Herzlichen Dank! – Wenn ich den Regierenden Bürgermeister gerade richtig verstanden habe, hat er gerade gesagt, dass alle für das Ermittlungsverfahren notwendigen Dokumente auf dem Tisch liegen und alle Angaben gemacht worden seien etc. pp. Daher frage ich den Senat: Warum wird dieses Ermittlungsverfahren dann nicht zum Abschluss gebracht?
Die Staatsanwaltschaft prüft die Tatsachengrundlagen und erwägt die rechtlichen Schlussfolgerungen. Das macht sie in aller Gründlichkeit und Ausführlichkeit. Es gibt keinen Grund, ihr da reinzureden – das habe ich vorhin schon gesagt. Die Ermittlungen werden dann zum Abschluss gebracht werden, wenn sie fertig sind.
Rehabilitierung nach § 175 StGB und § 151 DDR-StGB verurteilter Homosexueller endlich beschließen und gerecht gestalten
In der Beratung beginnt die Fraktion der FDP. – Bitte, Herr Kollege Sebastian Czaja, Sie haben das Wort!
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kollegen! Am 22. Juli dieses Jahres werden wir in Berlin wieder einen Christopher-Street-Day zelebrieren, einen Tag, der für uns ein Tag der Freiheit und Selbstbestimmung ist. Auch wenn es leider immer noch Ressentiments und Vorurteile gegenüber Homosexuellen gibt: Seit 23 Jahren ist zumindest gleichgeschlechtliche Liebe in Deutschland nicht mehr strafbar. Als der unsägliche § 175 StGB 1994 gestrichen wurde, wurde eine fast 60 Jahre andauernde menschenrechtswidrige Strafbarkeit endlich abgeschafft.
Es war ein notwendiges Stück Gleichberechtigung und ein wichtiger Schritt für unsere heute offene Gesellschaft. Dennoch dürfen wir niemals vergessen, dass dieses Unrecht zu Ermittlungsverfahren gegen mehr als 100 000 Männer führte, dass ca. 50 000 Personen dadurch verurteilt wurden, und wer weiß, welche Dunkelziffer von Männern es gibt, die niemals zu sich selbst stehen konnten.
Ein Ermittlungsverfahren nach § 175 StGB, dem sogenannten Schwulenparagrafen, bedeutet für viele Verdächtigte den sozialen Tod, das Ende ihrer bürgerlichen Existenz und ihrer Karriere. Eine Vorverurteilung war dazu nicht einmal vonnöten. Heute leben noch 5 000 Männer, denen dieses schreckliche Schicksal zuteil wurde. Diesen Menschen wurde für eine einvernehmliche Handlung unter Erwachsenen Verfolgung angedroht, ja, sie wurden sogar verfolgt, bestraft und verloren vielfach ihren Arbeitsplatz, ihren guten Ruf und am Ende ihre Freiheit durch Gefängnisstrafe.
Das Bundeskabinett hat in seiner Sitzung in dieser Woche einen Entwurf des Bundesjustizministers beschlossen und wird den dem Bundestag zur Beschlussfassung vorlegen. Er beinhaltet – das ist uns allen klar – die vollständige Rehabilitation für und die Einmalzahlung an die betroffenen Verurteilten. Dieser Schritt war aus unserer Sicht, der Freien Demokraten, längst überfällig und notwendig, geht aber bei all dem verursachten Leid leider nicht weit
Ausfälle bei Einkommen und Beiträgen zum Beispiel zur Rentenversicherung sorgen noch heute dafür, dass hochbetagte Verurteilte schwere und nachteilige Schäden an ihrer Lebensqualität erlitten haben und hinnehmen müssen. Ihre Rente reicht teilweise nicht für eine menschenwürdige Pflege. Für diese Gruppen ist eine Einmalzahlung nicht das, was hilft. Mit einer Einmalzahlung, die das Bundeskabinett beschlossen hat, wird man der Sache nicht gerecht.
