Sie legen zweierlei Maßstab an. Mit der PDS arbeiten Sie auf Kreis- und kommunaler Ebene zusammen, CDU und PDS.
Sie distanzieren sich in der Gegenwart nicht vom gesetzwidrigen Verhalten von Leuten in Ihren eigenen Reihen. Dazu kommen wir noch.
(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen – Abg. Dr. Schlierer REP: War das alles? Oh Gott! – Abg. Scheuermann CDU: Gar nichts! Fünf Minuten herumgeschwätzt! – Abg. Haas CDU: Die SPD hat zu dem Thema nichts zu sa- gen!)
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Revolte der 68er mit den darauf folgenden Siebzigerjahren war eine wichtige Epoche der deutschen Nachkriegsgeschichte.
Diese höchst widersprüchliche und sehr facettenreiche Phase unserer neuesten Zeitgeschichte mitten im Wahlkampf in fünf Minuten abhandeln zu wollen und sie für den tagespolitischen Kampf zu instrumentalisieren,
Die Frage, ob Aktivisten dieser Bewegung mit einer linksradikalen Vergangenheit, zu denen ich bekanntlich selbst auch gehöre, höchste Staatsämter bekleiden dürfen und ob sogar der Anführer der „Putztruppe“ des „Revolutionären Kampfes Frankfurt“ heute Außenminister sein kann,
Man muss dabei die Zeitumstände und die Zeitströmungen, in denen das passiert ist, beachten. Sie werden mir zugestehen, dass es vollkommen unmöglich ist, das in fünf Minuten darzustellen.
Eines ist allerdings klar: Derjenige von diesen Aktivisten, der sich heute als überzeugter Demokrat erweist, kann selbstverständlich solche Ämter bekleiden. Ein anderes Kriterium kann es in einer Demokratie überhaupt nicht geben. Relevante Einwände, dass sich diese Personen nicht glaubwürdig für die Demokratie und ihre Grundsätze einsetzen, sind bisher gar nicht vorgetragen worden.
Ich möchte Ihnen dies an einem Beispiel, das Sie vielleicht leichter akzeptieren können, verdeutlichen. Der erste Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland, Theodor Heuss, hat bekanntlich den Ermächtigungsgesetzen zugestimmt und damit einem der größten Gewaltverbrecher der Menschheitsgeschichte in den Sattel verholfen. Theodor Heuss wurde der erste Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland. Der Maßstab, den wir bei der Frage, ob er es werden durfte, anlegen, kann nur der sein, dass er sich als durch und durch überzeugter Demokrat aktiv am Aufbau dieser demokratischen Bundesrepublik beteiligt hat. Ich glaube, dass diese Republik ohne ihn schwer denkbar wäre.
Ich glaube, dass das hier im Prinzip überhaupt nicht anders ist. Ich glaube, dass all diese Leute, die heute solche Positionen bekleiden, sich in Wort und Tat und in ihrer ganzen Haltung aktiv für dieses Gemeinwesen einsetzen und versuchen, ihre politischen Ziele ausschließlich mit demokratischen Mitteln umzusetzen.
Anders ist es auch gar nicht erklärbar, dass Außenminister Fischer ein angesehener Repräsentant der Bundesrepublik Deutschland in der ganzen Welt ist, angesehen und geachtet, und dass auch von Ihrer Seite, die Sie über dessen Vergangenheit wohl Bescheid wussten, dagegen gar keine prinzipiellen Einwände geltend gemacht wurden, als er dieses Amt angetreten hat. Wenn allerdings deutlich würde, dass in seinem Amt, das zu den sehr wichtigen Positionen gehört, und in seiner Außenpolitik noch irgendwelche Elemente seiner Vergangenheit zu finden wären,
dann wäre von der Opposition in Berlin zu erwarten, dass sie mit heftigen politischen Angriffen auf seine Außenpolitik agiert. Das können wir bisher, glaube ich, nicht feststellen.
Insofern, glaube ich, sollten wir uns davor hüten, einfach mit irgendwelchem oberflächlichem Schlagabtausch solch schwierige Fragen zu behandeln.
Wie leicht das ins Auge gehen kann, sehen Sie doch selber daran, dass es in einer ganz gewöhnlichen politischen Alltagssituation, in der es um die Frage geht, wie die Renten behandelt werden, auch Ihrer Parteiführung passiert ist, dass ihr die Maßstäbe in dieser Auseinandersetzung völlig
verrutscht sind und sie ein Fahndungsplakat mit dem Bundeskanzler veröffentlicht hat. Wenn schon in einer hundsgewöhnlichen Situation der tagespolitischen Auseinandersetzung der Führung einer demokratischen Volkspartei so etwas passiert und sie auf Druck – vor allem aus den eigenen Reihen – dieses Plakat zurücknehmen muss, dann können Sie sich doch vorstellen, dass man Vorgänge von vor 20 Jahren hier nicht einfach so locker bewerten kann, ohne die Umstände zu berücksichtigen, unter denen diese Menschen gehandelt haben. Dem stellen wir uns.
(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen – Abg. Hauk CDU: Es ist ein Unterschied, ob ich ein Plakat auf- hänge oder Gewalt anwende!)
Wenn Sie irgendjemandem von uns hier, von den Grünen in diesem Landtag, auch nur andeutungsweise nachweisen können, dass er in irgendeiner wichtigen Frage die Grundsätze dieses demokratischen Rechtsstaats verletzt hat, dann müssen wir uns selbstverständlich dieser Debatte stellen und tun es auch.
Ich fordere Sie auf: Sehen Sie das Ganze positiv. Es ist dieser Demokratie gelungen, Leute, die sich – wie auch ich – den Staat zum Feind erklärt hatten, in dieses Gemeinwesen zu integrieren und sie doch zu einigermaßen anständigen Demokraten zu machen. Das ist mit ein Verdienst unserer Demokratie.
Man muss mit Eigenlob immer ein bisschen vorsichtig sein. – Ich glaube, dadurch hat die ganze Republik gewonnen.
dass die Polizei heute völlig anders agiert, als sie es damals gemacht hat. Das ist eigentlich das Schöne an der ganzen Geschichte:
(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei Ab- geordneten der SPD – Abg. Dr. Schlierer REP: Jetzt sind wir genau an dem Punkt! Jetzt sind wir an dem Punkt, jawohl!)
dass wir in diesem ganzen Prozess eine Gesellschaft geworden sind, die sehr viel liberaler und freier mit den Widersprüchen in dieser Gesellschaft umgehen kann.
Darüber können wir alle wirklich nur froh sein, und wir sollten weiter daran arbeiten, die Alltagsprobleme in dieser Demokratie zu lösen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es wird jetzt vielleicht etwas schwierig sein, in dieser doch schon etwas aufgeheizten Atmosphäre zu versuchen, sich dem Thema sachlich zu nähern. Ich will es trotzdem versuchen.
Zuerst möchte ich aber einmal sagen: Herr Dr. Schlierer, dass ausgerechnet Sie das hier zur Debatte stellen, ist nun wirklich unverfroren.