Protokoll der Sitzung vom 19.11.2020

dann hat er dafür keine Beweise vorgelegt –, und das ist eine Lüge, meine Damen und Herren!

[Beifall bei der AfD – Beifall von Kay Nerstheimer (fraktionslos) und Andreas Wild (fraktionslos)]

Unisono wird das von allen verbreitet: NDR, MDR, WDR, RBB, Bayerischer Rundfunk, ARD, ZDF, Deutschlandfunk – sie alle sagen, es gäbe keine Beweise dafür.

Verstehen Sie mich nicht falsch. Ich habe nichts dagegen, dass ein privates Medienunternehmen eine Meinung vertritt. Das kann so viel faktenfreien Haltungsjournalismus betreiben, wie es möchte, aber öffentlich-rechtliche Sender, die der Neutralität verpflichtet sein sollten, die die Verpflichtungen haben, eine Grundversorgung mit Informationen herzustellen, die können all diese Fakten, die in den Vereinigten Staaten Gerichte beschäftigen und die wahrscheinlich noch von sehr vielen Leuten diskutiert werden, nicht einfach ausblenden.

Das zeigt, dass dieses System der organisierten Lüge von ARD und ZDF keinen Bestand haben darf.

[Beifall bei der AfD – Beifall von Kay Nerstheimer (fraktionslos) und Andreas Wild (fraktionslos)]

Was wir brauchen, ist eine große Reform des öffentlichrechtlichen Rundfunksystems in Deutschland. Dabei muss die oberste Maxime sein: Nur derjenige, der dieses Programm auch wirklich konsumieren möchte, muss es bezahlen.

[Beifall bei der AfD – Beifall von Kay Nerstheimer (fraktionslos) und Andreas Wild (fraktionslos) – Anne Helm (LINKE): Sie kommen sicher gleich zum Medienstaatsvertrag!]

(Vizepräsidentin Dr. Manuela Schmidt)

Lassen Sie mich jetzt bitte die wichtigsten Punkte aufführen, warum meine Fraktion obendrein auch die jetzt vorgelegte Änderung des Rundfunkstaatsvertrags

[Anne Helm (LINKE): Medienstaatsvertrag!]

inklusive einer Erhöhung des Beitrags um 86 Cent pro Monat ablehnt.

Zunächst mal: Die Sender könnten mehr sparen, aber sie tun es nicht. In der Juli-Ausgabe des „Journalist“, das Mitgliedermagazin des Deutschen Journalistenverbandes, war ein schönes Interview mit Tom Buhrow. Darin hat er erzählt, wie er vor 30 Jahren angefangen hat, als Journalist beim Fernsehen zu arbeiten. Da sind sie – um einige wenige Schnittbilder reinzuholen – mit Drei-, Vier-, Fünf-Mann-Teams rausgefahren, und ein Kameramann und ein Tontechniker, und hinterher muss einer das alles schneiden – ein riesiger Aufwand. Heute sagt Tom Buhrow selbst: Heute reicht es, sein Handy in die Luft zu halten und du hast ein paar gute Bilder. – Wir sehen bei ganz vielen privaten Medienunternehmen und auch bei diesen Bloggern und Youtubern, wie sie sich das zunutze machen.

Die Öffentlich-Rechtlichen hinken da sehr stark hinterher. Die arbeiten immer noch mit einem viel zu großen, viel zu teuren Apparat. Es ist in Ansätzen zu erkennen, dass sie sparen, aber nicht genug. Es ist nicht mutig genug, was gespart wird. Ich möchte all denjenigen, die für die Gebührenerhöhung plädieren, das ins Stammbuch schreiben, was Tom Buhrow in dem Interview auch gesagt hat – nämlich: Es wird nicht automatisch schlechter, wenn weniger Geld da ist. Dann lernt man nämlich, richtig damit umzugehen.

[Beifall bei der AfD – Beifall von Kay Nerstheimer (fraktionslos) und Andreas Wild (fraktionslos)]

Zweitens – die Sender haben genug Geld: 7 Milliarden, 8 Milliarden, 9 Milliarden. Es gibt 30 Staaten auf der Welt, die ein niedrigeres Bruttoinlandsprodukt haben als ARD, ZDF und der Deutschlandfunk zusammen. Das müssen wir uns mal auf der Zunge zergehen lassen.

