[Beifall bei der SPD und der LINKEN – Holger Krestel (FDP): Sie sind für die Wahlergebnisse der SPD verantwortlich!]
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wie kritisch ist in den letzten Jahren der Zusammenhalt in unserer deutschen Gesellschaft bewertet worden. Ich finde, wir zeigen zurzeit, Deutschland, seine Mitbürgerinnen und Mitbürger, können auch anders, nämlich zusammenstehen, sich solidarisch zeigen, Außergewöhnliches leisten, Helden sein.
Ich finde, das macht uns stark in der Krise, und dafür möchte ich allen Mitbürgerinnen und Mitbürgern herzlich danken.
Die Bewältigung der Pandemie bedeutet einen historischen Kraftakt für die Bevölkerung und Wirtschaft. Bundesregierung und Parlament setzen sich mit Kräften dafür ein, um die Krise effizient, pragmatisch und schnellstmöglich zu bewältigen. Die Bundesregierung hat unverzüglich reagiert, die Landesregierung in Berlin hat sofort reagiert. Das ist die Aufgabe der Demokraten, jetzt in einer solchen krisenhaften Situation allen Berlinerinnern und Berlinern zu versichern, dass wir hier alle im Parlament gemeinsam an einem Seil ziehen, alle in die gleiche Richtung. Und wir alle, Regierungskoalition und Opposition gemeinsam, werden alles in unserer Macht stehende tun, um diese Krise zu meistern, und gerade um die Hilfebedürftigen in der Gesellschaft kümmern wir uns mit besonderer Kraft.
Für alle, die sich wegen Aus- und Wegfall ihrer Tätigkeiten Sorgen machen, gibt es zuallererst die neue Kurzar
beiterregelung. Es sei daran erinnert, diese Kurzarbeiterregelungen haben uns schon mal in einer anderen krisenartigen Situation geholfen, schnell wieder aus ihr herauszukommen und nach vorne zu kommen.
Jetzt haben wir hier einen Antrag zu diskutieren, in dem eine Vereinfachung der Beantragung beim Kurzarbeitergeld gefordert wird. Quasi sollen Grundsicherung und Kurzarbeitergeld irgendwie zusammengefasst werden und dann eine höhere Auszahlung für die Menschen die Folge sein.
Wir als CDU stehen für Verwaltungsvereinfachung. Wir als CDU stehen für Modernisierung von Prozessen, und wir als CDU wollen gerne auch den Bedürftigen so weit wie möglich unter die Arme greifen. Aber der hier zu diskutierende Antrag operiert quasi im luftleeren Raum. Kurzarbeitergeld wird von der Bundesagentur für Arbeit an die Arbeitgeber bezahlt, es ist komplett finanziert aus dem Beitrag aller Arbeitnehmer. Die Abwicklung der Zahlung an die Arbeitgeber erfolgt unglaublich schnell, wie wir wissen. Grundsicherung oder Sozialhilfe wird von den Jobcentern in den Kommunen gezahlt, und zwar direkt an die Hilfebedürftigen, und wird durch unser aller Steuern finanziert. Die bisherige Trennung der Zahlung führt zu einer massiven Beschleunigung der Zahlungen an die Betroffenen.
Würden wir jetzt irgendwie Unternehmensgrößen und Entgeltgruppen separieren müssen, so wie es der Antrag fordert, dann würde dieses zu einer massiven Verlangsamung der Zahlungen führen, weil alle Anträge manuell geprüft werden müssten.
Wir als CDU wollen hinsichtlich der Grundsicherung eine Gleichbehandlung aller Menschen in unserem Lande. Wir wollen, dass die gleichen Bedingungen für kurzarbeitende Angestellte, wie auch für alle anderen Erwerbstätigen gelten, Beschäftigte in Teilzeit, insbesondere aber auch Kleinunternehmen, Künstler oder sogenannte Soloselbstständige. Daher lehnen wir den hier vorgeschlagenen Sonderweg für nur festangestellte Beschäftigte, nur in Unternehmen bis 20 Mitarbeiter, ab.
