Protokoll der Sitzung vom 04.10.2000

Bei den Grünen wundert mich, dass sie damit einverstanden sind, dass Windkraftanlagen in Zukunft nicht mehr nach 12 Jahren, sondern erst nach 20 Jahren abgeschrieben werden. Wenn man solche Anlagen möchte, ist dies im Grunde genommen absolut kontraproduktiv. Schreibmaschinen zum Beispiel werden in Zukunft nicht mehr in fünf Jahren, sondern in zwölf Jahren abgeschrieben.

(Abg. Döpper CDU: Gibt es das überhaupt noch? – Abg. Veigel FDP/DVP: Was?)

Wir sind der Auffassung, dass Herr Eichel hier dringend umsteuern sollte. Er sollte sich überlegen, ob er den Investitionsstau, den er damit auslösen könnte, tatsächlich verkraften kann, zumal die höheren Energiekosten die Firmen in Zukunft sowieso erheblich mehr belasten. Die Stromkosten steigen zusätzlich infolge des Stromeinspeisungsgesetzes. Wir werden im nächsten Jahr nicht fit sein, sondern „German disease“ wird zunehmen.

(Abg. Dr. Salomon Bündnis 90/Die Grünen: Die Strompreise steigen infolge des Stromeinspei- sungsgesetzes?)

Wir sind nicht fit für die Zukunft, sondern wir regulieren uns zu Tode.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Schuhmacher.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Bundesregierung hat einen Gesetzentwurf zur Verlängerung befristeter Arbeitsverhältnisse eingebracht, und ich finde, das ist gut so. Dies ist eine Chance für Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Die Befristungsmöglichkeit ist ein erfolgreiches arbeitsmarktpolitisches Instrument, das von der letzten Bundesregierung eingeführt worden ist. Es erleichtert den Eintritt in den Arbeitsmarkt und eröffnet die Chance für einen Dauerarbeitsplatz. Jeder zweite befristete Arbeitsplatz wird zu einem Dauerarbeitsplatz. Für Existenzgründer ist das eine flexible Beschäftigungsform. Andere Länder haben mit dieser Form gute Erfahrungen gemacht.

Jetzt kommt das große Aber, das bereits Frau Fauser angesprochen hat und das ich als Mittelständler auch ansprechen möchte: Die zwei entscheidenden Fehler, die Verringerung der Arbeitszeit selbst zu bestimmen und zweitens die Arbeitszeit nach eigenen Wünschen zu verteilen, sind wirklich ein großes Hindernis für die mittelständische Industrie. Dies stellt die Klein- und Mittelbetriebe vor kaum lösbare organisatorische und arbeitsrechtliche Probleme. Keine vernünftige Personalplanung ist mehr möglich, keine verlässliche Terminzusage. Nehmen Sie kleine Betriebe, die just in time liefern müssen. Wie sollen bei denen die Meister, die Vorarbeiter, die Einrichter eingeteilt werden, vor allem beim Schichtbetrieb, wenn die Leute Teilzeit arbeiten und selbst bestimmen wollten? Wie sollte dies denn möglich sein, wo bereits heute in unseren Betrieben an allen Ecken und Enden Facharbeiter fehlen?

Ich sage Ihnen: Dies geht zulasten der Flexibilität und der Wettbewerbsfähigkeit unserer Betriebe. Die Folge wird sein: Schwarzarbeit, Zunahme von Überstunden,

(Beifall der Abg. Beate Fauser FDP/DVP)

Rationalisierung oder Verlagerung der Arbeitsplätze.

