Mit dem von der damaligen Koalition aus SPD und CDU 2012 im Rahmen der Einführung des BerlAVG gefassten Beschluss für eine Wertgrenze ab 10 000 Euro ist jedoch die Wirksamkeit der fortschrittlichen ökologischen Kriterien nicht voll zum Zuge gekommen. Erst ab einem geschätzten Auftragswert oberhalb dieser Grenze waren die Kriterien für umweltverträgliche Beschaffung bzw. die Verwaltungsvorschrift für ökologische Beschaffung – VwVBU – anzuwenden – für mich schon 2012 Grund genug, gegen den Beschluss des Gesetzes im Parlament zu stimmen.
Nach dem Beschluss des Gesetzes hat sich 2012 die Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz unter dem damaligen Senator Michael Müller selbst dazu verpflichtet, die VwVBU bereits ab einem geschätzten Auftragswert von 500 Euro anzuwenden. Andere öffentliche Beschaffungsstellen auf Landes- und Bezirksebene folgten. Negative Auswirkungen dieser Selbstverpflichtungen sind nicht bekannt geworden.
Die mit Berlin gut vergleichbaren Stadtstaaten Hamburg und Bremen zeigen ebenfalls, dass niedrigere Wertgrenzen für die umweltfreundliche Beschaffung zielführend und unbürokratisch möglich sind. Hamburg wendet nach meiner Kenntnis seit 2016 für die umweltverträgliche Beschaffung eine Wertgrenze von 1 000 Euro für Liefer- und Dienstleistungen an. Bremen hat bei der umweltverträglichen Beschaffung keine Wertgrenze vorgegeben, so dass das dortige Regelwerk grundsätzlich bei allen Beschaffungsvorgängen zur Anwendung kommt. Außerdem wenden Bundesressorts u.a. für die umweltverträgliche Beschaffung von Holz aus nachhaltiger Waldwirtschaft eine Wertgrenze von 2 000 Euro an.
So wird mit dem aktuellen Gesetzesbeschluss der Fehler einer zu hohen Wertgrenze nun ausgerechnet unter einer rot-rot-grünen Landesregierung fortgesetzt und die Wirksamkeit des innovativen und weitgehenden Vergabegesetzes in Bezug auf ökologische Beschaffung unnötig geschmälert. Im Gegenteil gilt nun für Aufträge über Bauleistungen mit einem geschätzten Auftragswert von 50 000 Euro eine fünffach höhere Wertgrenze, während es für alle öffentlichen Aufträge über Liefer- und Dienstleistungen bei einer Wertgrenze in Höhe von 10 000 Euro bleibt.
Der vielleicht deutlichste Beitrag zur Senkung bürokratischer Lasten ist die Anhebung und Vereinheitlichung der Wertgrenzen, ab denen das Gesetz Anwendung findet.
Drucksache 18/2538. Diese Aussage basiert auf nicht mehr zutreffenden Sachverhalten. Ein hoher Beitrag zur Entbürokratisierung bei der umweltverträglichen Beschaffung wurde in Berlin bereits 2018 geleistet, in dem das bisherige Nachweisverfahren mit der aktuellen Verwaltungsvorschrift für umweltfreundliche Beschaffung – VwVBU – deutlich vereinfacht wurde.
Die Regelungen der neuen VwVBU erleichtern Beschaffungsvorgänge erheblich, weil größtenteils lediglich ein allgemein anerkanntes Gütezeichen – z. B. Blauer Engel, FSC-Zertifikat – sowohl in die Leistungsbeschreibung aufzunehmen ist, als auch mit der Vorlage dieser Zeichen die Einhaltung der geforderten Umweltschutzanforderungen schnell und unbürokratisch belegt werden kann. Ausführliche fachtechnische und damit teilweise schwer verständliche Beschreibungen oder Begutachtungen sind obsolet geworden.
Der Einkauf eines energiesparenden Kühlschranks mit dem Label A+++ ist für jede Privatperson schnell und ohne Vorkenntnisse möglich, aber für Berliner Behörden eine „bürokratische Last“? Plötzlich ist es vertretbar, dass ein öffentliches Gebäude für 40 000 Euro neue Fenster erhält, die aus einer nicht nachhaltigen Forstwirtschaft stammen, mit umweltschädlichen Lacken behandelt sind und der Hersteller nicht mal den Mindestlohn bezahlt? Geleaste Dienstwagen dürfen hohe CO2-Emissionen verursachen oder sogar echte Dreckschleudern sein, weil der jährliche Auftragswert für Leasingverträge unter 10 000 Euro liegt? Für mich ist das absurd!
