Protokoll der Sitzung vom 23.03.2017

Ich freue mich sehr, dass heute der Verband BerlinBrandenburgischer Wohnungsunternehmen – BBU – eine eindeutige Pressemitteilung herausgegeben hat. Ich darf zwei Sätze der Vorstandsfrau, Maren Kern, zitieren:

Es ist gut, wenn das Abgeordnetenhaus beim Thema Glasrecycling jetzt weiter Druck macht. Die Glastonnen müssen zurück zu den Menschen.

Genau das wollen wir erreichen. Wir werden alles, was wir an Unterstützung geben können, verehrte Senatorin Günther, Ihnen und Staatssekretär Tidow geben. Bitte nehmen Sie das mit für die Gespräche und Verhandlungen mit den dualen Systemen. Es kann nicht sein, dass einer gesamten Stadt, 3,6 Millionen Einwohnern, auf der Nase herumgetanzt wird und die dualen Systeme meinen, sie könnten sich einen schlanken Fuß machen, viel Geld sparen und den Menschen – bisher in drei Bezirken, in Treptow-Köpenick, in Lichtenberg und in MarzahnHellersdorf – einfach ein Großteil der Altglastonnen in den Höfen, bei ihren Häusern weggenommen werden und dann auch noch meinen, dass könne man eigentlich auch

(Danny Freymark)

in allen anderen Sammelgebieten machen. Wir erleben jetzt eines – Kollege Freymark hat es völlig zu Recht gesagt –: Sie haben ein vermeintliches Pilotprojekt einfach fortgesetzt. So geht es los. Das Problem ist leider, dass sie das können, weil sie am längeren Hebel sitzen. Das haben wir auch lernen müssen, die Abstimmungsvereinbarung bedeutet nur, dass der Senat das im Prinzip ein Stück weit akzeptieren muss, aber nur wenige Interventionsmöglichkeiten hat.

Die dualen Systeme würden das gern auf weitere Berliner Bezirke, zum Beispiel Reinickendorf und Pankow, ausweiten. Auch dort sollen die Altglastonnen in den Höfen und vor den Häusern wegfallen. Das werden wir so nicht akzeptieren. Wir werden hoffentlich gemeinsam darauf dringen – wir haben dazu in einer guten Woche eine Anhörung im Umweltausschuss angesetzt – und den Damen und Herren der dualen Systeme unmissverständlich sagen: Es kann nicht sein, dass Sie einfach gegen die Verbraucherinnen und Verbraucher, gegen die Interessen dieser Stadt, auch gegen unsere umweltpolitischen Vorgaben handeln. – Es ist bereits angesprochen worden, die getrennt gesammelte Glasmenge hat sich um ein Fünftel reduziert. Wenn man das in CO2-Äquivalente – also in negative Umweltbelastung – umrechnet, sind das ganz erhebliche Ausmaße. Das werden wir nicht akzeptieren! – Ich freue mich sehr, dass wir in Kürze diesen Antrag gemeinsam als großes Signal des Abgeordnetenhauses beschließen wollen. Wir wollen die Altglastonnen dort, wo sie hingehören: bei den Menschen, in den Höfen, dort, wo die Menschen leben. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN – Beifall von Oliver Friederici (CDU) und Dr. Dieter Neuendorf (AfD)]

Vielen Dank! – Für die Fraktion der AfD hat jetzt der Abgeordnete Herr Scholtysek das Wort – bitte!

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Antrag zur Wiedereinführung der haushaltsnahen Altglassammlung in drei Bezirken, die seit 2014 nicht mehr daran teilhaben dürfen, hat mich persönlich sehr erfreut, auch, weil ich selbst aus Treptow-Köpenick stamme und somit zu den Betroffenen gehöre, die seit Jahren keine Glastonne mehr auf dem Hof stehen haben.

Nach Auswertung – das haben wir eben auch schon von den anderen Rednern gehört – der eingeworfenen Glasmengen in die derzeit nur noch vorhandenen öffentlichen Glascontainer, sind die Zahlen eindeutig: Diese Sammelstellen werden keinesfalls in dem Maß genutzt, wie es wünschenswert ist. Fast 20 Prozent der Altglasmenge in den drei betroffenen Bezirken landen im Hausmüll. Glas

ist aber doch ein viel zu wertvoller Rohstoff, der nicht in den Hausmüll gehört. Immerhin lässt sich Glas ohne Qualitätsverlust beliebig oft einschmelzen – ganz im Gegensatz zu Kunststoff. Darüber hinaus werden durch Recycling viele weitere Ressourcen der Neuglasherstellung geschont.