Alleine diese Gebührenerhöhung, die jetzt kommt, wird wahrscheinlich weitere 400 bis 500 Millionen Euro in ihre Tasche spülen. Es wird immer wieder von den Befürwortern auch dieser Gebührenerhöhung behauptet: Naja, die Beiträge waren schon seit soundso viel Jahren die ganze Zeit konstant. – Das stimmt nicht, meine Damen und Herren! Auch das ist eine faustdicke Lüge! Der Beitrag für den einzelnen Nutzer war nicht stabil, jedenfalls nicht für diejenigen, die seit 2013 Beiträge zahlen müssen. Die haben eine Beitragserhöhung von

100 Prozent bekommen. Die müssen plötzlich bezahlen, obwohl sie früher nicht bezahlt haben. Sie haben keinen Fernseher und kein Radio, und die müssen das jetzt auch alle bezahlen: 17,50 Euro jeden Monat, auch wenn sie

keinen Fernseher und kein Radio haben – das ist einfach ungerecht!

[Beifall bei der AfD – Beifall Andreas Wild (fraktionslos)]

Und Tatsache ist doch, dass Millionen extra in die Haushalte der öffentlich-rechtlichen Sender gekommen sind.

Ein Punkt noch, bevor ich mich auf diese Zwischenfrage freue: Das ist ja nicht nur das, was ich sage oder was böse rechtspopulistische Propaganda ist, sondern das sagen Ihre eigenen Leute. Der Ministerpräsident von SachsenAnhalt, Reiner Haseloff, CDU, hat in einer anderen Ausgabe des „Journalist“ im Oktober 2020 Folgendes gesagt – ich zitiere mit Ihrer geschätzten Erlaubnis, Frau Präsidentin –:

Der Systemwechsel, die Umstellung auf Haushaltsabgabe, hat einen erheblichen Finanzschub für die Öffentlich-Rechtlichen gebracht. … Aber das Gesamtvolumen ist durch den Systemwechsel erheblich angestiegen.

Die brauchen nicht mehr Geld.

So, jetzt freue ich mich auf eine Zwischenfrage, Frau Präsidentin!

Herr Buchner, Sie haben das Wort. – Bitte schön!

Vielen Dank! – Herr Gläser, Sie haben uns ja jetzt erklärt, dass Sie es ungerecht finden, dass Leute für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zahlen, die ihn gar nicht sehen möchten. Wie gehen Sie damit um, dass Sie auch von den Berlinerinnen und Berlinern bezahlt werden, die Sie gar nicht gewählt haben?

[Beifall und Heiterkeit bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Ich tröste mich damit, dass die Wähler, die mich gewählt haben, nun Sie bezahlen müssen.

[Beifall bei der AfD]

Ich war bei den Gründen, warum die Gebührenerhöhung falsch ist. Drittens:

[Steffen Zillich (LINKE): Können Sie mal sagen, was das mit dem Tagesordnungspunkt und dem Medienstaatsvertrag zu tun hat? – Georg Pazderski (AfD): Melden Sie sich doch zu einer Frage!]

Wir sind doch beim Medienstaatsvertrag, und ich erkläre Ihnen jetzt, Herr Zillich,

[Zuruf von Steffen Zillich (LINKE) – Georg Pazderski (AfD): Kann man da mal eingreifen, oder was?]

warum die Gebührenerhöhung falsch ist. Herr Zillich! Ich bin lauter als Sie, ich habe die Anlage hier, und ich werde jetzt den dritten Punkt nennen, warum das falsch ist. – Weil die KEF nicht unabhängig ist!

Was ist die KEF? Die KEF ist auch so eine Institution, die mich immer wieder sprachlos macht. KEF steht für Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs. Da frage ich mich jedes Mal: Wo ist eigentlich die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Oma, die in Marzahn in ihrer Ein-Zimmer-Plattenbauwohnung sitzt und von ihren mickrigen 700 oder 800 Euro Rente jeden Monat 17,50 Euro bezahlen muss, damit Tom Buhrow 300 000 Euro im Jahr verdienen kann? Ist das Ihre Vorstellung von Gerechtigkeit? – Meine nicht!

[Beifall bei der AfD – Beifall von Andreas Wild (fraktionslos) – Notker Schweikhardt (GRÜNE): Die ist befreit!]

