Protokoll der Sitzung vom 09.03.2017

So bedarf es also nicht erst eines Flughafendesasters mit laufend wechselndem Personal von einer Überforderung zur nächsten, um den Dilettantismus der Berliner Politik der letzten Jahrzehnte zu offenbaren. Dem Kollegen Urbatsch von den Grünen will ich zurufen: Die Herausforderung der digitalen Umgestaltung Berlins beginnt nicht jetzt, die hat vor 15 Jahren begonnen. Sie haben sie nur alle gemeinsam verschlafen.

[Beifall bei der AfD – Zuruf von den GRÜNEN]

Es wird Zeit, den Ankündigungen wenigstens hier auch Taten folgen zu lassen. Die AfD-Fraktion als die glaubhafte neue Oppositionskraft im Abgeordnetenhaus

[Beifall bei der AfD]

wird deshalb auch diesen Prozess aufmerksam und kritisch begleiten.

Aufgrund der gegebenen Zuständigkeiten ist es auch richtig, für das operative Geschäft verantwortliche Bezirke über verbindliche Zielvereinbarungen einzubinden und zu fordern. Ein an die Bedürfnisse der Berliner angepasstes sogenanntes E-Government in den bezirklichen Bürgerämtern muss nicht nur unter anderem benutzerfreundlich sein, sondern sich in der Zukunft auch flexibel den sich verändernden Realitäten, Prämissen und Anforderungen anpassen können. Das können nur die Bezirke vor Ort. Landesweit zentralistisch feste Prozesse lassen den bürgernahen Handlungsspielraum der Bezirke zulasten der Menschen dieser Stadt sinken und tragen dazu bei, dass die notwendige Innovationskraft auch in den öffentlichen Verwaltungen verloren geht. Lösungen, die das konterkarieren, lehnen wir ab.

Sensibilisiert, aber leider nicht überrascht sind wir zudem, weil sich nach den bisher bereits vorliegenden technischen Möglichkeiten die Frage stellt, warum der Senat noch fast ein Jahr bis zur abschließenden Einführung und Umsetzung brauchen will. Zudem ist nicht nachvollziehbar, warum uns, dem Abgeordnetenhaus, statt eines Zwischenberichts nicht ein Abschlussbericht zum Jahresende vorgelegt wird. Schließlich ist eine Umsetzung dieser Punkte bis zum Ende des Jahres auch gefordert. Aus diesem Grund werden wir uns zur Drucksache 18/0181 enthalten.

Gerne wäre ich noch intensiver auf die im Antrag Drucksache 18/0182 mal eben nebenbei eingeforderte Untersuchung der Abläufe der Berliner Standesämter eingegangen. Diese Ämter unterliegen anderen rechtlichen Anforderungen und sind organisatorisch nicht eins zu eins mit den Bürgerämtern zu vergleichen. Zudem liegen die Gründe für die zunehmenden Probleme auf der Hand. So hat schon der alte Senat die Augen davor verschlossen, und auch Sie praktizieren Gleiches. Sie ignorieren, dass das deutlich erhöhte Arbeitsaufkommen in den Standesämtern insbesondere durch ausländische Nutzer, speziell jene ohne gültige Papiere, neben der allgemeinen Überlastung der Mitarbeiter durch Personalabbau und qualifikationsfremde Aufgaben eine Ursache der Wartezeitenexplosion darstellt. Der Bezirk Mitte ist da ein herausragendes, trauriges Beispiel. Es wäre mal ein Stück Mut zur Wahrheit, wenigstens das offen zuzugeben und damit den Menschen, die auf einen Hochzeitstermin lange warten müssen, zu sagen, dass sie hier einen weiteren Beitrag für die ungesteuerte problematische Zuwanderung nach Deutschland bezahlen.

[Beifall bei der AfD – Ah! von der LINKEN]

Wie es trotz der schlechten Rahmenbedingungen laufen kann, zeigt übrigens in positiver Weise der Bezirk Reinickendorf, der dieses Problem nicht parteipolitisch angeht, sondern auftragsgemäß unter Federführung des zuständigen Bezirksstadtrates eine gegenläufige Entwicklung umsetzt.

