Protokoll der Sitzung vom 30.04.2020

[Torsten Schneider (SPD): Aha!]

Mir ist bekannt, dass Programme aufgelegt worden sind, die aber offenbar nicht passgenau sind für diejenigen, die sie in Anspruch nehmen wollen. Sonst würden wir nicht die Dutzenden Briefe– Kollege Buchner hat darauf hingewiesen – von den Sportstudios und Fitnessstudios bekommen, die uns aufzählen, dass sie mit den Möglichkeiten, Hilfe in Anspruch zu nehmen, scheitern.

[Zuruf von Nicole Ludwig (GRÜNE)]

Wenn das Geldsäckel so groß wäre, und sie müssten nur mit der Schubkarre vorfahren, dann könnten sie das Geld ja mitnehmen. Uns schildern sie, dass die Programme nicht passend sind, weil die Betriebe entweder zu klein oder zu groß sind, und dass sich die Wirtschaftsverwaltung nicht hinreichend kümmert. Auch Herr Niroomand von den BR Volleys hat in einem Brandbrief an den Senat klargestellt, dass er sich nicht ausreichend unterstützt fühlt. Nun mag auf dem Papier etwas anderes stehen, in der Praxis nehmen wir aber wahr, dass es keine ausreichende Unterstützung gibt. Da kann ich nur noch einmal sagen: Der Sport in dieser Stadt als größte Massenorganisation – nirgendwo sind mehr Leute organisiert – verdient es gleichermaßen wie alle anderen Branchen, entsprechende Hilfen zu erfahren. Lassen Sie uns also gemeinsam das sportliche Leben in der Stadt wieder verantwortungsvoll und unter den nötigen Sicherheitsvorkehrungen hochfahren! Tun Sie nicht so, als könnten Sportlerinnen und Sportler weniger verantwortungsvoll mit ihrem Leben umgehen als andere. – Vielen Dank!

[Beifall bei der FDP – Frank-Christian Hansel (AfD): Gut, dass wir darüber gesprochen haben, Herr Förster!]

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat dann Frau Ludwig das Wort.

[Frank-Christian Hansel (AfD): Frau Ludwig! Haben Sie keine Lust? Machen Sie doch mal ein bisschen Feuer!]

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit der positiven Entwicklung der Fallzahlen und auch der Ansteckungsrate wurden bereits in der vergangenen Woche erste vorsichtige Lockerungen vollzogen. Seit einer Woche darf wieder auf Sportplätzen trainiert werden, und, Herr Förster, es dürfen auch alle wieder segeln. Ja, zwar eingeschränkt, aber es ist natürlich richtig, hier schrittweise vorzugehen und intensiv zu beobachten, wie sich die Fallzahlen und die Ansteckungsrate entwickeln. Das Schlimmste wäre doch, wenn wir einmal eingeführte Lockerungen wieder zurücknehmen müssten. Deswegen zeigt der Antrag, alles wieder ganz schnell zu öffnen, sicherlich den falschen Weg auf. Hier muss man mit Augenmaß vorgehen.

Dennoch ist uns daran gelegen, Sport und Bewegung für Kinder, Jugendliche, Seniorinnen und Senioren, für alle Menschen mit und ohne Behinderung im Übrigen, in Vereinen und auch ohne Vereine, beim Personal Trainer wie auch im Fitnessclub natürlich so schnell wie möglich wieder zuzulassen, denn jeder Sport ist Gesundheitsvorsorge und wichtiger Platz für soziale Kontakte, und die haben wir alle nötig.

Eins muss uns aber auch klar sein: Auf Teamsport mit ständigem starken Körperkontakt wird man noch einige Zeit verzichten müssen. Auch Indoortraining ist aufgrund der deutlich erhöhten Ansteckungsrate in Innenräumen weiterhin noch ohne echte Perspektive. Allerdings müssen jetzt auch nicht alle auf Bouldern, Skaten, BMX, Tennis oder das Kajak umsteigen. Zum Beispiel für den Sport im Freien können wir uns schon bald weitere Lockerungen vorstellen. Diese könnten zum Beispiel für Yoga und Tai Chi in Parks und auf Sportplätzen gelten. Eine Yogastunde mit mehreren Personen, 1,50 m Abstand, auf eigenen Matten, auf der Wiese sollte doch unproblematisch sein und würde vielen eingerosteten Homeofficekörpern notwendige Bewegung verschaffen; denn Folgeschäden durch zu langes Rumsitzen wollen wir auch vermeiden.

