Protokoll der Sitzung vom 02.04.2020

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD, der CDU, der LINKEN und der FDP]

Ich wollte noch kurz ausführen, wie sich die Situation in den unterschiedlichen Bereichen darstellt: Bei der S-Bahn haben wir kaum Ausfälle. Wir haben einige Verstärkerzüge herausgenommen, aber ansonsten ist es Alltagsgeschäft. Bei der Regionalbahn sieht es genauso aus. Wir haben nicht reduziert. Bei der BVG wurden aufgrund der erhöhten Krankenstände und des Fahrgastrückgangs einige Linien ausgedünnt. Wir sind mit der BVG täglich im Gespräch, was gemacht werden kann. Wir haben einige Busse herausgenommen. Bei den Trams sehen wir stabile Fahrten. Am kritischsten hat sich – das wurde ja auch in der Öffentlichkeit so reflektiert – der U-Bahnbetrieb auf einigen Strecken gezeigt. Da wurden, sobald sich der Krankenstand verändert hatte, auch wieder Verstärkerzüge eingesetzt. So wird täglich geprüft und evaluiert. Die BVG schickte auch Beobachter auf die Bahnhöfe, um zu prüfen: Wie stellt sich die Situation dar? Man muss aber auch sehen – da werden jetzt Durchsagen aufgesetzt –, dass sich die Fahrgäste nicht in den Zügen verteilen. Teilweise sind Abschnitte ganz leer, und teilweise sind die Fahrgäste dann auf einem geringen Raum konzentriert. Da versuchen wir jetzt auch gegenzusteuern.

Mich hat auch die Frage erreicht, wie gereinigt wird. Es wird mehr gereinigt. Die Haltegriffe etc. werden häufiger gereinigt. Die S-Bahn öffnet ihre Türen zentral. Das wird bei der BVG in den Zügen, in denen es möglich ist, auch gemacht. Bei der Tram macht man es nicht, weil sich die Leute angewöhnt haben, sich an die Türen zu lehnen. Das heißt, die würden dann rausfallen. Deshalb hat man davon abgesehen und rät dann eher, mit Taschentüchern die Taster zu bedienen.

Die erste Nachfrage geht an Herrn Moritz.

Danke, Herr Präsident! – Erst einmal vielen Dank für die Ausführungen! Meine Anschlussfrage wäre: Ist auch vorgesehen – der Berlkönig hat ja jetzt sein Einsatzgebiet verändert –, das Taxigewerbe in die Angebote des ÖPNV einzubeziehen oder eine Art Sonderdienst, z. B. für das medizinische Personal, anzubieten? Von München war jetzt Ähnliches zu hören.

Bitte schön, Frau Senatorin!

Wir haben dazu noch keine Beschlüsse gefasst, aber mein Haus arbeitet an solch einem Konzept, dass wir, wenn man sieht, dass sich die Situation dramatisch verschärft – gerade für Menschen, die in der Pflege, im gesundheitlichen Bereich arbeiten – und dort Unterstützung not

(Senatorin Sandra Scheeres)

wendig ist, gegebenenfalls sehr schnell genau so etwas zur Verfügung stellen können. Da stehen noch Gespräche aus, aber die Überlegungen sind schon sehr weit gereift.

Jetzt hat Herr Zeelen das Wort. – Bitte schön!

Vielen Dank! – Ich möchte gerne zur Desinfektion im ÖPNV konkretere Zahlen wissen und frage deshalb: In welchen Intervallen wird wann und wo was genau gereinigt?

Natürlich kann ich Ihnen jetzt nicht sagen, ob das stündlich oder in anderen Intervallen passiert. Uns wurde gesagt, dass alle Züge deutlich häufiger gereinigt werden, dass die S-Bahn, soweit Desinfektionsmittel vorhanden sind, auch desinfiziert. Wir wissen, dass das Virus durch eine Seifenlauge zerstört wird und deshalb eigentlich auch eine Reinigung mit normaler Seife ausreichend ist. Das macht die BVG. Sie hat auch hier ihre Intervalle deutlich verkürzt. Wenn Sie dazu Zahlen haben wollen, können wir die nachliefern.

Danke schön!

Dann kommen wir jetzt zu AfD-Fraktion. – Herr Vallendar!

Danke, Herr Präsident! – Wie passen öffentliche Erklärungen des Justizsenators zusammen, Flüchtlinge aus Griechenland einfliegen zu lassen und in Sammelunterkünften unterbringen zu wollen, und gleichzeitig zur Coronaprävention Verurteilte nicht in Gefängnisse einzuliefern oder zu entlassen, und wo leitet der Justizsenator seine Zuständigkeit für Ersteres her?

