Deswegen war das in sich nicht überzeugend, und es ist gut, dass Sie sich jetzt auch davon verabschiedet haben.
Jetzt noch einmal zu dem Modell der Landesregierung mit dem Abkappen ab 20 %. Das ist das, was der Rentenexperte Professor Rürup das „Einfriermodell“ nennt. Er rechnet vor, dass in diesem Falle, wenn man einen solchen Mechanismus nähme, im Jahre 2030 das durchschnittliche Rentenniveau bei 56 % liegen würde. Ich sage Ihnen: Das ist zu wenig. Das ist aus zwei Gründen zu wenig: zum einen, weil dann der große, wenn nicht der größte Teil der Rentner der Sozialhilfe anheim fiele, und zum anderen, weil Sie bei einem so niedrigen Sicherungsniveau natürlich die Legitimationsgrundlage für ein beitragsfinanziertes System völlig untergraben.
Das hat Ihre Kommission, Herr Repnik, offenbar auch erkannt, und sie hat deshalb gesagt: Ja, dann brauchen wir eine – ich sage „eine“; das war der unbestimmte Artikel – Untergrenze. Die legt man dann aber erst demnächst fest, wenn man einmal sieht, wie es aussieht. Dazu kann ich nur sagen: Dann aber haut das versprochene Finanzierungskonzept wieder nicht hin; denn wenn Sie jetzt noch nicht wissen, welche Untergrenze Sie dann brauchen, dann wissen Sie auch nicht, wie viel Geld Sie brauchen. Das heißt, an dieser Stelle ist das Konzept nicht ausgegoren.
Was die Finanzierbarkeit angeht, gilt das auch für andere Stellen. In diesem Bericht der Kommission, in dem ja vieles Richtige steht, findet sich doch auf einer Seite – es ist die Seite 27, wenn ich mich richtig erinnere – sinngemäß die Aussage: Wir wollen in Zukunft die versicherungsfremden Leistungen, das heißt also die Leistungen, denen keine Beiträge gegenüberstehen, nicht mehr durch Steuern, sondern durch Beiträge finanzieren. Dazu kann ich nur sagen: Oho! Das ist jetzt aber etwas Neues.
Bisher haben wir alle immer gesagt, es sei ganz wichtig, dass die versicherungsfremden Leistungen durch Bundeszuschüsse, also durch Steuern, abgedeckt werden. Das ist inzwischen auch der Fall.
Jetzt können Sie ja sagen: „Uns ist etwas Neues eingefallen.“ Aber dann hätte ich doch gern an dieser Stelle einmal eine Aussage dazu, wie Sie denn die 119 Milliarden DM Bundeszuschuss, die derzeit für versicherungsfremde Leistungen darin stecken, ausgleichen wollen. Welche Beiträge wollen Sie denn da wie organisieren, und wie soll dann die Beitragshöhe aussehen? Das ist einfach nicht durchdacht, sondern da ist einmal etwas ins Wasser geworfen worden, was bei näherem Hinsehen eben nicht schwimmen kann.
Dann, Herr Kollege Mühlbeyer, komme ich zu der von Ihnen so bestgehassten Grundsicherung. Jetzt komme ich einmal zu der Kassiererin bei Aldi. Die Kassiererin bei Aldi arbeitet mit ziemlich großer Wahrscheinlichkeit für 630 DM.
Uns haben Sie es zu verdanken, dass sie erstmals Rentenbeiträge bezahlt und Rentenansprüche erwirbt. Das war nämlich bei Ihnen nicht der Fall.
(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei Ab- geordneten der SPD – Abg. Ingrid Blank CDU: Hat sie nicht! Sie haben keine Ahnung vom tägli- chen Leben! – Abg. Wieser CDU: Und bei euch kriegt sie 4,30 DM Rente! Dafür kann sie bei Aldi einen Zahnstocher kaufen! – Unruhe – Abg. Zeller SPD zur CDU: Seid doch nicht so verzweifelt!)
die Kassiererin bei Aldi schafft 20 Jahre Vollzeit. Ich unterstelle: Die übrigen 20 Jahre erzieht sie Kinder.
