Protokoll der Sitzung vom 09.02.2000

Frau Abg. Schlager, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Mühlbeyer?

Bitte schön, Herr Mühlbeyer.

Frau Kollegin, ist Ihnen bekannt, dass wir vor wenigen Wochen im Sozialausschuss einen Antrag der Abg. Nagel u. a. SPD behandelt haben und dass die Landesregierung dabei zugesagt hat, sie werde dafür sorgen, dass dann, wenn die erhöhten Mittel aus dem Europäischen Sozialfonds kämen, die Mittel durch das Land entsprechend komplettiert würden? Die SPD hat sich damit einverstanden erklärt, sodass ihr Antrag für erledigt erklärt wurde.

Deshalb muss ich Ihnen schon sagen:

(Zuruf des Abg. Dr. Walter Müller SPD)

Die Mittel werden bereitgestellt. Das können Sie jetzt nicht kritisieren.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Hans- Michael Bender CDU: So ist es! – Zurufe von der SPD)

Es wäre dann noch interessant, zu erfahren, wie Mittel, die nicht im Haushalt veranschlagt sind, durch die Landesregierung lockergemacht werden.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei Ab- geordneten der SPD – Abg. Hauk CDU: Es gibt Nachträge, Frau Kollegin Schlager! – Zuruf des Abg. Haas CDU)

Ich will noch auf ein Zweites eingehen. Die Rollen im Parlament sind oft so verteilt, dass die Regierungsfraktionen

die positiven Seiten nennen und die Opposition dann das Bild komplettieren muss. Wir haben auf dem Arbeitsmarkt in Baden-Württemberg auch Probleme. Wir haben bundesweit den höchsten Anteil an ungelernten Arbeitskräften. Hier besteht eine große Herausforderung im Bereich Bildung und Weiterbildung.

(Zuruf des Abg. Hauk CDU)

Ich bin sehr sicher, dass wir die Probleme nicht ausschließlich mit gemeinnützigen Initiativen und Vereinen lösen können. Vielmehr brauchen wir originäre Landesmittel, um diese Probleme anzugehen.

Außerdem haben wir unter den Arbeitslosen bundesweit einen um 10 % höheren Anteil an Ungelernten.

(Abg. Haas CDU: Das ist doch logisch!)

Auch hier hat Baden-Württemberg Aufgaben, die das Land in einem baden-württembergischen Bündnis für Bildung und Beschäftigung angehen muss.

Sie können doch nicht sagen: „Bei der Frage, welche Wege wir bei der Weiterbildung gehen, interessiert uns nicht, was die Beschäftigten dazu meinen. Das machen wir ohne den DGB.“ Wenn Sie es ernst damit meinen, dass Sie neue Wege gehen wollen, müssen Sie mit allen Beteiligten und in dieser Frage speziell natürlich auch mit den Vertretern der Beschäftigten sprechen.

(Beifall bei Abgeordneten des Bündnisses 90/Die Grünen – Abg. Haas CDU: Ja, die sollen kommen! – Weitere Zurufe von der CDU)

Dieser Aufgabe hat sich der Ministerpräsident seit Oktober entzogen, indem er das mehrfach angebotene Gespräch verweigert hat.

(Lachen des Abg. Haas CDU)

Neidisch schaue ich auf andere Bundesländer – Bayern und Nordrhein-Westfalen –, die positive Impulse aus ihren Beschäftigungsbündnissen für Arbeit oder Bündnissen für Beschäftigung und Bildung ziehen. Dort werden Dinge ausprobiert. Da gibt es so etwas wie die Einrichtung eines Experimentiertopfes für die Erprobung innovativer Instrumente (Bayern). Die köcheln nicht einfach ihr Altbekanntes auf, sondern wollen auch einmal Neues ausprobieren. Ich nenne weiter die Jobrotation in Nordrhein-Westfalen, eine ideale Verknüpfung der Qualifizierung in Betrieben und der Qualifizierung von arbeitslosen Menschen. Lauter solche neuen Dinge vermisse ich in Ihrem Katalog, von dem Sie hauptsächlich immer die Zahl 59 nennen. Herr Nagel hat schon gesagt: Nicht die Quantität ist es, sondern die Qualität hätte es ausgemacht.

Wer das Gespräch nicht sucht, kriegt auch keine Impulse und schmort im eigenen Saft. Entsprechend mager ist das Ergebnis.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD – Abg. Haas CDU: Magerer Beifall!)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Hofer.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn man aufmerksam zugehört hat, konnte man nur feststellen, dass alle Redebeiträge in die Richtung gegangen sind, dass nichts gegen die Empfehlungen eingewandt wird. Die werden immer richtiger, je mehr Beiträge kommen. Deshalb ist es ganz selbstverständlich, dass die Empfehlungen fortgeführt werden. Es wäre ja geradezu hirnverbrannt, zu sagen: Das ist richtig, aber weil die anderen nicht mitmachen, machen wir das Richtige nicht.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Nur, eines ist auch klar: Ein Bündnis ohne Gewerkschaften ist kein Bündnis. Wir wollen, dass die Gewerkschaften dabei sind und an diesen Empfehlungen mitarbeiten. Allerdings, Herr Nagel, denke ich schon – ich kenne mich da nicht aus, weil ich beim Bündnis nicht dabei gewesen bin –, dass dort das Gesprächsklima ein bisschen anders sein muss, als Sie es in Ihrem Redebeitrag geschildert haben.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP)

Übrigens hat niemand etwas gegen neue Vorschläge. Aber ich kann Ihnen sagen: Es ist furchtbar schwer, etwas Neues zu finden. Jeder reklamiert das für sich und bringt dann nichts Neues, sondern nur altbekannte Forderungen. Das ist nichts Neues. Bringen Sie doch etwas Neues ein. Sie sind dazu aufgefordert.

