Nein, danke! – Zweitens: Ich habe schon gesagt, dass, wenn man im Umgang mit den einzelnen Phänomen immer nur sagt, alle sind gleich zu behandeln, man nicht erfolgreich vorankommen wird. Drittens: Warum tun Sie das? – Wegen der guten alten Hufeisentheorie. Herr Dregger hat nicht umsonst heute Morgen schon gesagt, Sie seien die Partei mit Maß und Mitte. – Und die Mitte definieren Sie – da kann man wirklich an Thüringen denken – , indem Sie immer sagen, alle Extreme sind weit weg, und allein dadurch, dass wir von allen Extremen gleich weit weg sind, sind wir die Mitte. – Und wie es Herr Krestel gerade gesagt hat: Wenn dann in der Mitte plötzlich jemand antisemitisch redet, dann definieren wir ihn aus der Mitte raus, oder er hat sich selbst aus der Mitte rausdefiniert. – Ergebnis: Die Mitte hat nie mit allen gefährlichen Dingen, die in diesem Land passieren, irgendetwas zu tun. Das ist das Gefährliche an diesem Antrag.
Beim Antisemitismus und bei den Verschwörungsideologen, die Ihnen so viele Sorgen machen – das haben Sie heute noch einmal gesagt –, merkt man, wie falsch das ist. Denn das sind ganz normale Menschen aus der Mitte der Gesellschaft, die plötzlich glauben, es gebe eine jüdische Weltverschwörung, angeführt von Angela Merkel und Bill Gates, die mit Zwangsimpfungen eine wie auch immer geartete Bevölkerungsvernichtung betreiben wollen. – Das sind Dinge, die Leute erzählen, die ganz normale Nachbarn sind, die in Ihre Wahlkreisbüros kommen und ja, vielleicht auch in unsere Wahlkreisbüros kommen. Das ist ein Phänomen der Mitte, und deswegen kommt man nicht damit durch, es sich selber mit Hufeisen vom Leib halten zu wollen. Sie haben damit zu tun, und Sie müssen die Auseinandersetzung in Ihren eigenen Reihen suchen. Genau das ist unser aller Aufgabe, ansonsten landet man bei dem Zeug, das AfD und FDP heute hier erzählt haben. – Vielen Dank!
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Vorgeschlagen wird die Überweisung des Antrags federführend an den Ausschuss für Verfassungsschutz sowie mitberatend an den Ausschuss für Verfassungs- und Rechtsangelegenheiten, Geschäftsordnung, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung. – Widerspruch hierzu höre ich nicht. Dann verfahren wir so.
Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion Die Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 18/2766
Ich habe den Antrag vorab an den Ausschuss für Sport überwiesen und darf Ihre Zustimmung hierzu feststellen. Zu dem Antrag ist nach Verständigung der Fraktionen keine Beratung vorgesehen. Zu dem Antrag auf Drucksache 18/2766 empfiehlt der Fachausschuss einstimmig – bei Enthaltung der AfD-Fraktion – die Annahme. Wer den Antrag gemäß der Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/2781 annehmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Zustimmung der Koalitionsfraktionen, der CDU-Fraktion und der FDP-Fraktion. Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Enthaltungen der AfD-Fraktion und eines fraktionslosen Abgeordneten. Damit ist der Antrag angenommen.
Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion Die Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 18/2786
In der Beratung beginnt die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Es hat das Wort der Kollege Kössler. – Bitte schön!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Clubkultur ist Kultur. Was für die meisten von uns hier wahrscheinlich ohnehin selbstverständlich ist, halten wir jetzt auch einmal politisch fest. Clubs sind keine Vergnügungsstätten, sie sind Kultureinrichtungen. Sie sind nicht nur wirtschaftlich wichtig für diese Stadt; Clubkultur beeinflusst das gesamte kulturelle Schaffen dieser Stadt, und die sozialen Treffpunkte, die Clubs sind, sind Eckpfeiler dessen, was wir das freie Berlin nennen.
Dieser Antrag ist ein Meilenstein für die Clubkultur. Wir geben Clubs und damit auch offiziell die Anerkennung, die sie als Kulturbetriebe verdienen. Also solche sind sie nun von allen Stellen des Landes zu behandeln. Zusätzliche Unterstützung gibt es ja in Form des Lärmschutzfonds, eines Agent-of-Change-Prinzips, Gelder für das Clubkataster, Schulungen für diskriminierungssensible Türpolitik, Drug-Checking, legale Open-Airs, nachhalti
ges Feiern, unser Einsatz auf Bundesebene für ein gerechteres Baurecht, für ein besseres Gewerbemietrecht – noch nie hat eine Regierung in diesem Land so viel für die Clubs getan, und ich bin froh, Teil davon zu sein.
Und doch ist es natürlich nicht genug. Während wir uns in puncto Bundesebene wohl noch ein Jahr gedulden müssen, bis dort Leute regieren, die Clubs als Kultur anerkennen und besser schützen, hat die globale Covid19-Pandemie hier und heute existenzielle Auswirkungen. Sie ist ein Brandbeschleuniger auf bereits lodernde Probleme in der Szene. Daher danke ich Senatorin Pop und Senator Lederer – wenn sie hier wären; so virtuell ein Danke vor allem an die Verwaltung in der IBB für die schnelle und größtenteils auch unkomplizierte Hilfe für die Clubs.
Wir bekommen immer wieder Rückmeldungen, und wir hören, wo jemand durchs Raster fällt, aber ich habe den Eindruck, der Senat will nicht nur mit einer Bazooka, sondern auch mit dem feinen Florett Corona bekämpfen, und dafür bin ich dankbar.
