Protokoll der Sitzung vom 20.08.2020

Tag auf den nächsten abzustellen, wird wohl lediglich ein Wunschtraum bleiben, der sich länger hinzieht als die Flughafeneröffnung.

Zudem steht die Zukunft der FBB in ihrer bisherigen Form finanziell auf derart wackligen Beinen, dass wohl kaum weder Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern noch Partnern, Lieferanten und Dienstleistern langfristige Perspektiven geboten werden können. Laut einer Studie aus dem April 2020 droht der Flughafengesellschaft nach Eröffnung des BER ein Finanzdesaster. Die FBB verschließt vor dieser Studie, die von Wissenschaftsexperten und Ratingexperten erstellt wurde, die Augen und verlässt sich darauf, dass das Defizit am Ende vom Steuerzahler getragen wird. Um die Situation langfristig zu verbessern und damit auch ein Lohnniveau zu schaffen, das der Qualität und der Wichtigkeit der Arbeit an Flughäfen entspricht, müssen alle Möglichkeiten der Umstrukturierung und Neuausrichtung geprüft werden. Dazu gehört dann zum Teil auch die Prüfung einer Teilprivatisierung verschiedener Bereiche der FBB insbesondere im operativen Bereich. Hier zeigen die Flughäfen in Frankfurt, Düsseldorf und Hannover, dass eine Teilprivatisierung zum Erfolg und zu guter Beschäftigung für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer führen kann.

[Beifall bei der FDP]

So können die Berliner Flughäfen zur Wettbewerbsfähigkeit zurückkehren und dringende Finanzspritzen erhalten, die das Überleben sichern. In den nächsten zwei Jahren werden 1,5 bis 2 Milliarden Euro benötigt für den Fortbestand. Die öffentliche Hand wird wohl kaum in der Lage sein, dies zu leisten. Ein wirtschaftlicher Betrieb ist so stark bedroht und unwahrscheinlich, dass für Löhne, die nicht als Dumping bezeichnet werden müssen, kaum Spielraum ist. Wie man zu den gewünschten Stundenlöhnen kommt, das wird man letztlich nur über die Anzahl der Mitarbeiter regeln können. Wenn man viel zu wenig Mitarbeiter einstellt, führt das zu Mehrbelastungen, Sicherheitslücken und mehr Krankschreibungen. Interessierte Privatinvestoren fürchten beim Einstieg beim BER nicht zwingend das wirtschaftliche Risiko, vielmehr denken sie in langfristigen Perspektiven. Sie fürchten aber die Gängelung und die bürokratischen Hürden, die durch die politischen Akteure aufgestellt werden.

[Beifall bei der FDP]

Wir müssen in Berlin nicht nur für den Flughafen zukünftig ein unternehmerfreundliches Umfeld schaffen, und wir können nicht davon ausgehen, dass über Jahrzehnte der Finanzbedarf des Flughafens von den Steuerzahlern geholt wird. Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich stimme der Forderung gegen Dumpinglöhne gerne zu, aber dieser Antrag ist zu kurz gedacht. Er beschreibt nur ein „Weiter so!“, ist halbherzig in den Bedingungen, und die Erfahrungen aus den letzten Jahren zeigen, dass nur ein entschlossenes Handeln und eine neue Form der Bewirtschaftung hier erfolgversprechend sind. Daher lehne ich

(Harald Moritz)

den Antrag in dieser Form ab – und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

[Beifall bei der FDP – Beifall von Tommy Tabor (AfD)]

Vielen Dank! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Vorgeschlagen wird die Überweisung des Antrags an den Ausschuss für Integration, Arbeit und Soziales sowie an den Hauptausschuss. – Widerspruch hierzu höre ich nicht. Dann verfahren wir so.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 3.6:

Priorität der Fraktion der CDU

Tagesordnungspunkt 77 A

Schulen nicht länger alleinelassen. Berlin braucht einen sofortigen Bildungsgipfel, um ehrliche Partizipation zu ermöglichen

Dringlicher Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 18/2924

Der Dringlichkeit hatten Sie bereits eingangs zugestimmt. In der Beratung beginnt die Fraktion der CDU und hier der Kollege Stettner. – Bitte schön!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Freunde! Rund 700 000 Eltern, die 370 000 Schüler und über 33 000 Lehrkräfte versuchen momentan, in Berlin einen ordnungsgemäßen Schulbetrieb am Laufen zu halten. Sie leisten eine nach meiner festen Überzeugung aufopferungsvolle Arbeit, und wenn sie das nicht täten, hätten wir auch keine Chance auf einen Regelbetrieb in unseren Schulen. Ich glaube, ich darf zumindest in diesem Teil meiner Rede im Namen aller hier sprechen, wenn ich von hier aus unseren ganz herzlichen Dank an alle ausspreche, die das tun.

