Protokoll der Sitzung vom 05.11.2020

(Dr. Kristin Brinker)

gespannten Zeiten, und uns alle eint die Sorge um das Funktionieren unserer Stadt.

[Carsten Schatz (LINKE): Stimmt!]

Die meisten von uns verhalten sich angesichts dieser Sorgen auch angemessen. Auch die Arbeit in der Verwaltung haben wir diesen Bedingungen angepasst. Umso mehr ist es Ihnen und Ihrem Team, sehr geehrte Frau Klingen, hoch anzurechnen, dass Sie auch unter diesen Bedingungen oder trotz dieser Bedingungen mit konstanter Akribie und Sorgfalt und mit gewohnt kritischem Blick die Haushalts- und Vermögensrechnung des Landes geprüft und konstruktive Vorschläge für Verbesserungen und Änderungen vorgelegt haben. Natürlich überrascht es niemanden, dass Sie auch dieses Mal wieder Bereiche und Einzelfälle aufzeigen, wo das Land Berlin, wo der Senat und die Bezirke zum Teil erhebliche Ressourcen haben, um Prozesse zu optimieren und Kosten zu sparen. Mein Kollege hat es bereits gesagt: Wo gehobelt wird, fallen nun mal auch Späne.

Zu Recht verweisen Sie auf die noch immer und gerade wieder schwierige Finanzsituation des Landes. Alle meine Vorrednerinnen und Vorredner sind ein Stück weit darauf eingegangen. In den letzten fünf Jahren haben wir den hohen Schuldenstand Berlins erheblich reduziert. Die extrem niedrigen Zinsen der letzten Jahre haben die Auswirkungen auf den Haushalt etwas abgefedert. Jetzt stellt uns die Coronapandemie erneut vor große finanzpolitische Herausforderungen. Die Auswirkungen auf den Landeshaushalt sind nicht in Gänze abschätzbar. Doch sind wir uns mit einer großen Mehrheit in diesem Haus einig, dass wir der Krise nicht hinterhersparen können und es auch nicht wollen.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Raed Saleh (SPD)]

Dazu gehört auch, dass wir weiterhin in Schulen investieren müssen, in die Sanierung und in den Bau neuer Schulen. Die Schulbauoffensive hat der Rechnungshof auf den Prüfstand gestellt – auch das haben meine Vorrednerinnen und Vorredner bereits erwähnt –, und ja, es ist bei weitem nicht optimal gelungen. Hier hat Frau Klingen mit ihrem Team kluge Vorschläge gemacht. Wir werden sie gemeinsam diskutieren und natürlich auch Schlussfolgerungen ziehen.

Trotzdem will ich auf einen Bereich besonders hinweisen, und zwar auf das Thema Personal. Die Jahre härtester Konsolidierung haben auch beim Personal zu erheblichen Lücken und Defiziten geführt, und trotz intensiver Investitionen in Personal und Personalentwicklung in den letzten vier Jahren holen wir diese Lücken erst langsam auf. Ja, vielleicht auch zu langsam. Das führt an vielen Stellen, auch bei der Schulbauoffensive, dazu, dass diese Kapazitätsengpässe, übrigens auch auf dem Markt, gewollte Investitionen und Sanierungen verzögern. Lassen Sie mich beim Thema Personal bleiben.

In seinem Jahresbericht verweist der Rechnungshof kritisch auf die Umsetzung der IT-Sicherheit in der Berliner Verwaltung. Frau Brinker hat auf die Software hingewiesen. Dieser Bereich hat aber gerade in der Zeit von Pandemie und Homeoffice noch einmal deutlich an Bedeutung gewonnen. Umso wichtiger ist es, dass nun alle dezentral für die IT-Sicherheit zuständigen Behörden die zentralen Vorgaben zur IT-Sicherheit auch vollständig und umgehend umsetzen. Noch immer sind nicht alle Stellen der behördlichen Informationssicherheitsbehörden besetzt. Dementsprechend fehlen die IT-Sicherheitskonzepte. Und ja, natürlich, fehlende IT-Sicherheit ist keine Lappalie. Deshalb vielen Dank für den Vorschlag des Rechnungshofes an dieser Stelle, dass die Umsetzung nur gelingen kann und wird, wenn die Behördenleitungen selbst die Verantwortung hierfür übernehmen.