[Beifall bei der AfD]

Diese ebenfalls für viele Lebensführungen wichtigen Ämter über eine Randnotiz und ohne echte Konkretisierung eigener neuer Herausforderungen, eigenständiger originärer Zielsetzungen und spezieller personeller Voraussetzungen einer Untersuchung zuführen zu wollen, ist daher inhaltlich nicht angemessen. Daher werden wir uns bei dem so gestalteten Antrag leider nur enthalten können.

Zum Schluss: Der wenig substanzielle Antrag der FDPFraktion ist bei grundsätzlicher Begrüßungswürdigkeit mal wieder ein Beispiel von in diesem Hause in die Mode gekommenem Aktionismus in letzter Minute, um noch schnell auf einen endlich an Fahrt aufnehmenden Zug aufzuspringen. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der AfD – Zuruf von Florian Swyter (FDP)]

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt der Kollege Ziller das Wort. – Bitte schön, Herr Kollege!

(Carsten Ubbelohde)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Digitale Bürgerdienstleistungen als Teil von E-Government, also digitale Informationen und Dienste von Staat und Verwaltung für Bürgerinnen und Bürger, sind ein Gradmesser für die Innovationsfähigkeit Berlins. Warum brauchen wir so etwas? – Weil wir damit die Voraussetzungen für zeit- und ortsunabhängige Erledigungen von Verwaltungsdiensten schaffen. Sie kennen das sicherlich vom Onlinebanking oder Einkaufen – es ist in vielerlei Hinsicht Realität. Wir schaffen das auch für Berlin.

Wie sieht es konkret aus? – Im letzten Jahr noch waren die Bürgerämter, zusammen vielleicht mit dem BER, Zeichen für die Berliner Kultur, die Optimierungsbedarfe sehr sichtbar auszustellen und jedem klarzumachen.

[Lachen von Frank-Christian Hansel (AfD)]

Bis zum heutigen Tag ist es wieder viel besser geworden. Ich habe vorhin mal nachgeguckt – Sie bekommen inzwischen sogar für heute noch Termine im Bürgeramt. Das ist ein Anfang. Klar ist aber auch: Berlin kann mehr.

Die vorliegenden drei Anträge haben zum Ziel, die Berliner Bürgerdienstleistungen zu einem Symbol für eine bürgerinnen- und bürgerfreundliche Verwaltung zu machen. Meine Fraktion Bündnis 90/Die Grünen wird dabei aktiv mitgestalten und die Verwaltung dort unterstützen, wo dies nötig ist. Erste Aufgabe ist dabei die Umsetzung der vorliegenden Handlungsempfehlungen; die Kolleginnen hatten dazu schon etwas gesagt. Ein wesentliches Anliegen: Jede Bürgerin, jeder Bürger muss innerhalb von 14 Tagen das erledigen können, was im Bürgeramt zu erledigen ist.

Wir haben aber auch ein Bild für die Zukunft. Alle Berlinerinnen und Berliner können sich ein Servicekonto einrichten. Alle Berlinerinnen und Berliner können damit viele Verwaltungsabläufe bequem von zu Hause erledigen. – Liebe FDP! Wir werden im Ausschuss auch gerne und konstruktiv nach Wegen suchen, das Ummelden so online wie möglich zu gestalten. Schon heute ist eine elektronische Anmeldung nach dem Melderecht zulässig. Das Blöde ist, dass Sie danach noch einmal den Personalausweis vorzeigen müssen, weil es da andere rechtliche Vorschriften gibt. Wir werden das in der Ausschussberatung sicherlich vertiefen, und ich hoffe, wir finden einen konstruktiven Weg, dem Anliegen gerecht zu werden.

Was die künftigen Onlineangebote Menschen bringen, die nicht so selbstverständlich mit Handy, Tablet oder Computer umgehen, ist eine Frage, die auch bei mir im Bezirk immer mal gestellt wird. Wenn die Möglichkeit besteht, die Dienste ortsunabhängig zu erledigen, dann können sich Menschen künftig von Freunden oder Familienangehörigen an unserem Bürgertelefon 115 oder auch in nahegelegenen Stadtteilzentren helfen und unterstützen lassen. Wir ermöglichen damit eine Wohnortnähe, die die

heutigen Bürgerämter nie erreichen werden. Als potenzielle Bürgerservicehauptstadt Berlin bleibt natürlich trotzdem die Möglichkeit bestehen, sich persönlich einen Termin im Bürgeramt der Wahl zu machen.