[Beifall bei der CDU und der FDP – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und der AfD – Beifall von Dr. Maja Lasić (SPD) und Andreas Wild (fraktionslos)]

Vielen Dank, auch an alle von der Koalition, die jetzt geklatscht haben! Ich glaube, das wird während meiner Rede das letzte Mal gewesen sein, wobei ich davon überzeugt bin, dass Sie in fachlichem Sinne meine Sorgen durchaus teilen, aber das hier natürlich nicht öffentlich zeigen dürfen.

Herr Burkard Dregger hatte den Regierenden Bürgermeister gebeten, eine Regierungserklärung zu diesem wichtigen Thema abzugeben, wie wir mit der Wiederer

öffnung unserer Schulen momentan dastehen. Leider ist er noch nicht einmal da, und er hat sich dazu auch nicht geäußert. Das zeigt aus meiner Sicht leider sein offenbares Desinteresse an unseren Schulen. Ich bedaure das wirklich sehr.

Sehr geehrte Frau Senatorin Scheeres! Warum hätten wir ohne die besondere Leistungsbereitschaft der Praktiker in unseren Schulen und unserer Eltern keine Chance auf einen verlässlichen Schulbetrieb? – Weil Sie, sehr geehrte Frau Senatorin, diesen Schulbeginn, diesen Start leider vollkommen vergeigt haben! Anders kann man das leider nicht beschreiben. Sie lassen unsere Schulen vollkommen allein. Sie schieben die Verantwortung auf die Schulleitungen ab. Wir fordern Sie auf, schnellstmöglich einen Bildungsgipfel einzuberufen, um die drängendsten Probleme vor Ort zu besprechen und zu lösen – und dies bitte mit Ernsthaftigkeit, Beratungsoffenheit, Kommunikation und Beteiligung auf Augenhöhe und Verantwortung. Das ist nämlich Ihre Aufgabe, Frau Senatorin!

[Beifall bei der CDU]

Ihre Aufgabe ist es, unseren Schulen schnell zu helfen in dieser ganz besonderen, schwierigen Zeit.

Beginnen wir mal mit der Ernsthaftigkeit. Wir sind seit einer guten Woche unterwegs, seit dem Schulbeginn. Rund 700 000 Eltern haben mit ihren Kindern bis wenige Tage vor Schulbeginn nicht gewusst, ob und wie in unseren Schulen der Schulbetrieb stattfinden wird. Die Schulleitungen wussten bis wenige Tage vor Schulbeginn nicht, wie sie die Stundenpläne genau aufstellen sollen und wie die Hygienerichtlinien genau aussehen werden. Natürlich ist in diesen ersten Wochen eine Vielzahl von Problemen aufgetaucht. Kinder und Lehrer müssten und mussten getestet werden, aber das hat nicht funktioniert. Und Sie wollten über den Schulstart hier und heute gar nicht erst reden.

[Paul Fresdorf (FDP): Das war peinlich!]

Der Regierende Bürgermeister will sich nicht erklären, und die Koalition hat nach Möglichkeiten gesucht, die Dringlichkeit zu umgehen, damit wir gar nicht erst unter dieser Tagesordnung darüber sprechen können. Die Kollegin Burkert-Eulitz hat mir auf Twitter gesagt, das sei doch alles Quatsch, wir hätten doch im Ausschuss drei Stunden hitzig, sowohl was das Klima wie die Debatte angeht, darüber gesprochen. Das ist richtig, und das zeigt ja nur, wie wichtig es ist, dass wir auch hier im Plenum darüber reden, diesem höchsten Gremium.