[Beifall bei der LINKEN – Beifall von Sebastian Walter (GRÜNE) – Vereinzelter Beifall bei der FDP und der CDU]

Wichtige und unumstrittene Partnerin in der Verwaltungsmodernisierung ist auch die Verwaltungsakademie. Damit das so bleibt, braucht es aber auch die vom Gesetzgeber vorgegebene rechtliche Eigenständigkeit der Verwaltungsakademie als rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts. Die Probleme hinsichtlich der Rechtsstellung der Verwaltungsakademie bestehen seit den Fünfzigerjahren, also bis auf eine Fraktion kann sich hier niemand aus der Verantwortung nehmen. Mit der Übernahme der Zuständigkeit hat sich jetzt die Senatsfinanzverwaltung auf den Weg gemacht, die Kompetenzen, Aufgaben und Organisation der VAK in einem Errichtungsgesetz der Rechtsform angemessen zu regeln. Bis dahin wird der Einsatz des Personals rechtssicher geregelt werden – auch das ist ein wichtiger Bereich, der gelöst werden muss.

Als Letztes will ich auf einen der gegenwärtig wohl sensibelsten Bereiche eingehen, den öffentlichen Gesundheitsdienst. Ja, wir haben hier eine Menge auf den Weg gebracht, um unter anderem – das wird heute sicherlich auch noch Thema sein – die vielen noch immer unbesetzten Stellen endlich zu besetzen bis hin zu der Möglichkeit der außertariflichen Vergütung, um die dringend notwendigen Amtsärzte zu finden und vor allem auch zu halten. Auch darüber hinaus gibt es dringenden Handlungsbedarf, auf den der Rechnungshof zu Recht hinweist. Bereits vor 14 Jahren ist das Gesundheitsdienstgesetz in Kraft getreten. Dieses Gesetz regelt unter anderem die gesamtstädtischen Leitungs- und Steuerungsaufgaben der Senatsgesundheitsverwaltung, aber insbesondere in den Bereichen eines effektiven Gesundheits- und Kinderschutzes und der infektionshygienischen Überwachung gibt es noch Optimierungspotenzial – in dieser Zeit wichtiger denn je.

Warum nenne ich dieses Beispiel? – Weil mit diesem Beispiel der Rechnungshof den Finger in eine noch viel größere Wunde legt, nämlich auf den noch immer sehr

großen Handlungsbedarf in der klaren Aufgabenzuordnung und der Aufgabenwahrnehmung zwischen dem Land und den Bezirken insgesamt. – Vielen Dank also an Sie, Frau Klingen, und an Ihr Team insgesamt für diese gute, vorgelegte Analyse und die vielen Anregungen. Wir werden sie im Ausschuss debattieren. Wir werden sie sicherlich auch in der Konsequenz hier miteinander debattieren und auf den Weg bringen. – In dem Sinne, vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Lassen Sie es uns gemeinsam anpacken. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Vielen Dank! – Für die FDP-Fraktion hat der Kollege Fresdorf das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Präsidentin des Rechnungshofs, Frau Klingen! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal möchte ich mich bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Rechnungshofs bedanken, die diesen umfangreichen Bericht unter diesen Umständen für uns erstellt haben. Ich denke, Sie haben da wirklich einen tollen Job gemacht. – Vielen Dank dafür!

[Beifall bei der FDP und der CDU – Vereinzelter Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Es ist ein umfangreicher Bericht, der uns vorliegt, deshalb möchte ich mich auch darauf begrenzen, drei Punkte herauszugreifen, die für mich aber genug Grundlage geben, etwas beunruhigt in diese Stadt zu blicken.

Erstens: Nüchtern spricht der Landesrechnungshof von erheblichen Haushaltsrisiken durch pflichtwidrige Ausübung von Vorkaufsrechten. Der Skandal um die DIESE eG bestätigt genau das, was wir schon seit Monaten deutlich kritisieren. Florian Schmidt hat in FriedrichshainKreuzberg mit seinem pflichtwidrigen Verhalten beim Vorkaufsrecht die Öffentlichkeit und das Parlament vorsätzlich getäuscht.

[Beifall bei der FDP und der CDU – Beifall von Franz Kerker (AfD)]

Ein Skandal! Ein Skandal, der hier schwarz auf weiß vom Rechnungshof bestätigt wird.

