Protokoll der Sitzung vom 02.02.2000

Herr Teufel, Sie haben am 14. Januar 2000 in einem Fernsehinterview – da hatten Sie Pech, weil eine Stunde später der Hessenskandal herauskam – schon vom Verzeihen gesprochen. Sie haben gesagt, in einer christlichen Partei müsse man auch daran denken, Helmut Kohl zu verzeihen; er habe es ja zugegeben und sich entschuldigt. Ich kann es Ihnen, wenn Sie es bezweifeln, nachher vorlesen. Ich glaube, dass Sie so leichtfertig und so billig aus dieser Geschichte nicht herauskommen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei Ab- geordneten der SPD)

Übrigens, Herr Teufel, wenn wir schon beim Aufklären sind, dann machen Sie doch einmal einen Knopf an die Affären und Skandale in Baden-Württemberg.

(Zuruf des Abg. Dr. Stefan Scheffold CDU)

Ich finde, dass der Untersuchungsausschuss zur Doppelförderung im Bereich der ländlichen Sozialberatung inzwischen ganz klar das bewiesen hat, was Mayer-Vorfelder schon vor der Einsetzung des Untersuchungsausschusses gesagt hat, nämlich dass dieses System politisch gewollt war. In den Verhandlungen ist dies ja auch aus dem Regierungspräsidium Tübingen nachhaltig bestätigt worden.

Ich finde auch, dass Sie einmal offensiv zu dem Stellung nehmen müssen, was Sie in Fällen wie dem des Herr Aurenz in Südwürttemberg gemacht haben. Bei Herrn Schleicher vom Zementwerk Schwenk war es ja ähnlich.

(Abg. Dr. Birk CDU: Das ist doch unglaublich! Die mit Dreck bewerfen! Irgendetwas wird schon hängen bleiben!)

Ich finde es nicht richtig, dass wohlmeinende Spender der CDU in Baden-Württemberg, wenn sie ein Problem haben, zum Beispiel weil sie einen Gewerbebetrieb illegal ins Naturschutzgebiet verlängern, wofür viele kleine Leute in Baden-Württemberg drankommen, nach einem Termin mit Erwin Teufel ein Moratorium bis 2000 wie im Fall Aurenz bekommen

(Abg. Dr. Birk CDU: Sie sind an Scheinheiligkeit nicht zu überbieten!)

und Verwaltungsbeamte des Regierungspräsidiums, die sich nach Recht und Gesetz bemühen, die Gesetze dieses Landes auszuführen, auf diese Art düpiert werden,

(Abg. Haasis CDU: Das stimmt doch gar nicht! Das stimmt doch überhaupt nicht!)

weil sie immer wissen müssen: Im Zweifelsfall gehen die hohen Herrschaften zum Ministerpräsidenten. Das müssen Sie aufklären, und dazu müssen Sie etwas sagen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Herr Teufel, ich finde – –

(Unruhe und Zurufe, u. a. Abg. Dr. Birk CDU: Eine miese Unterstellung! – Glocke des Präsiden- ten)

Herr Abg. Kuhn, darf ich Sie bitten, zum Ende zu kommen.

Ich bin gerade auf dem Weg.

(Heiterkeit – Abg. Pfister FDP/DVP und Abg. Hauk CDU: Nach Berlin?)

Ich finde, dass Sie sich beim Fall SWEG auch ganz schön in die Verdrückung begeben haben. Dieses 100-prozentige Landesunternehmen hat ein Lotterleben geführt unter der Aufsicht, die Herr Schaufler eigentlich zu führen gehabt hätte. Erklären Sie doch einmal Ihren Wählern, wie man eigentlich auf 1 000 DM Trinkgeld kommt, wenn ich nur ein Beispiel zitieren darf. Erklären Sie einmal, wie so etwas möglich ist. Die Leute haben ihr Leben lang nicht für so viel gegessen, und die SWEG-Spitze lässt Trinkgelder in dieser Größenordnung liegen. Ich wäre da ganz vorsichtig.

(Zuruf des Abg. Haas CDU)

Jetzt wäre mir eines wichtig, Herr Teufel:

(Lebhafte Unruhe)

Sagen Sie doch einmal offen und klar als Parteivorsitzender der CDU in Baden-Württemberg, dass Sie die 35 000 DM zurückgeben. Dann ist wenigstens an der Stelle einmal Klarheit geschaffen. Aber nein, auch hier hocken Sie auf dem Geld und denken: Wenn es nicht vor Gericht kommt und keine Verletzung des Parteiengesetzes ist, wird es schon irgendwie Recht sein. Es sind öffentliche Gelder, die da behalten wurden. Die SPD und die FDP/DVP haben ihre Gelder ja zurückgegeben.

Ein Letztes zum Thema Aufklärung: Wie kann es eigentlich sein, dass ein Herr Schaufler, der dieses Ganze mit zu verantworten hat, noch immer der Vorsitzende des CDUBezirks Südwürttemberg ist?

(Abg. Hauk CDU: Da sieht man Ihr Verständnis von Demokratie!)

Ja, schämen Sie sich gar nicht – im Zeitalter der Aufklärung –, dass so etwas möglich ist? Ich habe kein Wort von Erwin Teufel zu dieser Frage insgesamt gehört.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen – Abg. Hauk CDU: Das ist das Demokratieverständnis der Grü- nen!)