Gucken wir uns die Beratungsoffenheit oder in diesem Fall leider eher die Beratungsresistenz an: Wir standen schon vor einem Jahr hier und haben nach einem Schulbeginn darüber geredet und gesagt, dass wir einen Bildungsgipfel brauchen. Sie haben das abgelehnt und einen Arbeitskreis eingerichtet. Was ist seitdem passiert? – Nichts! Wir haben vor den Osterferien beantragt, dass Sie die Ferien nutzen, um Teilungsunterricht vorzubereiten,

(Alexander Wieberneit)

kleine Klassen vorzubereiten. Was ist bis heute passiert? – Wieder nichts! Wir haben beantragt, dass Sie die Lehrkräfte verbeamten, damit wir nicht wieder Hunderte gut ausgebildete Lehrkräfte verlieren, die wir dringend brauchen. Was ist passiert? – Nichts! Wir haben vor den Sommerferien beantragt, dass Sie die Sommerferien nutzen, um Teilungsunterricht vorzubereiten, kleinere Klassen zu ermöglichen und Abstand sicherzustellen.

[Stefan Evers (CDU): Nichts ist passiert!]

Was ist passiert? – Nichts. Wir haben eine Sondersitzung des Bildungsausschusses vor den Sommerferien durchgesetzt und Sie aufgefordert, einen Plan B zu entwickeln, der kleinere Klassen und Abstände ermöglicht. Was ist passiert? – Nichts. Sie haben die Sommerferien leider tatenlos verstreichen lassen, und heute sehen wir die Ergebnisse ihrer Untätigkeit.

Nehmen wir Kommunikation und Beteiligung: Wir haben Sie aufgefordert, mit den Eltern, den Schülerinnen und Schülern, den Lehrkräften, den Schulleitungen, mit den Vertretungen auf Augenhöhe zu reden, sie zu beteiligen, sie in Ihre Entscheidungen einzubinden. – Ergebnis: Brandbriefe von Eltern, Schülern, Lehrkräften, die Beteiligung und Kommunikation einfordern und sich von Ihnen – ich muss zitieren – verraten und diskreditiert fühlen.

Nehmen wir Verantwortung: Wir haben Sie aufgefordert, schnelle Tests für Schülerinnen und Schüler und unsere Lehrkräfte sicherzustellen, eine Notfallkommunikation zu gewährleisten, maximale Sicherheit in diesen schwierigen, unsicheren Zeiten zu gewährleisten. – Ergebnis: keine Testungen vor Schulbeginn, keine schnellen Testungen bei Verdachtsfällen, keine 24/7-Notfallnummer für Schulleitungen, kein sicherer Ablauf. Jetzt werden Sie mir nachher sagen – ich hoffe, Sie sagen dazu etwas, weil es wichtig genug wäre –, Sie hätten doch viele tolle Papiere schreiben lassen, die seien ganz toll, und Sie hätten einen weiteren Arbeitskreis eingerichtet – nebenbei eine Woche nach Schulbeginn –, und der sei auch ganz toll. Außerdem seien die Bezirke zuständig und die Schulleitungen seien zuständig, und Sie hätten doch 10 000 Endgeräte gekauft, und Sie hätten für 11 000 Schüler eine Sommerschule eingerichtet. – Wir haben 370 000 Schüler und 30 000 Lehrkräfte.

Sehr geehrte Frau Senatorin! Sie haben keinen Plan B, um einen sicheren Schulbetrieb zu gewährleisten. Ihr vermeintlicher Plan B ist eine Bankrotterklärung für den verlässlichen Schulbetrieb. Sie haben keine Testungen, Sie haben keine durchgehende Notfallnummer, unsere Schulen haben zu wenige Waschbecken, wir können die Fenster zum Teil nicht öffnen, notwendiges Lüften ist nicht möglich.

[Stefan Evers (CDU): Was machen Sie eigentlich? – Zuruf von Paul Fresdorf (FDP)]

Viel zu viele Lehrkräfte verlassen Berlin. Das ist alles das komplette Gegenteil von toll, Frau Senatorin. Sie lassen unsere Schulen allein und schieben die Verantwortung ab. Das sagt nicht nur die Opposition; das sagen die Personalvertretungen, das sagen die Lehrkräfte, das sagen der Elternvertretungen, das sagen die Gewerkschaften, das sagen die Schulleitungen. Sie schreiben es Ihnen auch, Sie müssen schon einen eigenen dicken Ordner für Brandbriefe haben. Ich würde mir wünschen, Sie lesen die auch mal.

Sehr geehrte Frau Senatorin! Wir bitten Sie jetzt wieder mal: Richten Sie sofort, schnellstmöglich einen Bildungsgipfel ein, setzen Sie sich mit denen zusammen, die vor Ort die Arbeit leisten, die den Betrieb am Laufen halten, damit wir diese schweren Probleme, die Sie verursacht haben, schnellstmöglich lösen können. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU – Beifall von Paul Fresdorf (FDP)]

Vielen Dank! – Für die SPD-Fraktion hat die Kollegin Dr. Lasić das Wort.

