(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Abg. Haas CDU: Sie haben nichts verstanden! „Dürftiger Bei- fall“ steht im Protokoll! – Gegenruf des Abg. Bir- zele SPD: Wie immer unqualifizierter Zuruf des Kollegen Haas! – Abg. Schmiedel SPD: Gespens- terdiskussion!)
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir leisten uns in diesem Landtag wieder einmal den Luxus, in einer Aktuellen Debatte ein aktuelles bundespolitisches, durchaus interessantes, wichtiges Thema zu diskutieren. Da wir nichts zu entscheiden haben, kommt es dabei darauf an, wie man sich hier präsentiert, ob die Journalisten wahrnehmen, dass man sich präsentiert, und dass man den Wahlkampf ein bisschen einleitet.
(Beifall der Abg. Stephanie Günther Bündnis 90/ Die Grünen – Abg. Dr. Salomon Bündnis 90/Die Grünen: Aber mit Abstand! – Abg. Haas CDU: Wo ist das Fernsehen? – Abg. Nagel SPD: Die Krawatte rettet den Kopf auch nicht!)
Der Landtag sieht im Bewusstsein seiner geringen Rangfolge die Notwendigkeit, damit seine Tagesordnung auszufüllen. Das ist die eine Schwierigkeit.
Die zweite Schwierigkeit, liebe Kollegin Fauser, ist: Wenn Sie das schon machen, dann bitte ich darum, dann in die Details zu gehen und die Tatsachen darzustellen. Rundumschläge können wir immer ablassen. Wir können uns da auch streiten. Es ist in der Öffentlichkeit bekannt, dass wir unterschiedlicher Meinung sind. Gelöst haben wir damit aber nichts.
Worum geht es? Erstens gibt es eine Regelung der europäischen Sozialpartner zur Frage der Befristung von Arbeitsverträgen. Darin wird davon ausgegangen, dass Arbeitsverträge im Grundsatz unbefristet sind, dass aber eine Befristung als Möglichkeit in den einzelnen Mitgliedsstaaten geregelt wird.
Es gibt zweitens die noch von der alten Regierung schon 1985 eingeführte Regelung, dass Arbeitsverträge grundlos befristet werden können. Diese Regelung wurde selbst befristet. Jetzt passiert Folgendes: Sie wird ohne jegliche Befristung Gesetz, mit einigen zusätzlichen Regelungen zur Präzisierung, die Missbräuche ausschließen sollen. Darum geht es.
Jetzt reden Sie einmal darüber, was wirklich der Fall ist. Warum wurde das Gesetz denn befristet? Weil man herausfinden wollte, ob die erwarteten Effekte überhaupt eintreten. Ich behaupte: Der in Deutschland bestehende Kündigungsschutz, der, wie ich finde, eine soziale Errungenschaft ist und die Arbeitnehmer vor Missbrauch durch Arbeitgeber schützt, und der erreichte Standard verhindern in keinem Fall irgendeine Beschäftigung. Diese Behauptung lässt sich empirisch nicht begründen.
Dahinter steckt eine andere Absicht, nämlich die Position des Arbeitgebers in dieser Frage zu stärken, aber Beschäftigung wird damit nicht geschaffen,
es sei denn in bestimmten konkreten zu beschreibenden Punkten, möglicherweise bei Existenzgründern. Vielleicht gibt es auch Gelegenheit für ältere Arbeitnehmer, leichter in Arbeit zu kommen. Aber alles andere lässt sich in den letzten Jahren empirisch nicht begründen.
Ich kann Ihnen sagen, wie das im Verlagsgewerbe behandelt wurde. Diese Möglichkeit bestand zunächst einmal nicht. Dann wurde dazu übergegangen, neu Einzustellenden generell zunächst einmal nur einen auf zwei Jahre befristeten Arbeitsvertrag anzubieten. Inzwischen tun sie das nicht mehr. Woran liegt das? Das liegt nicht an dem Gesetz und nicht an der Juristerei. Das hängt mit der Lage auf dem Arbeitsmarkt zusammen.
Warum, frage ich Sie, bietet die rheinland-pfälzische Landesregierung ihren Lehramtsanwärtern jetzt ordentliche Verträge und Beamtenstellen an und nicht mehr befristete Stellen? Weil die rheinland-pfälzischen Lehramtsanwärter nach Baden-Württemberg gehen und der Arbeitsmarkt das nicht mehr hergibt.
Das heißt, eine solche generelle Regelung, die eine Befristung einfach so erlaubt, ist im Ernstfall nichts weiter als eine Verlängerung der Probezeit und schwächt die Stellung des Arbeitnehmers, hindert den Arbeitgeber aber überhaupt nicht an Unternehmerentscheidungen.