Für diese dauerhafte gesellschaftliche Ächtung und Deklassierung braucht es mehr an Entschädigung. Für die Opfer, die sich heute in einer Notlage im Sinne des Entschädigungsrechtes befinden, wünschen wir uns – wir hoffen, Sie auch! – einen Rentenaufschlag, der sowohl einen Beitrag zur finanziellen Entschädigung der Betroffenen als auch zur Wiederherstellung ihrer ganzen ideellen Würde leisten soll. Auf keinen Fall darf es bei der Aufhebung der Urteile eine erneute Diskriminierung geben. Es geht jetzt darum, die Rehabilitierung von Homosexuellen klar zu regeln. Unser Rechtstaat ist stark genug, um gemachte Fehler zu korrigieren. Lassen Sie uns dies nun richtig und vor allen Dingen ordentlich machen! Die noch lebenden Opfer sollen nicht mehr länger darauf warten müssen, dass ihnen die moderne, offene Gesellschaft die Hand reicht. Jetzt gilt es zu handeln, ehe es zu spät ist. Die Republik hat lange genug diskutiert. Es wird Zeit, dass dieses Unrecht korrigiert und die Opfer endlich rehabilitiert werden. – Vielen Dank!
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Czaja! Als ich Ihren Antrag gelesen habe, war mein erster Gedanke: sensationelles Timing. Ich frage mich, wo die FDP in den letzten Jahren gewesen ist. Aber klar, Sie waren lange Zeit nicht im Abgeordnetenhaus, Sie sind nicht im Bundestag vertreten, vielleicht ist das der Grund dafür, dass andere in der Zeit, in der Sie Anträge formulieren, Gesetze vorlegen. Dann höre ich, dass Ihr Antrag, den Sie hier heute einbringen, auf Ihrem Parteitag wegen Zeitmangels vertagt wurde. Lieber Herr Czaja! Wenn es etwas gibt, was die Opfer nicht haben, dann ist es Zeit.
Ihr Antrag gibt mir aber die Möglichkeit, zwei Dinge herauszustellen, die mir besonders wichtig sind. Erstens:
Es waren vor allem die vielen Berliner Projekte und Verbände, die sich für die Rechte der zu Unrecht Verurteilten eingesetzt haben – nicht zuletzt viele Betroffene selbst, die sich zusammengetan und selbst Forderungen gestellt haben. Ich möchte an dieser Stelle aber auch die Arbeit der Landesstelle für Gleichbehandlung und gegen Diskriminierung nicht unterwähnt lassen, die seit Jahren mit großem Engagement Aufklärungsarbeit leistet. Aber auch der Senat von Berlin hat sich in der vergangenen Legislaturperiode stark gemacht. Seit 2010 arbeiten das Berliner Abgeordnetenhaus und der Senat daran, dass auch die nach 1945 verfolgten Homosexuellen rehabilitiert und entschädigt werden. Berlin hat 2015 und 2012 erfolgreich zwei Entschließungen in den Bundesrat eingebracht und damit die Bundesregierung aufgefordert, zu handeln. Es gab lange Widerstand dagegen, § 175 StGB als menschenrechtwidrig anzuerkennen und somit die Betroffenen zu rehabilitieren. Das lag zum einen daran – Herr Czaja, Sie haben es ausgeführt –, dass das Gesetz in der früheren Bundesrepublik sogar vom Bundesverfassungsgericht bestätigt wurde, es lag aber zum anderen auch am fehlenden politischen Willen, vor allem an dem fehlenden politischen Willen der Union.
Die Bundesregierung hat lange gebraucht. Deshalb bin ich sehr froh darüber, dass Heiko Maas hier allen Widerständen zum Trotz nicht lockergelassen hat.
§ 175 StGB hat Karrieren und Berufswege verhindert, er hat ganze Biographien zerstört. Gestern war ein guter Tag für die wenigen noch lebenden Opfer. Das Bundeskabinett hat gestern die Rehabilitierung und Entschädigung verurteilter Männer aufgrund des § 175 StGB beschlossen. Der Gesetzentwurf sieht vor, dass Verurteilten auf
Antrag eine Entschädigung in Höhe von 3 000 Euro sowie zusätzlich 1 500 Euro je angefangenem Jahr erlittener Freiheitsentziehung zustehen.
Lange, fast zu lange wurde auf Zeit gespielt. Das gilt insbesondere für die CDU/CSU. Die Rehabilitierung und Entschädigung der Verurteilten ist ein wichtiges Signal für über 50 000 Opfer.