Protokoll der Sitzung vom 10.12.2020

Über wen reden Sie gerade? Ich rede über den Finanzsenator. – Ich finde, man muss die Sache ein bisschen sortieren. Ich habe deutlich gemacht, dass es nicht akzeptabel ist, dass die Novemberhilfen noch nicht ausgezahlt wurden. Ich habe gleichzeitig den Bundesfinanzminister und den Bundeswirtschaftsminister dafür gelobt, dass sie tatsächlich mit der Idee eines Schutzschirms für die Kultur- und Veranstaltungswirtschaft einen sinnvollen Beitrag geleistet haben. Sie entwickeln neuerdings immer so eine eindimensionale Fähigkeit, die Dinge nur selektiv wahrzunehmen. Machen Sie das doch nicht immer so

billig parteipolitisch! Lassen Sie uns doch mal mehr an der Sache diskutieren! – Das steht einem Finanzsenator auch besser an, lieber Herr Kollatz.

[Steffen Zillich (LINKE): Er will Sie herausfordern, die Kritik noch mal zu formulieren!]

Tatsächlich ist es doch so: Wir haben Vorschläge unterbreitet, wie man Hilfen für die Kultur- und Veranstaltungswirtschaft, für das Messe- und Tourismusgeschäft formulieren kann, die nicht auf die Wirtschaftshilfen angerechnet werden, wie sie jetzt vorliegen. Wenn man das nämlich als Kulturhilfen finanziert, dann werden die natürlich nicht angerechnet. Für die ganzen privaten Kulturtheater, die wir in dieser Stadt haben, die aus dem Kulturhaushalt sowieso jedes Jahr eine Förderung bekommen, werden die ganzen Hilfen vom Bund jetzt auch nicht angerechnet. Die kriegen sie doch nicht abgezogen, sondern Sie zahlen doch an die zahlreichen privaten Theater, sei es das Renaissance Theater oder andere, natürlich jetzt auch weiter die Hilfe, ohne dass ihnen das vom Bund an irgendeiner Stelle abgezogen wird. Wir haben Ihnen dafür einen Vorschlag unterbreitet, der 60 Millionen Euro umfasst, und der Kultursenator hat uns in der Hauptausschusssitzung noch einmal deutlich gemacht, dass dafür im nächsten Jahr bisher gar nichts richtig vorgesehen ist. Es gibt nur eine lockere Verabredung. Da können Sie sich doch als Finanzsenator nicht hier hinstellen und uns kritisieren, dass wir endlich mal eine nachhaltige Berliner Hilfe für die Kultur- und Veranstaltungswirtschaft fordern, die nun mal die Schwerindustrie des Landes Berlins ist. Wir haben doch nichts anderes. Da ist bei Ihnen leider Fehlanzeige. Das machen auch Ihre Verdrehungen nicht besser. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU]

Gibt es bei der AfD-Fraktion Bedarf für eine zweite Runde? – Dann hat für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen der Kollege Wesener das Wort. – Bitte sehr!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will es relativ kurz machen, aber es ist mir natürlich eine große Freude, dass wir eine Sitzung bestreiten, die fast schon einer Kulturförderdebatte gleichkommt.

[Torsten Schneider (SPD): Jetzt nicht übertreiben!]

Den Auftakt hat ja der Kollege Schneider mit einem überraschenden Bekenntnis gemacht. Ich werde mir das aus dem Protokoll ausschneiden, vergrößern und in meinem Büro an die Wand hängen.

[Torsten Schneider (SPD): Ich muss wohl doch noch eine Rederunde machen!]

(Senator Dr. Matthias Kollatz)

Es gibt einen ernsten Hintergrund. Herr Goiny, das haben Sie gesagt. Das hat der Finanzsenator gesagt. Ich habe es eingeflochten. In der Tat: Wir reden hier nicht über Gedöns, wie manche Menschen meinen, sondern wir reden, wenn man so will, über den Rohstoff, die Schwerindustrie – nennen Sie es, wie Sie wollen – für diese Stadt, und wir reden über viele Menschen, die in ganz besonderer Art und Weise betroffen sind. Herr Goiny, wir teilen da, glaube ich, dieselbe Leidenschaft.

[Sibylle Meister (FDP): Aha!]

