Protokoll der Sitzung vom 05.03.2020

Basel hat ein solches Gästeticket schon vor über 20 Jahren eingeführt und ist damit sehr zufrieden. Wie es gestern in meinem Fachgespräch zum Gästeticket deutlich wurde: Auch die anwesenden Vertreter von visit Berlin und DEHOGA sind nicht grundsätzlich dagegen. Sie haben natürlich Vorbehalte, und gerade bei der Umsetzung sehen Sie Probleme, jedoch haben sie Gesprächsbereitschaft betont, und da werden wir weiter ansetzen. Berlin sollte neue Wege beschreiten, um die notwendige Verkehrswende voranzubringen. Dazu dient auch dieser

Antrag, der letztendlich für die Verkehrswende bei den Berlinerinnen und Berlinern werben will. – Vielen Dank!

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Vielen Dank! – Für die FDP-Fraktion hat der Kollege Schmidt das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Antrag hat zwei Teile, auf die ich auch eingehen will – einmal den sogenannten autofreien Teil, sodann den sogenannten ticketfreien ÖPNV. Bei dem autofreien Teil geht es Ihnen in erster Linie um restriktive Maßnahmen gegen den Autoverkehr, wenn auch nur an einem einzigen Tag. Das soll aber ja nach Ihrer Intention der Dauerzustand sein. Herr Moritz hat es so schön gesagt: Es geht „noch nicht“ um die Absperrung der ganzen Stadt. – Das ist aber das, worauf Sie eigentlich hinauswollen. Da sollen nicht etwa attraktive Alternativen geboten werden, damit Menschen auf ihr Auto verzichten – das wäre unser Ansatz als Freie Demokraten –, und es soll auch nicht freiwillig aufs Auto verzichtet werden, sondern Sie wollen flächendeckend Straßen sperren, die Sie jetzt beschönigend autofreie Zonen nennen. Sie wollen also die Innenstädte Ost und West absperren, um die Leute zu erziehen.

[Zuruf von Frank-Christian Hansel (AfD)]

Danke für das kleine Lob von Herrn Ronneburg zu unserer pragmatischen Verkehrspolitik! Dass Sie aber zu diesem Vorschlag die Zustimmung der FDP bekommen, können Sie nun wirklich nicht gedacht haben.

[Beifall bei der FDP – Beifall von Frank-Christian Hansel (AfD)]

Das andere Thema ist das sogenannte ticketfreie Fahren. Bei allen Untersuchungen zeigt sich immer wieder, dass der Preis eben nicht so ein wichtiger Faktor für den Umstieg auf den öffentlichen Personennahverkehr ist. In Wien hat man das beim 365-Euro-Ticket gesehen: Der Anteil des ÖPNV ist nicht gestiegen, nachdem der Preis gesenkt wurde. Letztlich begünstigt man mit solchen Preissenkungen nur die, die sowieso schon den ÖPNV nutzen. Es bringt kaum jemanden zum Umstieg. In Luxemburg, das hat der Kollege Buchholz angeführt, hat die Eisenbahnergewerkschaft gegengehalten und darauf hingewiesen, dass der Gratis-ÖPNV überhaupt nichts nutzt, wenn es keinen schienengebundenen ÖPNV gibt – was in Luxemburg in größeren Teilen des Landes der Fall ist – und der Rest des Systems gar nicht mehr Passagiere aufnehmen kann, weil er zu stark ausgelastet ist, was in Berlin natürlich auch schon der Fall ist. Deshalb ist es da keine vernünftige Lösung.

(Harald Moritz)

Die Erfahrungen zeigen auch ganz klar: Wer mehr ÖPNV-Nutzung will, der muss mehr und besseren ÖPNV anbieten. Die Leute steigen nicht um, weil es gratis ist, sondern erst dann, wenn der ÖPNV flächendeckend ist, regelmäßig, schnell, sauber, zuverlässig, flächendeckend barrierefrei – das ist die eigentliche große Baustelle in Berlin.

[Beifall bei der FDP – Beifall von Heiko Melzer (CDU) – Antje Kapek (GRÜNE): Da arbeiten wir dran!]

An dieser Baustelle sieht der Senat verdammt schlecht aus.

Der ÖPNV wurde unter Rot-Rot-Grün nicht besser. Die Beschaffung der U-Bahn verzögert sich inzwischen so, dass wir ernsthaft an der Grenze zur Einstellung ganzer U-Bahnlinien sind.

[Zuruf von Harald Moritz (GRÜNE)]

Die Doppeldeckerbusse sind so stark ausgefallen, dass auf wichtigen Linien jetzt Busse fahren, in denen sich die Leute wie Sardinen drängen. Die E Busse kommen nicht in Gang, und die Ergänzung der Versorgung der Außenbezirke durch den BerlKönig wurde abgewürgt. Man hat den Eindruck, dass der Senat und die Regierungskoalition gar keinen besseren ÖPNV wollen. Sie wollen die Autofahrer ärgern, die Ihr Feindbild sind, aber Ihnen geht es nicht so sehr um den ÖPNV.