Politik ist ein Wettbewerb der Ideen, daher sollte man sich mit diesen Ideen des Antrags in aller Ruhe im Laufe der kommenden Jahre beschäftigen. Zum jetzigen Zeitpunkt bringt der Antrag eher Irritationen bei den Betroffenen.
Die gerade auf Bundesebene beschlossenen, aber auch weitere vorbereitende Maßnahmen sichern den Lebensunterhalt, wenn keine vorrangigen Hilfen greifen. Diese gesicherten Leistungen sollen schnell und unbürokratisch zugänglich gemacht werden. Es soll niemand aufgrund
Wir als CDU begrüßen die beschlossenen befristete Aussetzung der Berücksichtigung von Vermögen bei der Berechnung der Grundsicherung. Wir begrüßen die befristete Anerkennung der tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung für Hilfesuchende. Wir halten es für richtig, dass in der Coronakrise Rentner aus dringend benötigten Berufen leichter zurückgeholt werden können. Es wird die für sie geltende jährliche Hinzuverdienstgrenze von 6 300 auf 44 000 Euro angehoben. Wir begrüßen ebenfalls die Maßnahmen zur Abfederung von Familien, die durch die Coronakrise Einbußen im Einkommen erleiden. Es wird der Zugang zum Kindergeld stark vereinfacht.
In vielen Bereichen haben wir nicht Wegfall von Arbeit, sondern zusätzliche Personalanforderungen wie im Bereich von Gesundheit und Pflege. Über die Helden des Alltags bei BSR, BVG und Lebensmitteleinzelhandel ist die Tage viel gesprochen worden. Genauso haben wir zusätzlichen Arbeitsanfall in unseren Jobcentern und Arbeitsagenturen, bei der IBB und allen Banken hier in der Stadt, die schnellstens eine große Flut von Anträgen bearbeiten und erledigen müssen. Deshalb ermöglicht das gerade beschlossene Sozialschutzpaket, dass diese zusätzlich benötigten Arbeitskräfte auch bereitgestellt werden können.
Es gibt neue zeitlich befristete Regelungen, wie zum Beispiel zum Bezug von Kurzarbeitergeld, die Aufnahme von zusätzlichen Jobs möglich machen, das gilt z. B. für Lebensmitteleinzelhandel, Lebensmittelproduktion und auch im Logistikbereich. Die beschlossene Gesetzesänderung der Bundesregierung und hier im Lande Berlin machen unser Sozialsystem, unsere Wirtschaft, unsere Arbeitsmarktpolitik in der Krise in dieser Zeit besonders stark. Die Bürgerinnen und Bürger können sich darauf verlassen, und das ist eine wichtige Botschaft in diese Zeit der Verunsicherung.
Deshalb ein herzliches Dankeschön und Anerkennung für das, was all die leisten, die jetzt zusätzlich gefordert sind, im Gesundheitswesen, in der Pflege, in unserer Verwaltung, in den Jobcentern, im Lebensmitteleinzelhandel, bei Polizei und Feuerwehr. Sie helfen mit Überstunden und mit ihrem großen Einsatz, Not zu lindern und machen Hilfe dort möglich, wo geholfen werden muss. Wir wollen das engagiert unterstützen. – Vielen herzlichen Dank!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Was sich auf den ersten Blick sozial anhört, ist es in Wirklichkeit nicht und zeugt im Übrigen von wenig Kenntnis der sozialen Sicherungssysteme und der Systematik, mit der wir es hier zu tun haben.
Letztlich geht es der FDP mal wieder darum, Unternehmen zu entlasten, auch dann, wenn sie in den vergangenen Jahren gut gearbeitet und gute Gewinne gemacht haben, und die Kosten zu sozialisieren. Es sind nicht zwingend die großen Unternehmen, die das KuG aufstocken. Es sind vor allen Dingen die tarifgebundenen Unternehmen, und die schließen mit den Gewerkschaften einen entsprechenden Tarifvertrag zur Aufstockung des Kurzarbeitergelds, und das ist wichtig. Unser Problem ist die Vielzahl an Unternehmen, die nicht tarifgebunden sind, und diesen Prozess der Tarifflucht umzukehren, ist ein wichtiges Ziel. Die Tarifautonomie ist im Übrigen kein sozialistisches Teufelszeug, sondern eine der tragenden Säulen einer sozialen Marktwirtschaft, und deswegen müssen wir auch in der Krise dafür sorgen und dafür werben, dass Unternehmen tarifgebunden werden und wieder in die Tarifgemeinschaften einsteigen.
