Protokoll der Sitzung vom 30.04.2020

Was brauchen die Vereine noch? – Damit sie Mitglieder halten können, brauchen sie eine Perspektive. Es wurde eben schon angesprochen; Herr Dregger hat es vorhin gesagt: Perspektiven erhalten nämlich die Bereitschaft zum Durchhalten, und das gilt auch für den Sport und die zahlreichen Vereinsmitglieder. Wir müssen – natürlich immer unter strenger Einhaltung der Hygiene- und Verhaltensregeln – weitere Lockerungsmaßnahmen diskutieren und in Aussicht stellen. Das brauchen die Vereine, denn wir haben Ende Juni bald wieder Quartalsende. Da werden wieder viele Mitglieder den Vereinen verloren gehen, wenn es keine entsprechenden Perspektiven gibt, die die Mitglieder in den Vereinen halten.

Wir können uns zahlreiche Maßnahmen vorstellen; Beispiele gibt es schon genügend: Man könnte beispielsweise Mannschaften wieder zumindest in den Trainingsbetrieb bringen. Das geht alles mit entsprechender Abstandseinhaltung. Da wäre sicherlich zur Änderung der nächsten Verordnung einiges zu tun.

[Beifall bei der CDU]

Meine Redezeit ist zu Ende, aber kurz noch zum zweiten AfD-Antrag: Sicherlich ist der kommerzielle Sport auch wichtig, und hier braucht es auch eine Perspektive. Aber ich sehe das genauso wie Herr Buchner: Es wäre eigentlich Aufgabe der Wirtschaftssenatorin, entsprechende Sachen einzuleiten und Lösungsvorschläge zu unterbreiten. Auch das ist leider nicht passiert. Deshalb ist uns der Antrag noch nicht tiefgreifend genug; wir werden uns enthalten. Aber es ist richtig: Es sind Ansätze drin, denen man durchaus zustimmen kann.

Zum Schluss noch ein Dank an die Sportvereine für großes Verständnis in dieser Krisenzeit und konstruktive Mitarbeit. – Ich sage noch einmal: Bei beiden Anträgen werden wir uns enthalten. Die Vereine brauchen jetzt aber dringend eine Perspektive und vor allem noch viel schneller finanzielle Hilfe. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der CDU]

Für die Fraktion Die Linke hat jetzt Herr Bertram das Wort. – Bitte schön, Herr Kollege!

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Folgen der Verordnung zur Eindämmung des Coronavirus sind auch im Sport sehr deutlich spürbar und stellen Vereine, Verbände, Sportschulen und den Sport in Gänze vor Herausforderungen. Auch existenzielle Nöte sind uns bekannt, und wir sind uns bewusst, dass der Umfang und die Folgen von weitreichenden Einschränkungen Risiken beinhalten. Diese werden wir ernst, und wir stellen uns diesen. Wir sind auch dabei, für den Sport adäquate Lösungen zu finden.

Ich bin sehr dankbar, dass es uns in den vergangenen Wochen gelungen ist, im guten Kontakt zu Vereinen, Verbänden und Sportanbietern zu stehen, denn der Austausch ist enorm wichtig: Nur so können wir verstehen, vor welchen Herausforderungen sie stehen, und passgenaue Lösungen entwickeln. – Es hat sich aber auch gezeigt, mit welch hohem Verständnis, Verantwortungsbewusstsein und Disziplin der Sport auf die aktuelle Lage reagiert hat, und dafür sagen wir ausdrücklich: Danke!

[Beifall bei der LINKEN – Beifall von Paul Fresdorf (FDP)]

Auch kreative Lösungen für Bewegung und Sportangebote gehören dazu, genauso wie das Aufrechterhalten des Gemeinsinns in den Vereinen. Sportvereine sind eben keine reinen Trainingsbetriebe, sondern meist viel mehr und im Leben der Mitglieder ein wichtiger Baustein im alltäglichen Leben.

Einen Moment, Herr Bertram! – Herr Moritz, ich möchte Sie bitten, die Regierungsbank zu verlassen! Wenn Sie dahin wollen, kann ich Ihnen den Weg beschreiben – aber Hinstellen geht nicht, und die anderthalb Meter Abstand gelten auch für verkehrspolitische Sprecher!

[Heiterkeit – Allgemeiner Beifall]

Fahren Sie fort, Herr Bertram! Entschuldigung, dass ich Sie unterbrechen musste, aber das war mir jetzt ein bisschen zu viel Kuschelei!

