Protokoll der Sitzung vom 14.05.2020

[Heiterkeit und Beifall bei der AfD – Beifall von Andreas Wild (fraktionslos)]

Am Ende würde da nur die totale Notenpresse helfen, und alles versinkt in Inflation. Bei allem Verständnis, aber das kann wahrlich nicht der Weg sein. Im Übrigen lädt dieses Modell geradezu zum Missbrauch ein, da nur auf erfolgswirksame Vorgänge in der Periode 2020, also in diesem Jahr, abgestellt wird. Ohne Vermögensbetrachtung ließe sich diese sogenannte Umsatzersatzleistung relativ einfach legal mitnehmen oder in Vollzuschüsse umwandeln. Wie? – Ganz einfach, die Gewinnabschöpfung wird durch vorgezogenen Aufwand, nicht zu aktivierende Beratungsleistungen oder Großeinkauf von geringwertigen Wirtschaftsgütern ausgehebelt – Tische, Stühle, Smartphones. Ganz schlaue Unternehmen könnten die Sachen im Folgejahr sogar gewinnbringend verkaufen.

Vielleicht steckt hinter dem Antrag der FDP aber auch ein geheimer Plan, um die Flughafengesellschaft doch noch vor der Insolvenz zu retten und damit Rot-Rot-Grün und der CDU wegen ihres jahrelangen Missmanagements aus der Patsche zu helfen.

[Beifall bei der AfD]

Ganz einfach: 90 Prozent Umsatzeinbußen der Flughafengesellschaft durch Direktüberweisung des Staates ausgleichen, dann die milliardenschweren Fehlinvestitionen am BER wahrheitsgetreu außerplanmäßig abschreiben, und fertig ist die Sanierung auf Staatskosten. Dann, liebe FDP, bitte aber auch als Gegenleistung Tegel dauerhaft offen halten!

[Beifall bei der AfD]

Die beste Lösung ist noch immer Eigenverantwortlichkeit und Selbstbestimmung. Die Unternehmer sind in der Lage, selbst einzuschätzen, wie sie ihr Unternehmen auch in Coronazeiten durch die Krise führen. Ein Ende des Shutdowns ist die beste Medizin für Unternehmen und Selbstständige. – Vielen Dank!

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat das Wort Herr Abgeordneter Lux. – Bitte schön!

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Höchststrafen gab es ja schon für den Antrag. Ich möchte die Gelegenheit trotzdem noch mal nutzen, darauf hinzuweisen, wie stark Bund und Länder in dieser schon zwei Monate anhaltenden Pandemiezeit gehandelt haben. Die Wirtschaft auch in Berlin ist massiv betroffen – in Gastronomie, Handel, Kultur, Veranstaltungen –, und der Bund, aber auch Berlin haben massiv gehandelt. Wir haben mit dem Soforthilfeprogramm I 350 Millionen Euro vom Bund umgesetzt und in Rettungsbeihilfen für Unternehmen im Land umgewandelt.

Wir haben mit der Soforthilfe II, die ja von allen hier im Haus gelobt wird, sehr schnell, sehr unbürokratisch und sehr zielgenau über 1,5 Milliarden Euro an Zuschüssen ausgegeben und damit vielen Solo-Selbstständigen, Freiberuflern, Unternehmen mit bis zu fünf Beschäftigten geholfen, Arbeitsplätze gerettet und Insolvenzen verhindert. Zu Recht wird diese Soforthilfe II auch von anderen Bundesländern kopiert, um Unternehmen, Selbstständigen und Freiberuflern vor Ort zu helfen. Es ist angemahnt worden, für den Mittelstand ab zehn Mitarbeitern Soforthilfen aufzulegen, und die beginnen ab dem 18. Mai 2020. Also das, was hier kritisiert worden ist, teils auch in die Ecke gestellt worden ist – Rot-Rot-Grün würde sich nicht um die größeren, die mittleren Unternehmen kümmern –, das stimmt nicht, denn ab dem 18. Mai läuft in erster Linie über einen KfW-Schnellkredit, aber auch über zusätzliche Tilgungszuschüsse ein Soforthilfeprogramm V für den Mittelstand. Und Bund und Länder haben auch dafür gesorgt, dass die Sozialbeiträge für die Kurzarbeit gezahlt werden, dass gestundet werden kann und dass Insolvenzen erst später angemeldet werden müssen.

All das sind doch gemeinschaftliche Hilfen, die wir über die Parteigrenzen, Ländergrenzen hinweg aufgesetzt haben, und das ist auch eine gute Linie, um weiter durch die Pandemie zu kommen.