Wir haben als Parlament dem Senat dafür aber auch jede Menge Gelder zur Verfügung gegeben, denn Darlehen und Kredite alleine reichen nicht. Viele Clubs, gerade die kleinen, die subkulturellen, die kreativen Orte, die Berlin ausmachen, sind ohnehin prekär. Sie wirtschaften am Rande der Existenz, und es ist völlig offen, wann ein Impfstoff dieses Feiern wieder erlauben wird.
Nach der erfolgreichen Soforthilfe II mit 15 000 Euro Zuschuss je Club, haben wir nun mit der Soforthilfe IV einen eigenen Topf für Kulturbetriebe, zu denen Clubs gehören. Bisher wurden hier durchschnittlich rund 20 000 Euro pro Club im ersten Dreimonatszeitraum genehmigt. Aber wir wissen doch alle: Die Cafés machen langsam wieder auf, die Kinos, es gibt eine Debatte darum, wann im Fußballstadion wieder Leute sind. – Wir wissen aber auch: Clubs, wie wir sie kennen, können das nicht. Da gilt Safety first.
Deshalb werden sie von uns Hilfen bekommen müssen, bis diese Pandemie vorbei ist. Ich bitte den Senat daher weiterhin, flexibel auf die prekäre Lage der Clubs einzugehen. Ich erwarte auch, dass er das im ersten Nachtragshaushaltsgesetz festgeschriebene Gesamtkonzept für die gezielte Unterstützung von Mietern der Landesbeteiligungen bald vorlegt. Das Land muss Vorbild sein. Das hilft auch den Clubs, die mit privaten Vermietern jetzt verhandeln müssen.
Zum Schluss noch ein Bekenntnis: Liebe Clubbetreibende! Ihr habt als Erste dichtgemacht. Ihr wisst, dass ihr die letzten seid, die in dieser Stadt wieder aufmachen werden. Wir wollen, dass ihr auch wisst: Wir stehen an eurer
Seite, und wir werden um jeden Club in dieser Pandemie kämpfen. Ihr seid Berliner Kulturgut. – Vielen Dank!
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich mache es ganz kurz: Der Antrag ist gut, aber dem Anspruch werden Sie in der Praxis noch nicht gerecht. Ich sage Ihnen stichpunktartig, was aus unserer Sicht noch alles fehlt: Es fehlt die Koordinierungsstelle Clubkultur, Finanzen für die Clubkommission, Finanzierung von Lüftungstechnik, Ausnahmegenehmigungen für
Lärmschutz. Bei der Baunutzungsverordnung sind wir ganz bei Ihnen, unser Bundestagsabgeordneter Kai Wegner ist bei dem Thema eh mit 120 Bundestagsabgeordneten unterwegs.
Was die Bilanz der Senatoren in dieser Stadt anbetrifft, so muss man sagen: Die Gesundheitssenatorin definiert alles, was da stattfindet, als Coronapartys, Alternativen werden nicht aufgezeigt, Grünen Stadträte helfen nicht bei der Lieferung von Open-Air-Standorten, die Finanzverwaltung nicht bei den Mieten, die Wirtschaft baut die Hilfen für die Wirtschaftsförderung der Clubs zu kompliziert, und der Kultursenator hat sich in einem Interview, das er jüngst der „Berliner Zeitung“ gegeben hat, nur in hektischem Alarmismus präsentiert und jede konkrete Hilfszusage vermissen lassen. Deswegen gibt es da noch viel Diskussionsbedarf, damit es am Ende so ist, wie Sie gesagt haben, lieber Herr Kollege Kössler. – Vielen Dank!
Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Meine Damen, meine Herren! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Wir tagen jetzt über zehn Stunden, es ist 20.48 Uhr – da hätten die ersten Clubs in Berlin jetzt schon aufgemacht, zumindest die Livemusikstätten.
Die meisten aber noch nicht, seien wir ganz ehrlich, das wissen wir. Aber wir leben leider nicht in normalen Zeiten. Die Clubs in Berlin sind praktisch komplett geschlossen in diesen Coronazeiten, und Sie alle wissen, und wir alle wissen, dass viele schon um ihre Existenz ringen.
Wir haben uns schon vor dem Beginn der Coronapandemie als Koalitionsfraktionen überlegt: Wie können wir den Clubs an vielen anderen Stellen helfen? – Wir müssen ihnen helfen, und wir werden sie auch weiter finanziell unterstützen, denn die Clubkultur Berlins ist ein internationales Aushängeschild für unsere Stadt, zieht viele Menschen – und zwar nicht nur als Tagestouristen – hierher, führt auch dazu, dass es Unternehmen einfacher gemacht wird, zum Beispiel Fachkräfte nach Berlin zu holen. Deswegen werden wir für jeden Club und für die Livemusikstätten in dieser Stadt kämpfen.
Wir brauchen für die Clubs Freiräume, denn sie sind ein großer Faktor der Anziehungskraft dieser Stadt. Sie sind ein kultureller Motor, bieten viele Möglichkeiten, sich zu vergnügen – auch das gehört dazu –, und wir müssen sie deswegen stützen. Sie sind aber gefährdet. Das war schon vor Corona durch Nutzungskonflikte der Fall, also dadurch, dass man Grundstücke und Gewerberäume für andere Nutzungen und gegen viel höhere Mieten besser vermieten kann. Sie sind durch galoppierende Mieten und Gewerbepreise und dann natürlich auch durch heranrückende Wohnbebauungen in ihrer Existenz bedroht, wenn Mieterinnen und Mieter von Neubauwohnungen in der Stadt sagen: Es ist ja schön, so zentral zu wohnen, aber dass da unten ein Club ist! Die müssen doch um 10 Uhr zumachen, ich möchte da nicht belästigt werden!
Kollege Buchholz, vielen Dank! Wie fänden Sie es denn, wenn der Kultursenator dieser Debatte beiwohnen würde?