Zum Abschluss möchte ich noch einen Aspekt benennen, der mir wichtig ist und den wir stärker auf dem Schirm haben sollten, als das bisher der Fall ist. In Zeiten von immer mehr Angriffen auf öffentliche IT-Systeme, aber auch Privatcomputer und Handys, werden wir das Thema IT-Sicherheit von Anfang an mitdenken müssen. Wir haben mit dem ITDZ einen Player in Berlin und viel Know-how, auf das wir aufbauen können. Trotzdem sollten wir die Herausforderungen nicht unterschätzen. Lassen Sie uns Wege finden, wie Berlin das hier vorhandene Wissen nutzbar machen kann und wie wir die Fachkräfte in Universitäten oder auch in Start-ups für Berlin gewinnen können, auch für eine Zusammenarbeit mit der Berliner Verwaltung. Damit finden wir dann Wege, wie wir den Hackern dieser Welt das Leben so schwer wie möglich machen.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD und der LINKEN]

Aber – und das ist der zweite Teil zur IT-Sicherheit – wir müssen auch Nutzerinnen und Nutzer über Chancen und Risiken aufklären, denn Sie kennen das ja aus dem Alltag: Anhang in der Mail geöffnet, mal beim Passwort an der Sicherheit gespart, und schon ist das Risiko vorhanden, dass Sie Ihre Daten verlieren. Da müssen wir auch in der Öffentlichkeit mit Informationen an unsere Bürgerinnen und Bürger offen umgehen und darüber reden, damit wir uns alle in dem neuen Onlineservicebereich des Landes Berlin sicher bewegen können. Ich freue mich auf die Beratung im Ausschuss. Lassen Sie uns mit neuen digitalen Bürgerdienstleistungen auch die Bürgerämter wieder zurück in die Herzen der Berlinerinnen und Berliner bringen! – Vielen Dank!

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD, der LINKEN und der FDP]

Danke schön! – Für die FDP-Fraktion Herr Swyter, bitte schön!

[Jörg Stroedter (SPD): Karneval ist vorbei!]

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich komme aufgrund des Sachzusammenhangs noch mal auf unseren Antrag zum Innovation Hub zurück. Es wurde zu Recht von der CDU gesagt: Da gibt es einen Zusammenhang. – Trotzdem sind das zwei getrennte Anträge. Ich bin ein wenig enttäuscht und hätte mir mehr konstruktives Verhalten von der CDU gewünscht,

[Ülker Radziwill (SPD): Besonders Sie!]

nachdem Sie ja auch fünf Jahre diesen Stillstand in den Bürgerämtern mit zu verantworten gehabt haben, dass Sie dann etwas konstruktiver auf unsere Vorschläge eingegangen wären, die Innovation für diese Stadt bringen sollen und die vor allen Dingen ein Zusammenwirken zwischen Verwaltung und Start-up-Unternehmen organisieren sollen. Das verbirgt sich dort im Kern hinter dem Innovation Hub. Da hätte ich mir mehr gewünscht. Ich bin hingegen positiv überrascht, als ich vonseiten der Koalition mehr konstruktive Resonanz gehört habe, mit Ausnahme der Linken.

[Beifall bei der FDP]

Insofern zeigt sich in dem ersten Antrag, den wir gestellt haben, wie auch in den Anträgen der Koalition, dass wir unsere Rolle als FDP als konstruktive Opposition interpretieren. Wir sind eine konstruktive Opposition, die vor allen Dingen eines will – dass diese Stadt besser funktioniert als in den letzten fünf Jahren.

[Beifall von Dr. Maren Jasper-Winter (FDP)]

Beide Anträge der Koalition wie auch unser Antrag sind zustimmungswürdig, eine hervorragende Diskussionsgrundlage und kompatibel. Sie ergänzen sich. Es ist vor allen Dingen ein richtiges Leitbild, dass wir Stück für Stück den Anschluss in IT-Fachverfahren anstreben. Richtig ist, dass wir – so auch das Ziel des Koalitionsantrags – Möglichkeiten für ein persönliches Servicekonto schaffen, um auch an dieser Stelle digitale Zugangsmöglichkeiten bei Bürgerdienstleistungen für die Bürger zu eröffnen.

