das Wetten wieder in geordnete Bahnen bringt.

Deswegen bin ich dem Kollegen Buchholz sehr dankbar, der schon seit einiger Zeit versucht, aufzuräumen und den Wildwuchs in Berlin mit vielen Wettbüros, mit vielen Spielhallen einzudämmen. Er hat dafür gesorgt, dass es in Stadtteilen, die drohten zu kippen, weil sich dort ein Wettbüro an das andere reihte, ein Spielcasino an das nächste, wieder das eine oder andere Ordnungsmittel gibt. Wir als Grüne haben da sehr gerne mitgezogen und werden das weiterhin tun.

[Beifall bei den GRÜNEN und der SPD – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Deswegen ist es richtig, dass wir die Abstandsregelungen verschärfen, dass wir die Konzessionen verringern und für mehr Suchtprävention sorgen. Aber es ist auch schon angeklungen, dass es zwei Mechanismen geben wird. Erstens: Es wird mehr verdrängt werden in staatlich nicht

kontrollierbare Bereiche, etwa in den rein privaten Bereich. Zweitens: Es wir mehr verdrängt werden in Richtung Internet, in Richtung internationale Spielanbieter, die auch im digitalen Raum existieren.

Deswegen sind zwei Dinge als Schlussfolgerung wichtig, denn wir wissen als Koalition, dass wir mit der Gesetzesänderung nicht am Ende der Weisheit sind. Zwei Dinge sind wichtig. Erstens: Wir brauchen den mündigen Spieler, die mündige Spielerin. Wenn ich mit dem Kollegen Buchholz um eine Kiste Bier wette, ob Hertha BSC absteigt oder nicht, dann soll uns das bitte schön niemand verbieten, egal wo wir das tun.

[Stefan Förster (FDP): Aber da ist es völlig klar! Da hält ja keiner dagegen!]

Natürlich werden wir auch nur um eine Kiste Bier wetten, und nicht um zehn – weil wir so vernünftig sind. Es gibt aber eben Leute, die dann anfangen, noch mehr Wetten zu machen, und die sollte man nicht behandeln, als müsste man sie weiter in das Dunkelfeld drängen, als müssten sie sich Auswüchse suchen. Nein, sondern Spielen und auch verantwortungsbewusstes Spielen gehört zur Gesellschaft dazu. Das hat natürlich jeder freiheitliche Staat zu akzeptieren, zu regulieren. Wenn es dann faire und gleiche Regeln für alle gibt, ist das auch ganz okay so, wenn es mit Maß und Mitte passiert. Es gilt also, Aufklärung und Prävention sind sehr wichtig.

Zweitens: Repression. Sie müssen natürlich auch an die Spielsucht im Internet, an die vielen internationalen Wettanbieter herankommen. Das fällt uns schwer. Der Deutsche Bundestag ist heute aber ein Schritt weiter gegangen, indem er das Livewetten verboten hat. Um ein solches Verbot aber durchzusetzen, brauchen wir noch Kraftanstrengung, brauchen wir internationale Vereinbarungen. Dazu brauchen wir auch eine besser aufgestellte Finanzermittlung. Die brauchen wir nicht nur im Bereich der Wetten. Die brauchen wir in vielen Bereichen, in der Geldwäsche, der Steuerhinterziehung und etlichen anderen Bereichen. Auch da müssen wir als Staat, als internationaler Staat aufgestellt, besser werden, um konsequenter verfolgen zu können.

Fazit: Dieser Gesetzesentwurf ist eine gelungene Abwägung zwischen der Freiheit der Person auf der einen Seite und den Gefahren durch die Sucht. Ich muss sagen, ich bin bei wenigen Gesetzentwürfen so oft angerufen worden von Lobbyisten der Glücksspielwirtschaft. Die waren sehr unzufrieden. Das ist auch ein Zeichen, dass uns hier ein guter Wurf gelungen ist, weil wir natürlich an die Bürgerinnen und Bürger, die sich teilweise selbst nicht mehr schützen können an einem solchen Automaten, adressieren und wollen, dass sie nicht übermäßig beworben werden. Uns ist aber auch klar als Koalition, dass das nicht das Ende der Tage ist, sondern dass wir weiter vorgehen müssen in Richtung mehr Suchtprävention, mehr Aufklärung und natürlich auch mehr Ordnungspolitik. –

(Marc Vallendar)

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit, liebe Kolleginnen und Kollegen!

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Für die FDP-Fraktion hat das Wort der Abgeordnete Luthe.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Thema, über das wir einmal mehr sprechen, ist Glücksspiel. Wir haben auch heute bereits an anderer Stelle über Glücksspiel gesprochen, als wir über Ihren Mietendeckel gesprochen haben. Auch der ist nichts anderes als ein juristisches Glücksspiel.