Für das Politikfeld, Frau Meister. – An einer Stelle gibt es einen Unterschied, und der liegt, glaube ich, auch nicht in den unterschiedlichen Rollen begründet, die nun einmal Opposition und Koalition haben. Der Unterschied ist, dass ich der Meinung bin, dass es – gerade in so einer Situation – unverantwortlich ist, die Leute für blöd zu verkaufen, und dass wir bei allem, was wir kritisieren, sei es am Senat, an der Bundesregierung, an anderen Parteien, schon in der Pflicht stehen, uns die Mühe zu machen, den Stand der Dinge zu recherchieren und zu kommunizieren. Und wenn Sie sich hier hinstellen – nachdem erst ich und später der Finanzsenator versucht hat, es Ihnen näherzubringen – und ein weiteres Mal behaupten: Liebe Kulturschaffende, es ist überhaupt kein Problem, ihr könnt alle Hilfe beantragen, und die entsprechenden Summen werden alle summiert. –, dann sprechen Sie schlicht und ergreifend die Unwahrheit, und das wissen Sie. Ich finde, man kann von einem Abgeordneten und Finanzpolitiker verlangen, dass er sich mit den Überbrückungshilfen des Bundes beschäftigt. Das ist nachlesbar. Ich finde, es ist auch nicht zu viel verlangt, dort herauszulesen, dass diese Kombination entweder faktisch ausgeschlossen wird oder aufgrund der Be- und Verrechnungsmodalitäten dazu führt, dass diejenigen, die das beantragen, am Ende entweder keinen Cent mehr in der Tasche haben oder sogar wirtschaftlich benachteiligt sind. Auch solche Fälle gibt es. Ich bitte Sie wirklich herzlich, für diese Menschen, diese Kulturbetriebe, für die Sie und ich Politik machen, Aufklärung zu leisten. Das heißt ja nicht, dass Sie nichts anderes fordern können. Da ist es mir völlig egal, ob Sie das von Ihrem CDUWirtschaftsminister, vom SPD-Finanzminister oder diesem Senat fordern – im Zweifelsfall bin ich sogar dabei. Aber bitte, bitte sagen Sie doch denjenigen, die dort als unmittelbar Betroffene händeringend nach Wegen suchen, über dieses Jahr zu kommen, die Wahrheit! – Danke schön!

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN]

Vielen Dank! Damit kommen wir zur Abstimmung. Zunächst lasse ich über die Änderungsanträge der Fraktionen in der Reihenfolge ihres Eingangs abstimmen.

[Zuruf von Senator Dr. Matthias Kollatz]

Bitte schön, Herr Senator!

Ich wollte nur einen Satz vorlesen:

Werden vergleichbare staatliche Leistungen für den Förderzeitraum angerechnet?

Das ist aus dem Merkblatt des Bundeswirtschaftsministeriums für die Novemberhilfe. – Die Antwort ist ja.

Andere gleichartige Leistungen, wie z. B. die Überbrückungshilfe oder das Kurzarbeitergeld werden auf die Novemberhilfe angerechnet. Das gilt auch für Landesprogramme mit gleichem Förderzeitraum. Dies ist eine Vorgabe des EUBeihilferechts.

Ende des Zitats. – Danke!

[Vereinzelter Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Vielen Dank, Herr Senator! – Ich gehe sicher davon aus, dass keine dritte Rederunde gewünscht ist und wir jetzt zur Abstimmung kommen können? – Dem ist so, wie schön. Dann lasse ich jetzt über die Änderungsanträge der Fraktionen in der Reihenfolge ihres Eingangs abstimmen. Wer dem Änderungsantrag der AfD-Fraktion auf Drucksache 18/2738 Neu-1 zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Das ist die AfD-Fraktion. Gegenstimmen? – Bei Gegenstimmen sämtlicher weiterer Fraktionen – fraktionslose Abgeordnete sind nicht mehr anwesend – ist der Änderungsantrag abgelehnt.

Wer dem Änderungsantrag der Fraktion der FDP auf Drucksache 18/2738 Neu-2 zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Das ist die FDPFraktion. Gegenstimmen? – Bei Gegenstimmen der Koalitionsfraktionen sowie der AfD-Fraktion und Enthaltung der CDU-Fraktion ist damit auch dieser Änderungsantrag abgelehnt.

Wer dem Änderungsantrag der Fraktion der CDU auf Drucksache 18/2738 Neu-3 zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Das ist die CDUFraktion. Gegenstimmen? – Bei Gegenstimmen der Koalitionsfraktionen sowie der AfD-Fraktion und Enthaltung der FDP-Fraktion ist damit auch dieser Änderungsantrag abgelehnt.

Der Hauptausschuss empfiehlt mehrheitlich – gegen die AfD- und die FDP-Fraktion sowie bei Enthaltung der CDU-Fraktion – das Zweite Gesetz zur Änderung des Haushaltsgesetzes 2020/2021 mit Änderungen sowie den der Vorlage auf Drucksache 18/2738 Neu beigefügten Zweiten Nachtragshaushaltsplan von Berlin für das Haushaltsjahr 2020 und den Nachtrag 2021 einschließlich Übersichten und Anlagen mit Änderungen anzunehmen. Ich lasse als Nächstes über den Nachtragshaushaltsplan

(Daniel Wesener)

mit den Änderungen gemäß der Beschlussempfehlung des Hauptausschusses abstimmen. Wer dem Nachtragshaushaltsplan 2020/2021 auf Drucksache 18/2783 Neu mit den Änderungen gemäß der Beschlussempfehlung des Hauptausschusses auf Drucksache 18/3221 zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Das sind die Koalitionsfraktionen. Gegenstimmen? – Bei Gegenstimmen der FDP-Fraktion sowie der AfDFraktion und Enthaltung der CDU-Fraktion ist der Nachtragshaushaltsplan damit angenommen.