Der zweite große Punkt, den ich herausgreifen möchte, ist das Thema Schulbau. Desaströs ist das Urteil des Landesrechnungshofs, was die Schulbauoffensive betrifft. Wenn ich die Mängelliste des Rechnungshofs lese, so frage ich mich, was bei der Schulbauoffensive bisher überhaupt gut gelaufen ist. Man kommt aus dem Kopfschütteln gar nicht mehr heraus. Trotzdem lohnt es sich, den Rech

nungshofbericht weiterzulesen. Die Überschrift des sechsten Kapitels bescheinigt erhebliche Risiken bei der Berliner Schulbauoffensive wegen fehlender Wirtschaftlichkeitsuntersuchung. Das alleine spricht schon Bände. Was danach berichtet wird, könnten Zyniker so zusammenfassen: Es reicht nicht, keinen Plan zu haben, man muss auch unfähig genug sein, diesen nicht umzusetzen.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Berlin liegt ja bekanntlich im Urstromtal, und der Rechnungshofbericht macht deutlich: Für den Berliner Senat ist es wohl eher das Tal der Ahnungslosen.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU – Lachen von Andreas Wild (fraktionslos)]

Der Senat hat keine Ahnung, wie hoch der Ausbaubedarf bei den Schulen ist. Er hat keine Ahnung, wie man Projekte plant. Er hat keine Ahnung, wie der Zeitplan aussehen soll. Er hat keine Ahnung, wer was in welcher Reihenfolge machen soll. Er hat keine Ahnung, warum die HOWOGE eigentlich überhaupt Schulbau und Schulsanierung kann. Und er hat keine Ahnung, ob das Ganze auch wirtschaftlich ist.

Was wir nicht nur ahnen, sondern ganz genau wissen: Die ursprünglich geplanten Kosten – diese 5,5 Milliarden Euro, die Sie seit Beginn dieser Wahlperiode wie ein Schild vor sich hertragen – werden sich wohl auf mindestens 11 Milliarden Euro erhöhen. Das ist ein nicht unerhebliches Finanzrisiko, wenn man sich anschaut, wie ahnungslos Sie in diesem Thema agiert haben, liebe Kolleginnen und Kollegen der Regierungskoalition, sehr geehrte Senatsmitglieder!

[Beifall bei der FDP und der CDU – Zuruf von Sebastian Schlüsselburg (LINKE)]

Der Senat muss die Kritik des Rechnungshofs als Nachhilfe ernst und annehmen und nachsitzen – aber bitte nicht auf der Regierungsbank!

[Beifall bei der FDP]

Holen Sie nach, was fehlt. Und vor allem: Der Senat darf uns auch die Wirtschaftlichkeitsbetrachtung nicht länger vorenthalten. Diese gehört angefertigt und mit dem Parlament geteilt, denn hier geht es um Steuergeld – das Steuergeld der Berlinerinnen und Berliner. Das ist keine Beute, das haben Sie nur treuhänderisch in der Hand.

Der HOWOGE große Teile der Schulbauoffensive aufzubürden, ist für den Rechnungshof nicht nachvollziehbar und problematisch. Ohne Analyse des tatsächlichen Bedarfs und ohne andere Lösungsmöglichkeiten in Betracht zu ziehen, hat der Senat die HOWOGE eingebunden. Die scharfe Kritik des Rechnungshofs bestätigt hier nur unsere Forderung: Wir hätten ein Modell, das sich an das Hamburger Modell anlehnt, vorgeschlagen, ein Kompetenz- und Synergiezentrum für den Schulbau und die

(Dr. Manuela Schmidt)

Schulsanierung. Während andere Großstädte uns vorführen, wie das wirklich geht, fährt der Senat in Berlin nur die Schmalspurbahn. Es wird Zeit, dass wir die Schulbauoffensive tatsächlich ernst nehmen, Prioritäten setzen, pragmatisch handeln und vor allem eins: professionell handeln bei dieser Herkulesaufgabe, die da vor uns steht.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Lassen Sie mich in der letzten Minute meiner Rede auf ein Thema eingehen, das besonders wichtig ist und gerade in diesen Zeiten, wo Corona in aller Munde liegt, besonders hervorsticht: Die mangelnde Steuerung im Gesundheitsdienst ist ein weiterer Punkt, der uns hier aufgezeigt wird. Kaum eine Einrichtung in den Berliner Bezirken hat in den zurückliegenden Monaten so viel Aufmerksamkeit erfahren wie die Gesundheitsämter. Der Bericht gibt eine Antwort darauf, warum sie jetzt ihren größten Stresstest nahezu nicht bestehen können. Vor über 13 Jahren wurde der Senatsverwaltung die gesamtstädtische Leitungsaufgabe übertragen. Diese Aufgabe hat die zuständige Senatsverwaltung über 13 Jahre nicht wahrgenommen. Sie hat sich in vielen Bereichen, wie zum Beispiel beim Kinderschutz, nicht einmal regelmäßig berichten lassen, wie es in den Bezirken aussieht. Ein Skandal!