Aufgrund der genannten Ergebnisse dürfen wir also feststellen, dass das Modellprojekt des Dualen Systems Deutschland, das schon längst beendet sein sollte, aber nun schon im vierten Jahr im Normalzustand einfach so weiterläuft, ganz offensichtlich gescheitert ist. Der Senat hat nach eigenen Angaben nur sehr begrenzte oder, um präziser zu sein, gar keine Instrumente, um das duale System zur Rückkehr zum alten Glastonnensystem zu bewegen, denn die Verträge wurden offenbar sehr einseitig und nur zum Vorteil des dualen Systems ausgehandelt. Ein Zurück gibt es offensichtlich nur, wenn der Senat schön bitte, bitte macht und das duale System von sich aus einlenkt. Die damaligen Verantwortlichen haben sich – um es kurz zu sagen – schlichtweg über den Tisch ziehen lassen, und wir haben nun das Problem.

Jetzt liegt dieser durchaus zustimmenswerte Antrag auf dem Tisch und zeigt, dass Sie, liebe rot-rot-grüne Genossen, endlich einen wirklich nützlichen Beitrag für die Berliner Bevölkerung erbringen möchten. Bislang lag Ihr Hauptfokus eindeutig auf Themen wie Unisextoiletten,

[Ooh! von der LINKEN und den GRÜNEN]

Berlin als Fairtrade-Town,

[Sebastian Walter (GRÜNE): Sie sind ja besessen von den Toiletten! – Zuruf von Dr. Michael Efler (LINKE)]

dem Berliner Mehrwegkaffeebecher, der Sperrung der Innenstadt für Autos, dem Lastenfahrrad als Lkw-Ersatz oder einspurigen Hauptverkehrsstraßen mit Tempo 30 für ganz Berlin, wie wir es gestern erst wieder in der Zeitung lesen durften. Nach all dem bin ich wirklich überrascht und erfreut über dieses erste zarte Pflänzchen mit Substanz.

[Beifall bei der AfD]

Dies ist Ihr erster, wenn auch sehr kleiner Schritt zu einem Berlin, das einfach wieder funktionieren soll, in dem sich alle Bürger wohlfühlen können. Dafür haben Sie meinen Respekt, das muss man auch mal sagen.

[Beifall bei der AfD]

Die Alternative für Deutschland ist angetreten, um Politik des gesunden Menschenverstandes zu betreiben, gänzlich fern von ideologischer Klientelpolitik und ebenso weit entfernt von Ihren sozialistisch-absurden Umerziehungsideen, wie ich sie gerade schon genannt habe. Aus diesem Grund noch einmal mein Respekt. Wir begrüßen diesen Antrag und unterstützen ihn auch. – Vielen Dank!

[Beifall bei der AfD]

(Daniel Buchholz)

Vielen Dank! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt Herr Abgeordneter Kössler das Wort. – Bitte schön!

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich ringe mit mir, ob ich diesen Respekt annehme und sage: Danke dafür – auch wenn es mir schwerfällt. – Wir haben diesen Antrag, der schon in der letzten Legislaturperiode eingebracht worden ist, einstimmig beschlossen. Ich hoffe, dass wir es auch in dieser Legislaturperiode mit noch mehr Druck hinbekommen, den Senat nochmals aufzufordern, mit dem Dualen System Deutschland hart ins Gericht zu gehen, denn das ist nötig.

Viele von uns haben noch die Container auf dem Hof, und die Altglas-Iglus kennen wir sicherlich auch alle. Bei mir in Neukölln sind sie Anlaufpunkt für allen dahergelaufenen Sperrmüll – dieses Thema kommt noch hinzu. Besonders betroffen sind die drei Bezirke MarzahnHellersdorf, Treptow-Köpenick und Lichtenberg, wo quasi über Nacht fast 8 000 Tonnen abgezogen wurden. Das Ganze wurde als Pilotprojekt deklariert. Eigentlich ist das Duale System Deutschland damit zum Bruchpiloten geworden, und wir müssen jetzt die Scherben aufheben, und zwar ganz praktisch, nämlich aus dem Restmüll, denn dort landen sie jetzt. – Frau Platta, Herr Freymark und die anderen haben schon die Zahlen genannt.