Warum sage ich diese kleinen Nadelstiche für die angebliche neue Mitte, die ja bei dieser Bundesregierung so in den Vordergrund gestellt werden sollte? Ich möchte dies an einigen Punkten verdeutlichen: Abschreibungszeitverlängerung, Absenkung der degressiven Steuersätze, Kündi

gungsschutz, Mitbestimmung – die neu geregelt werden soll –, Veräußerungsgewinne. Ich bin ja sehr froh, dass dafür der halbe Steuersatz jetzt wieder eingeführt wurde. Dies ist auch höchste Zeit gewesen. Ich nenne weiter die Erbschaftsteuererhöhung, die Ökosteuererhöhung. Es wurde bereits angesprochen, was dies für unsere Wirtschaft und vor allem für den ländlichen Raum bedeutet. Jetzt kommt noch diese Teilzeitregelung hinzu.

Dies alles trifft die kleinen und mittleren Betriebe am stärksten. Aber genau die sind es, die in schwierigen Zeiten ihre Arbeitnehmer behalten und nicht entlassen.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Fazit: Ich bin überzeugt, dass dies keine Beschäftigungseffekte bringt, wie die Bundesregierung dies voraussagt. Es verschlechtert vor allem aber die Chancen der weniger Qualifizierten. Es ist völlig falsch, alle Betriebe über einen Kamm zu scheren. Wir brauchen befristete Arbeitsverhältnisse, also auch Teilzeit, aber nicht als Rechtsanspruch, sondern höchstens nach betrieblicher Vereinbarung.

Während alle von Deregulierung, Erleichterung und Entbürokratisierung reden,

(Zuruf des Abg. Haas CDU)

schafft die Bundesregierung neue Hürden. Deswegen ist dieser Gesetzentwurf der Bundesregierung ein Schritt zurück und muss in dieser Form abgelehnt werden. Wir unterstützen den Antrag des Landes Hessen, der auf eine Verlängerung für befristete Arbeitsplätze hinausgeht, aber nicht auf eine Einschränkung.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP/DVP)

Das Wort erteile ich Herrn Abg. Hausmann.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Während des Redebeitrags von Frau Fauser habe ich noch einmal den Antrag zur Abhaltung der Aktuellen Debatte herausgekruschtelt, unterschrieben vom Fraktionsgeschäftsführer der FDP/DVP, Bergmann.

(Zuruf des Abg. Haas CDU)

Dort heißt es:

Positive Effekte einer Verlängerung befristeter Arbeitsverhältnisse...

Dann wird begründet:

Wir brauchen außer dem IT-Bereich weitere Bereiche in der mittelständischen Wirtschaft, wo die Beschäftigung von ausländischen Arbeitskräften nicht verzichtbar ist.

Also war die Themenstellung von heute ein bisschen anders. Liebe Frau Fauser, auch Kollege Schuhmacher von der CDU, ich habe den Eindruck, dass Sie heute schlicht und einfach ein neues Thema daraus machen, weil sich dieses Problem, zumindest was die Bundesebene anlangt, zwi

schenzeitlich in der Lösung befindet. Sie bringen das Thema „befristete Arbeitsverhältnisse“ heute zur Debatte, wie es pur gerade auf Bundesebene diskutiert wird.

Ich will zu beidem etwas sagen.

Ich will mit dem Thema anfangen, das die FDP in letzter Zeit, in den letzten Monaten laufend zumindest zu diskutieren versucht hat. Ich will mit dem Thema anfangen: Was passiert denn in den Betrieben, in denen ausländische Arbeitskräfte tätig sind, vor allem Bürgerkriegsflüchtlinge, die raus müssen, zurückgeführt werden? Man weiß, dass dadurch andere Arbeitskräfte eventuell arbeitslos werden oder dass gar die Existenz von ganzen Betrieben bedroht ist. Das war ursprünglich die Themenstellung für heute, zumindest haben Sie es so formuliert, meine Damen und Herren.

Sie haben es offensichtlich nicht geschafft, Frau Fauser, sich als FDP/DVP gegenüber der CDU auch nur halbwegs durchzusetzen. Nachdem Ihnen der Döring

(Abg. Haas CDU: Für Sie immer noch Herr Dö- ring!)