Herr Senator Behrendt!

Danke schön, Präsident! – Herr Abgeordneter! Das gibt mir Gelegenheit, Ihnen darzustellen, wie wir in den Gefängnissen verfahren. Sie haben ja danach gefragt. Wir haben, weil wir davon ausgehen müssen, dass wir die Gefängnisse nicht dauerhaft von Corona freihalten können, denn es gab zu viele Menschen – unsere Mitarbei

tenden, Besucher und freie Träger –, die dort hinein- und hinausgegangen sind, gesagt: Wir müssen das einschränken, und wir müssen uns auch auf unser Kerngeschäft beschränken. Wir können nicht so viele – die Gefahr ist zu groß – beispielsweise neue Ersatzfreiheitsstrafen in die Anstalten aufnehmen. Das sind ja die Menschen, die ihre Geldstrafe nicht bezahlen konnten. Deren Vollstreckung haben wir jetzt aufgeschoben. Interessanterweise sind alle anderen Bundesländer auf sehr ähnliche Ideen gekommen. Sie können das gerne falsch finden, aber ich halte es zum Schutz der anderen Gefangenen und unserer Mitarbeitenden für völlig richtig – die Ersatzfreiheitsstrafen sind bei uns im Schnitt 30 Tage; da ist also eine sehr hohe Fluktuation –, das erst einmal aufzuschieben. Auch die Gefahr durch die Vollstreckung kurzer Freiheitsstrafen wollen wir aus den Gefängnissen verbannen und haben gesagt: Das schieben wir um drei Monate auf. Wir nehmen nur noch Gefangene, die schon in der Untersuchungshaft sind, die wir dann, wenn sie verurteilt werden, in die Strafhaft übernehmen, um hier den Personalverkehr einzuschränken.

Wir haben uns dann schweren Herzens auch entschieden, keine Besuche mehr ohne Trennscheibe zuzulassen. Das ist ein sehr harter Einschnitt. Die Gefangenen haben einen gesetzlichen Anspruch auf Besuch. Aber auch das hielten wir in der jetzigen Situation für nicht verantwortbar. Wir haben mit Telio – das ist der Telefonanbieter – eine Regelung getroffen, dass die Gefangenen mehr telefonieren können, um den Kontakt zu ihren Angehörigen – sie machen sich auch Sorgen – aufrechterhalten zu können. Sie wollen auch wissen, was draußen los ist.

Wir sind auch dabei, Videotelefonie jetzt schnell aufzubauen, denn wir wissen aus Italien, der Schritt, keine Besuche mehr zuzulassen, hat dort zu gewalttätigen Aufständen in den Gefängnissen geführt, wo es auch Tote gegeben hat. Das gilt es natürlich zu vermeiden. Bisher ist das aber – wir haben das seit letzter Woche – akzeptiert worden. Das sind die wesentlichen Maßnahmen. Die freien Träger machen auch keine Angebote.

Wir haben zudem die Sportaktivitäten, wo die Gefangenen nicht 1,5 Meter Abstand halten können, eingeschränkt. Also Gruppensportangebote, Einzelsportangebote gibt es weiter. Die gesetzliche Freistunde gibt es ebenfalls weiter. Wir haben auch die eine oder andere Arbeitstätigkeit eingeschränkt, wo es in den Werkstätten nicht möglich ist, den Sicherheitsabstand einzuhalten.

Darüber hinaus hielten wir den Jugendarrest – den betreiben wir zusammen mit Brandenburg – für entbehrlich. Dort sind die Jugendlichen ja in der Regel nur für ein Wochenende oder ein paar Tage. Das kann man auch in zwei, drei Monaten vollstrecken. – Das sind die Maßnahmen.

(Senatorin Regine Günther)

Damit haben wir auch eine Personalreserve geschaffen. Die Kollegen, die in den Bereichen gearbeitet haben, müssen damit rechnen, wenn es zu Coronafällen in den Berliner Gefängnissen kommen sollte – wir werden das vermutlich nicht hundertprozentig verhindern können –, dass uns die Gesundheitsämter womöglich ganze Schichten von Bediensteten sperren und in Quarantäne schicken. Und dafür brauchen wir dann – wir müssen ja das Geschäft aufrechterhalten, wir können die Gefangenen ja nicht alleine lassen – eine Personalreserve, die wir jetzt aufgebaut haben.

Das halte ich auch weiterhin für die richtige Maßnahme, dass wir uns auf das Kerngeschäft konzentrieren, die Untersuchungshaft, die dann eben überstellt werden in den Vollzug. Neue Gefangene, die wir in Untersuchungshaft aufnehmen, kommen 14 Tage in spezielle Quarantänestationen. Das ist das eine.