Dann ist es derzeit so, dass sie 23 Jahre eingezahlt hat, nämlich 20 Jahre Beiträge und drei Jahre – pro Kind – Anrechnung. Wenn sie beispielsweise zwei Kinder hat, dann erreicht sie damit 26 Beitragsjahre. Gegenwärtig braucht man exakt 26 Beitragsjahre, um in der Rente das Sozialhilfeniveau zu erreichen. Das ist heute so.
Das heißt, die Kassiererin bei Aldi, die Sie immer zitieren, ist heute im Alter entweder auf Unterhaltsleistungen ihres Mannes, wenn sie einen hat, oder auf die entsprechende Witwenrente angewiesen
oder aber, wenn es das alles nicht gibt, auf Unterhaltsleistungen ihrer Kinder. Sie ist nämlich bereits heute altersarm.
Das ist bereits heute ein Problem. Wir wollen, dass kinderbedingt geleistete Teilzeitarbeit oder auch kinderbedingt geleistete niedrig bezahlte Vollzeitarbeit im Rentensystem aufgewertet werden. Das würde jener Kassiererin helfen.
Trotzdem, Herr Mühlbeyer, haben wir wahrscheinlich – das ist übrigens vor allem auch ein Problem für Ostdeutschland – in Zukunft noch das Problem der Altersarmut. Wir wissen heute, dass es durchaus den Typus der alten Frau gibt, die sich nicht zum Sozialamt traut, weil sie ihre Kinder nicht belasten will. Das fällt als Armutsproblem zwar zahlenmäßig nicht so ins Gewicht wie die Armut bei jüngeren Familien, aber trotzdem ist jede Rentnerin, der es so geht, eine zu viel. Deswegen wollen wir mittels der Grundsicherung im Alter die Unterhaltspflicht der Kinder abschaffen, damit diese verschämte Altersarmut abgeschafft wird. Da frage ich Sie: Was ist daran falsch?
Nichts anderes ist der Zweck dieser bedarfsorientierten Grundsicherung: Eine alte Frau oder ein alter Mann sollen nicht mehr den Regress bei den Kindern fürchten müssen. Deswegen soll Altersarmut, auch in der verdeckten Form, wirksam verhindert werden. Für uns ist das ein Baustein in einem Rentenkonzept. Dagegen hält Ihre Polemik, meine Damen und Herren von der CDU, kein Wasser.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Historie Wahrheit antuend, sollte doch gesagt werden, Herr Müller, dass das, was Sie jetzt wieder als Kapitaldeckungsfantasien der FDP kritisiert haben, genau die Richtung ist, in die sich derzeit alle Konsensgespräche bewegen. Weil die Kapitaldeckung weniger demographieanfällig ist – nicht gänzlich, aber weniger –, wollen wir mehr in Richtung Kapitaldeckung gehen, und zwar in zwei Punkten: Eigenvorsorge und betriebliche Vorsorge, nichts anderes. Ich bin froh, dass darüber weitgehend Konsens besteht.
Die Frage ist: Wie organisieren wir die Eigenvorsorge? Da gab es den unsäglichen Vorschlag des Zwangssparens für das Alter. Vielen Dank, besonders für die jungen Familien, die gezwungen würden, zusätzlich Geld zur Seite zu legen. Ich denke, in unserer Bevölkerung war schon lange klar,
bevor dies zu einem aktuellen Thema gemacht worden ist, dass es nicht ausreichen würde, sich allein auf die umlagefinanzierte Rente zu verlassen. Schon derzeit ist ein Vermögen von 8,5 Billionen DM freiwillig für die Altersvorsorge angespart. Deshalb sage ich: Wir brauchen keinen Zwang zu einer zusätzlichen Eigenvorsorge, sondern wir brauchen Anreize.
Was wäre der wichtigste Anreiz? Dass wir von einer Anlage aus versteuertem Geld zu einer nachgelagerten Besteuerung kommen. Das heißt, wir dürfen die Beiträge nicht in dem Moment besteuern, in dem sie angespart werden. Es ist übrigens schon heute ein Skandal, dass Freiberufler die Zwangsbeiträge zur Altersvorsorge nicht mehr völlig steuerfrei anlegen können. Da gibt es Nachholbedarf. Nach meinem Gefühl versteckt sich Rot-Grün jetzt sehr stark hinter dem Warten auf das Gerichtsurteil. Ich finde, Sie bräuchten sich nicht zu verstecken. Diesen Anreiz könnten Sie schon jetzt geben. Sagen Sie den Menschen: „Wenn ihr mehr für eure Altersvorsorge tut, stellen wir das steuerlich frei.“ Wenn sie dann im Verzehr sind, können die Beträge nachgelagert – allerdings mit Freibetragsregelungen, das ist keine Frage – der Steuerpflicht unterworfen werden. Das ist das eine.
