Protokoll der Sitzung vom 02.04.2020

Flüge der Regierung sicherzustellen, so der Flughafenchef.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der AfD – Regina Kittler (LINKE): Dafür brauchen Sie zwei Flughäfen?]

Man müsste dem eigentlich nichts mehr hinzufügen,

[Regina Kittler (LINKE): Dann lassen Sie es doch!]

wenn es nicht die Überlegung derer geben würde, die in dieser Zeit tatsächlich glauben, es wäre schlau, eine Debatte um die Offenhaltung von Tegel jetzt und hier vorzuziehen, oder zu beschleunigen.

Ich möchte einmal etwas zu den Zahlen sagen. Wir haben allein gestern am Flughafen Tegel 800 Passagiere bewegt, am Flughafen Schönefeld 100 Passagiere. Im Schnitt werden am Flughafen Tegel in den letzten zwei Wochen täglich 1 200 Passagiere bewegt, also wesentlich mehr als am Flughafen Schönefeld. Wer sich in diesen Tagen, unabhängig davon, ob er für oder gegen Tegel ist, mit der Frage auseinandersetzt, was ist relevant für unsere Stadt, der muss sich eben ohne Vorurteile mit dieser Frage auseinandersetzen, und dazu will ich Sie hier heute deutlich auffordern.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der AfD]

Sich ohne Vorurteile mit diesem Thema auseinanderzusetzen, würde auch bedeuten, dass man Flughäfen als komplexes System betrachtet. Ein komplexes System bedeutet nicht nur, die Frage zu stellen, was heißt das eigentlich für die Airlines, sondern, was heißt das u. a. auch für die vielen Groundhändler. Was heißt das für die vielen Beschäftigten? – Darauf gab es bereits Antworten. Wir werden uns in unserer Priorität zum Thema Kurzarbeitergeld nachher an diesem Vorbild orientieren. Allerdings bedeutet es eben auch, dass es jetzt notwendig ist, den Flughafen Tegel für genau diese Notwendigkeiten offen zu halten. Er ist notwendig, weil eine relevante Infrastruktur, er ist notwendig, weil er für diese Stadt steht, weil er in dieser Stadt im Augenblick sogar noch mehr Passagiere bewegt als der Flughafen Schönfeld. Deshalb ist die Abwägung nicht nachvollziehbar.

[Beifall bei der FDP]

Der Antrag der AfD-Fraktion ist von der Sache her nachvollziehbar, er macht inhaltlich Sinn, er ist zeitlich zu spät. Herr Evers hat darauf hingewiesen, dass es bereits eine klare Linie der Bundesregierung gibt, die genau das verstanden hat, dass der Flughafen Tegel für den Augenblick sehr systemrelevant ist und für den Tag darüber hinaus mit all den Schwierigkeiten, die sich für eine mögliche BER-Eröffnung abzeichnen, insbesondere, wenn es um die Frage eines Probebetriebs geht und vieles mehr. Im Augenblick ist für uns zumindest unklar, wie der Baufortschritt eigentlich aussieht. Wir wissen, dass dafür wenig Luft und wenig Spielraum vorhanden waren. Des

halb ist die Entscheidung der Bundesregierung genau die richtige: zu sagen, Tegel jetzt infrage zu stellen, ist falsch. Herr Evers, ich fordere Sie auf, Ihre Kanzlerin dahin zu bewegen, dass es falsch ist, für die Zukunft Tegel infrage zu stellen. Hätten wir solch einen Antrag der AfD gehabt, hätten wir eher zustimmen können.

[Frank-Christian Hansel (AfD): Ach ja, klar!]

Jetzt müssen wir uns enthalten. In der Sache richtig, aber leider zu spät. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der FDP – Frank-Christian Hansel (AfD): Aber gut, dass wir drüber geredet haben! – Sven Kohlmeier (SPD): Typischer Czaja! Kraftvolle Enthaltung!]

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat Herr Abgeordneter Moritz das Wort. – Bitte schön!

[Frank-Christian Hansel (AfD): Herr Moritz! Erzählen Sie nicht, dass Sie den innerdeutschen Flugverkehr einstellen wollen! Dann melde ich mich noch mal!]

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Dem Antrag ist deutlich anzumerken, dass die AfD-Fraktion unter den Auswirkungen der Coronakrise im Abgeordnetenhaus leidet. Herrn Hansel fehlt der Untersuchungsausschuss BER, in dem er immer zu Tegel und Kapazitäten Fragen stellen konnte. Deshalb heute dieser Antrag.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Zwei dürftige Zeilen umfasst der Antrag, und wie immer bei der AfD ist er weit weg von Fakten und Rechtslage. Denn nicht der Senat hat die Absicht, Tegel temporär zu schließen,

[Frank-Christian Hansel (AfD): Walter Ulbricht!]

sondern die Flughafengesellschaft möchte das, nicht dauerhaft, auch nicht vorzeitig endgültig, sondern für zwei Monate. Die Rechtslage gibt auch gar nichts anderes her. Die FBB oder die BFG kann als Flughafenunternehmen einen Antrag nach § 45 Abs. 3 Luftverkehrszulassungsordnung zur Befreiung von der Betriebspflicht stellen; hat sie aber noch nicht. Darüber müsste dann die Obere Luftfahrtbehörde entscheiden, und im Zweifelsfall hat der Bund da auch noch ein Wörtchen mitzureden.