Das Duale System Deutschland begründet diese Umstellung damit, dass die Altlastqualität bei Tonnen auf dem Hof schlechter ist. Dabei kommen allerlei fadenscheinige Argumente: Unter anderem ist die Scherbengröße in den Iglus größer, was Quatsch ist, weil das Altglas gesammelt, umgeladen und noch mal umgeladen wird, und am Ende ist es egal, wo die Scherben herkommen, sie sind alle klein. Nein, dem Dualen System Deutschland geht es nicht um Qualität, sondern darum, möglichst billig das Altglas abzuholen, und das ist nicht in Ordnung. Laut der Verpackungsverordnung auf Bundesebene ist es die Aufgabe der dualen Systeme, auch für Qualität zu sorgen und nicht nur für die eigene Profitmaximierung.

Die Vorschläge wurden in der letzten Legislaturperiode noch einmal hier im Haus gemacht. Ich freue mich, dass wir zwischen den Parteien schon vereinbart haben, eine Anhörung durchzuführen, um dem Dualen System noch einmal zu erklären, was sie da konkret machen sollen, wie zum Beispiel kleinere Einwurflöcher, eine zuverlässigere Leerung und eine bessere Kennzeichnung. Da gibt es eine Menge Maßnahmen.

Klar ist doch auch, dass wir, wenn die dualen Systeme das nicht hinbekommen, auch darüber reden müssen, ob wir die Systemfeststellung nach § 6 der Verpackungsver

ordnung gegebenenfalls widerrufen. Ich weiß, das ist ein scharfes Schwert, und das wäre eine Art Systemkrieg, aber zumindest ein langer Rechtsstreit. Besser für uns alle wären natürlich Verhandlungen, aber wir hier im Parlament wurden von den Berlinerinnen und Berlinern gewählt, und diese Menschen zahlen über den Grünen Punkt dafür, dass das Altglas ordentlich abgeholt und entsorgt wird. Berlin kann nicht länger die Zeche dafür zahlen, wenn das Duale System es nicht gebacken bekommt. Das geht gar nicht!

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN]

Es macht keinen Sinn, Augenwischerei zu betreiben. Eine Veränderung des Systems wird es so oder so hier und da geben müssen – allein schon aus ökologischen Gründen. Wir müssen mit dem Dualen System verhandeln, denn wir brauchen Investitionen, aber wir müssen die Menschen mitnehmen. Das bedeutet: keine Nacht- und Nebelaktionen mehr! Das geht nicht. Und natürlich können wir nicht wegen jeder umgestellten Mülltonne ein aufwendiges Beteiligungsverfahren durchführen, aber ich möchte, dass vorab, wenn etwas passiert, zumindest siedlungsweit informiert wird, was passiert und warum es passiert und dass die Menschen vor Ort sagen können, was sie davon halten und es gegebenenfalls stoppen oder ändern können. Das ist Beteiligungskultur, und diese verlange ich. Ich verlange aber auch von den Verantwortlichen, zu lernen. Ein Fehler der letzten Verhandlungsrunde war offensichtlich, dass der Senat nicht hart genug gewesen ist. Deshalb fordere ich unsere Senatorin auf, jetzt hart zu verhandeln, und zwar für die Berlinerinnen und Berliner.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN]

Noch eine abschließende Bemerkung: Ich persönlich bin noch nicht so lange in der klassischen Umweltpolitik tätig, sondern komme aus der Klimapolitik und lese mich in die Abfallpolitik ein. Einerseits bin ich fasziniert, aber auch schockiert, und so langsam glaube ich zu verstehen, warum die italienische Mafia hier ihre größten Geschäfte macht. Da geht es um Mauscheleien, um Millionen. Und in Deutschland haben wir zudem noch eine Bundesgesetzgebung, die bescheiden ist, sodass wir in der Politik auf der Berliner Ebene nicht einmal mehr alle Hebel in der Hand haben. Deshalb ist es umso wichtiger, dass wir als Parlament ein eindeutiges und starkes Signal in die Richtung des Senats schicken und sagen: Verhandelt hart für die Berlinerinnen und Berliner! Nach draußen, an die dualen Systeme gerichtet, muss es heißen: Hört endlich auf die Menschen, und denkt nicht nur an eure eigenen Profite! In diesem Sinn freue ich mich auf die Ausschussberatungen. – Danke!

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Bevor ich der Fraktion der FDP das Wort gebe, möchte ich noch einmal die Besucherinnen und Besucher auf der Tribüne daran erinnern, dass jegliche Bekundungen, seien es Beifall oder Äußerungen, zu unterlassen sind. – Vielen Dank! – Jetzt hat die Fraktion der FDP das Wort. – Bitte, Herr Schmidt!

