Protokoll der Sitzung vom 18.05.2000

Ja, bitte.

Bitte schön, Herr Abg. Birzele.

Herr Minister, haben Sie bei Ihrem Besuch in Frankfurt auch mit der Frankfurter Oberbürgermeisterin gesprochen? Wenn ja, mit welchem Ziel und mit welchem Inhalt?

Wir haben nicht mit der Bürgermeisterin gesprochen, weil sie nicht da war, aber mit dem Sozialdezernenten, der dafür zuständig ist.

(Zuruf von der SPD)

Selbstverständlich haben wir darüber gesprochen. Er hat gesagt, aus ordnungspolitischen Gründen wird er es weiterhin so machen und auch deshalb, weil er die Situation schon so angetroffen hat. Das war der Grund. Nur habe ich die Argumente, die er genannt hat, nicht mitgetragen, auch in der Abwägung nicht. Aber selbstverständlich haben wir Gespräche geführt.

(Abg. Bebber SPD: Welche Argumente hat er denn gebracht?)

Kommen wir auf Basel zurück. In Basel gab es Gespräche, nachdem wir uns die Fixerstuben angeschaut haben.

(Abg. Bebber SPD: Welche Argumente hat er denn genannt?)

(Minister Dr. Repnik)

Wir sprachen mit dem Chef dieser Gassenzimmer. Er sagt, um bei Fixerstuben überhaupt Erfolg zu haben, brauche man drei Dinge: einen Kontaktraum – völlig klar, das gehört dazu –, zweitens natürlich einen hygienischen Fixerraum, und drittens, sagt er, sei wichtig, dass vor dieser Fixerstube ein so genannter rechtsfreier Raum vorhanden sei, damit gedealt werden kann, unter Duldung der Polizei. Ich habe bei der Polizei in Basel nachgefragt. Dort sagte man mir: Jawohl, wir drücken da die Augen zu, die Süchtigen brauchen sauberen Stoff.

Also, wohin führt das? Wenn ich diese Kette nehme – Kontaktraum, Spritzenraum und dann ein rechtsfreier Raum –, führt das dazu, dass wir dies dulden und Drogen akzeptieren. Ich akzeptiere die Menschen, die krank sind; aber ich akzeptiere keine Drogen.

Schnitt: Saarbrücken, im März dieses Jahres. Ich war mit Frau Ministerin Dr. Görner im Gesundheitsraum in Saarbrücken – nur damit man weiß, dass ich nicht wie ein Blinder von der Farbe rede, sondern mich kundig mache.

(Abg. Haas CDU: So ist es, Herr Müller!)

Ich habe mir dort in der Tat die Szene angeschaut, habe mit den Menschen gesprochen. Vor dieser Fixerstube habe ich einen Franzosen getroffen und ihn gefragt, ob er hier registriert sei. Er sagte, nein, er komme nur einmal pro Woche hierher, er sei ein Gelegenheitsfixer, er würde eher schnupfen. Als ich fragte, warum er denn hierher komme, antwortete er: Weil er wisse, wenn er hier ein bisschen warte, bekomme er sauberen Stoff wie nirgendwo anders, und das innerhalb des Gebäudes. Also, was erreichen wir damit? Wir ziehen die Szene an, indem wir versuchen, den Menschen auf diese Art und Weise sauberen Stoff zu geben.

Wenn dem so ist, dann frage ich mich in der Tat: Kann es die Aufgabe eines Staates sein, den Konsum von illegalen Drogen, von todbringenden Giften zu erleichtern oder gar Möglichkeiten zu schaffen, dass man einfacher an diese Gifte herankommt? Oder ist es nicht unsere Aufgabe, alles zu tun, damit die Kranken aus der Krankheit herausgeführt werden? Deswegen sage ich – aus meinem christlichen Verständnis heraus, weil Sie das angesprochen haben –: Ich versuche, den Kranken zu helfen, aus ihrer Krankheit herauszukommen. Dafür werde ich alles tun. Wir haben in Baden-Württemberg ein großes Netz von Suchtberatungsstellen,

(Abg. Ingrid Blank CDU: Das beste in der ganzen Bundesrepublik!)

von aufsuchender Sozialarbeit, von niederschwelligen, qualifizierten Entzugsangeboten bis hin zur Langzeittherapie. Wir haben alles da.