Sie kennen die höchstrichterliche Entscheidung des Arbeitsgerichts nicht, lieber Kollege von der CDU. Selbstverständlich ist ein Unternehmer bei seiner unternehmerischen Entscheidung in der Lage – eine Entscheidung, die im Übrigen von niemandem überprüft wird, auch nicht vom Arbeitsgericht –, auch zum Beispiel Arbeitnehmer, die sonst als unkündbar gelten, zu entlassen, wenn es der Betrieb erfordert. Unter fünf Beschäftigten besteht ohnehin kein Kündigungsschutz. Die bestehende Regelung der Teilzeit zum Beispiel wird in Betrieben mit weniger als 15 Beschäftigten auch nicht angefasst. Was soll denn von Ihrer Seite aus zu beklagen sein?
Ich will nachher noch auf die positiven Effekte eingehen. Ich will Ihnen aber schon einen Punkt nennen, der durch diese neue Regelung ausgeschaltet wird: In Mannheim zum Beispiel gibt es im Augenblick einen heftigen Arbeitskampf bei einem solchen neuen Unternehmen, bei Transmedia, das von der Erstellung von Websites, Magazinen usw. lebt: 150 Beschäftigte, die keinen Tarifvertrag haben und die um einen Tarifvertrag mit dem Arbeitgeber kämpfen. 76 % der Beschäftigten dieser Firma sind befristet beschäftigt. Jetzt geschieht nichts anderes, als diese befristete Beschäftigung weiterhin zuzulassen mit der einen Ausnahme, dass Kettenverträge unterbunden werden. Es geht also um die Fälle, in denen aus einem Grund befristet beschäftigt und dann ohne Grund nachgelegt und weiter befristet beschäftigt wird.
Es ist eine vernünftige Regelung, diese Beschränkung einzuführen. Aber ein Grund für Ihre Klage über eine Einschränkung der Unternehmerfreiheit und eine Überregulierung besteht überhaupt nicht. Das hätten Sie festgestellt, wenn Sie anstelle eines Rundumschlags in die tatsächlichen Details der Gesetzgebung gegangen wären.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich glaube, Frau Kollegin Fauser, Sie haben den von Ihnen selbst eingebrachten Antrag auf Durchführung einer Aktuellen Debatte nicht richtig gelesen. Denn er beinhaltet etwas anderes als das, was Sie heute angesprochen haben. Er beinhaltet zum Beispiel das Thema Greencard und andere Themen, die es wert sind, besprochen zu werden, weil sie sich in eine Richtung bewegen, die man nicht unbedingt einschlagen sollte.
Wir haben heute zahlreiche befristete Beschäftigungsverhältnisse. Dies ist auf der einen Seite mit Sicherheit gut für den Mittelstand, weil er sich nicht dauerhaft binden muss, wenn er solche Kräfte bekommen kann. Auf der anderen Seite muss man natürlich auch sehen: Jede Ausnahmeregelung sollte irgendwann einmal in eine Regel münden.
Es ist doch so: Bei befristeten Beschäftigungsverhältnissen ist jemand zum Beispiel ein oder zwei Jahre lang oder
möglicherweise noch länger dabei; da basteln die Juristen manchmal ja ganz raffinierte Verträge. Oft wird in diesem Betrieb durch Altersfluktuation oder Kündigung irgendwann eine Stelle frei, sodass der Betreffende in ein Dauerbeschäftigungsverhältnis übernommen werden kann.
Ich glaube, es sollte das Ziel sein, den Leuten nicht immer wieder wie Berufsfußballern – Fußballspieler verdienen ein bisschen mehr und müssen sich das gefallen lassen – kurze Verträge anzubieten. Ein normaler Beschäftigter sollte sich in einem festen Arbeitsverhältnis befinden, sodass er auch zur Bank gehen und nach einem Kredit fragen kann. Wenn jemand nur ein zeitlich befristetes Arbeitsverhältnis hat, müssen Sie mir eine Bank zeigen, die ihm ein Haus oder eine Eigentumswohnung finanziert. Schon dort beginnen die Probleme, wenn keine Sicherheit da ist.
Sicherheit muss kommen. Natürlich ist durch die Regulierungswut der Bundesregierung vor allem dem Mittelstand großer Schaden entstanden. Die Regelung, die zur Scheinselbstständigkeit vieler führte, war ein totaler Schlag ins Gesicht des Mittelstands. Das muss nicht sein. Wir finden überall übertriebene Regulierungen dieser Bundesregierung. Da braucht man gar nicht ins Einzelne zu gehen.
Schließlich gibt es noch die Diskussion über die Teilzeitbeschäftigung. Man muss sich darüber im Klaren sein: Betriebswirtschaftlich gesehen ist Teilzeitbeschäftigung die teuerste Art der Beschäftigung; das ist einfach so.
Für viele Betriebe, bei denen es um die Einhaltung von Terminen geht, ist es sehr schwierig, mit Teilzeitkräften zu arbeiten, weil Teilzeitarbeitskräfte meistens diejenigen sind, die auch zu Hause noch Pflichten nachkommen müssen und die nicht so flexibel sein können wie Arbeitnehmer, die ihren gesamten Lebensunterhalt aus dem Arbeitsverhältnis bestreiten. Auch hier muss man irgendwo beginnen, ein Ende zu machen, damit wir dieser Regulierungsflut nicht total unterliegen und die Bewegungsfreiheit jedes Betriebs völlig am Ende ist.