[Frank-Christian Hansel (AfD): Gott sei Dank!]

Eine dauerhafte Schließung von Tegel ist unter diesen Umständen also gar nicht möglich.

(Sebastian Czaja)

[Frank-Christian Hansel (AfD): Aber der Senator hat es doch gesagt! – Carsten Schatz (LINKE): Hat er nicht!]

Immer wieder entspringt es Ihrer Verschwörungstheorie, weil der Widerruf der Betriebspflicht und die Planfeststellung schon lange aufgehoben sind. Da gibt es eine klare Rechtslage, darüber haben wir hier schon lange und viel gesprochen. Erst müssen beide Pisten am BER vollständig in Betrieb sein, dann kann und muss Tegel dauerhaft geschlossen werden. Ihr Antrag ist also falsch.

Politisch bin ich ganz klar für eine temporäre Schließung von Tegel, weil alle Fakten dafür sprechen. Wir haben mit den beiden Berliner Flughäfen ein doppeltes Angebot an kritischer Infrastruktur. Der Flugverkehr ist weltweit fast völlig zusammengebrochen. Sie haben selber die Zahlen genannt.

[Stefan Evers (CDU): Kann man ja auch Schönefeld vom Netz nehmen!]

Vor einem Jahr, am 24. März 2019 sind über 100 000 Passagiere abgefertigt worden,

[Frank-Christian Hansel (AfD): Das ist ja auch nächstes Jahr wieder so!]

und Sie sprechen von 1 000 Passagieren und dass man dafür zwei Flughäfen offenhalten muss. Eigentlich Quatsch!

[Frank-Christian Hansel (AfD): Corona geht vorbei!]

Schönefeld kann dieses Aufkommen ohne Probleme abwickeln. Schönefeld hat genügend Kapazität, hat einen 24-Stunden-Betrieb, Schönefeld hat medizinische Einrichtungen, in denen im Seuchenverdachtsfall gemäß internationaler Gesundheitsvorschriften die Passagiere behandelt werden können. Schönefeld hat ein neues, modernes Frachtzentrum – das habe ich einmal besucht, das ist leider immer leer –, der neue Regierungsterminal ist übergeben, das Vorfeld ist auch schon übergeben, also auch die Regierungsflieger könnten von Schönefeld aus starten, die brauchen Tegel auch nicht.

[Frank-Christian Hansel (AfD): Die bleiben aber doch in Tegel, Herr Kollege!]

All das führt nicht zu einer Mehrbelastung der Schönefeldanlieger, denn auch unter diesen Bedingungen wird der Normalfall nicht einmal erreicht und das Level der Belastungen liegt weit unter dem Normalfall.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Kugler?

Nein, danke!

[Frank-Christian Hansel (AfD): Der ist doch von Ihnen!]

Ja, ist mir schon klar. – In Tegel können Betriebskosten gespart werden, auch wenn das bei den Summen, die beim BER immer aufgerufen werden, nicht die großen Summen sind. Aber die FBB muss natürlich alles tun, um ihre Kosten zu senken. Das ist ein Punkt.

Was auch noch zu erwähnen wäre, ist natürlich, dass durch die temporäre Schließung ungefähr 100 Feuerwehrleute der Betriebsfeuerwehr von TXL bei der Coronabekämpfung in Berlin helfen könnten. Es spricht also alles

[Frank-Christian Hansel (AfD): Nichts!]

für die temporäre Schließung und, Herr Hansel, nichts für Ihren Antrag. Deswegen werden wir diesen auch ablehnen. – Danke!

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Vielen Dank! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die AfD-Fraktion hat die sofortige Abstimmung beantragt. Wer den Antrag der AfD-Fraktion auf Drucksache 18/2590 – Kein Corona-Missbrauch: Tegel nicht schließen! Kritische Infrastruktur erhalten! – annehmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die AfD-Fraktion und der fraktionslose Abgeordnete. Wer stimmt gegen diesen Antrag? – Das sind die Koalitionsfraktionen. Wer enthält sich der Stimme? – Das sind die CDU-Fraktion und die FDP-Fraktion. Damit ist der Antrag abgelehnt.

Ich rufe auf die

lfd. Nr. 3.2:

Priorität der Fraktion der FDP

Tagesordnungspunkt 25 B

Kurzarbeitergeld für Geringverdiener aufstocken

Dringlicher Antrag der Fraktion der FDP Drucksache 18/2594