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU – Christian Gräff (CDU): Unerhört!]

Wenn ich alle weiteren Skandale, die ich mir hier noch habe aufschreiben lassen, vortragen würde, würde ich leider meine Redezeit sprengen, weshalb ich jetzt zum Schluss komme. Ich denke, wir werden im Ausschuss für Haushaltskontrolle noch einiges zu besprechen haben. – Ich bedanke mich noch einmal wie eingangs beim Landesrechnungshof. Sie haben den Finger in die Wunde gelegt. Sie haben uns geholfen, die Regierung in ihrem Handeln zu kontrollieren, das ist die vornehmste Aufgabe, die wir als Opposition auch gerne annehmen. Vielen Dank dafür! – Wir freuen uns auf die weitere Aussprache zu diesem Bericht. – Vielen Dank!

[Beifall bei der FDP und der CDU]

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat das Wort Herr Abgeordneter Walter.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Aber vor allem sehr geehrte Frau Präsidentin Klingen! Schön, dass Sie heute nicht nur im Plenum sind, sondern dass Sie in der Tat zum ersten Mal den Bericht Ihres Hauses hier persönlich vorstellen konnten. Ihnen, Herrn Vizepräsident Schubert, den Direktorinnen und Direktoren und allen Mitarbeiterinnen und Mitarbei

tern des Landesrechnungshofs gilt auch der ausdrückliche Dank der Grünen-Fraktion, und zwar nicht nur für die Vorlage des wie immer wichtigen und detailscharfen Jahresberichts, sondern insbesondere auch für den allzeit höchst konstruktiven Austausch im Unterausschuss Haushaltskontrolle. In der morgigen Sitzung werden wir die Beratungen zum Jahresbericht 2019 zu Ende führen und unsere Empfehlungen an den Hauptausschuss mit den entsprechenden Missbilligungen und Auflagen beschließen. Das wäre ohne Ihre Grundlage nicht möglich, insofern: vielen herzlichen Dank dafür!

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD und der LINKEN]

Ich habe bereits in meiner letzten Rede die neue Linie des Rechnungshofs begrüßt, relevante aktuelle Themen aufzugreifen und sich stärker als zuvor in einer beratenden Rolle für Legislative und Exekutive zu sehen. Der diesjährige Bericht folgt diesem Muster, und wie ich finde, ist das uneingeschränkt geglückt. Er gibt uns als Kontrollorgan der Regierung wichtige Hinweise zu vielen aktuellen politischen und administrativen Handlungsfeldern, etwa zum Management der städtebaulichen Verträge – da bin ich sehr gespannt auf die angekündigten Handlungsempfehlungen –, zur IT-Sicherheit in der Verwaltung oder der gesamtstädtischen Steuerung des öffentlichen Gesundheitsdienstes.

Ein besonderes Augenmerk sollten wir ganz ohne Zweifel bei den Beratungen im Unterausschuss Haushaltskontrolle auf die Anmerkung des Rechnungshofs zur Schulbauoffensive legen. In der Tat ist nach der Grundlage für die Kostenkalkulation und damit nach den Ursachen der Kostensteigerungen für den Neubau, die Erweiterung und die Sanierung von Schulen zu fragen, und das ist erst einmal gar nicht auf die zusätzliche mengenmäßige Erhöhung der Projekte in den letzten Jahren bezogen, sondern allein auf die ganz offensichtlich unzureichende Aussagekraft der Kalkulation auf Grundlage des Gebäudescans.

Die unterschiedlichen Kalkulationen differieren gewaltig, wie wir dem Bericht entnehmen dürfen. Die Forderung des Rechnungshofs erscheint daher erst einmal plausibel, dass es geboten ist, den Finanzbedarf belastbar zu ermitteln. Gleiches gilt auch für die Forderung, ein funktionierendes Controlling beispielsweise anhand von Erfolgskriterien einzuziehen.

[Beifall bei den GRÜNEN]

All dies werden wir im Frühjahr im zuständigen Unterausschuss mit den ausstehenden Stellungnahmen des Senats gemeinsam beraten und bewerten und daraus mögliche Konsequenzen ableiten.

Insofern verwundert es mich dann doch, wenn ich die festgelegten Urteile und finalen Bewertungen der Opposition zu einzelnen Sachverhalten höre, und ich finde es auch unlauter, jetzt schon die eigene politische Agenda in den Rechnungshofbericht hineinzulesen oder auch das