Sie von der FDP wollen im laufenden Rennen die Pferde wechseln – ich kann nur sagen: never change a winning team – und die Finanzämter, wie schon ausgeführt, nie dagewesene Summen auszahlen lassen. Ihr Antrag sieht vor, pro Monat ein Zwölftel des Jahresumsatzes, also alle Einnahmen aus dem letzten Jahr, an Unternehmen auszuzahlen. Es gab ja hier schon Schätzungen, bevor ich geredet habe. Es stimmt: 256 Milliarden Euro Jahresumsatz hatten wir 2018. Wenn die Hälfte aller Unternehmen das in Anspruch nimmt, was Sie hier wollen, sind das 120 Milliarden Euro im Jahr, also 10 Milliarden Euro im

(Dr. Kristin Brinker)

Monat. Das sind Summen; da fand ich das Bild von der kommunistischen Splittergruppe schon ganz gut.

[Heiterkeit bei den GRÜNEN und der SPD]

Und Sie wollen das für alle in einer Phase, in der wir mit 8 Prozent Einbußen bei unserem Steueraufkommen rechnen. Das ist Griechenland hoch zehn. Das, was Sie hier verballern wollen, ist zehnmal die Berliner Bankenkrise. Das ist systematisch. Das ist wie ein bedingungsloses Grundeinkommen, aber nicht in Höhe von 1 000 Euro pro Monat, wie das diskutiert wird, sondern in voller Höhe des letztjährigen Umsatzes. Der Modeversandhändler schreit vor Glück. Der hat letztes Jahr 100 Millionen Euro Gewinn gemacht und einen Umsatz von

600 Millionen Euro. Der müsste jetzt nichts tun und bekäme 600 Millionen Euro von Ihnen. Aber auch Selbstständige, Rechtsanwälte, Zahnärzte, kleinere Unternehmer hätten kein Problem. Sie könnten aufhören zu arbeiten, weil sie die Kohle des letzten Jahres von Ihnen bekommen würden, und zwar bedingungslos und in jeder Branche. Was für Anreize setzen Sie denn da? Sie haben gesagt, Leistung soll sich wieder lohnen. Was ist denn das?

[Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der AfD]

Ich habe gestern die meiste Zeit meiner Redevorbereitung damit verbracht zu rätseln, ob das ernst gemeint ist, was ich da lese. – Frau Meister, Sie tragen das behutsam und in einem maßvollen Auftreten vor, aber wenn man das genau nimmt, wenn man das ernst nimmt, was Sie hier aufschreiben, dann gießen Sie hier ein Füllhorn aus, wofür die Bazooka noch viel zu klein ist. Das ist eine Atombombe, ein Flächenbrand. Da ist alles weg, die ganze Kohle. Die hauen Sie weg. Das ist völlig verantwortungslos, und damit werden Sie den Unternehmen in diesem Land auch nicht gerecht. Sie wissen ja noch nicht einmal, ob das Geld bei den Menschen ankommt, die hinter den Unternehmen stehen. Sie wissen ja nicht, wem die Unternehmen gehören. Es ist auch ihr gutes Recht, das geheim zu halten.

[Zuruf von Carsten Ubbelohde (AfD)]

Sie hauen die Kohle da völlig maßlos weg. Ich frage mich, was das ist. Ist das maßlose Naivität? Ist das ein Schnellschuss? Ist das die Sehnsucht nach einem Land, in dem Milch und Honig fließen? Oder ist das der Beweis für den Realitätsverlust? Ist das nicht nur Herr Kemmerich, der in Thüringen nicht weiß, mit wem er da läuft und von wem er sich vor den Karren spannen lässt, sondern ist das die gesamte FDP, die völlig orientierungslos ist? – Liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, Sie haben zum Glück noch die Möglichkeit zu beweisen, dass Sie wieder Maß und Mitte halten, dass Sie zielgenau mit uns durch die Krise kommen wollen und dass wir natürlich konjunkturelle Hilfen ausgeben wollen, aber mit mehr Nachhaltigkeit und Innovationen für mehr Klimaschutz und Digitalisierung – und das Ganze verantwortungsvoll und mit einer Zukunftsausrichtung für das Ge

meinwohl. Wenn Sie das wollen, kommen wir auch wieder auf einen gemeinsamen Kurs, aber nicht mit Ihrem Antrag. – Vielen Dank!

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN – Torsten Schneider (SPD): Aber zielgenau ist es, wenn man so schießt!]