Wie wir jetzt möglicherweise Geflüchtete aus Lesbos erwarten – es gibt ja eine politische Einigung, auch auf Bundesebene, dass wir das machen wollen, bis hin zum Bundesminister – und wie wir dann diese konkreten Personen, die dann kommen, unterbringen, das hängt ein bisschen davon ab, wer da kommen sollte. Wenn es minderjährige Unbegleitete sind, dann würden wir sie im Bereich der Jugendhilfe unterbringen – dafür ist die Kollegin Scheeres zuständig – und würden dann entsprechende Maßnahmen ins Werk setzen. Wenn es Coronaverdacht oder andere gesundheitliche Beeinträchtigungen – den Menschen in Moria geht es ja nicht gut – gibt, dann brauchten wir gesundheitliche Versorgung. Wenn es um Erwachsene gehen sollte, die dann kommen, das kann man ja nicht hundertprozentig abschätzen, dann würde Kollegin Breitenbach dafür zuständig sein. Aber wir haben ja jetzt in der Geflüchtetenunterbringung schon mit dem einen oder anderen Coronafall zu tun, sodass wir da eingestellt wären. Von daher verstehe ich Ihre Frage, aber die Gleichsetzung, wie wir Gefangene und Geflüchtete unterbringen, würde ich im Grundsatz nicht teilen.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN]

Vielen Dank! – Dann geht die erste Nachfrage an den Abgeordneten Vallendar.

Herr Justizsenator! Die EU-Staaten haben sich bislang nur geeinigt, 1 600 aus Griechenland einfliegen zu lassen, Deutschland davon 250 bis 400. Wie kamen Sie in Ihrer öffentlichen Erklärung denn dazu, dass Berlin 1 500 aufnehmen solle?

Herr Senator!

Wenn Sie das aufmerksam gelesen haben, habe ich dort gesagt, das würde diskutiert, 500 bis 1 500. Es sind im Land Berlin vor einiger Zeit auch schon andere Zahlen diskutiert worden. Aber wichtig ist, und dabei bleibe ich auch, dass es überhaupt einmal losgeht. Wir haben eine schier unerträgliche Situation auf Lesbos, und wir haben eine zumindest erklärte politische Einigung, dass man in Deutschland Menschen aufnehmen möchte. Aber das Dilemma ist: Es geht nicht richtig los. Das fing schon im Dezember an, dass ein Teil der Innenminister und -senatoren die Bereitschaft erklärt hat. Kollege Geisel hat das letzte Woche hier im Plenum noch einmal wiederholt. Es gibt eine Einigung auf Bundesebene im Koalitionsausschuss am 8. März – das ist über drei Wochen her –, dass es jetzt losgeht, aber es ist immer noch kein einziger gekommen.

Ich halte diese Situation für sehr schwer erträglich. Meine Geduld ist diesbezüglich am Ende. Darum habe ich gesagt, lasst uns einmal anfangen! Es kommt gar nicht darauf an, wie viele am Ende des Tages dann irgendwo sind, sondern lasst uns überhaupt mal anfangen! Jeder einzelne Mensch, der aus diesen unerträglichen, fast apokalyptischen Zuständen in Moria rausgeholt wird, ist ein großer Erfolg. Es kommt auf jeden Einzelnen an. Da finde ich es gut, dass wir die politische Einigung haben, dass sich Berlin daran beteiligen wird, zusammen mit anderen Bundesländern. Ich finde es sehr bedauerlich, dass das beim BMI nicht mit dem nötigen Nachdruck verfolgt wird, denn ohne das BMI, wie Sie wissen, können wir hier keine Menschen aus Lesbos befreien. Ich halte es aber für ganz dringlich, das zu tun, damit sich die Zustände dort nicht weiter zuspitzen.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Dann geht die weitere Nachfrage an die Kollegin Jarasch. – Bitte schön!

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Welche Vorstellungen haben Sie, Herr Senator, was Berlin über das, was Berlin bereits mehrfach öffentlich angeboten hat, hinaus tun kann, damit diese Zusagen jetzt eingelöst werden und tatsächlich die ersten Menschen evakuiert werden können, und was können Sie konkret dazu tun, dass der Senat einen Schritt vorankommt?

[Carsten Ubbelohde (AfD): Von den Zusagen Abstand nehmen!]

(Senator Dr. Dirk Behrendt)

Herr Senator – bitte schön!