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch ich werde den Konsens nicht stören, den wir in diesem Haus haben.

[Beifall von Daniel Buchholz (SPD) und Georg Kössler (GRÜNE)]

Wir alle haben das Ziel, das Glasrecycling zu optimieren und die besten Ergebnisse zu erzielen, denn Glas kann – das wurde schon gesagt – im Gegensatz zu Kunststoff problemlos und in hoher Qualität recycelt werden.

Es ist offensichtlich so, dass die Bürgerinnen und Bürger ein Holsystem deutlich besser finden als ein Bringsystem. Das zeigen die vielen Mails, Briefe und Anrufe, die ich selbst von den Bürgerinnen und Bürgern bekommen habe. Deshalb ist es richtig, dafür zu sorgen, dass wir in dieser Stadt wieder flächendeckend ein Holsystem etablieren.

[Beifall bei der FDP – Beifall von Daniel Buchholz (SPD) und Georg Kössler (GRÜNE)]

Eine kurze Nebenbemerkung: Wir sind die einzige Stadt in Deutschland, die ein solches Holsystem hat. Das ist schon ein gewisses Privileg, aber es ist auch gut, dass wir es erhalten.

Für die Gesamtperspektive möchte ich noch etwas zum Antrag ergänzen: Die Recyclingquote in Berlin ist auch beim Holsystem niedriger als sie woanders erreicht wird, und sie ist immer noch zu niedrig. Die Qualität der getrennten Sammlung, die wichtiger ist als die Sammelquote, denn nur sauber getrenntes Glas kann auch vernünftig recycelt werden, ist in Berlin im Hol- und im Bringsystem zu schlecht. Es reicht also nicht aus, nur das System umzustellen, sondern wir müssen künftig dafür sorgen, dass eine bessere Trennung erreicht wird und nicht, dass Hausmüll, Porzellan, Fensterglas, Glühbirnen und Ähnliches in den Glastonnen landet, was die Qualität insgesamt herunterdrückt.

In dem Ursprungsantrag 2014 steht – wenn ich daraus zitieren darf – ein wichtiger Punkt, nämlich:

Kurzfristig und zielorientiert ist zu klären, welche Maßnahmen eingeleitet werden müssen, um die geforderte Qualitätsverbesserung für angeliefertes Glas zu erreichen.

Das halte ich für einen wesentlichen Punkt, der mir jetzt im Antrag fehlt. Der neue, jetzt vorgelegte Antrag schreibt in der Begründung – Zitat –:

Fragen der Altglasqualität sind Aufgabe der dualen Systeme und müssen von diesen gelöst werden.

Das passt jetzt nicht so richtig. Die Koalition kann schlecht ganz Berlin die Höhe der Rabatte für Kaffeemehrwegbecher vorschreiben wollen und dann die Frage, wie Glas recycelt wird, ausschließlich den beteiligten Unternehmen überlassen. Es würde eher dem von Ihnen so gern gezeichneten FDP-Klischee entsprechen, so etwas zu fordern. Wir würden so etwas niemals fordern.

[Vereinzelter Beifall bei der FDP]

Ich habe auch noch ein Problem mit der so expliziten Missbilligung der Systembetreiber. Wir kommen in dieser Sache nur mit einer Kooperation weiter. Letztlich bestimmen die Systembetreiber, wie sie ausschreiben. Wir brauchen sie als Partner, auch wenn sie sehr schwierige Partner sind. Sie sind mir immer noch lieber als das, was Frau Platta angekündigt hat, nämlich das Ganze zu rekommunalisieren.

Alles in allem: Das Ziel des Antrags ist richtig. Ich fände es noch besser, wenn wie 2014 das Ziel der Qualitätsverbesserung eingebaut würde und man ein bisschen kooperativer auf die Systembetreiber zuginge. Im Ausschuss haben wir uns darauf verständigt, sowohl eine Anhörung durchzuführen als auch den Antrag gemeinsam zu verbessern. Das ist eine gute Sache. Vielen Dank dafür an die Kolleginnen und Kollegen der Koalition! Unser gemeinsames Ziel ist es, dass wir möglichst zu einem einstimmigen Ergebnis in diesem Haus kommen und damit als Abgeordnetenhaus ein klares Signal gegenüber den Systembetreibern und für die Bürgerinnen und Bürger aussenden, so wie im Jahr 2014 auch schon. Ich bin zuversichtlich, dass wir das hinbekommen werden und danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.