Herr Präsident! Vielen Dank! Das war auch sehr laut. Ich bitte nur darum, das mit der Uhr zu beachten: Sie lief aus Versehen weiter.

Der Sportverein ist für viele ein wichtiger Bestandteil ihres alltäglichen Lebens, und umso entscheidender ist es, dass wir die Sorgen und Bedarfe der Sportvereine und des organisierten Sports ernst nehmen und ihnen eine

(Stephan Standfuß)

Perspektive schaffen. Der Senator hat es heute wieder angekündigt: Der Rettungsschirm für den Sport wird kommen und die existenziellen Risiken und Nöte der Vereine und Verbände auffangen.

Herr Standfuß! Wir können uns gern darüber streiten, ob die Henne oder das Ei zuerst da waren. Es ist wichtig, dass es kommt. Wir müssen aber auch anerkennen, dass selbst im Sportbereich die anderen Hilfsmaßnahmen – nicht nur die finanziellen Soforthilfeprogramme, sondern auch alles drum herum – gegriffen haben. Es ist richtig, dass der Rettungsschirm jetzt kommt, und es ist nicht zu spät. Die weiteren Anpassungen, die wir in der Rechtsverordnung anfassen werden, müssen den weiteren Ausbau des Sporttreibens im Blick haben, und das sichern wir zu.

Das alles – der Rettungsschirm und weitere Anpassungen – werden aber nur der aktuellen Situation gerecht werden. Die strukturellen Folgen und die strukturellen Defizite werden uns erst noch erreichen. Wir sichern dem Sport zu, dass wir uns auch diesen dann widmen, denn wir als Koalition wollen dem Sport helfen und ihn unterstützen.

Natürlich gehören zum Sportbereich auch die privaten oder kommerziellen Sportanbieter. Wir arbeiten auch hier an Lösungen und versuchen, ihre Bedarfe in die bestehenden Soforthilfeprogramme zu integrieren. Sie sind wichtig und stellen tatsächlich einen wesentlichen Baustein in der Sportlandschaft unserer Stadt dar. Aber es geht eben nicht, dass wir Unternehmen und Vereine aus den gleichen Förderprogrammen unterstützen. Für die privaten oder kommerziellen Sportanbieter ist es aber dazu auch hilfreich, wenn wir bei den kommenden Anpassungen der Rechtsverordnung mit Maß kleine Gruppenangebote unter Wahrung von Abständen und im Freien zulassen und ihnen so ermöglichen, wieder ein grundständiges Angebot entwickeln zu können. Das Gleiche gilt aber auch für die Sportvereine. – Das wird uns am Ende aber nur gelingen, wenn es die Verhältnisse in Gänze zulassen. Man muss es auch sagen: Der Gesundheitsschutz wird auch im Sportbereich am Ende den Rahmen setzen.

Einen Bereich des Sports möchte ich am Ende explizit herausgreifen und erwähnen und schaue dabei in Richtung von Frau Kalayci: Es ist der Behinderten-, Rehabilitations- und Gesundheitssport. Auch dieser Bereich steht still und droht, auch durch einen Rettungsschirm nicht ausreichend Unterstützung zu bekommen. Das liegt nicht am mangelnden Willen, aber an den Strukturen in diesem Bereich: Der Gesundheits- und Rehasport ist kostenintensiv, benötigt mehr Personal und lebt von den Zuwendungen der Kostenträger. Krankenkassen und andere sparen hier zurzeit aber allein in Berlin wöchentlich über 250 000 Euro, weil die über 3 000 Angebote pro Woche nicht stattfinden können. Ohne Geld für die hohen Fixkosten werden die Träger und Angebote aber nicht über

leben. Der Gesundheits- und Rehasport wird jedoch auch nach der Krisenzeit gebraucht werden, und wir müssen alles dafür tun, um diese Angebote über die Zeit zu retten. Hier müssen wir mit Krankenkassen und anderen Kostenträgern im Sinne der Daseinsvorsorge reden und sie in die Pflicht nehmen. Wir können die Angebote und die Träger im Gesundheits- und Rehasport nicht allein über den Landeshaushalt retten, wenn an anderer Stelle wöchentlich über 200 000 Euro eingespart werden. Ich bin mir aber sicher, dass wir die dafür zuständige Gesundheitssenatorin für diese Gespräche an unserer Seite haben.