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Vorgeschlagen wird die Überweisung des Antrags an den Ausschuss für Wirtschaft, Energie, Betriebe sowie an den Hauptausschuss. – Widerspruch höre ich nicht, dann verfahren wir so.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 4 A:

Fünftes Gesetz zur Änderung der Bauordnung für Berlin

Dringliche Beschlussempfehlung des Ausschusses für Stadtentwicklung und Wohnen vom 13. Mai 2020

zur Vorlage – zur Beschlussfassung – Drucksache 18/2630

Der Dringlichkeit haben Sie bereits eingangs zugestimmt. Ich eröffne die zweite Lesung der Gesetzesvorlage. Ich rufe auf die Überschrift, die Einleitung sowie die Artikel 1 und 2 der Gesetzesvorlage und schlage vor, die Beratung der Einzelbestimmungen miteinander zu verbinden. – Widerspruch dazu höre ich nicht. Eine Beratung ist nicht vorgesehen. Zu der Gesetzesvorlage Drucksache 18/2630 empfiehlt der Ausschuss für Stadtentwicklung und Wohnen mehrheitlich – gegen die Oppositionsfraktionen – die Annahme. Wer die Gesetzesvorlage gemäß der Beschlussempfehlung Drucksache 18/2692 annehmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Koalitionsfraktionen. Wer stimmt dagegen? – Das sind die Oppositionsfraktionen und die beiden fraktionslosten Abgeordneten. Damit ist das Gesetz beschlossen.

Tagesordnungspunkt 5 war die Priorität der Fraktion der SPD unter Nummer 4.1.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 6:

Gesetz zur Anpassung des Abschlussverfahrens für die erweiterte Berufsbildungsreife und den mittleren Schulabschluss im Rahmen der SARS-CoV-2-Pandemie

Vorlage – zur Beschlussfassung – Drucksache 18/2666

Erste Lesung

(Benedikt Lux)

Ich eröffne die erste Lesung der Gesetzesvorlage. In der Beratung beginnt die Fraktion Die Linke. Es hat das Wort Frau Abgeordnete Kittler. – Bitte schön!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! – Sehr geehrte Damen und Herren! Rund 30 000 Schülerinnen und Schüler des zehnten Jahrgangs hatten vom 17. März bis zum 4. Mai 2020 keinen regulären Unterricht mehr. Die Prüflinge haben in diesem Jahr zu Hause unter teils belasteten Lebenssituationen gelernt und lebten in Ungewissheit darüber, wann und wie Prüfungen überhaupt stattfinden sollen und können. Die Wohnzimmer der Elternhäuser sind bekanntlich keine idealen Lernorte, und Schülerinnen und Schüler brauchen – das ist heute schon mehrfach gesagt worden – die Professionalität von Lehrkräften in der Schule vor Ort. Deshalb sorgen wir mit dieser temporären Änderung des Schulgesetzes dafür, dass sich bestehende Ungerechtigkeiten im Bildungssystem infolge der Coronakrise nicht noch weiter verschärfen. Ich hatte bereits in der Debatte zum Antrag der Koalition unter dem Tagesordnungspunkt 4.3 darauf verwiesen, unter welchen Bedingungen Schülerinnen und Schüler jetzt zu Hause lernen müssen. Die Bibliotheken sind noch immer als Arbeitsorte geschlossen, und auch in der Schule gibt es kaum solche.

Vertretungen der Schülerinnen und Schüler und der Schulleiterinnen und Schulleiter, Kolleginnen und Kollegen der Gewerkschaften und Eltern forderten deshalb vor der KMK am 15. April 2020, die Prüfung für das Abitur, den MSA und die erweiterte Berufsbildungsreife in diesem Schuljahr auszusetzen und die jeweiligen Regelungen in den Bundesländern anzuerkennen. Obwohl in anderen europäischen Staaten ein solcher Weg für das Abitur gegangen wurde, hat die KMK einen solchen Beschluss nicht gefasst.

Da es für den mittleren Schulabschluss und die Berufsbildungsreife aber die Möglichkeit einer länderspezifischen Regelung gibt, können wir hier in Berlin selbst entscheiden, und das tun wir mit dieser Schulgesetzänderung. Der Abschluss wird nun auf der Grundlage der erbrachten Leistungen im laufenden Schuljahr zuerkannt, ergänzt um die Leistungen der Präsentationsprüfung. Letzteres finde ich auch richtig, denn die Schülerinnen und Schüler haben sich in der Regel langfristig darauf vorbereitet und wären sicherlich enttäuscht gewesen, wenn diese ausgefallen wäre. Wollen wir mal alle Daumen drücken, dass die Schülerinnen und Schüler das auch wirklich gut bewältigen. Wir werden sehen, wie sie in diesem Jahr abschließen. Für die Schülerinnen und Schüler des 10. Jahrgangs steht jetzt im Vordergrund, dass noch so viel Wissen wie möglich in Vorbereitung auf die Berufsausbildung, die Abiturstufe oder fürs Leben gelernt wird. Das ist die Zielstellung, denn bei uns steht nicht im Vordergrund, dass die Schule eine Prüfanstalt sein soll.