Sie haben zu Recht angesprochen, dass in gewissen Branchen Fachkräftemangel besteht. Es gibt ihn, aber wir bekommen ihn nicht aus der Welt, wenn wir den Computerfachmann aus Indien, den Maurer aus Russland und den Dachdecker aus Marokko holen. Wir können den Fachkräftemangel aber beheben, wenn wir unsere Jugend wieder in diesen Branchen ausbilden, wenn wir Handwerksberufe wieder attraktiv machen und wenn wir dafür sorgen, dass die Leute, die im Handwerk arbeiten, auch das gesellschaftliche Ansehen bekommen, das ihnen für ihre Arbeit zusteht.
Das ist nämlich der wichtigste Punkt: Viele junge Menschen, viele Buben sagen: „Ich laufe doch nicht mit dem Blaumann durch die Stadt; da lacht mich doch jeder aus, da werde ich doch nicht ernst genommen.“ Wenn Herr Bloemecke hierzu nickt, dann ist er ein Mensch mit Lebenserfahrung: Er weiß genau, dass es so ist.
Wir müssen die Jugend dazu bewegen, sich wieder in diesen Berufen ausbilden zu lassen. Wir haben genügend junge Menschen. Wir brauchen bei einem Sockel von 4 Millionen Arbeitslosen doch nicht darüber zu diskutieren, neue Leute ins Land zu holen. Effektiv sind es sogar noch mehr Arbeitslose, 4 Millionen ist die Zahl, die die Statistik zugibt.
Wir müssen in die Jugend investieren. Wir müssen die Mittel, die wir für andere Dinge einsetzen, in die Jugend investieren. Das ist der wichtigste Punkt; dann kommen wir auch über den Fachkräftemangel hinweg.
Diejenigen, die heute darüber diskutieren, kommen aus der SPD und von den Grünen; das sind diese typischen Lehrerparteien, da sind nicht viele dabei, die sich je um einen Arbeitsplatz in der freien Wirtschaft bemühen mussten.
Kommen Sie heute einmal als 45- bis 55-Jähriger in einen Betrieb und sagen Sie, Sie seien beruflich qualifiziert und wollten dort arbeiten. Sie können die besten Zeugnisse haben, aber Sie werden keinen Arbeitsplatz bekommen, wenn Sie nicht von irgendeiner Seite, etwa vom Arbeitsamt, gefördert werden. Darin liegt das Problem.
Die SPD kommt immer wieder auf die Idee, die Älteren noch ein paar Jahre länger arbeiten zu lassen, bevor sie Rente bekommen, und versucht, hier wieder eine neue Diskussion zu entfachen. Sie haben doch überhaupt nicht die Voraussetzungen geschaffen, dass ein 55-Jähriger noch einen Job bekommen kann. Wie wollen Sie denn jemanden zwischen 65 und 67 Jahren noch beschäftigen, wenn Sie es bei den 10 bis 15 Jahre Jüngeren nicht erreichen?
Sie müssen generell daran arbeiten. Wir müssen hier ganz andere Diskussionen führen, zum Beispiel über die Wertigkeit des Arbeiters in dieser Gesellschaft. Aber das sind eben Menschen, die Ihnen, hauptsächlich Ihnen von der SPD, aus dem Blick verschwunden sind.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte mich zum Schluss auf ein paar wenige Bemerkungen beschränken. Es ist vieles, zum Teil auch Falsches, gesagt worden.
Erstens: Dem Bundestag und dem Bundesrat werden jeweils zwei Gesetzentwürfe betreffend Teilzeitarbeit und befristete Beschäftigung zur Beratung vorliegen. Dazu kommt, dass der Gesetzentwurf der Bundesregierung auch in beide Gremien muss. Dann werden jeweils eine Initiative Hessens und eine Initiative der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, die beide auf eine unbefristete Verlängerung des geltenden Beschäftigungsförderungsgesetzes abheben, eingebracht werden. Ich möchte jetzt gleich vorwegnehmen, und ich werde es auch noch begründen: Baden-Württemberg wird der hessischen Initiative beitreten.
(Abg. Rudolf Hausmann SPD: Das haben wir nicht vermutet! – Abg. Weimer SPD: Das ist aber über- raschend!)
Ich erwähne dies nur, damit man einmal sieht, was alles noch zu diesem Gesetz zur Beratung vorliegt.
Zweitens: Man kann sicher trefflich darüber streiten, ob ein zusätzlicher gesetzgeberischer Handlungsbedarf aufgrund der geltenden EU-Richtlinien zu Teilzeitarbeit und befristeten Arbeitsverträgen überhaupt zwingend ist. Jedenfalls – das muss man eben auch zur Historie sagen – lag der fertige Gesetzentwurf der Bundesregierung seit Wochen in der Schublade. Erst nachdem Bundeskanzler Schröder mit dem DGB-Vorsitzenden über die Rente gesprochen hatte, war der Entwurf plötzlich in der Öffentlichkeit.