Das Zweite, was kontrovers diskutiert wird, ist die Frage: Wie begegnen wir der Altersarmut? Auch ich bin in der Tat der Meinung, dass das nicht im Rahmen des gesetzlichen Umlagesystems erledigt werden sollte. Warum? Weil es dann wieder zulasten derjenigen abliefe, die sich in diesem Zwangssystem befinden, und die gesamtgesellschaftliche Aufgabe, Altersarmut zu vermeiden, eben nicht auf alle Schultern verteilt würde.
Deswegen, glaube ich, ist es richtig – wir Liberale bieten ja ein Konzept dafür –, dies eben nicht über Sozialhilfe, sondern über ein Bürgergeld zu regeln. Das ist die Richtung, in die auch Frau Bender nachdenkt: eine Grundsicherung, aber nicht im Umlagesystem, sondern aus Transfermitteln.
Nächste Bemerkung, zur betrieblichen Altersvorsorge: An dem Beispiel der Carl-Zeiss-Stiftung wurde gerade aktuell deutlich, warum sie so einen schlechten Ruf bekommen hat. Es gibt Zusagen in Höhe von 1,6 Milliarden DM; das ist Kapital, mit dem Sie nicht arbeiten können. Deshalb müssten neue Möglichkeiten der Auslagerung in Pensionsfonds nach angelsächsischem Muster geschaffen werden. Auch darüber besteht wohl Konsens. Aber auch da sagen wir: Das muss den Tarifparteien überlassen werden, es muss eine freie Wahl möglich sein.
Übrigens noch einmal zum Zwangssparen des Einzelnen für das Alter: Dies würde natürlich auch einen hohen Regulierungsbedarf nach sich ziehen. Denken Sie einmal daran: Im Schwabenland ist eine der besten Altersvorsorgen ein eigenes Haus im Alter. Das könnten Sie aber unter den Plänen, wie sie Riester mit dem Zwangssparen hatte, natürlich nicht als Altersvorsorge in Ansatz bringen. Schon das zeigt, dass wir da mehr auf die Eigenverantwortung der Menschen setzen müssen.
Was für mein Empfinden in diesen Konsensgesprächen viel zu wenig angesprochen wird und was wirklich eines der drängendsten Probleme ist, ist die Frage: Wie geht es
weiter mit der eigenständigen Alterssicherung der Frau? Dazu höre ich relativ wenig. Ich weiß, das ist ein höchst schwieriges Thema. Da muss man die Fakten, die Zahlen auf den Tisch legen. Aber ich glaube, wir sind uns alle in dem einig, was auch die Kommission des Landes BadenWürttemberg empfohlen hat: dass auf jeden Fall die Rahmenbedingungen für die Grundlage dessen, dass man Kinder erzieht, um den Generationenvertrag weiterführen zu können, verbessert werden müssen. Wir haben dafür schon einiges mit der dreijährigen Anrechnung getan. Herr Minister, wir stimmen da mit Ihnen überein: Wir wollen bis zu zehn Jahre an Kindererziehungszeiten in Anrechnung bringen lassen. Ich biete Ihnen auch ausdrücklich an, dass wir, sollten die Konsensgespräche in dieser Richtung nicht vorankommen, in einer Bundesratsinitiative konkrete Forderungen stellen im Interesse der Frauen, der Familien, der Kinder, die eigentlich die Garanten und die Grundlage für einen Generationenvertrag sein werden.
Herr Kollege Noll, was machen Sie denn in Ihrem Konzept mit den Mitbürgerinnen und Mitbürgern, die keine Eigenvorsorge betreiben können, weil ihr Einkommen einfach zu gering ist? Die werden im Alter eine relativ niedrige Rente haben, weil sie wenig Beiträge geleistet haben, und die haben in jungen Jahren keine Möglichkeit, Eigenvorsorge zu betreiben.