Sie haben hier einen Entwurf vorgelegt, der letztlich einen Eingriff in die Berufsfreiheit darstellen soll. Ein solcher Eingriff in ein Grundrecht muss verhältnismäßig sein und darf kein Übermaß darstellen. Das heißt, die Maßnahme muss geeignet sein, den Zweck zu erfüllen, und sie muss erforderlich sein. Beides – und deswegen hatte ich Ihnen Gelegenheit gegeben, Sie haben es leider nicht ausführen können – haben Sie bisher nicht dargelegt. Weshalb es irgendeinen Abstand von Stätten, in denen Spiel ohnehin erst ab einem gewissen Alter zulässig ist, die das auch kontrollieren, die das alles überwachen, die gar keine Wette von einem Kind annehmen würden, zu einer Schule geben muss, haben Sie nicht dargelegt. Sie haben es deshalb nicht dargelegt, weil sie es nicht darlegen können, weil es eben keine wissenschaftliche Grundlage für die willkürlichen Annahmen von Abständen gibt.

Sie haben letztlich damit im Übrigen einen Entwurf vorgelegt, der vor allem eines begünstigt, als Wettbewerbsverzerrung, nämlich das Online-Spiel.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Daniel Buchholz?

Bitte! Unbedingt!

Herr Buchholz, Sie haben das Wort! Bitte!

Herr Kollege Luthe! Da Sie sagen, es gäbe keine wissenschaftliche Begründung für Abstandsregelung: Selbst das

Bundesverfassungsgericht, der Berliner Verfassungsgerichtshof, Verwaltungsgerichte, haben eindeutig bestätigt, dass es richtig ist, zum Beispiel 500 m Abstand zwischen Spielhallen festzulegen. Warum? – Damit soll der Spielende auf tatsächlich wieder andere Gedanken kommen, wenn er einmal die erste Spielhalle verlassen hat und dort vielleicht schon acht oder zehn Stunden verbracht hat. Wieso erkennt das die FDP-Fraktion nicht an, aber viele andere? Es ist doch Common Sense in Deutschland und auch international, dass es so ist. Es wird von Gerichten auch anerkannt.

Lieber Herr Buchholz! Das ist eine ganz tolle Zwischenfrage, die mir mehr Redezeit gibt, genau das auszuführen, was ich gerade erklären wollte. Das Bundesverfassungsgericht hat – und das unterscheidet vielleicht die FDPFraktion von Ihrer, dass wir die Entscheidungen auch lesen und nicht nur den Grobtext zitieren – festgestellt, einzig und allein: Sie haben sich mit einer reinen Willkürprüfung beschäftigt, also dass der von ihnen damals vorgelegte Entwurf nicht objektiv willkürlich ist. Sie haben sich mitnichten damit beschäftigt, ob diese Regelungen tatsächlich zulässig, zweckmäßig sind usw. Sie entsprechen im Übrigen auch selbstverständlich nicht dem Unionsrecht bzw. den unionsrechtlichen Anforderungen, genau daran, wie bestimmt, da sind wir dann wieder beim Übermaßverbot, wie erforderlich und geeignet ein solcher Eingriff tatsächlich sein darf. Das haben Sie nicht dargelegt. Das haben Sie auch damals beim Automatenspiel nicht dargelegt, und Sie können es auch jetzt nicht darlegen.

Der entscheidende Unterschied ist aber doch folgender, lieber Herr Buchholz: Wenn tatsächlich irgendein Abstand erforderlich sein soll, um mal auf andere Gedanken zu kommen, dann erläutern Sie mir doch freundlicherweise, wie das mit der Legalität eines Online-Angebots bei der Wettannahme zusammenpasst. Ich verlasse also das Geschäft, zücke mein Handy und gebe die Wette online auf, um danach dann wieder in ein anderes Geschäft zu laufen. Der Sinn erschließt sich mir nicht. Das liegt daran, dass Ihre Maßnahme nicht geeignet ist. Deswegen erfüllt sie die Anforderungen an ein Übermaß nicht.

[Beifall bei der FDP – Zuruf von Daniel Buchholz (SPD)]

Was Sie letztlich mit Ihrem Entwurf machen, Herr Buchholz, ist, Bestandsspielhallen im Übrigen vor den Wettannahmestellen besonders zu schützen. Auch das ist hoch bemerkenswert, denn Sie schaffen eine Konkurrenzsituation durch die zeitliche Regelung des First Come First Serve bei den Mindestabständen dahin gehend, dass Sie letztlich im Übrigen auch da juristisches Neuland betreten, weil sie plötzlich eine Fiktionswirkung kraft Gesetzes zulasten Dritter annehmen. Das ist bemerkenswert. Das ist interessant. Das kennt das Verwaltungsver

(Benedikt Lux)

fahrensrecht bisher nicht. Aber auch dazu wird es sicherlich spannende Entscheidungen geben.