Was Sie mit mir aber nicht erreichen werden, auch wenn Sie fünfmal darüber abstimmen: Ich werde, solange ich Verantwortung trage, keine Rechtsverordnung erlassen – auch als Gesundheitsminister nicht, der für die Gesundheit der Kranken zuständig ist –, die dazu führt, dass Kranke in ihrer Krankheit bleiben und sich selbst noch mehr schädigen, sondern ich werde alles dafür tun, dass die Kranken aus ihrer Krankheit herauskommen.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei Abgeord- neten der Republikaner)

Deswegen geht auch heute wieder einmal mein Appell an die Kolleginnen und Kollegen der Opposition. Wir hatten in Baden-Württemberg über viele Jahre hinweg einen ungeheuer guten Konsens in der Drogenpolitik, und wir haben in Baden-Württemberg, eben weil dieser Konsens immer bestand, das, wie ich glaube, beste Angebot in ganz Deutschland zum Ausstieg aus dem Drogenkonsum.

(Beifall bei der CDU)

Dieser Konsens wird zerstört, weil Sie sich nur noch auf Fixerstuben und Heroinvergabe fokussieren. Das ist der falsche Weg, meine sehr verehrten Damen und Herren. Wir müssen weiterhin präventiv tätig sein, wir müssen weiterhin versuchen, mit der Repression zu arbeiten, und wir müssen weiterhin versuchen, die Ausstiegshilfen zu geben, die wichtig sind.

Herr Müller, Sie haben noch am Rande die Untersuchung über die Drogentoten angesprochen nach dem Motto „Er will die Ärzte in irgendeiner Form vorführen“. Warum habe ich die Untersuchung auf den Weg gebracht? Wir haben festgestellt, dass wir in Baden-Württemberg nach jahrelangem Rückgang der Zahl der Drogentoten im letzten Jahr wieder eine Zunahme hatten, überraschenderweise eine sehr starke Zunahme in Stuttgart, aber eine Abnahme in Mannheim. Jetzt wollen wir, indem wir die Einzelfälle untersuchen, erfahren: Woran liegt das eigentlich? Natürlich kann man schnell ein paar Erklärungen bringen; die sind mir aber zu wenig. Wir wollen aus dieser wissenschaftlichen Untersuchung für unsere weitere Präventionsarbeit oder vielleicht auch für weiter führende Wege Erkenntnisse gewinnen. In diesem Zusammenhang habe ich am Neujahrstag beim Empfang der Ärzte natürlich schon gesagt: Man muss auch darauf achten, dass, wenn schon substituiert und Methadon vergeben wird – das kann ja bei uns ein Weg sein –, das ordentlich gemacht wird. Wenn man weiß, dass ca. 25 % der Drogentoten Methadon erhielten, dann muss ich doch auch einmal nachfragen, ob da richtig und ordentlich substituiert worden ist. Ich will doch damit unter anderem auch die Ärzte schützen, die das ordentlich machen, und die Ärzte, die das ordentlich machen, müssen doch froh sein, dass man diesen klaren Weg geht und dass die schwarzen Schafe in der Tat halt auch einmal vorgeführt werden. Das ist der Grund.

(Beifall bei der CDU)

Deswegen, meine sehr verehrten – –

(Abg. Dr. Walter Müller SPD meldet sich zu einer Zwischenfrage. – Abg. List CDU: Da meldet sich schon einer freiwillig! – Heiterkeit)

Ein Arzt. Bitte.

Zwischenfrage, bitte schön, Herr Dr. Müller.

Herr Minister, wie erklären Sie es sich, dass die Ärzte, die ordentlich substituieren, nämlich zum Beispiel die Sprecher des Suchtarbeitskreises,

sich genau gegen Ihre Untersuchung verwahrt und gesagt haben, das sei nicht der richtige Weg?

(Abg. Haas CDU: Woher wissen Sie das?)

