Und die Digitalisierung – nichts von dem, was Sie hier fordern, lieber Herr Stettner, ist nicht schon auf dem Weg. Ja, manches hätte schneller gehen können. Aber was wir im Moment lernen, in der Hoffnung, dass die Krise den Blick schärft, ist, dass, um zum Beispiel beim Breitband schneller zu sein, jemand da wäre, der dieses Behördenzuständigkeitswirrwarr durchschaut und gegebenenfalls reformiert – oder die Gesetze, wie Frau Czyborra gesagt hat, aber dafür reichen offensichtlich auch nicht die Osterferien.
Vielen Dank, Frau Remlinger! – Dazu fallen mir ganz viele Fragen ein, aber ich darf ja nur eine stellen. Glauben Sie, dass die Fachgemeinschaft Bau, die sehr viele Handwerksbetriebe vertritt, mit ihrer Aussage, dass das genau die richtigen Maßnahmen sind, und auch Bezirksämter, die ich gefragt habe, ob die Volumina für die Ausschreibungen erhöht werden sollten, alle gelogen haben?
Lieber Herr Stettner! Ich rede auch gerne mal wieder mit der Fachgemeinschaft Bau. Wir haben uns schon öfter
unterhalten, übrigens auch über Frauenförderpläne und Ähnliches. Aber ich bin mir sicher, wenn ich die Fachgemeinschaft Bau anrufe und frage, wenn sie jetzt von der Verwaltung Aufträge bekäme, die legal vergeben sind – – Übrigens wäre ein kleiner Antikorruptionsgedanke bei der FDP auch mal ganz schick, zum Thema freihändige Vergabe und so. Wenn Sie glauben, die könnten jetzt alle ihre Auftragsbücher von heute auf morgen über den Haufen werfen, so wie die Verwaltungen ihre Aufträge von heute auf morgen über den Haufen werfen können, dann glaube ich in der Tat, dass Sie sich da geschnitten haben.
Ich möchte die Gelegenheit, hier zu dem Antrag sprechen zu können, nutzen, dem Team des Lernraums Berlin in der Tat ein großes Kompliment zu machen. Sie haben buchstäblich über Nacht ein Dornröschen aus dem Schlaf geweckt und sind bereits jetzt in der Lage, potenziell alle Berliner Schulen, all die mehreren Hunderttausend Schülerinnen und Schüler und ihre Familien im Lernraum Berlin zu versorgen. Ja, ihr Team braucht weitere Verstärkung. Ja, sie brauchen mehr First-Level-Support und vielleicht auch die eine oder andere Gesetzesanpassung. Aber auch so vielen Dank! Das war bisher schon eine großartige Leistung.
Frau Kollegin! Ich darf Sie fragen, ob Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Czaja zulassen, falls er sie noch stellen will. Das ist im Moment nicht erkennbar.
Jede Krise hat ihre Chancen, und dass die Coronakrise den Blick darauf schärft, was genau wir für das Lernen im digitalen Zeitalter brauchen, gehört auch zu den Chancen. Wenn ich in der Fragestunde nach denen gefragt habe, die wir mit den digitalen Techniken nicht erreichen, dann ging es nicht um die Verfügbarkeit von technischen Geräten, von Endgeräten und Druckern. Digitalisierung hat ihre Grenzen, wo sie nicht mit analogen Lernabläufen verschränkt wird. Lernen ist im Kern soziale Beziehung. Bildung kann ohne den Kontakt, ohne soziales Gefüge, ohne Interaktion mit anderen nicht funktionieren. Auch dafür muss die Krise den Blick schärfen. Nicht umsonst ist heute Konsens, dass es in Schulen um Bildung und Erziehung geht und dass Sozialarbeit dazugehört. Damit haben nicht nur jene Pädagoginnen und Pädagogen Erfahrung, die viel mit dysfunktional Familien arbeiten. Nein, die Bedeutung von Pädagoginnen und Pädagogen wird
jetzt überall deutlich, wenn in vielen Familien die Eltern im Homeoffice und die Kinder im Homeschooling sind. Auch das kann man als Chance sehen: Aus der Krise und dem derzeitigen Stress und Chaos zu Hause erwächst hoffentlich ein neuer Respekt für die Leistung von Lehrkräften, Erzieherinnen und Erziehern und allen anderen, die zum Team Schule gehören,
ein neues Verständnis für die Notwendigkeit, die jeweiligen Rollen klar definiert zu haben, da zu sein, zu begleiten, den ganzen Tag, die ganze Woche zu strukturieren, zu rhythmisieren, für Abwechslung ebenso zu sorgen wie für Ruhe und Konzentration, für Bewegung und vor allem auch dafür, die entscheidende Frage zu lösen: Wie lässt sich Motivation zum Lernen wecken, aufrechterhalten und immer wieder neu befeuern?
An der Stelle möchte ich besonders eben jenen Erzieherinnen und Erziehern danken, die derzeit die Notbetreuung machen und den Gedanken äußern, dass ich es traurig finde, dass ausschließlich Erzieherinnen die Notbetreuung machen. Ich möchte mich bei der Liga der Wohlfahrtsverbände bedanken, dass sie in diesen Zeiten rund um die Weiterfinanzierung die Arbeitsmotivation und das Durchhaltevermögen der Erzieherinnen und Träger hochgehalten haben.