Die KEF legt also als unabhängige Institution fest, wie hoch der Preis für die GEZ oder den Rundfunkbeitrag ist. Nun haben die seit Sommer ein neues Mitglied, und das ist Ulli Meyer. Wer ist Ulli Meyer? – Ulli Meyer ist ein CDU-Berufspolitiker, er ist der Bürgermeister von St. Ingbert im Saarland und war vorher saarländischer Finanzstaatssekretär. Die haben den dort als Aufpasser hingeschickt. Diese Institutionen, die Medien, die Rundfunkräte, die KEF, sollen unabhängig sein, aber wir sehen immer wieder, dass sich die Parteien diese Institutionen zur Beute gemacht haben, und deswegen ist auch die Berichterstattung entsprechend. Deswegen kommt die KEF als unabhängige Experteninstitution nicht infrage.

Vierter Punkt: Selbst dann, wenn die KEF unabhängig wäre und es ein faires Urteil wäre, was sie da gesagt hat – 86 Cent mehr sind angemessen –, würde dies nichts bringen, denn die KEF wird nicht ernst genommen. Das haben wir bei der SD-Satellitenübertragung in diesem Sommer gesehen. Vor der Bekanntgabe, wie hoch die neuen Gebühren für die öffentlich-rechtlichen Sender werden, hat die KEF gesagt: Ihr müsst aber bitte die SDSatellitenübertragung, die sehr kostspielig ist, abschalten. – Da haben ARD und ZDF gesagt: Ja, machen wir! – Nach der Genehmigung der Gebührenerhöhung hieß es dann: April, April! – Die öffentlich-rechtlichen Sender haben angekündigt, dass sie weiterhin diese kostspielige Übertragung machen werden. Das ist nicht in Ordnung. Kein privates Unternehmen würde es dulden, dass Mitarbeiter mit Budgetverantwortung so mit dem Geld umgehen und einfach nicht das machen, was sie vorher angekündigt haben.

Ich komme zum Schluss: Die Öffentlich-Rechtlichen werden ihrem Programmauftrag nicht gerecht. Sie sparen nicht, wo sie es könnten. Sie lassen Sparmöglichkeiten

links liegen. Das Gremium, das dafür zuständig ist, den Preis zu ermitteln, ist genauso wenig unabhängig wie die Rundfunkräte. Dieses ganze System des öffentlichrechtlichen Rundfunks und seine Finanzierung müssen dringend überarbeitet werden. Deswegen können wir diesem Medienänderungsstaatsvertrag leider nicht zustimmen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der AfD – Beifall von Kay Nerstheimer (fraktionslos) und Andreas Wild (fraktionslos) – Gunnar Lindemann (AfD): Bravo!]

Für die Fraktion der SPD hat das Wort Herr Abgeordneter Zimmermann.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Man könnte über die Auslassungen dieses magischen Denkers Herrn Gläser getrost hinweggehen,

[Heiterkeit bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN – Ronald Gläser (AfD): Ganz billig, Herr Zimmermann!]

wenn man nicht doch von diesem Pult aus feststellen müsste, dass das einzig und allein darauf ausgerichtet ist, durch Verfälschungen und Verdrehungen Misstrauen und Zwietracht unter den Leuten zu säen, und das muss einfach zurückgewiesen werden.

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN – Franz Kerker (AfD): Quatsch, er hat konkrete Beispiele genannt! Hören Sie zu! Pure Machtarroganz! – Weitere Zurufe von der AfD]

Anders als mein Vorredner will ich einige Vorzüge unseres Systems, über das und über dessen Finanzierung wir hier heute beraten, hervorheben. Es ist nämlich so – ganz im Unterschied zu dem, was Sie hier erzählen –, dass uns viele Länder in der Welt um unsere duale Medienordnung beneiden, deren konstitutiver Bestandteil das öffentlichrechtliche System ist. Ergänzt durch den privaten Teil bietet das eine Vielfalt und eine Qualität, nach denen sich andere Länder sehnen, und das ist erst mal eine Errungenschaft, die sich über die Jahrzehnte entwickelt hat und auf die man stolz sein kann, wie ich finde.

Wir haben aber auch festzuhalten: Qualitätsjournalismus ist eine unverzichtbare Voraussetzung für eine funktionierende Demokratie, und dieser Qualitätsjournalismus wird durch dieses System maßgeblich mitgeleistet, und das ist existenziell. Wir haben die Notwendigkeit, eine seriöse und kuratierte Berichterstattung zu haben. In einer zunehmend individualisierten Medienlandschaft wird dies

(Ronald Gläser)

immer wichtiger, und auch das ist ein Ergebnis, was der öffentlich-rechtliche Rundfunk leistet, und das müssen wir würdigen.