Auf ein Problem muss ich noch verweisen. Das Problem heißt Probejahr im 5. und 7. Jahrgang des Gymnasiums. Selbst wenn die Schülerinnen und Schüler nun wieder in die Schule gehen, sind sie gegenüber den vorangegangenen Jahrgängen im Nachteil, da ihnen mindestens fünf Wochen Unterricht in der Schule fehlen, sie sich in dieser Zeit auch nicht in den Noten verbessern konnten. Zu bezweifeln ist, dass der Unterricht in allen Fächern stattfindet, und hinzu kommt, dass die häuslichen Arbeitsbedingungen, wie schon beschrieben, nicht gut sind. Ginge es nach der Linksfraktion, würde das Probejahr in diesem Jahr – und übrigens auch in den Folgejahren – ausgesetzt, denn ich denke, dass auch ein Gymnasium in der Lage sein muss, inklusiv zu arbeiten. – Das kann ich mir jetzt nicht verkneifen.

[Beifall bei der LINKEN]

Für die Fraktion der CDU hat das Wort der Abgeordnete Stettner.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kollegen! Wir haben heute Vormittag schon intensiv darüber gesprochen, in welcher Situation unsere Schulen in den letzten Wochen gewesen sind. Wir haben nicht alle die gleiche Meinung dazu, wie wir das ändern können. Jedenfalls haben wir aber die gleiche Meinung dazu, wie die Lehrkräfte und die Schülerinnen und Schüler belastet gewesen sind. Ich möchte noch einmal kurz in Erinnerung rufen: Knapp 30 Prozent der Lehrkräfte sind nicht im regulären Präsenzbetrieb gewesen. Die Regelungen der MSA-Prüfung mit schriftlichen Prüfungen und Präsentationsprüfungen müssen auch korrigiert werden. Dementsprechend ist unser Interesse immer gewesen, dass unsere Schülerinnen und Schüler keine Nachteile bei ihren Abschlüssen haben. Deswegen sind wir, anders als die Linkspartei, dafür eingetreten, dass die Abiturprüfungen durchgeführt werden – was ja auch passiert ist –, damit die Prüflinge, die Abiturienten, auch die Sicherheit einer Anerkennung ihrer Abiturprüfung im ganzen Bundesgebiet haben. Das ist meiner Kenntnis nach gut gelaufen.

Bei den MSA-Prüfungen, Frau Kittler hat das ausgeführt, stellt sich das etwas anders dar. Wir haben eine Länderkompetenz, und die Entscheidung, dass die Präsentationsprüfungen durchgeführt werden, ist ja bereits gefallen – was wir für sinnvoll erachten und unterstützen. Insgesamt wollen wir, wenn wir schon so wenige Möglichkeiten haben zu beschulen, und wenn so viel Unterricht ausfällt, die maximale Zeit auf die Vermittlung von Wissen ausrichten und unnötige Prüfungen und unnötigen Aufwand für die Lehrer zurückstellen. – Das war eine sinnvolle Lösung, aber es sollte bitte auch nur für dieses Schuljahr eine sinnvolle Lösung sein, denn wie wir heute früh schon diskutiert haben, wollen wir im nächsten Schuljahr

(Vizepräsidentin Dr. Manuela Schmidt)

wieder vollständig beschulen. Daher komme ich nicht ganz umhin, noch einmal nachzufragen: Frau Kittler! Sie haben mir nicht gesagt, wie Sie das im nächsten Jahr bereitstellen wollen, sondern dass Sie den gleichen Zustand, den wir jetzt haben, im nächsten Jahr fortsetzen wollen und auch dann nicht voll beschulen können. Das müssen wir aber anders hinbekommen, um auch die MSA-Prüfungen im nächsten Jahr wieder regulär durchführen zu können. Für dieses Mal, für die Krisenregelung stimmen wir dem zu. – Danke schön!

[Beifall bei der CDU]

Für die Fraktion der SPD hat das Wort Frau Abgeordnete Dr. Lasić. – Bitte schön!

Das ist eine erstaunliche Rederunde, weil wir offenbar in aller Einigkeit zu dem Thema sprechen. Das entspricht aber auch der Notlage, in der wir sind, und dem Anspruch, den die CDU auch demonstriert, in diesem Punkt Pragmatismus darzulegen.