Dass viele betroffene Kurzarbeiterinnen und Kurzarbeiter davon nicht leben können, ist auch Folge der Niedriglohnstrategie gerade von Parteien wie der FDP. Das ist jetzt keine Parteipolitik, wenn ich das sage, sondern das ist einfach eine Tatsache.
Die Stärkung der Tarifbindung ist ein zentrales Ziel, und wenn Unternehmen dann eine Aufstockung des Kurzarbeitergeldes nicht zahlen können, dann ist es sinnvoll, Überbrückungshilfen des Bundes und/oder des Landes anzubieten. Zudem finden wir die Forderung der Gewerkschaften sinnvoll, die Höhe des Kurzarbeitergeldes möglicherweise auch krisenbefristet auf 90 Prozent anzuheben und das dann aber auch im SGB III so festzuschreiben. Das ist Sache des Bundes. Was aber nicht geht – was die Kolleginnen und Kollegen der FDP fordern –, ist, aus Landesmitteln Leistungen zu finanzieren, die eigentlich der Bund zahlen müsste. Bei allem Verständnis für unbürokratische Lösungen: Dieser Vorschlag ist weder unbürokratisch noch eine Lösung. Es gibt weder eine Rechtsgrundlage im SGB III, noch hat das Land eine Regelungskompetenz oder Weisungsbefugnis gegenüber der BA, die ja das Geld auszahlen soll.
Ja, wir finden es auch dramatisch, wenn Menschen jetzt zum Jobcenter müssen oder Wohngeld beantragen müssen. Sie können mir glauben, ich weiß aus meinem unmittelbaren Umfeld, was diese Krise bedeutet: Eine Kündigung, Reiseverkehrsbranche, von jetzt auf gleich, von einem sowieso geringen Verdienst auf 60 Prozent!
Einmal Kurzarbeitergeld, weil Erzieher ohne Notbetreuung! Gleichzeitig drei Krankenpfleger, bei denen brummt es, und einmal eine Beratungsstelle für sexualisierte Gewalt, da brummt es auch! Also es ist tatsächlich jetzt angezeigt, vernünftige Lösungen zu finden, aber keine Schnellschüsse, die nicht überlegt sind. Deswegen müssen wir darüber nachdenken – und auch das müssen wir mit dem Bund gemeinsam tun –, ob es eine Variante ist, zu sagen, wir brauchen zeitlich befristet so etwas wie ein Coronagrundeinkommen. Das kann ich mir vorstellen, auch wenn ich sonst eher zu den Skeptikerinnen des bedingungslosen Grundeinkommens innerhalb meiner Partei gehöre. Aber darüber lässt sich diskutieren, und das müssen wir mit dem Bund zusammen machen.
Wichtig ist – und das ist zentral, auch um den Menschen Sicherheit zu geben, die gerade von all diesen Ängsten und Schwierigkeiten betroffen sind –, dass wir Lösungen finden, damit niemand in Armut gedrängt wird, aber das muss Hand und Fuß haben, und es muss mit dem Bund und den Ländern gemeinsam gehen. Auf den Weg müssen wir uns machen. – Danke schön!
[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN – Sebastian Czaja (FDP): Das war mal ein konstruktiver Beitrag!]
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegen Abgeordnete! Liebe Berliner! Der Antrag der FDP, den Menschen zu helfen, die in dieser Krise in ihrer Existenz bedroht sind, ist im Grundsatz richtig. Es ist richtig, gerade jetzt denen zu helfen, die schon in normalen Zeiten um das Überleben kämpfen müssen. Dementsprechend stehen wir dem Antrag der FDP sehr positiv gegenüber, betrachten ihn aber als nicht konsequent und nicht genügend durchdacht. Wie die FDP richtig argumentiert, muss es unkompliziert sein. Dafür sind wir auch. Wir sind aber auch offen genug, um zu erkennen, dass die Grenzziehung, die die FDP vorschlägt, die Realität nur ungenügend abbildet. Wäre es denn richtig oder gerecht, wenn wir die Regelung der FDP auf einen Single in einer Einzimmerwohnung mit einem Bruttoeinkommen von 2 490 Euro anwenden und nicht auf eine Alleinerziehende mit drei Kindern und einem Einkommen von 2 550 Euro?