Ich komme zum Schluss: Herr Teufel, es geht um die Glaubwürdigkeit auch von Ihnen als Person. Wenn Sie sich hier als jemanden darstellen wollen, der mit zur Aufklärung bei der Union beiträgt, dann dürfen Sie bei diesen Fragen nicht wegducken, dann dürfen Sie sich nicht verdrücken, sondern dann müssen Sie einmal zu Ihrer Verantwortung stehen und auch über die Frage sprechen, wie Sie eigentlich Ihre Bundesvorstandszeit verbracht haben, ob Sie da einen dämmernden Aufsichtsschlaf geführt haben oder wirklich das, was Demokraten tun müssen, nämlich in Kontrollgremien kritisch nachzufragen, ausgeübt haben oder ob Sie da versagt haben.

(Zuruf des Abg. Kluck FDP/DVP)

Dies muss hier geklärt werden.

Vielen Dank.

(Lebhafter Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und Beifall bei der SPD)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Pfister.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine sehr verehrten Damen und Herren! Insbesondere Herr Kollege Maurer hat in seinem Redebeitrag das Bild eines Bundeslandes gezeichnet, und ich rätsle jetzt die ganze Zeit, von welchem Land er eigentlich gesprochen hat.

(Abg. Maurer SPD: Ich habe von einer Regierung geredet!)

Von Baden-Württemberg kann er mit Sicherheit nicht gesprochen haben;

(Beifall bei der FDP/DVP)

vielleicht von einem sozialdemokratisch regierten Land. Das Zerrbild und das Negativbild, das er in seiner Rede gezeichnet hat, kann mit Sicherheit auf Baden-Württemberg nicht zutreffen. Das ist sicher, meine Damen und Herren.

(Abg. Birzele SPD: Er hat von der Regierung ge- sprochen! – Abg. Maurer SPD: Er verwechselt das Land mit der Regierung! – Abg. Birzele SPD: So weit ist es schon bei der FDP gekommen!)

Der Doppelhaushalt, meine sehr verehrten Damen und Herren, hat die Aufgabe, für die nächsten Jahre entsprechende Rahmenbedingungen zu setzen. Er hat die Aufgabe, Leitbilder zu entwickeln, die die gesellschaftliche und politische Prägung in der Zukunft festlegen sollen.

Mein Leitbild ist das einer liberalen Bürgergesellschaft, die vom Engagement und von der gesellschaftlichen Verantwortung ihrer Bürgerinnen und Bürger lebt. Ich will eine liberale Bürgergesellschaft. Ich will Bürgerinnen und Bürger, die sich um die Entwicklung dieser Gesellschaft kümmern, die aktiv sind, die sich einmischen, die sich nicht darauf beschränken, auf der Zuschauertribüne zu bleiben, sondern die aktiv hinunter aufs Spielfeld gehen, die etwas unternehmen, die nicht abwarten, kurz und einfach: Bürgerinnen und Bürger, die Verantwortung übernehmen und diese nicht auf andere abdrücken.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Aber natürlich muss ich einräumen, meine Damen und Herren: Dieses Leitbild angesichts von Spenden- und Fliegeraffäre zu vermitteln fällt im Augenblick sicherlich nicht leicht. Ich sehe sehr wohl die Gefahr – und wir müssen alle die Gefahr sehen –, dass sich angesichts dieser Affären die Bürger abwenden. Wir müssen die Gefahr sehen, dass die Bürger insgesamt – das ist gefährlich – die Politik als schmutziges Geschäft anschauen. Und wir müssen die Gefahr sehen, dass sie auch das Vertrauen in den demokratischen Rechtsstaat verlieren.

Wir müssen sogar Verständnis dafür haben, denn man kann nun nicht an der Feststellung vorbeigehen: Das, was sich in Hessen, in Wiesbaden in den Achtzigerjahren abgespielt hat, ist nicht nur skandalös, sondern das ist wirklich eine Erschütterung des Rechtsstaates, wie sie schlimmer eigentlich nicht sein kann.

(Beifall des Abg. Kiesswetter FDP/DVP)

In der Nachfolge der Flick-Affäre in den Achtzigerjahren haben alle demokratischen Parteien 1994 ein Parteiengesetz geschaffen, das nicht etwa das Ziel hatte, Spenden zu verhindern – ich bin nach wie vor der Meinung, dass es nichts Unrechtmäßiges ist, wenn politische Parteien Spenden erhalten –, sondern das die Aufgabe und das Ziel hatte, dafür zu sorgen, dass Offenheit und Transparenz bei der Spendenpraxis einkehren.

Ich bin sehr enttäuscht darüber, dass sich nicht alle an dieses neue Parteiengesetz gehalten haben. Ich füge ausdrücklich hinzu: Ich erwarte auch von einem Bundeskanzler, der große Verdienste um dieses Land hat, dass er sich an dieses Parteiengesetz von 1994 hält.

(Beifall bei der FDP/DVP und der Abg. Brechtken SPD und Kuhn Bündnis 90/Die Grünen)

Ich warne ausdrücklich die Sozialdemokraten, sich zurückzulehnen. Sie haben keinen Grund dafür, denn solange in Nordrhein-Westfalen die dortige Staatsbank von führenden Repräsentanten offensichtlich mit einem Reiseunternehmen verwechselt wird, so lange gibt es auch in NRW und bei der SPD erheblichen Bedarf an Aufklärung, die Sie genauso leisten müssen wie die CDU.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Dr. Puchta SPD: „Genauso“ ist eine Frechheit! Das ist eine Unverschämtheit, Herr Pfister! Alles hat seine Grenze! – Abg. Brechtken SPD: Bei uns tritt man zurück!)

Zur Schadenfreude gibt es für niemanden Anlass und für Häme erst recht nicht. Es steht nicht nur die Glaubwürdigkeit der politischen Partei auf dem Spiel, sondern im Wesentlichen steht die Glaubwürdigkeit der Demokratie und des demokratischen Rechtsstaats auf dem Spiel – nicht mehr und nicht weniger.