Frei- und Strandbäder könnten – das hat auch schon der Kollege Buchner erwähnt –, so dies auch wirtschaftlich vertretbar ist, limitiert öffnen, ähnlich dem Zoo und dem Tierpark. Gerade für Familien mit Kindern und ältere Menschen, für die Schwimmen oft der einzig mögliche

Sport ist, wäre dies eine echte Verbesserung ihres Lebensalltags. So weit also erst mal zu Ihrem ersten Antrag, den ich damit definitiv für erledigt erklären würde.

Ihr zweiter Antrag adressiert explizit kommerzielle Sportanbieter. Mir ist hier nicht klar geworden, auch aus den anderen Wortbeiträgen, auch bei Herrn Standfuß nicht, warum Sie in der Frage der Ausübung von Sport hier einen Unterschied machen. Die Grundzüge der Eindämmungsverordnung gelten für alle, ob kommerziell oder nicht, die Ansteckungsgefahr ist doch überall die gleiche. Unsere Aufgabe ist es doch, überall dafür zu sorgen, die Epidemie einzudämmen, denn das hat oberste Priorität.

[Zurufe von der AfD]

Da macht es keinen Unterschied, ob Sie jetzt privat einen Tennisplatz mieten oder in Ihrem Verein spielen, ausschließlich Einzelspiel ist erlaubt, kein Doppel und kein Gruppentraining – privat, also kommerziell, genauso wie im Verein.

Nun komme ich zu dem zweiten größeren Block in Ihrem Antrag, der sich um die kommerziellen Sportanbieter dreht. Da sprechen Sie von den wirtschaftlichen Hilfen, die notwendig wären.

Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ja, gerne! Ach so, von wem?

Herr Scheermesser hatte sich gemeldet. – Bitte schön!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Vielen Dank, Frau Ludwig! Sie sagten gerade, dass wir Unterschiede machen – eben nicht. Die Gleichbehandlung habe ich angesprochen, die gilt für alle, Kommerzielle und Vereine. Aber Sie unterscheiden – Vereine machen auf, Kommerzielle nicht, obwohl genügend Anträge packenweise vorliegen. Können Sie mir das beantworten?

In Ihrem zweiten Antrag fordern Sie eine sofortige Öffnung aller kommerziellen Sportanbieter. Wenn ich zum Beispiel an Fitnessstudios denke, wo Sport ja vor allem im Innenraum stattfindet, ist es natürlich logisch, dass das momentan keinen Sinn macht, weil im Innenraum, auf engem Raum, die Ansteckungsrate besonders hoch ist, das Virus bleibt lange in der Luft. Das dürfen wir auch auf den öffentlichen Sportanlagen nicht, also Sporthallen

sind auch nicht geöffnet. Die Plätze sind geöffnet, aber die Hallen sind nicht geöffnet. Da machen wir keinen Unterschied. Sie wollen jetzt die Kommerziellen aus irgendeinem Grund, der mir nicht einleuchtet, besser behandeln.

[Zuruf von Frank Scheermesser (AfD)]

So, das war die Beantwortung Ihrer Frage.

Ich komme jetzt zu den wirtschaftlichen Hilfen. Sie möchten zusätzlich die kommerziellen Sportanbieter, über alle anderen Unternehmen hinaus, mit Geldern oder Vorzügen bedienen.

[Frank Scheermesser (AfD): Gleichbehandlung!]

Für mich sind kommerzielle Sportanbieter Unternehmen wie jedes andere Unternehmen: wie das Kosmetikstudio, dem es momentan schlecht geht, weil es nicht öffnen kann, wie die Gastronomen, die alle nicht öffnen können und hohe Mieten zahlen müssen, oder auch die private Musikschule, die den Unterricht nur noch irgendwie online machen kann und dafür vielleicht nur 10 Prozent ihres normalen Kursentgelts nehmen kann. Das ist für mich dasselbe, ob das jetzt Sport oder Musik, Kosmetik oder der Gastronom ist.