Die Gesetzesvorlage passt auch nicht zu den im DIW Wochenbericht 51 und 52/2019 veröffentlichten Erkenntnissen, wonach Klimakriterien in der öffentlichen Beschaffung ein hohes Gewicht für die Treibhausgasreduzierung haben.
Der heutige Beschluss des Abgeordnetenhauses steht bezüglich der Wertgrenzen klar im Widerspruch zur Koalitionsvereinbarung von 2016 sowie den Richtlinien der Regierungspolitik. In beiden Texten haben sich die Koalitionsparteien sowie Senat und Abgeordnetenhaus gleichlautend verpflichtet:
In Zeiten der vom Berliner Senat und dem Berliner Abgeordnetenhaus erst vor wenigen Wochen anerkannten Klimanotlage ist eine solche Rolle rückwärts zu Lasten von Umwelt und Klima für mich nicht akzeptabel. Auch werden die Vorgaben des Berliner Energiewendegesetzes unterlaufen, wonach die Verwaltung bis 2030 zur klimaneutralen Verwaltung, hier: klimaneutrale Beschaffung, umzubauen ist. Die unnötig hohen Wertgrenzen für die Umsetzung einer umweltverträglichen Beschaffung sehe ich als unvereinbar mit den Berliner Klimazielen an und habe der Beschlussvorlage daher nicht zugestimmt.
Ich stimme heute bewusst anders ab als meine Fraktion, da ich die unnötig hohen Wertgrenzen im Rahmen der Neufassung des Ausschreibungs- und Vergabegesetzes als schwer vereinbar mit den Zielen ökologischer Politik ansehe und habe mich bei der Beschlussvorlage enthalten.
Die Koalition hat sich auf die Absenkung der Wertgrenzen „auf ein wirksames Maß“ verpflichtet und gleichzeitig mit der erlassenen Verwaltungsvorschrift Beschaffung und Umwelt – VwV-BU – für viele Produkte eine unbürokratische ökologische Beschaffung ermöglicht. Ein Anheben der Wertgrenzen, ab denen überhaupt erst öko
logisch, fair und sozial beschafft werden muss, widerspricht diesen Ansätzen, dem Klimaschutz sowie den in dieser Legislatur auf meine Initiative beschlossenen Leitbildern „Zero Waste City“ und „Fair Trade Town“.
Als Sprecher für fairen Handel und für Umweltschutz der grünen Fraktion kann ich es nicht mit meinem Gewissen vereinbaren, diesem Gesetz heute zuzustimmen. Ich werde mich im Zuge der nun gesetzlich verankerten Novellierung im Jahr 2022 für eine neue Regelung stark machen, welche unserer Berliner Verantwortung für Klima- und Umweltschutz sowie fairen Handel gerecht wird.
Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion Die Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 18/2552
In der Beratung beginnt die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. – Herr Abgeordneter Moritz, Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Manchmal ist es schon erstaunlich, dass Dinge, die auf schier unüberwindliche Hindernisse gestoßen sind, auf einmal ganz schnell gehen können, anscheinend fast im Konsens beschlossen werden. Bei dem Ziel des vorliegenden Antrags waren wir uns in der Koalition schnell einig, aber es gab viele Aspekte zu berücksichtigen. Deshalb dauerte es eine Weile, bis wir zur vorliegenden Fassung gekommen sind. Aber endlich, beim letzten Plenum, stand der Antrag auf der Tagesordnung. Gestern konnte ich mit Freude die Pressemitteilung der Finanzverwaltung lesen, Beschäftigte des Landes Berlin sollen auf Dienstreisen im Inland künftig die Bahn nutzen.
Da kann man klatschen. – Ich gehe davon aus, dass es kein Aprilscherz war, deshalb möchte ich mit Erlaubnis des Präsidenten den Finanzsenator aus der Pressemitteilung zitieren:
Der Verzicht auf Flüge im Inland, zu dem wir derzeit aufgrund der Coronakrise gezwungen sind, stellt grundsätzlich einen ganz wichtigen Beitrag zum Umwelt- und Klimaschutz dar. Ob Schadstoffe oder Lärm, wir reduzieren mit dem künftigen Umstieg auf die Bahn bei Dienstreisen in Deutschland massiv die Emissionen. Die Bahn ist
Soweit das Zitat. – Richtig, recht hat der Finanzsenator. Ich freue mich, dass in seiner Verwaltung künftig vielleicht maximal noch eine Hand voll von Flügen stattfinden werden. Wir alle wissen, Fliegen ist die klimaschädlichste Art, sich fortzubewegen.