Ja, das verstehe ich auch nicht ganz.

(Abg. Birgitt Bender Bündnis 90/Die Grünen: Ich erkläre es Ihnen gleich! – Abg. Hauk CDU: Man muss manche zu ihrem Glück zwingen!)

Das kann ich nicht nachvollziehen. Warum gerade die Ärzte, die glauben, sie machten es richtig, sich dagegen verwahren, kann ich nicht nachvollziehen; aber das erschüttert mich auch nicht. Mir geht es darum, dass man, wenn man nach NUB behandelt – für Nichtfachleute: das sind die neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden – und wenn man sagt, das sei eine Chance zum Ausstieg, es dann halt korrekt und richtig machen muss. Dann ist es eine Chance. Aber durch das schludrige Handeln von manchen kommt dieses ganze System in Verruf, und wenn es ein flächendeckendes Programm wird, werden wir ohne richtige Richtlinien auf Dauer mit Sicherheit keine Akzeptanz mehr dafür bekommen, sondern dann wird es in der Tat nur eine reine Substitution ohne Ausstiegshilfen. Das kann es wohl nicht gewesen sein.

Ich komme zum Schluss und richte noch einmal einen Appell an Sie alle. Sie wissen, dass Sie bei den Fixerstuben von mir keine Hilfe bekommen, und zwar aus ethischen, moralischen und gesundheitspolitischen Gründen. Ich halte das für einen falschen Weg; ich habe es begründet. Deswegen sage ich noch einmal gerade hier zu dieser linken Seite und auch zum Koalitionspartner: Helfen Sie doch mit, dass wir gemeinsam alle Anstrengungen unternehmen, um unseren Drogenabhängigen, wenn sie schon in der Sucht sind, wenn sie schon krank sind – und sie sind krank –, alle Hilfen zum Ausstieg zu geben. Das muss im Konsens geschehen. Es hilft den Kranken überhaupt nicht, wenn wir hier im Landtag alle paar Wochen einmal darüber streiten, ob Fixerstuben richtig oder falsch sind. Gemeinsam wollen wir das Problem angehen, gemeinsam wollen wir diesen Kranken helfen. Dazu helfe ich mit, dazu bin ich bereit. Aber lassen Sie uns wirklich die richtigen und nicht die falschen Wege beschreiten.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort erteile ich Frau Abg. Bender.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Minister, Sie sagen, Sie wollen die Kranken aus der Krankheit herausführen.

(Abg. Haas CDU: Das machen wir doch!)

Dieses Ziel eint uns. Aber Sie nehmen das als Argument gegen die Fixerstuben.

(Abg. Haas CDU: Das ist ja auch richtig!)

Dasselbe Argument haben Sie noch vor wenigen Jahren gegen offene Anlaufstellen ins Feld geführt, in denen Drogenabhängige Kontakt zu Sozialarbeitern haben,

(Abg. Döpper CDU: Das stimmt nicht! – Abg. Dr. Salomon Bündnis 90/Die Grünen: So ist es! – Abg. Döpper CDU: Das stimmt nicht!)

duschen können, essen können und Kleider wechseln können.

(Abg. Dr. Salomon Bündnis 90/Die Grünen: Sala- mitaktik! – Abg. Haas CDU: Das ist ja unglaub- lich, Frau Bender, solche Unterstellungen! Hören Sie auf zu lügen!)

Dieses Argument haben Sie vor wenigen Jahren gegen die Substitution mit Ersatzdrogen, zum Beispiel Methadon, ins Feld geführt, weil Sie jeweils gesagt haben: Aber da wird doch akzeptiert, dass die Leute krank sind, und ihnen wird gerade nicht die Abstinenzorientierung nahe gebracht, von der Sie immer gemeint haben, man müsse sie voraussetzen.

(Glocke des Präsidenten)

Frau Abg. Bender, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Dr. Repnik?

(Abg. Dr. Salomon Bündnis 90/Die Grünen: Das ist ja wirklich lustig hier! – Abg. Haasis CDU: Das ist halt ein aktiver Abgeordneter!)