Alle diese Unternehmen stecken derzeit genauso in Schwierigkeiten. Für all diese Unternehmen gibt es bereits Soforthilfen und werden auch weitere erarbeitet. Das geht jetzt besonders an Herrn Standfuß und an Herrn Förster, Sie kriegen gleich von mir eine Übersicht, da steht alles drin. Da können Sie es nachlesen, bevor das Protokoll fertig ist. Kommerzielle Sportanbieter, ob klassische Sportstudio, Reha-Sportanbieter, Kampfsportschule können wie alle anderen – im Übrigen wie auch Vereine, wenn sie denn wirtschaftlich handeln – viele der Hilfen in Anspruch nehmen: den KfW-Schnellkredit mit zehn Jahren Laufzeit, die Soforthilfen als Zuschuss, je nach Mitarbeiterzahl 9 000 Euro, 15 000 Euro, demnächst ja sogar 25 000 Euro. Sie wissen selbst, genauso wie ich, dass dieses Programm gerade erarbeitet wird. Sie können das Kurzarbeitergeld für ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Anspruch nehmen, sie können Arbeitnehmerüberlassungen mit ihren Mitarbeitern machen, wenn sie sie denn nicht kündigen und sie nicht in Kurzarbeit schicken wollen. Sie können ihre Mieten bis Juni 22 stunden, das gilt für die Sportstudios wie für alle anderen. Und sie können natürlich auch bereits jetzt ihre Steuervorauszahlungen stunden.

Das gibt es schon, da brauche ich keinen extra Antrag für die kommerziellen Sportanbieter. Das ist absolut überflüssig. Ich sehe hier gar keinen Grund, dafür noch ein Extraprogramm aufzusetzen. Und ich sehe schon gar keinen Grund, den Rettungsschirm Sport, der sich explizit an die wenden soll, die bisher von den ganzen Soforthilfen für die Wirtschaft nicht ergriffen sind, nämlich die nichtkommerziellen und gemeinnützigen Vereine, für kommerzielle Anbieter aufzubohren. Ich weiß nicht,

entweder haben Sie das System nicht verstanden oder Sie arbeiten für die kommerziellen Sportanbieter und wollen hier irgendwie Lobbyarbeit machen. Mir ist das von der Logik her, politisch, in keiner Weise klar.

Bei dem Rettungsschirm für den Sport möchte ich noch dazu sagen, dass er sich konkret an gemeinnützige Vereine richtet, die ernsthaft in Existenznot kommen, weil Mieten, Kredite, andere hohe laufende Kosten nicht selbst gedeckt werden können, weil Einnahmen fehlen und die auch keinen Zugriff auf Soforthilfen haben. Die Betonung liegt aber auch hier ganz klar, wie auch bei allen anderen Programmen auch für die Wirtschaft, auf Existenznot. Es geht nicht darum, mit einem Rettungsschirm oder irgendeiner Soforthilfe den Status quo zu sichern. Den Status quo gibt es nicht mehr, und auf diesen hat auch niemand zu Coronazeiten einen Anspruch.

Frau Kollegin, Sie müssten jetzt bitte zum Ende kommen.

Alle Seiten werden in diesem Jahr Abstriche machen müssen, auch der Sport. Aber wir müssen natürlich verhindern, dass gewachsene Strukturen durch Corona nachhaltig zerstört werden. Es heißt also, genau hinzuschauen, wer braucht finanzielle Hilfe und wofür. Ihr Antrag möchte eine Gruppe privilegieren, und das lehnen wir ab. – Vielen Dank!

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Für eine Zwischenbemerkung hat dann Herr Scheermesser das Wort. – Einen kleinen Moment, Herr Kollege, wir müssen hier erst wieder desinfizieren.

Vielen Dank, Herr Präsident! – Ja, Frau Ludwig, wer das System hier nicht verstanden hat, das muss sich noch herausstellen.

[Torsten Schneider (SPD): Wollen Sie eine ehrliche oder eine höfliche Antwort! ]

Die meisten kommerziellen Sportanbieter fallen gar nicht unter die Schirme I und II, die von der Wirtschaftssenatorin angeboten werden. Nur vereinzelnd ist es möglich. Diese Leute haben überhaupt nichts. An diesen ganzen kommerziellen Sportanbietern hängen auch Existenzen dran, zum Beispiel freiberufliche Trainer, Personaltrainer und, und, und.

[Beifall bei der AfD]

Die haben überhaupt keinen Anspruch, weder auf Arbeitslosengeld noch auf irgendeinen anderen Fonds. Die machen fast 50 Prozent des Sportes, den die Bürger dieser Stadt nutzen, genauso wie Vereine.

Von wegen Unterschiede, genau das wollen wir nicht. Wir wollen keine Unterschiede, wir wollen die Gleichbehandlung haben. Denn das, was Vereine, Profivereine, als Unterstützung vom Senat bekommen, das sehen wir ja bei ALBA, das sehen wir bei Hertha, wo man mit der Miete entgegenkommt. Das sind genauso kommerzielle Anbieter. Wieso wird denen geholfen und anderen nicht?

