(Beifall bei den Republikanern – Abg. Sabine Schlager Bündnis 90/Die Grünen: Ich habe den Gesellenbrief! – Zuruf der Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP)
Sie sprechen von Erfolgen. Ich will Ihnen einmal ein paar Zahlen des Statistischen Landesamts vorlesen. Diese Stelle ist ja mit Sicherheit neutral.
Entwicklung der Beschäftigten: 1994 822 000 Arbeitsplätze, 1999 722 000 Arbeitsplätze – ein Verlust in BadenWürttemberg von 100 000 Arbeitsplätzen. Das müssen Sie draußen einmal rechtfertigen. Umsatz 1994 117 Milliarden DM, Umsatz 1999 trotz Preissteigerung 121 Milliarden DM. Der Umsatz ist um ganze 4 Milliarden DM gestiegen. Dementsprechend negativ fällt die Beschäftigungsbilanz im Handwerk aus.
(Abg. Dr. Puchta SPD: Da waren wir erst vier Mo- nate an der Regierung! – Abg. Schmiedel SPD: Für vier Monate kein schlechtes Ergebnis!)
Wir reden ständig über die Folgen dieser verfehlten Wirtschaftspolitik, aber niemand von Ihnen ist bereit, die Ursachen dafür zu beseitigen. Das ist doch das Problem.
Sie haben eine Enquetekommission eingesetzt, aber dort tabuisiert man grundsätzlich die schwierigen Dinge. Es liegt doch nicht an der einen Beratungsfunktion oder an der anderen, dass es bei uns draußen so schlecht läuft, sondern das liegt daran, dass das Handwerk aufgrund der hohen Belastungen zu teuer arbeiten muss.
Ich habe mich vorgestern noch mit dem Inhaber eines größeren Installationsbetriebs unterhalten, der 15 Autos im Einsatz hat. Fragen Sie den einmal, wie ihn die Ökosteuer berührt. Es ist eine Katastrophe, um wie viel sich jede Handwerkerstunde oder der Anfahrtsatz durch die Unkosten, die ein solcher Betrieb heute hat, verteuert. Da schauen Sie aber weg und sagen: „Wir senken den Spitzensteuersatz für die Großen, damit die Kleinen – in der Hoffnung, auch einmal groß zu werden – irgendwie zufrieden gestellt werden.“
Mit Sicherheit wird gleich Herr Döring kommen und sagen: „Wir haben jetzt die Lösung für das Handwerk. Wir holen den indischen Maurer anstelle des türkischen.“
(Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP: Jetzt hat er aber lange gebraucht, bis er zum Thema kam! – Zuruf des Abg. Kuhn Bündnis 90/Die Grünen)
Niemand will aber sehen, dass wir auch im Handwerk, trotz einer guten Ausbildung und einer sehr großen Ausbildungsbereitschaft des Handwerks, Facharbeiterprobleme haben. Facharbeiter müssen wir eben hier ausbilden, wo die Bedürfnisse sind. Wir müssen dafür sorgen, dass die Facharbeiter, die vom Handwerk ausgebildet werden, auch im Handwerk bleiben können und nicht durch Ausländer verdrängt werden.
Was Sie hier treiben, ist moderner Kolonialismus. Der arme Staat Indien zum Beispiel muss 200 000 DM investieren, bis ein Computerexperte ausgebildet ist. Und dann kommt Deutschland, lockt, wie bei Fußballprofis, mit Geldscheinen
und nimmt den Indern ihre Elite weg. Und dann fühlt man sich noch als liberaler Gutmensch, wenn man das alles so macht.
Das sind politische Fehlentscheidungen. Diese Greencard darf auf gar keinen Fall aufs Handwerk ausgedehnt werden,
Das darf nicht kommen. Wir brauchen keine Zuwanderung, sondern wir brauchen qualifiziertes Personal, unsere eigenen Leute, die wir selbst ausbilden.
(Beifall bei Abgeordneten der Republikaner – Abg. Pfister FDP/DVP: Da sind Sie aber weit und breit der Einzige, der das glaubt! – Zuruf der Abg. Heiderose Berroth FDP/DVP)
Sie müssen die Forderungen, die gerade in der Enquetekommission gestellt werden, endlich einmal zur Kenntnis nehmen und umsetzen. Das ist doch gefragt. Das Handwerk hat doch konkrete Forderungen. Die Betriebe wollen weniger Belastungen
im finanziellen Bereich und auch, wenn es darum geht, Dienstleistungen für den Staat – wie Statistiken und Ähnliches – zu erbringen. Die Lohnnebenkosten müssen gesenkt werden. Eine Forderung von uns ist ein verminderter
Mehrwertsteuersatz für das Handwerk. Das wäre ein ganz wichtiger Schlag gegen die Schwarzarbeit. Es lohnt sich vielleicht noch bei 16 % Mehrwertsteuer, zu betrügen, aber bei 7 % wird doch kaum noch jemand etwas riskieren. Ich habe doch lieber 100 % von 7 % in der Tasche als 50 % von 16 %, wie es ist, wenn irgendwo im Halblegalen gearbeitet wird. Eine Verringerung muss doch sein; das brächte mehr Gerechtigkeit.
Das sind trotzdem noch 8 %, aber ich habe dann doch Gerechtigkeit, liebe Kollegin Berroth. Das ist das Maßgebende, dass alle gleichmäßig belastet werden und dass nicht ehrliche Leute in die Schwarzarbeit getrieben werden.
Meine Damen und Herren, die Vergabe öffentlicher Aufträge an das Handwerk wird durch ständig zunehmende Privatisierungen beeinträchtigt. Da müssen die ganzen Vorschriften nicht mehr so eng genommen werden wie bisher. Da kann es einmal vorkommen, dass – wie bei uns in Pforzheim – beim Bau eines öffentlichen Gebäudes viele französische Wohnwagen herumstehen, in denen die Mitarbeiter wohnen: Marokkaner, Franzosen, Algerier – je billiger, desto besser für den Unternehmer, nur keine Deutschen und keine deutschen Firmen. Dann werden mit öffentlichen Geldern Aufträge, die eigentlich für unsere eigenen Mitarbeiter gedacht sein sollten, von anderen Firmen ausgeführt. Das ist falsch. Da zeigt sich wieder, wie schädlich diese EU für uns, für das Handwerk sein kann.
Zum Beispiel die Betriebsübernahmen: Junge Menschen übernehmen Betriebe häufig nicht mehr – nicht, weil sie es nicht wollten, sondern weil es Probleme gibt, zum Beispiel mit der Risikoscheu der Banken. Da haben wir ein absolutes Problem. Heute bekommt eher Flowtex einen Kredit von 1 Million DM oder 1 Milliarde DM von einer Bank als ein Jungunternehmer 100 000 DM. Auch das muss sich ändern.
Wir müssen in den jungen Menschen wieder die Zukunft sehen und dürfen sie nicht nur als Ausbeutungsobjekte betrachten. Mehr dazu nachher.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, Herr Präsident! Als ich Herrn Schmiedel vorhin hörte, musste ich an den Bundeskanzler denken, der den gleichen Spruch, nur leicht abgewandelt, in der letzten Bundestagsdebatte brachte. Wenn man Sie hört, Herr Schmiedel, klingt das wie: „Wenn über uns die Sonne lacht, dann hats die SPD gemacht. Schneit es aber Eis und Schnee, dann wars die doofe FDP!“