Dann noch ein Punkt zu der Altersteilzeit. Das habe ich schon mit Bedacht und mit Abstimmung gesagt. Erstens stelle ich fest, dass längst Brücken gebaut sind. Wer also jetzt nicht zur Tür hineingeht, hat eindeutig den schwarzen Peter. Da ist die Brücke gebaut, indem von Regierungsseite aus ausdrücklich gesagt worden ist: Lasst uns doch über die Dinge sprechen; lasst uns einmal die Modellrechnungen durchgehen. Wir sagen doch nicht, dass ohne Rücksicht auf Verluste, nämlich auf Unfinanzierbarkeit, die Altersteilzeit eingeführt wird, während wir gleichzeitig die Schulden abbauen wollen. Das machen wir nicht so, sondern wir rechnen schon. Aber es ist doch die Frage, ob man beispielsweise eine Initiative auf Bundesebene ergreift und einen eigenen rechtssicheren baden-württembergischen Weg sucht, der dann über die Bundesgesetzgebung so weit abgesichert ist, dass wir da ein eigenes Modell machen, das möglicherweise leichter finanzierbar ist. So etwas muss man doch in Zukunft denken dürfen. Da kann ich doch nicht die Klappe herunterlassen und sagen: Das findet nicht statt. So ist das zu verstehen. Ich finde das ganz in Ordnung.

Eine letzte Bemerkung, was die Frage anbelangt, ob man dem politischen Gegner die Erfolge gönne oder nicht. Mir können Sie nichts vormachen. Es ist auch ganz normal: Wer gönnt dem politischen Gegner denn schon unbedingt einen Erfolg? So furchtbar leicht fällt das nicht. Ich denke, die Sache hier könnte es durchaus rechtfertigen, einmal über den Schatten zu springen.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Ich erinnere mich auch daran, dass man vor den Wahlen bei dem Thema „Bündnis für Ausbildung“ ausdrücklich darum ersucht hat, die gemeinsamen Gespräche nicht gleich als Bündnis zu bezeichnen, weil es nicht so schön wäre, wenn man sich dort, wo man sich auseinander setzen will, vorher zu sehr verbündete. Ich finde, wir sollten solche Dinge im Interesse der Menschen in diesem Land zurückstellen und wieder gemeinsam an die Arbeit gehen.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Deuschle.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die bisherige Debatte hat unsere Kritik an diesen Bündnissen, ob im Bund oder im Land, bestätigt. Wir haben den Eindruck, dass wirklich zentrale Fragen wie Lohnfindung und Arbeitsbedingungen hier zum Teil ausgeklammert werden. Wir haben auch den Eindruck, dass die Interessen von Verbandsfunktionären hier für viele wichtiger sind als die Interessen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Dazu sagen wir Nein, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den Republikanern)

Wir meinen auch, dass sich der DGB hier gegenüber allen Parteien öffnen und nicht nur als Unterstützer der SPD aktiv werden sollte.

(Beifall bei den Republikanern)

Nur so könnte der DGB einen Teil seiner verlorenen Glaubwürdigkeit zurückgewinnen. Ich stelle noch einmal die Frage an die Landesregierung, Herr Ministerpräsident: Was haben Sie denn vor, um im Bereich der Dienstleistungen etwas für Baden-Württemberg zu erreichen?

(Zuruf von den Republikanern: Nichts!)

Dabei denke ich vor allem an die personen- oder haushaltsbezogenen Dienstleistungen, die das Charakteristikum haben, dass sie nicht so produktiv sind wie die der Industrie. Haben Sie denn ein Konzept? Es gibt nur zwei Möglichkeiten: Entweder müssten Sie diese Dienstleistungen staatlich mitfinanzieren – durch eine Art Kombilohn oder Ähnliches –, oder sie müssten niedriger bezahlt werden. Was ist Ihr Vorschlag, Herr Ministerpräsident?

Ein Bündnis für Beschäftigung kann auch keine aktive Wirtschaftspolitik in Baden-Württemberg ersetzen. Ich fordere Sie deswegen auf, Herr Ministerpräsident, ganz konkret zu sagen, was Sie mittelfristig erreichen wollen. Ich sage einfach: Wenn der DGB nicht mitmachen will, dann müssen Sie Ihre Politik eben ohne den DGB machen; so einfach ist das. Sie haben nun einmal die Gesamtverantwortung für die Politik in diesem Land, Herr Ministerpräsident.

(Beifall bei den Republikanern)

Ich möchte aus republikanischer Sicht noch zu einigen eher mittelfristigen Vorschlägen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit kommen.

Wir müssen den Mittelstand stärker unterstützen, und zwar durch Abbau der Bürokratielasten und durch Verbesserung der Eigenkapitalbasis des Mittelstands.

(Beifall bei den Republikanern)

Keine weitere Belastung der Bürger und des Mittelstands durch Ihr Abkassiermodell, Ökosteuer genannt!

(Beifall bei den Republikanern)

Wir fordern kürzere Lern- und Studierzeiten in Schulen und Hochschulen. Wir können es uns nicht mehr leisten, meine Damen und Herren, dass wir die ältesten Studierenden und die jüngsten Rentner haben. Das kann kein Staat finanzieren, meine Damen und Herren.