[Beifall bei der FDP – Beifall von Stephan Schmidt (CDU)]

Deshalb setzen Sie – – Eine Zwischenfrage!

Dann hat die Kollegin Kapek die Möglichkeit zu einer Zwischenfrage. – Bitte!

Herr Schmidt! Sie haben gerade behauptet, unter RotRot-Grün würde der ÖPNV schlechter werden. Wie erklären Sie sich denn, dass wir alleine mit 28 Milliarden zusätzlichen Investitionen in den ÖPNV eine Offensive gestartet haben, die es in den letzten Legislaturperioden nicht gab? Das passt ja nicht ganz zusammen in Ihrem Bild.

[Florian Kluckert (FDP): Sie mit Ihrer Bildungsoffensive! – Antje Kapek (GRÜNE): Geld!]

Richtig ist, dass die Probleme des Berliner ÖPNV aus der Vergangenheit resultieren, wo CDU, SPD und Linkspartei regiert haben; das ist erst einmal wahr. Aber zu glauben, dass es, wenn man ein Gesetz macht und Mittel

bereitstellt, besser wird, das ist so eine grüne Überzeugung, bei der man auch sieht, dass es nicht funktioniert.

[Antje Kapek (GRÜNE): Wollen Sie das Geld wieder zurückholen, oder was?]

Es ist erst einmal nicht besser geworden.

[Antje Kapek (GRÜNE): Nein, das stimmt nicht!]

Ich hoffe, dass es noch besser wird, derzeit ist es aber so, dass es eben an vielen Stellen erst einmal schlechter wird. Ich habe dazu ja einige Punkte angeführt, und wenn man in Berlin Bus fährt, hat man nicht das Gefühl, dass die Lage besser geworden wäre.

[Antje Kapek (GRÜNE): Wann sind Sie denn das letzte Mal Bus gefahren, Herr Schmidt?]

Gestern! – Und dann kommen Sie beim ticketfreien ÖPNV zur Finanzierung. Herr Buchholz hat alle möglichen Dinge dazu aufgelistet, aber in Ihrem Antrag und in Ihrem Koalitionsvertrag steht etwas anderes. Da steht was von Nahverkehrsabgabe und solidarischer Umlagefinanzierung. Das ist in Wirklichkeit eine Art Zwangsticket. Sie wollen, dass alle zahlen müssen, und zwar nicht nur die Autofahrer, die Sie ärgern wollen, sondern auch die Leute, die nur Rad fahren oder nur zu Fuß gehen. Auch die sollen für den ÖPNV zahlen, obwohl sie jetzt schon umweltfreundlicher unterwegs sind als der ÖPNV selbst. Der ÖPNV wird ja schon mit mehreren Hundert Millionen Euro subventioniert, und auch wenn solche Subventionen natürlich unvermeidlich sind – es gibt keinen nicht subventionierten ÖPNV –, muss das Grenzen haben. Und das ist ein Gebot der Fairness, dass es eben eine gleichmäßige Belastung gibt. Es profitieren davon wieder hauptsächlich die, die sowieso schon ÖPNV fahren und sich auch jetzt schon eine Jahreskarte leisten. Die haben übrigens auch nichts von Ihrem einen freien Tag, weil die Leute, die schon ein Jahresticket haben, sowieso schon bezahlt haben. Da das mit Abstand der größte Teil der gesamten BVG-Nutzer ist, ist der Vorteil für die anderen nicht so schrecklich groß.

[Beifall bei der FDP]

Also beide Teile des Antrages, sowohl die Straßensperrung in der Innenstadt als auch der Einstieg in die Finanzierung eines Zwangstickets ist etwas, was wir als Freie Demokraten für falsch halten. Und deshalb werden wir diesen Antrag aus unserer verkehrspolitischen Überzeugung heraus auch ablehnen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der FDP]

Vielen Dank, Herr Kollege! – Zu diesem Tagesordnungspunkt hat der fraktionslose Abgeordnete Wild gemäß § 64 Abs. 2 der Geschäftsordnung einen Redebeitrag angemeldet. Die Redezeit beträgt wie immer bis zu drei Minuten. – Sie haben das Wort, Herr Abgeordneter!