Alle, die spüren, dass kein Telefonat, keine Videokonferenz und schon gar kein Twitterthread, keine Signal-, Telegram-, Threema-, Facebook- oder sonstige Kurznachricht
für all das, was jenseits der verbalen Kommunikation und jenseits des formalen Stofflernens abläuft –
vielleicht gehen wir einmal spazieren, Herr Czaja, dann verstehen wir uns vielleicht besser, da kann man sich dann in Ruhe unterhalten –,
all jene können sich hoffentlich in die Situation hineinfühlen und ermessen, was für eine Bildungskatastrophe die Schulschließungen sein können, wenn sie lange andauern.
Die Digitalisierung ist toll, und sie kann gleichzeitig zur brutalstmöglichen sozialen Spaltung führen. Die Schul
schließungen treffen wieder einmal die Schwächsten am meisten. Ich halte Bildung und Erziehung unserer Schülerinnen und Schüler, und insbesondere der schwächsten, für systemrelevant. Dieser Frage werden wir uns spätestens nach Ostern noch einmal neu zuwenden müssen. – Werte Kolleginnen und Kollegen! Nutzen Sie die Osterferien! Bleiben Sie bitte alle gesund, erholen Sie sich ein bisschen! Das werden harte Debatten werden. – Vielen Dank!
Vielen Dank! – Wenn Sie beide spazieren gehen, trotzdem Abstand halten, aus gesundheitlichen Gründen und damit mein Weltbild erhalten bleibt!
Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Die Fraktion der CDU hat die sofortige Abstimmung beantragt. Wer den Antrag der Fraktion der CDU auf Drucksache 18/2593, „Osterferien nutzen: Jetzt investieren und regionale Handwerksbetriebe durch Aufträge in Schulen und Kitas unterstützen!“, annehmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. –
Das sind CDU und FDP. Gegenstimmen? – Das sind die Koalitionsfraktionen. Enthaltungen? – Bei AfD und dem fraktionslosen Abgeordneten. Damit ist der Antrag abgelehnt.
Der Dringlichkeit hatten Sie eingangs bereits zugestimmt. Ich eröffne die zweite Lesung der Gesetzesvorlage. Ich rufe auf: die Überschrift, die Einleitung, die Artikel 1 bis 6 und schlage vor, die Beratung der Einzelbestimmungen miteinander zu verbinden. – Widerspruch höre ich dazu nicht. In der Beratung beginnt die Fraktion Die Linke. – Frau Abgeordnete Schubert! Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Öffentliches Geld nur für gute Arbeit, nur für Fairtrade, nur für ökologische Nachhaltigkeit – so will es unser Koalitionsvertrag, und so ist es wirtschafts- und gesellschaftspolitisch vernünftig.
[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN – Frank-Christian Hansel (AfD): Da haben Sie heute Morgen etwas anderes gesagt!]
Die öffentliche Hand muss in ihren Vergaben ihrer Vorbildfunktion gerecht werden, gerecht handeln und Lohndumping, Ausbeutungsverhältnisse und Naturzerstörung mit ihren Ausschreibungsbedingungen ausschließen. Es darf nicht allein der Preis sein, der für öffentliche Vergaben zählt. Deshalb ist uns der Vergabemindestlohn sehr wichtig – das haben wir ausführlich diskutiert, deswegen begründe ich das nicht noch einmal –, wir haben ihn synchron mit dem Landesmindestlohn ausgelegt.
Genauso wichtig ist uns die Tariftreueregelung. Schon 2008 ist Berlin mit seinen Tariftreueregeln vorangegangen, bis das durch das sogenannte Rüffert-Urteil gekippt wurde. Damals herrschte noch die neoliberale Wettbewerbsdoktrin, die Tariftreue als Wettbewerbsverhinderung denunzierte. Die EU hat diese Politik mit der Entsenderichtlinie 2018 zum Glück korrigiert, sodass wir jetzt eine gute Tariftreueregelung aufnehmen konnten. Es kommen nun nicht nur allgemeinverbindliche Tarifverträge zur Anwendung, sondern auch der Tarifvertrag, der für die betreffende Branche repräsentativ und anwendbar ist. Das gilt auch für Auftragnehmer mit Sitz im Ausland, was zentral wichtig ist für EU-weite Ausschreibungen. Wir haben damit gerade viel Erfahrung – ich bin ja auch flüchtlingspolitische Sprecherin –, wenn eine Unterkunft europaweit ausgeschrieben werden muss. Dabei nehmen wir Qualitätskriterien genauso wichtig wie andere Kriterien. Warum ist uns das so wichtig? – Die Zahl tarifgebundener Unternehmen in Berlin hat in den letzten Jahren dramatisch abgenommen, und zwar zulasten der Beschäftigten. Wir möchten mit dieser Tariftreueregel und den damit verbundenen Anreizwirkungen mehr Unternehmen dazu bewegen, sich wieder – oder neu – in einen tariffähigen Arbeitgeberverband zu begeben. Tarifflucht ist dann nämlich bei öffentlichen Aufträgen kein Wettbewerbsvorteil mehr.