Die Versäumnisse der letzten fünf Jahre – ich sprach davon – sind groß. Geschaffen wurde ein E-GovernmentGesetz, gelebt wurde es bislang noch nicht. Der Handlungsbedarf ist also riesengroß.

Auch unser Antrag ist als erster Schritt für eine Verbesserung der Bürgerdienstleistungen zu verstehen, aber sicher nicht der letzte und umfassende Schritt. Insofern ist das also ein ganz konkreter Schritt. Warum dieser Antrag, was die An-, Ab- und Ummeldungen anbetrifft? – Wir sind eben der Meinung, dass wir bei so einem gewaltigen Projekt wie Digitalisierung der Verwaltung Schritt für Schritt vorgehen müssen und uns nicht an einem einzigen Großprojekt verheben sollten, wie es leider zum Beispiel beim BER grausamerweise jeden Tag passiert.

Schritt für Schritt heißt eben in diesem Fall: Wir nehmen ein Projekt, das vom System her noch relativ einfach ist. Es betrifft jeden Bürger in Berlin, der umziehen will. Es ist vor allen Dingen bei Umsetzung unseres Antrags sofort die Verbesserung für den Bürger erkennbar, wenn er sich digital anmelden, abmelden, ummelden kann. Das Meldewesen ist eine Aufgabe, die die Verwaltung viel Zeit kostet, aufgrund der Quantität, aber nicht unbedingt aufgrund der Komplexität. Es betrifft im Jahr 285 000 Fälle. Insofern ist das also ein Nutzen, der für 285 000 Leute sofort Vorteile bringt. Im Bundesmeldegesetz sind

bereits gesetzliche Grundlagen vorhanden. Insofern können wir da aufsetzen.

Gleichwohl wissen wir, das ist kein trivialer Vorgang, solche An-, Ab- und Ummeldungen online zu organisieren. Wir brauchen auch hier in Berlin Anpassungen von gesetzlichen Grundlagen, was das Schriftformerfordernis anbetrifft. Und wir brauchen natürlich auch – mein Vorredner sprach das an – eine Verschlüsselungstechnologie, die den Datenschutz und die Sicherheit von Daten gewährleistet. Wir brauchen eine korrekte Identifikation und Nachweisbarkeit der vorgenommenen Transaktion.

Insofern freue ich mich auf die Diskussion im Ausschuss. Mit unserem Antrag können wir schon mal einen Piloten starten, um dann auch die Ziele, die im Koalitionsantrag aufgeschrieben sind, umzusetzen. Sie haben uns an Ihrer Seite, wenn es darum geht, die Stadt mithilfe innovativer und digitaler Technologien für die Bürger besser und funktionierender zu machen. Insofern haben Sie uns als Treiber und auch als Partner für eine Verbesserung dieser Stadt. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der FDP]

Vielen Dank, Herr Kollege! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir kommen nun zu den Überweisungen.

Zu den Anträgen der Koalitionsfraktionen Drucksachen 18/0181 und 18/0182 wird die Überweisung an den Ausschuss für Inneres, Sicherheit und Ordnung, Digitale Verwaltung, Datenschutz, Informationsfreiheit und zur Umsetzung von Artikel 13 Abs. 6 GG sowie § 25 Abs. 10 ASOG und an den Hauptausschuss empfohlen. – Widerspruch höre ich nicht. Dann verfahren wir so.

Zum Antrag der FDP-Fraktion Drucksache 18/0188 wird die Überweisung an den Ausschuss für Inneres, Sicherheit und Ordnung, Digitale Verwaltung, Datenschutz, Informationsfreiheit und zur Umsetzung von Artikel 13 Abs. 6 GG sowie § 25 Abs. 10 ASOG empfohlen. – Widerspruch höre ich nicht. Dann verfahren wir ebenfalls so.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 3.4:

Priorität der Fraktion der CDU