Ende März den Kopf gewaschen hatte, als Sie unsere Anträge in dieser Richtung abgelehnt hatten, hat der Innenminister in Zusammenarbeit mit Teufel verhindert, saubere Lösungen zu finden. Ihr Themenwechsel kommt wohl daher, dass nach Ihrem Antrag auf Durchführung der Aktuellen Debatte und nach der Themensetzung das Bundesarbeitsministerium in einer Pressemitteilung erklärt hat, dass es auf dieser Ebene eine Einigung gab, dass dieses Problem dahin gehend einer Lösung zugeführt wird, dass Bürgerkriegsflüchtlinge ohne Wartezeit in Arbeit kommen können, natürlich mit nachrangigem Arbeitsplatzzugang, und dass entsprechende Verlängerungen problemlos möglich sein werden. Offensichtlich passt es Ihnen als Opposition im Bundestag nicht in den Kram, dass die Bundesregierung ein Problem, dessen Lösung Sie angemahnt hatten, einer Lösung zugeführt hat.

(Abg. Haas CDU: Jetzt sagen Sie mal was zur Be- fristung!)

Meine Damen und Herren, dieses Problem gibt es natürlich weiterhin. Sie rufen: „Fachkräftemangel“ – Herr Schuhmacher hat es gerade im Prinzip ebenfalls gesagt –, schaffen aber nicht gleichzeitig bei Ihrem Koalitionspartner die Voraussetzungen dafür, dass er die Frage, welche Arbeitskräfte bei uns arbeiten dürfen, ordentlich auf die Reihe bringt. Da wird ideologisch borniert diskutiert.

(Abg. Haas CDU: Oh Gott!)

Da wird in dem Stil, auf den Kleinen herumzuhacken und mit dem Feuer zu spielen, immer wieder kräftig in die Kiste der Ausländerfeindlichkeit und des Populismus gegriffen. Und diesen Teil machen Sie mit.

Zu befristeten Arbeitsverhältnissen selber will ich im zweiten Teil mehr sagen. Für den ersten Teil vielleicht nur so viel: Befristete Arbeitsverhältnisse gab es schon immer, selbst in der Zeit, bevor Sie auf Bundesebene an die Regierung gekommen sind. Was Sie eingeführt haben und was

jetzt richtigerweise wieder einer Lösung zugeführt wird, ist, dass befristete Arbeitsverhältnisse nicht mehr nach Nasenspitze, nicht mehr mit beliebig langen Kettenverträgen reguliert werden, sondern dass eine klare Zeitvorgabe stattfindet, innerhalb derer befristete Arbeitsverhältnisse möglich sind, und dass eine saubere Begründung dafür, dass ein befristetes Arbeitsverhältnis notwendig ist, verlangt wird.

Herr Schuhmacher, Sie sind ein Mittelständler. Wenn ich zurzeit mit einem Mittelständler diskutiere, dann bekomme ich die Auskunft, dass die Handwerksbetriebe immer wieder dringend qualifizierte Leute suchen.

(Abg. Haas CDU: Das hat er doch gesagt!)

Wenn ich sie aber nach befristeten Arbeitsverhältnissen frage, dann lachen sie sich halb tot

(Abg. Schmiedel SPD: So ist es!)

und sagen: „Wir brauchen keine befristeten Arbeitsverhältnisse, sondern wir brauchen die Leute.“ Wenn ich einem qualifizierten Meister in dieser Zeit einen befristeten Arbeitsvertrag anbiete,

(Abg. Schmiedel SPD: Der lacht sich tot!)

dann kommt der gleich gar nicht zu mir, weil er ja blöd wäre, wenn er zum Beispiel ein gesichertes Arbeitsverhältnis aufgeben würde.

Von daher ist die Diskussion, die Sie angezettelt haben, einigermaßen quer, erstens in ihrer Antragstellung und zweitens von der tatsächlichen Problemlage her gesehen.

Danke schön.