Die beiden AfD-Anträge, die wir gerade auch beraten, helfen uns bei all dem nicht weiter. Der Blick in die Glaskugel für fixe Fristsetzungen ist überflüssig und nicht angebracht. Bereits getroffene Entscheidungen und Selbstverständlichkeiten brauchen wir nicht ein weiteres Mal zu beschließen. Die Anträge sind ziemlich dünn und überflüssig.

[Zuruf von Frank Scheermesser (AfD)]

Interessant ist aber, dass Sie Ihre Anträge gar nicht mehr in den Ausschüssen beraten wollen. Das zeigt, wie wichtig Ihnen die Anliegen tatsächlich sind. Mindestens Ihr gewünschtes Förderprogramm hätte wohl doch in den Wirtschaftsausschuss gehört. Aber das ist eben der Unterschied zwischen Ihnen und uns: Wir stellen uns der Verantwortung und ringen um Lösungen. Sie stellen sich ins Schaufenster und tun nur so. – Vielen Dank!

[Beifall bei der LINKEN, Vereinzelter Beifall bei der SPD und den GRÜNEN – Zuruf von Frank Scheermesser (AfD)]

Für die FDP-Fraktion hat jetzt Herr Abgeordneter Förster das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zum Umgang mit den AfD-Anträgen hat Kollege Bertram gerade das Nötige gesagt; sie sind in der Tat inhaltlich relativ dünn. Eine wirkliche Priorität der AfD war es auch nicht, denn bis vor zwei Tagen hat sie uns hier noch mit Coronabonds behelligen wollen, die im Land Berlin aber gar nicht entschieden werden. Insofern ist es durchsichtig, das Thema zur Priorität zu machen.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der SPD und der LINKEN – Beifall von Stephan Standfuß (CDU)]

Ich will an der Stelle auch sagen, dass meine Vorredner, der Kollege Standfuß, aber auch Kollege Buchner und Kollege Bertram, durchaus Punkte aufgegriffen haben, die auch ich in meinem Vortrag erwähnt hätte. Das kann

(Philipp Bertram)

ich mir sparen, aber nicht, weil sie unwichtig wären, sondern weil ich gerne noch einige andere Punkte hinzufügen möchte. Es ist ganz klar, dass wir bei den Vereinen darauf achten müssen, dass ihnen die Mitglieder nicht verloren gehen. Das hat aber auch, und an der Stelle führe ich meine Kritik an den Senat an, damit zu tun, dass man alle Vereine über einen Kamm geschoren hat, egal, um welche Sportart es sich handelt. Mitte März hat man das gesamte sportliche Leben in dieser Stadt gleichermaßen lahmgelegt. Das ist der Kardinalfehler gewesen – das will ich gleich noch begründen –, der, das will ich an der Stelle klar sagen, viel Schaden angerichtet hat.

Mir ist klar, dass man eine kontaktintensive Mannschaftssportart wie Fußball oder Eishockey in einer Zeit wie der momentanen nicht ausüben kann. Mir ist auch klar, dass Boxsport ohne intensiven Körperkontakt nicht möglich ist, das ist vollkommen klar. Mir kann aber niemand erklären, warum man vor sämtliche Tennisvereine der Stadt ein Schloss hängen musste, wo zwei in der Regel ältere Herren auf einem großen Platz, getrennt von einem Netz und in mehreren Metern Abstand einen Ball über selbiges schlagen. Ich kann nicht erkennen, wo von einem Tennisturnier mit zwei Personen eine Gefahr ausgehen soll. Gleiches gilt auch für den Golfsport.

[Marc Vallendar (AfD): Darüber kann man nur reden, wenn man in der FDP ist!]

Auch da kann ich nur sagen: Wer jemals auf einem Golfplatz gewesen ist, wird wissen, wie viel Abstand, wie viel Platz dort vorhanden ist. Auch da ist in der Regel, bei den wenigen Leuten, die sich auf so einem Platz aufhalten, keine große Gefahr gegeben. Das prägnanteste Beispiel ist der Segelsport, sind die Segelvereine,

[Beifall bei der FDP]

wo es der Senat über die Bezirksämter wirklich geschafft hat, vor alle Segelvereine ein Schloss zu machen und zu sagen: Ihr könnt weder eure Boote ins Wasser lassen, noch könnt ihr eure Lauben betreten oder etwas aus dem Vereinshaus herausholen. Es geht gar nichts! – Das Ergebnis ist, dass die privaten Marinas nebenan, weil sie gewerbliche Betriebe sind, die Boote ins Wasser lassen konnten, während die Leute in den gemeinnützigen Segelvereinen ein langes Gesicht gezogen haben. Wenn man will, dass die Leute aus den Vereinen getrieben werden, dann doch so! Da sagen die Leute: Ich kündige meine Mitgliedschaft im Segelverein und gehe zur privaten Marina. – Das kann es doch wohl nicht sein.