[Stefan Evers (CDU): Da gibt es eigentlich nichts hinzuzufügen! – Torsten Schneider (SPD): Habt ihr so viel Angst?]

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es gehört zur Tradition in diesem Haus, dass wir uns in der Plenarsitzung nach dem Schulstart einer Bestandsaufnahme an Schulen widmen. Heute ist trotz dieser Kontinuität alles dann doch ein bisschen anders. Im Fokus stehen statt der üblichen Schulfragen Corona und die Schlüsselfrage: Ist Regelbetrieb in Schulen in Zeiten der Pandemie möglich?

Diese Frage haben wir uns über das gesamte Frühjahr hinweg gestellt. Auf der einen Seite standen die Bedenken zum Beispiel der Beschäftigten, die vor vollen Klassen und Überlastung der übrig gebliebenen Lehrkräfte gewarnt haben. Auf der anderen Seite stand der immer lauter werdende Ruf aus der Elternschaft und Wirtschaft, dass es für die Familien nicht mehr möglich sein wird, einen Zustand wie in den Monaten während der Doppelbelastung durch Arbeit und Kinderbetreuung weiterhin aufrechtzuerhalten. In der Gesamtbetrachtung war fraktionsübergreifend klar: So geht es nicht weiter. Wir können Schülerinnen und Schülern, gerade denen, die es besonders nötig haben, nicht den Zugang zu Schule als Bildungs- und bei vielen auch Rückzugsort verwehren. Das Recht auf Bildung und kontinuierliche Begleitung überwog. Das Ergebnis kennen Sie: Wir haben uns zur Rückkehr zum Präsenzunterrichts bekannt.

(Dirk Stettner)

Die Rückkehr zum Regelbetrieb wurde breit begrüßt. Auch jetzt, nach dem Schulstart, wird nicht die Rückkehr zum Regelbetrieb infrage gestellt, sondern es wird ein Ruf laut nach 1 Milliarde Euro für mehr Personal und mehr Räume. Dieser Ruf ist leicht formuliert; jeder Ruf muss aber auch in der Praxis umsetzbar sein, damit er Glaubwürdigkeit erhält. Ich sage klar: Man kann nicht beides haben. Bei über 300 000 Schülerinnen und Schülern würde die Halbierung der Klassen einer Verdopplung der 33 000 Lehrkräfte bedürfen und einer Verdopplung der Räume. Die Größenordnung zeigt Ihnen hoffentlich, warum ich hier in aller Klarheit sagen muss: Politik ist kein Wünsch-dir-was. Die vorgetragene Forderung ist schlicht nicht umsetzbar, solange wir den Anspruch auf Regelbetrieb aufrechterhalten.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN]

Mit Blick auf die Opposition: Parteien, die diese Forderung unterstützen, ohne zu erklären, wie das umgesetzt werden soll, machen sich unglaubwürdig. – Das gilt auch für Sie, liebe CDU und liebe FDP.

[Paul Fresdorf (FDP): Wir haben das doch gar nicht gefordert! Was erzählen Sie da? Zuruf von Dirk Stettner (CDU)]

Was aber ist umsetzbar und damit auch Pflicht des Senats? – Für den Plan A – und damit wir nicht durcheinanderkommen: Plan A ist das, was wir jetzt haben, der Regelbetrieb – ist das Masterhygienekonzept der Landesebene zentral. Wir haben einen klaren Rahmen und sind innerhalb dessen an jedem Standort flexibel in der Umsetzung. So war es von Schulleiterverbänden gewünscht, und die Praxis zeigt, dass in vielen Fällen die Konzepte aufgehen und in einzelnen Fällen nachgesteuert werden muss.

Genauso verhält es sich mit der Meldeabfolge im Falle auftretender Coronafälle. Wir brauchen einen klaren Rahmen, der regelt, wer für was zuständig ist in der Meldekette. Die aktuell auftretenden Coronafälle zeigen, dass in den meisten Fällen die Reihenfolge klar ist, stellenweise aber auch Nachsteuerungsbedarf besteht. Als allgemeines Credo für die Phase, in der wir sind, also den Plan A, kann aus meiner Sicht daher gelten: Wir suchen das maximal Mögliche an Schutz und bewahren uns zeitgleich die notwendige Flexibilität.