Ebenso verhält es sich mit all den Menschen, die trotz der Krise oder trotz ihrer Einbußen Unterhaltsverpflichtungen nachkommen müssen. Soll denn dem obigen Beispiel folgend der Vater dreier Kinder, der für die Kinder stets Unterhalt bezahlt hat, selbst aber nur 2 550 Euro verdient
und nun in Kurzarbeit ist, nicht einfach und unbürokratisch unterstützt werden? Wir denken: Ja, das schon.
Daher ziehen wir ein konsequentes und unbürokratisches Vorgehen bei der Kurzarbeiterregelung vor, bei dem die Familienverhältnisse berücksichtigt werden. Eine Familie könnte für jedes Familienmitglied einen zusätzlichen Steuerfreibetrag und eine Netto-Einmalzahlung jeweils für April und Mai erhalten. Ein Alleinstehender könnte einen zusätzlichen Steuerfreibetrag und eine NettoEinmalzahlung jeweils für April und Mai erhalten, die aber unter den Beträgen für die Ernährer einer Familie liegt. Das wäre konsequent und unbürokratisch. Es wäre ein Konzeptbeitrag, wie er von Herrn Czaja eingefordert wurde, und eine direkte Zahlung an die Arbeitnehmer, deren Fehlen Herr Schultze-Berndt bemängelt hat.
Des Weiteren weiß auch die FDP nicht, wie lange die Krise dauern wird. Wir wissen, dass die Krise sicherlich bis in den Mai 2020 hineingehen wird, und wir können vermuten, dass die Krise bis in den Juni und vielleicht in den Sommer hineinreichen wird. Aber solche Regelungen gehören regelmäßig, zum Beispiel zweimonatlich oder quartalsweise, auf den Prüfstand. Die Prüfung muss in Richtung Verkürzung oder Verlängerung möglich sein, um auf ein schnelles Abflauen oder eine zweite Welle der Pandemie reagieren zu können. Wir tendieren bis jetzt zu einer Enthaltung zu diesem Antrag. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit!
Frau Präsidentin! Werte Kollegen und Kolleginnen! Die Coronaeinschränkungen haben gravierende Auswirkungen auf Berliner Unternehmen. Das haben wir in der Aktuellen Stunde besprochen. Bis Ende März haben über 22 600 Unternehmen mit Sitz in Berlin Kurzarbeit angemeldet. Die genauen negativen Auswirkungen der Pandemie auf den Berliner Arbeits- und Ausbildungsmarkt werden sich erst in den Aprilzahlen genau zeigen. Die Schätzungen gehen aber bereits heute von deutlich über 100 000 Menschen aus, die davon betroffen sind. Die Bundesagentur für Arbeit übernimmt bei Kurzarbeit bis zu 67 Prozent des Nettolohns. Den Berichten zufolge sind in Berlin vor allem Unternehmen aus den Bereichen Gastronomie, Dienstleistungen und Handel betroffen. Das sind ja auch Bereiche, in denen Berlin gut vertreten ist.
Angesichts des ausgeprägten Niedriglohnsektors in Berlin in diesen Bereichen bedeuten die geltenden Sätze für
Kurzarbeitergeld für viele Beschäftigte Einkünfte unterhalb der Armutsschwelle. Der DGB fordert daher zu Recht bei niedrigen Verdiensten eine garantierte Lohnersatzquote von 80 Prozent. Die FDP nimmt das mit ihrem Antrag nun auf und schlägt vor, einfach mal 20 Prozent auf die Bundesregelungen draufzupacken. Ich finde das eine spannende Allianz in der Krise. Scheinbar regelt der Markt doch nicht alles, und die FDP erkennt – zumindest vermeintlich – die Stärke unseres Sozialstaats in der Krise.
[Sibylle Meister (FDP): Soziale Marktwirtschaft! – Christian Buchholz (AfD): Grundsatz der sozialen Marktwirtschaft!]