[Beifall bei der FDP – Beifall von Stephan Standfuß (CDU)]

Was das mit Gesundheitsschutz zu tun hat, verstehe ich auch nicht, abgesehen davon, dass jemand, der mit seinem Segelboot über den Müggelsee oder den Wannsee schippert, nun wirklich keine Gefahr für die Allgemeinheit darstellt. Da dann aber bitte die Leute auch gleichbehandeln!

Bei den kleinen Zugeständnissen, die jetzt gemacht worden sind, sind wir wieder bei den Wassersportvereinen: Die dürfen ihr Boot jetzt verschämt ins Wasser schubsen, dürfen aber immer noch nicht ihre Lauben betreten, und sie dürfen immer noch nicht ins Vereinshaus. Die Vereinsgastronomie hat weiterhin geschlossen, und auch das ist ein Problem. Die Gastronomen in diesen Vereinslokalen leben ohnehin nur von den Mitgliedern und Besuchern. Die Besucher bleiben weg, und wenn sie nicht einmal den Mitgliedern, die auf diesem Gelände viel Platz haben, unter den geltenden Vorsichtsmaßnahmen Bockwurst und Streuselkuchen verkaufen dürfen, dann weiß ich es auch nicht. Dann werden wir auch an dieser Stelle weitere Pleiten bei den Gastronomen hervorrufen. Das kann es auch nicht sein.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Ich will an der Stelle auch klar sagen: Die Unterstützungen für die Sportvereine sind notwendig. Kollege Standfuß hat auf das Programm des LSB in dem Vorschlag hingewiesen; den unterstützen wir auch. Man wird im Rahmen der Haushaltsberatungen gucken müssen, ob man bei der Innen- und Sportverwaltung, wo es insgesamt einen großen Haushaltsposten gibt, umschichten kann; das ist dann auch unsere Aufgabe. Wir haben vom Finanzsenator vorhin gehört, dass wir nicht nur Mehrausgaben produzieren können, auch wenn es gewaltig teuer wird, wir müssen auch gucken, wo man Gelder umschichten kann. Das sollten wir gemeinsam tun.

Ich will noch zwei Sätze zu der Frage verlieren, wie man mit dem kommerziellen Sport umgeht. Kommerzieller Sport ist in zweierlei Hinsicht von Bedeutung. Zum einen gibt es den Sport, darauf hat Kollege Buchner hingewiesen, der im rechtlichen Sinne kein Sport ist – der ganze Bereich der privaten Sport-, Fitness- und sonstigen Studios. Wenn das Wirtschaftsunternehmen sind, und das sind sie, daran hängen in der Stadt Abertausende Arbeitsplätze, dann erwarte ich von der Wirtschaftssenatorin, dass sie sich darum kümmert und nicht sagt, das sei irgendwie Sport. Nein, das ist Wirtschaft! Und da muss die Wirtschaftssenatorin Flagge zeigen, sich einschalten und auch diese Unternehmen unterstützen. Das kann man von einem Senat erwarten, der hier Verantwortung trägt und auch zeigen sollte.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU und der AfD]

Zum anderen gibt es die Sportgroßvereine in der Stadt; hier handelt es sich auch um kommerziellen Sport. Auch wenn sie jetzt keine Spiele abwickeln: Auch sie benötigen Hilfe. Vielleicht nicht immer über die klassischen Sportfonds, die die gemeinnützigen Vereine bekommen, aber sie benötigen in jedem Fall Hilfe und Unterstützung. Auch da wäre die Wirtschaftsverwaltung ein Stück weit im Spiel, denn die Profivereine sind Wirtschaftsunternehmen, aber eben auch Vereine, an denen Tausende von Arbeitsplätzen hängen.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Kollege?

Ja, gerne!

Dann halten wir kurz an. – Frau Ludwig hat sich gemeldet.

Danke schön! – Herr Förster! Ist ihnen nicht bekannt, dass alle Soforthilfeprogramme, die es für die Wirtschaft gibt, auch für die kommerziell handelnden Vereine sowie für die von Ihnen genannten Sportstudios gelten und sich dort auch schon bedient wurde?

[Torsten Schneider (SPD): Aha!]