(Henner Schmidt)

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Als 1963 Geborener kann ich mich an die autofreien Tage infolge der Ölkrise erinnern. Im Unterschied zu den Plänen der rot-mauerrot-grünen Wolkenkuckucksregierung fanden die autofreien Tage an Sonntagen statt. Fällt Ihnen was auf? – Sonntags arbeitet die Mehrheit in Deutschland nicht. Ein autofreier Dienstag passt in das Schema von Fridays for Future. Ohne Auto kann manche Mutter nicht einkaufen und fast alle Handwerker können nicht arbeiten. Ausfälle an Arbeitstagen müssen auf einzelne Feier- und Trauertage beschränkt sein. Jeder Ausfall lässt unsere Wirtschaft zur Ader.

Die kostenlose Beförderung im Netz der BVG führt zu einem Schaden durch Mindereinnahmen von 1,22 Millionen Euro, welche der Berliner zu schultern hat. Zur Erläuterung für die Sorgenfreien hier in diesem Hause: Für 1,22 Millionen Euro müssen zehn Arbeiter sieben Jahre lang arbeiten. Glauben Sie, dass ein Tag BVG-Freifahrt zu nachhaltigen Verhaltensänderungen führen wird? – Das kommunistische Albanien hatte diese Errungenschaft schon in den Siebzigerjahren, Luxemburg hat sie seit ein paar Tagen. Albanien war allerdings ein kommunistisches Gemeinwesen, Luxemburg hat im Unterschied zu Berlin üppige Finanzmittel. Sie stimmen mir sicher zu: Berlin steht dank seiner wirtschaftlichen Verfassung nach jahrzehntelanger linker Regierung eher neben Albanien als neben Luxemburg.

Im Fall von Berlin fragt sich: Wer soll das bezahlen? – Dieser Antrag sieht so aus, als ob er von einem Grünen geschrieben, von den linken Funktionären kritisch beäugt und als planwirtschaftlich genug befunden und von der SPD aus Koalitionsgründen abgenickt wurde. Der Linke und der Grüne wollen sich des Lohns der fleißigen Arbeiter, des Gehalts von Angestellten und der Einnahmen von Unternehmen durch hohe Steuern bemächtigen und davon ihre sozial utopischen Projekte finanzieren. Er schöpft selbst keine Werte, denn das sollen andere für ihn machen, im Gegenteil, was er auch anfasst, Verkehr, Bildung, Familienpolitik, er hinterlässt ein dysfunktionales System von Planung und Freiheitseinschränkungen. Ein autofreier Kurfürstendamm ist doch eine ziemlich eigenartige Idee.

[Zuruf von Daniel Buchholz (SPD)]

Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass es Ihnen eigentlich um einen Verkehrsinfarkt geht. Deshalb werden im Osten Berlins keine U-Bahnen gebaut, deshalb werden Straßen verengt und Parkplätze gestrichen. So wie die Antifa durch Brände an Kabelschächten die S-Bahn lahmlegt, legt Rot-Mauerrot-Grün den Verkehr lahm, nach dem Motto: Alle Räder stehen still, wenn dein starker Arm es will. – Damit war aber eigentlich nicht eine Regierung gemeint.

[Lachen bei der LINKEN]

Der Gedanke kostenloser öffentlicher Verkehrsmittel hat auch in Berlin einen gewissen Reiz, so wie Freibier einen gewissen Reiz hat. – Danke!

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Vorgeschlagen wird die Überweisung des Antrags – federführend – an den Ausschuss für Umwelt, Verkehr, Klimaschutz und mitberatend an den Ausschuss für Wirtschaft, Energie, Betriebe sowie an den Hauptausschuss. – Widerspruch hierzu höre ich nicht. Dann verfahren wir so.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 4.2:

Priorität der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen

Tagesordnungspunkt 31

Medienstandort Berlin-Brandenburg – ein vielfältiger Rundfunkrat für Berlin/Brandenburg

Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion Die Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 18/2516

In der Beratung beginnt der Kollege Schweikhardt für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. – Bitte schön!

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Werte Anwesende! Der öffentlich-rechtliche Rundfunk Berlin-Brandenburg hat für Bündnis 90/Die Grünen Priorität. Wir bekennen uns ganz klar zum Auftrag des RBB. In § 3 des RBB-Staatsvertrags ist geregelt, dass er der Information und Bildung, der Beratung und Unterhaltung dient und einen kulturellen Auftrag erfüllt. Damit trägt er zur freien Meinungsbildung bei und stellt sicher, dass die Vielfalt der bestehenden Meinungen ausgewogen und angemessen Ausdruck findet. Der RBB bietet einen objektiven und umfassenden Überblick über das internationale, europäische, bundesweite, länderbezogene und regionale Geschehen in allen wichtigen politischen, sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Fragen. Der RBB trägt zur Zusammengehörigkeit im vereinten Deutschland, zur Förderung der gesamtgesellschaftlichen nationalen und europäischen Integration in Frieden und Freiheit und zur Völkerverständigung bei. Ich kann verstehen, dass es jetzt rechts außen ein bisschen unruhig wird. Der RBB ist genau das Gegenteil der AfD.

[Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]