Danke schön für diese Nachfrage! – Wie gesagt, wir sind uns im Senat einig, wir haben letzte Woche noch bekräftigt, dass wir uns an einem solchen Programm beteiligen. Ich bin sehr froh, dass auch andere Landesregierungen, beispielsweise die thüringische, bereit sind mitzumachen. Der Ball liegt weiterhin im Feld des Bundesministers des Innern, Herrn Seehofer, der über seinen Pressesprecher erklären lässt, dass die verabredeten Regelungen jetzt ins Werk gesetzt werden sollen. Wir warten eigentlich stündlich darauf, dass das auch mit Leben gefüllt wird. Ich bin auch sehr froh, dass wir das hier noch einmal thematisieren. Ich appelliere auch an die Kolleginnen und Kollegen der CDU, über Ihre Kontakte zur Bundesregierung die Dringlichkeit der Sache noch einmal vorzutragen.

[Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN]

Wir werden dann im Senat zu beraten haben, wie wir damit umgehen, dass das womöglich nicht vorangeht. Aber dem kann ich nicht vorgreifen, denn das ist Gegenstand der Beratungen im Senat. – Danke schön!

Vielen Dank!

Die nächste Frage geht an die FDP-Fraktion und dort an den Kollegen Krestel. – Bitte schön!

Ich frage den Senat: Welche Vorkehrungen trifft denn der Senat für Mitarbeiter, namentlich im gesamten Vollzugsdienst, die im Dienst mit Corona infiziert werden, damit man später beweisen bzw. glaubhaft machen kann, dass es sich dabei um einen Dienstunfall handelt?

Herr Senator Geisel – bitte schön!

Frau Präsidentin! Sehr geehrter Abgeordneter Krestel! Zunächst mal sind die Vollzugskräfte des Landes Berlin bei der Polizei und bei der Feuerwehr mit den entsprechenden Schutzausrüstungen ausgestattet. Es ist immer wieder, nicht nur in Berlin, sondern bundesweit, ein Kampf, die entsprechenden Schutzausrüstungen in dem erforderlichen Umfang wieder heranzuführen. Da hat die Federführung die Senatsgesundheitsverwaltung, die mit großem Engagement an dem Thema arbeitet, Schutzaus

rüstungen heranzuschaffen. Wir erhalten auch Unterstützung von Bundesbehörden, insbesondere von der Bundeswehr, wofür ich mich bei der Gelegenheit ganz ausdrücklich bedanken möchte.

[Beifall bei der SPD, der CDU, der LINKEN, den GRÜNEN und der FDP]

Das heißt also, diese beispielsweise Mund-Nase-Atemschutzmasken sind vorhanden. Von der Feuerwehr werden sie im Einsatz auch getragen. Der Polizei ist es im Moment freigestellt, sie zu tragen oder nicht zu tragen. Das ist dann eine individuelle Entscheidung.

Gegenwärtig ist die Situation so, dass wir diese Fälle sorgfältig registrieren, um eventuelle spätere Ansprüche dann auch nachverfolgen zu können. Im Bereich der Polizei haben wir jetzt 47 Verdachtsfälle, 33 bestätigte Infektionen und 174 weitere Verdachtsfälle mit Empfehlungscharakter. Insgesamt sind jetzt bei der Polizei 254 Kolleginnen und Kollegen betroffen. Bei der Feuerwehr sieht es so aus, dass wir 165 Kolleginnen und Kollegen in amtsärztlich angeordneter Quarantäne haben. 77 weitere Kollegen sind in der empfohlenen Selbstisolation. Elf Kollegen sind am heutigen Tag noch vom Dienst befreit, weil sie beispielsweise Rückkehrer aus dem Urlaub sind und erst mal in die Selbstquarantäne gehen. Insgesamt haben wir bei der Feuerwehr heute 253 betroffene Kolleginnen und Kollegen.

Wir stellen fest, dass, gemessen an der Mitarbeiterzahl der Feuerwehr – 3 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben wir bei der Feuerwehr –, die Betroffenheit überdurchschnittlich hoch ist. Das war auch zu erwarten, weil das die Kollegen sind, die unmittelbar im Rettungsdienst eingesetzt sind. Da ist die Aufgabe, für den entsprechenden Schutz, auch für den Selbstschutz, der Kollegen zu sorgen, besonders groß. Es gibt Beratungsmöglichkeiten. Wir haben auch bei der Polizei Testungsmöglichkeiten eingeführt. Im Moment schaffen wir dort 40 Tests pro Tag. Dieses Testzentrum steht auch der Feuerwehr zur Verfügung, sodass wir mit großer Sorgfalt, aber auch mit Besorgnis auf die Vollzugskräfte schauen. Für deren Einsatz danke ich hier noch mal ganz ausdrücklich!