Nunmehr lasse ich über das Zweite Gesetz zur Änderung des Haushaltsgesetzes 2020/2021 auf Drucksache

18/2738 Neu einschließlich des Nachtragshaushaltsplans 2020/2021 abstimmen. Wer dem Gesetz einschließlich dem diesem Gesetz als Anlage beigefügten Nachtragshaushaltsplan für das Haushaltsjahr 2020/2021 mit den Änderungen gemäß der Beschlussempfehlung des Hauptausschusses auf Drucksache 18/3221 zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Koalitionsfraktionen. Gegenstimmen? – Bei Gegenstimmen der FDP-Fraktion sowie der AfD-Fraktion und Enthaltung der CDU-Fraktion ist das Zweite Gesetz zur Änderung des Haushaltsgesetzes 2020/2021 einschließlich des Nachtragshaushaltsplans mit den vom Hauptausschuss vorgeschlagenen Änderungen angenommen.

Nunmehr lasse ich noch über die Ziffer II. der Beschlussempfehlung des Hauptausschusses auf Drucksa

che 18/3221 abstimmen: „Ermächtigungen, Ersuchen, Auflagen und sonstige Beschlüsse aus Anlass der Beratung des Zweiten Nachtragshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2020 und des Nachtragshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2021 – Auflage zum Nachtragshaushalt 2020/2021“. Der Hauptausschuss empfiehlt hierzu mehrheitlich – gegen die AfD-Fraktion und bei Enthaltung der FDP-Fraktion – die Annahme. Wer der vom Hauptausschuss unter Ziffer II. empfohlenen Auflage (Ziffer II) zum Nachtragshaushalt 2020/2021 zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Koalitionsfraktionen sowie die CDU-Fraktion. Gegenstimmen? – Bei Gegenstimmen der AfD-Fraktion und Enthaltung der FDP-Fraktion ist auch die Auflage zum Nachtragshaushalt 2020/2021 beschlossen.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 4.2:

Priorität der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen

Tagesordnungspunkt 12

Gesetz über die Errichtung einer Landesanstalt Schienenfahrzeuge Berlin (LSFBErrichtungsgesetz – LSFBG)

Vorlage – zur Beschlussfassung – Drucksache 18/3190

Erste Lesung

Ich eröffne die erste Lesung der Gesetzesvorlage. In der Beratung beginnt die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und hier der Kollege Moritz. – Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mit dem Gesetz über die Errichtung einer Landesanstalt Schienenfahrzeuge Berlin lösen wir einen weiteren Punkt aus unserer Koalitionsvereinbarung ein. Darin heißt es unter anderem zur S-Bahn:

In Zukunft will die Koalition die Abhängigkeit von einem/einer einzelnen Bewerber*in verringern …

Im nächsten Satz heißt es:

Für die zukünftigen S-Bahnausschreibungen für den Betrieb ab 2028 will die Koalition daher die Schaffung eines landeseigenen Fahrzeugpools oder andere Modelle … prüfen.

Und tatsächlich: Das Land Berlin bzw. die Landesanstalt soll durch dieses Gesetz Eigentümerin des Fahrzeugpools der neu zu beschaffenden S-Bahnfahrzeuge für die Teilnetze Nord-Süd und Stadtbahn werden. Wenn man so will, ist dass der Einstieg in die Kommunalisierung der SBahn.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Die Gründung der Fahrzeuggesellschaft ist damit wichtiger Bestandteil der Neuvergabe der beiden Teilnetze der S-Bahn. Die Fahrzeuggesellschaft wird die S-Bahnwagen über den gesamten Lebenszyklus der Fahrzeuge – nämlich 30 Jahre – durch einen Fahrzeuginstandhalter warten lassen und einem Eisenbahnverkehrsunternehmen – kurz: EVU –, zum Beispiel der S-Bahn Berlin GmbH, über die zulässige Höchstvergabezeit von 15 Jahren gegen ein kostendeckendes Entgelt überlassen.

Weiterhin soll die Landesanstalt bei Bedarf auch Flächen für die Errichtung von Werkstätten zur Verfügung stellen. Auch diese würden nach Ablauf der Vertragszeit an das Land Berlin zurückfallen und somit in kommunaler Hand bleiben.

Dieses Vorgehen hat folgende Vorteile gegenüber dem bisherigen Vergabeverfahren, bei dem das EVU auch das Eigentum an den Fahrzeugen besitzt: Erstens können die Fahrzeuge günstiger erworben werden, weil wir bessere Finanzierungskonditionen als ein Verkehrsunternehmen erhalten. Damit bauen wir auch ein kommunales Vermögen auf und können die gesparten Gelder für mehr S-Bahnfahrzeuge oder mehr Bahnverkehr einsetzen.