Ein Flug von Berlin nach Köln verursacht pro Person 300 kg CO2, bei der gleichen Strecke mit dem ICE sind es nur 30 kg. Neben dem CO2 werden aber beim Fliegen auch Stickoxide, Aerosole und Wasserdampf ausgestoßen, die in großer Höhe nur langsam abgebaut werden. Daher ist die Treibhauswirkung des Fliegens insgesamt zwei- bis fünfmal höher als die alleinige Wirkung des ausgestoßenen CO2.
2019 wurden über 3 600 Dienstreisen der Berliner Verwaltung mit dem Flugzeug unternommen. 54 Prozent davon waren innerdeutsche Flüge, Flüge, die sich vermeiden lassen, weil sie auch mit der Bahn gemacht werden können. Nun kommt also die positive Nachricht aus der Finanzverwaltung. Sie geht zurück auf das Klimaschutzprogramm des Bundes und die beabsichtigte Änderung des Bundesreisekostengesetzes und deren Verwaltungsvorschrift. Damit soll die Pflicht, immer das preisgünstigste Angebot zu nutzen, das war oftmals der Billigflieger und nicht die Bahn, wegfallen. Aber die Entscheidungshoheit über die Wahl des Verkehrsmittels liegt weiterhin bei den Dienstbehörden, so die Pressemitteilung. Daher bleibt unser Antrag weiterhin wichtig, denn wir wollen, dass in allen Verwaltungen und nachgeordneten Behörden, aber auch in den Bereichen der Politik, entsprechende Auflagen in die Anordnung zu Dienstreisen aufgenommen werden.
Wir alle machen dieser Tage Erfahrungen mit Telefon- und Videokonferenzen und erleben, es ist gewöhnungsbedürftig, aber es ist möglich und kann tatsächliche Präsenzsitzungen ersetzen. Deshalb soll auch, so der Antrag, immer vor Dienstreisen geprüft werden, ob es nicht Alternativen zu Dienstreisen gibt. Das wird nicht immer möglich sein, aber einige Reisen wird auch diese Kommunikationsform ersetzen können, was neben Einsparen von Ressourcen und Emissionen, auch Arbeitszeit sparen kann.
Es soll auch nicht unerwähnt bleiben, dass uns das BEK verpflichtet, den innerdeutschen Luftverkehr auf die Bahn zu verlagern. Lassen Sie uns alle Verantwortung übernehmen, mit gutem Beispiel vorangehen und unser Mobilitätsverhalten und das der Verwaltung in Zukunft ökologischer gestalten. – Danke!
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Für die Kollegen von der FDP-Fraktion, das ist heute mein zweiter Wortbeitrag, damit das jetzt da auch klar ist.
Erst habe ich mich gefragt, warum das heute Priorität der Grünen in unserer Sitzung ist, die sich doch auf das Wesentliche beschränkt.
Aber der Kollege Moritz hat es erklärt, es ist der Koalition gelungen, sich mal wieder gemeinsam auf einen Antrag zu verständigen, und das muss natürlich Priorität haben. Dafür habe ich natürlich Verständnis.
Selbst der Kollege Albers freut sich darüber. Im Kern ist es aber ein ganz schöner Misstrauensantrag gegen Ihren eigenen Senat, das muss man auch mal festhalten. Wir hatten in unserer Naivität gedacht: Diese tolle Koalitionsvereinbarung von Rot-Rot-Grün, wenn man da mal was reinschreibt, dann hält man sich daran natürlich im Senat, dann macht man das: weniger fliegen, mehr Bahnfahren. Das muss doch selbstverständlich sein. Aber nein, wir hören hier gerade: Erstens, ganz wichtige Aufgabe, Senat setzt nicht um, obwohl alles Rot-Rot-Grün ist, deswegen brauchen wir so einen Antrag. Der war aber offensichtlich auch nicht so einfach zu zimmern, deswegen hat man lange gebraucht. Und nachdem man ihn hatte, ist es immerhin eine Priorität geworden. Das ist ein großer Meilenstein im Bereich der Umweltpolitik, die Sie hier feiern, meine sehr verehrten Damen und Herren von RotRot-Grün!
Dazu steht offensichtlich eine Meldung von heute im Widerspruch, dass es eine Studie gibt, dass der Fahrzeugverkehr in Berlin seit der Coronakrise deutlich zurückgegangen ist, aber die Luft nicht sauberer geworden ist. Woran das nun wieder liegt?
Offensichtlich haben die Maßnahmen, die Sie hier vorschlagen, noch einmal andere Gründe, die Sie möglicherweise gar nicht in Ihrer entsprechenden Politik bisher begründet haben.