[Beifall bei der AfD]

Das ist eine Frage der Lobby. Und ich frage mich, welche Lobby vertreten Sie denn hier in diesem Parlament?

[Paul Fresdorf (FDP): Ich weiß es!]

Vielleicht die Lobby vom LSB. Oder wie auch immer, ich weiß es nicht. Auf alle Fälle, das was Sie meinen, ist auf keinen Fall Gleichbehandlung. Das ist genau der Unterschied, Frau Ludwig. Das sollten Sie sich langsam mal mit Ihrem System überlegen. Sport ist für alle da, und alle, die Sport betreiben, haben auch einen Anspruch auf Hilfe. Damit ist das Thema, denke ich, erledigt. – Danke schön!

[Beifall bei der AfD]

Wünschen Sie zu antworten? – Dann bekommen Sie das Wort, Frau Ludwig!

Danke! – Diese Desinfektion hat auch den Vorteil, dass man noch mal durchatmen kann. Da hat sich meine Aufregung schon wieder ein bisschen gelegt. Aber mit Verlaub, ich kann Ihnen nur sagen: Gehen Sie auf die Webseite der Senatsverwaltung für Wirtschaft, gehen Sie auf die Webseite der IBB! Selbstverständlich wird auch den freien Trägerinnen und Trägern geholfen, genauso wie freien Musikschullehrerinnen und -lehrern und allen anderen Freiberuflern mit der ersten Soforthilfe mit 5 000 Euro geholfen wurde. Das haben auch genug Leute in Anspruch genommen. Die weiteren Soforthilfen gelten für die Menschen, für ihre Betriebsausgaben, wenn sie denn Angestellte haben. Und wer das nicht hat, für den wurde das ALG II weit geöffnet. Da hat man für ein halbes Jahr im Grunde ein, ich sage jetzt mal, solidarisches Grundeinkommen. Das ist nicht unser Lieblingsweg gewesen, uns wäre auch lieber gewesen, die Bundessoforthilfen würden auch für den privaten Lebensunterhalt der Soloselbstständigen und der Freiberufler gelten. Das haben die nicht gemacht, dafür wurde ALG II geöffnet, ohne Vermögensprüfung. Es wird die komplette Miete bezahlt. Ich mache jede Woche eine Sprechstunde und spreche mit genau den Leuten. Erzählen Sie mir nichts!

Ich rede mit genau den Leuten. Die bedanken sich inzwischen: Toll, wie hier geholfen wurde! – Klar und logisch ist: Es gibt immer Einzelfälle, die durchs Raster fallen. Ich hatte z. B. gestern eine Rentnerin, die nebenbei irgendwie selbstständig ist. Das ist ihr weggebrochen, und das ersetzt ihr im Moment keiner. Stimmt, das ist schwierig. Es gibt eine ganze Menge Einzelfälle. Wir haben die große Gruppe der Studentinnen und Studenten, für die es keine Hilfe gibt. Es ist schäbig, was da im Bund passiert und diesen Studentinnen und Studenten nicht geholfen wird. Die kriegen keinerlei Unterstützung. Die haben gar keine Lobby. Für die mache ich jetzt hier mal kurz und ganz nebenbei Lobby.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Zu Hertha kann ich Ihnen jetzt hier nur sagen: Ich bin absolut dagegen, einzelne Profisportvereine gegenüber anderen Wirtschaftsunternehmen – denn das sind die Profivereine – privilegiert zu behandeln, und das passiert ja auch nicht. Hertha wird die Miete nicht einfach so erlassen, sondern der Vertrag sieht vor, dass Miete gezahlt wird, wenn ein Spiel stattfindet. Das ist eine ganz normale vertragliche Regelung. Über einen solchen Vertrag würden sich andere Leute freuen. Z. B. würde sich ein Gastronomiebetrieb sehr darüber freuen, wenn da drin stehen würde: Ich muss nur Miete zahlen, wenn ich offen habe. – Die Vermieter in Deutschland sind leider nicht sehr kulant. Da hat die Bundesregierung eine Menge zu tun, auch die Vermieter mit in die Pflicht zu nehmen. Alle müssen ihren Teil in der Krise beitragen. Wenn die Vermieter vom Bund in die Pflicht genommen würden, würden davon auch Ihre privaten kommerziellen Sportanbieter profitieren.